Die Magie zweier unterschätzter Anti-Aging-Waffen: Humor und (Selbst-)Ironie
Am Nebentisch in einem urigen Gasthof im Allgäu sitzt eine Gruppe von um die 70-Jährigen. Grauhaarige Männer und Frauen mit interessanten Gesichtern und der Aura von Edel-Bohemiens. Ihre Gespräche drehen sich um ein vieldiskutiertes Bauprojekt in Berlin. Vielleicht handelt es sich um die Chefs eines mittelständischen Architekturbüros, die sich in Begleitung ihrer Frauen zu einem Wanderwochenende getroffen haben. Vielleicht sind es auch Freunde mit ganz unterschiedlichen Berufen, die sich noch aus der Studienzeit kennen.
Einer der Männer erzählt, er habe gerade ein Schreiben von seiner Gemeinde erhalten. »Sie bitten uns zum Seniorennachmittag mit Kaffee und Kuchen«, ergänzt seine Frau. Die restlichen Mitglieder der Gruppe lächeln und nicken. Eine der Frauen berichtet von einer ähnlichen Erfahrung: »Mein Mann ist vor Kurzem zum Rosenkranzgebet eingeladen worden.« Aus Richtung des Tisches ist jetzt ein amüsiertes Brummen zu hören. »Bisher hatte er allerdings noch keine Zeit, sich dort einzufinden«, fährt die Frau fort. »Er organisiert ja selbst Altennachmittage in unserem Rotary-Club.«
Die Truppe macht sich lustig über die gut gemeinten Angebote, die zu diesen intellektuellen und aktiven Senioren jedoch genauso wenig passen wie die Schnabeltasse in den Geschirrschrank eines Gourmetrestaurants. Die Beispiele zeigen aber auch sehr deutlich, welche Altersstereotype über die 70-Jährigen in Umlauf sind und wie man ihnen auf elegante Weise begegnen kann: mit Humor und Ironie.
Das Robert-Redford-Syndrom Wenn man an einem flirtversprechenden Frühlingsabend gut angezogen in einer Bar sitzt und feststellen muss, dass einen keiner der anwesenden Männer registriert – gibt es in derlei Situationen einen schnell wirkenden Trost? Ja, es gibt ihn: Selbst weltweit anerkannten Sex-Symbolen ergeht es in ähnlichen Momenten nicht anders. »Früher fielen die Frauen bei meinem Anblick fast in Ohnmacht«, stellte der älter werdende Robert Redford fest. »Heute sagen sie: Ach, den gibt es noch?« |
Warum Engländer eine gute Party noch besser machen
Manche Menschen tun sich schwer mit den beiden verwandten Geisteshaltungen Humor und Ironie, die uns selbst in aussichtslosen Situationen das Leben erleichtern können. Andere wiederum pflegen sie so selbstverständlich, als wären sie ihnen mit der Muttermilch verabreicht worden. Zu ihnen zählt etwa der Dichter Oscar Wilde, von dem folgende Anekdote überliefert ist: Der Autor hatte sich am Ende seines Lebens in einem armseligen Zimmer in Paris einquartiert. Er hauste dort unter falschem Namen, und an jenem Tag ging es ihm so schlecht, dass klar war, er würde ihn kaum überleben. Seinen Tod vor Augen, erhob sich dieser Dandy und Ästhet, dem Stil und Äußerlichkeiten immer so viel bedeutet hatten, über die Situation, indem er seufzend sagte: »Entweder verschwindet jetzt diese hässliche Tapete – oder ich.«
Oscar Wilde ist zwar gebürtiger Ire, lebte aber jahrzehntelang in London und gilt als typischer Vertreter des britischen Humors. Die Amerikanerin Diana Vreeland berichtet in ihrer Autobiografie »Allure«, dass sie bei ihren geselligen Abenden darauf achtete, immer auch einige Engländer unter die Gäste zu mischen. Denn kaum seien einige dieser Stimmungsaufheller in einem Raum versammelt, so hat Vreeland beobachtet, stelle sich dort automatisch eine heitere und unaufgeregte Atmosphäre ein.
Diese Haltung der Leichtigkeit bewahren sich die Engländer sogar in lebensgefährlichen Situationen. Es gab mal einen BBC-Reporter, der für seinen Sender in einem Krisengebiet im Einsatz war. Als neben ihm eine Bombe explodierte, sagte er nur: »Oh, ich hoffe, Sie hören mich noch, das war etwas laut hier gerade.«
Die Deutschen gelten als weniger begabt in der Kunst der ironischen Plauderei. Dabei sind Humor und Ironie bewährte Werkzeuge, die im Koffer jedes an Lebenskunst Interessierten nicht fehlen sollten – gerade in der Lebensmitte, wenn die weniger lustigen Ereignisse sich häufen.
