Sechzehntes Kapitel

Munterer Reigen auf Roman Ending

»Also gut, Kind. Dann zeigen Sie mir mal die Stelle«, sagte Mrs. Bradley. Die hohen Pappeln, die hinter der Mühle von Iffley standen – oder vielmehr dort, wo sich die Mühle befunden hatte, bevor sie niederbrannte –, trugen junge Blätter und leuchteten in einem goldenen Grün. Das vorüberströmende Wasser kräuselte sich im Wind und funkelte blau, grau und silbern im Sonnenlicht, außer am Ufer, wo es sich verstohlen einen Weg unter der Böschung entlangbahnte. Mehrere Reihen von Kopfweiden mäanderten über die weiten Felder, die den Treidelpfad säumten, sie zeichneten den Verlauf kleiner Bäche nach, die in den Fluss mündeten. Am Horizont waren niedrige Hügel zu erkennen, denen die daraus emporwachsenden Baumgruppen ein pilzartiges Aussehen verliehen.

»Noch ein kleines Stück«, sagte Tombley. Sie folgten der Flussbiegung und blieben vor zwei Kopfweiden stehen, deren Stämme sich fast berührten.

»Er hat gesagt, jemand habe das Zeug zwischen diese beiden Bäume gestopft«, sagte Tombley. Doch Mrs. Bradley beachtete die Bäume gar nicht. Vielmehr kehrte sie ihnen den Rücken zu und schaute in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Dann sah sie auf die Uhr.

»Hören Sie, Kind«, sagte sie. »Ich würde gerne Ihre Armbanduhr mit meiner abgleichen. Und wenn ich es Ihnen sage, möchte ich, dass Sie losrennen. Rennen Sie so schnell Sie können und halten Sie auch an der Mautstation nicht an. Werfen Sie den Leuten Ihren halben Pfennig einfach zu und rennen Sie weiter, bis Sie etwa sechzig Meter von der Abzweigung zu Fossders Haus entfernt sind. Dort hören Sie auf zu rennen und verfallen stattdessen in ein rasches, aber nicht zu eiliges Schritttempo. Gehen Sie nicht bis zu Fossders Tor, sondern nur bis zur Hecke, und dann schauen Sie auf die Uhr. Merken Sie sich die Zeit auf die Sekunde. Anschließend kommen Sie wieder zurück. Wir sehen uns …«

»Bei Philippi?«, fragte Tombley, halb ernsthaft, halb ironisch. Sie schüttelte den Kopf.

»O nein, Kind. Nicht bei Philippi. Ihr Shakespeare-Zitat ist ganz und gar unpassend. Ich glaube nicht, dass Sie Mr. Fossder ermordet haben, und ich weiß, dass Sie nicht der Geist waren.«

»Wie können Sie da so sicher sein?«

»Sie hätten die Verkleidung vermutlich verbrannt.«

»Aber warum wurde sie denn nicht verbrannt?«

»Sie war nicht mehr da, als der Mörder sie holen wollte. Ihr Onkel hatte sie bereits an sich genommen.«

»Aber was, wenn Onkel Simith selbst der Mörder war?«

Mrs. Bradley nahm ihre Uhr in die Hand und stellte sie auf exakt dieselbe Zeit ein, die Tombleys Uhr anzeigte. Sie antwortete nicht auf seine Bemerkung.

»Fertig? Los!«, sagte sie und sah mit großer Genugtuung, wie er so schnell davonstürmte, dass die weiche Erde in kleinen, feuchten, schwärzlichen Klumpen von seinen Stiefelabsätzen geschleudert wurde, während seine Ellbogen auf energische, wenn auch eher unorthodoxe Weise die Luft durchschnitten. Sie seufzte vor Freude und schritt ihm forsch hinterher. Sie trafen sich bei der großen alten Ulme, die vor dem Gasthof stand. Tombley schwitzte, schien jedoch nicht im Geringsten außer Atem zu sein.

»Waren Sie sehr außer Puste, als Sie dort eintrafen?«

»Nein, überhaupt nicht. Dank der sechzig Meter, die ich im Schritttempo zurückgelegt habe, war ich gut ausgeruht. Ich war natürlich etwas erhitzt, aber das war auch alles.«

»Ah, aber das würde um Mitternacht kaum auffallen«, sagte Mrs. Bradley zufrieden. »Wie lange haben Sie