Kürzlich zeigte die Hollywoodschauspielerin Sigourney Weaver in einem Interview mit der Zeitung Welt Kompakt, wie virtuos sie den Umgang damit beherrscht. Auf die Frage, ob sie sich vorstellen könnte, noch ein fünftes Mal in einem Alien-Film mitzuspielen, antwortete Weaver, dass das für sie auf keinen Fall infrage komme. »Inzwischen müsste ich die Aliens mit dem Krückstock verprügeln.«
Ironie ist wie der Zoom einer Kamera: Sie schafft Distanz
Wer so entspannt mit seiner eigenen Legende umgeht wie die Schauspielerin, zeigt den anderen, dass Humor und Ironie zwei wunderbare Anti-Aging-Waffen sind. Aber wie genau funktionieren sie eigentlich – und was genau ist das Geheimnis ihrer Wirksamkeit?
Ganz einfach: Wer sie zu gebrauchen weiß, verhält sich im Prinzip wie ein Hobbyfotograf, der bei einer Safari seine Kamera auf eine Landschaft mit Nashorn richtet. Je näher er das Nashorn zu sich heranzoomt, desto beängstigender erscheint das Tier mit dem beeindruckend aufgerissenen Maul. Fokussiert der Fotograf dagegen die Landschaft im Hintergrund, bildet das Nashorn nur ein Detail des Gesamtbildes. Ein Schwergewicht, vor dem sich niemand fürchten muss.
Die Ironie ist wie der Zoom der Kamera – sie schafft Distanz. »Mit dem Blick von außen relativieren sich die engen, unbeweglichen Verhältnisse, über die der Ernst des Faktischen tyrannisch herrscht«, resümiert der Philosoph Wilhelm Schmid. Durch diese Linse betrachtet, erscheint uns die Tatsache, dass wir alle älter werden, wie das Nashorn in der Savanne: eine Erscheinung, die zum Leben einfach dazugehört.
Wer das Älterwerden aus dieser Perspektive betrachtet, findet überall Anlass zur Heiterkeit. Eine hübsche Kostprobe gab der Entertainer Thomas Gottschalk, der in einem Interview mit dem Magazin stern betonte, wie wichtig ihm ein harmonisches Familienleben sei: »Ich könnte nicht fröhlich vor irgendeiner Kamera stehen, während meine Frau ein Verhältnis mit dem Tennislehrer hat. Gott sei Dank sind wir aus dem Alter raus. So alte Tennislehrer gibt es gar nicht.«
Die Ironie ist ein süßes Gift, von dem man – hat man es einmal genossen – gerne mehr haben will. Sie verkleidet die Worte, verkehrt ihren Sinn ins Gegenteil, trägt ein Lächeln im Gesicht, plaudert mit Entzücken und sprüht vor Witz. Allerdings hat sie auch eine Kehrseite, vor der hier gewarnt werden soll: Wer alles ironisiert, entzieht sich wie ein renitenter Aal dem Zugriff der Anderen. »Das kann zur Folge haben, keine seriöse Rede mehr zu führen, eine Haltung ohne Halt einzunehmen, nichts zu affirmieren, sodass sich alles auflöst«, warnt Wilhelm Schmid. Eine Haltung, die echte Kommunikation verhindert und Andere ratlos macht.
Die Ironie zu gebrauchen, erfordert also Training und ein gewisses Maß an Klugheit. Sonst riskiert man, dass sich ihr Effekt ins Gegenteil verkehrt.
In diese Falle tappte ein reifer Herr, der seine sehr junge Begleitung in eine Münchner Bar ausgeführt hatte. »Wir Oldies trinken am liebsten Whiskey, der genauso alt ist wie wir«, erklärte er der Frau, von der er offenbar als Mann von Welt und Genießer wahrgenommen werden wollte. Im weiteren Verlauf des Abends wies er noch mehrmals penetrant darauf hin, dass er sich als »Oldie« sah. Offensichtlich wartete er darauf, dass sie ihm mit einer Bemerkung folgenden Inhalts schmeichelte: »Aber nein, lieber Freund, ein attraktiver Mann wie du ist alterslos.«
Auf ein solches Kompliment wartete er den Rest des Abends vergeblich – hatte er seine junge Begleiterin durch seine unausgesetzte, pseudo-lustige Selbststilisierung als »Oldie« doch erst recht auf die schätzungsweise 30 Jahre, die ihn von ihr trennten, aufmerksam gemacht. Wer Ironie so plump einsetzt, darf sich nicht wundern, wenn das süße Gift sein toxisches Potenzial offenbart – und ihn ins Abseits manövriert.
Der Granny-Appeal In einem Land, in dem sich alle Schauspielerinnen ab 30 liften lassen, verfügt man als naturbelassene Frau über ein Alleinstellungsmerkmal, das man auf dem Markt teuer verkaufen kann – das hat Geraldine Chaplin herausgefunden. »Wenn ich keine Jobs mehr bekäme, würde ich alles liften, meine Knie, meinen Hals, alles, sofort. Aber ironischerweise sind meine Falten mein Kapital. Zum Beispiel, wenn Regisseure von Kostümfilmen nach ungelifteten Großmüttern suchen.« |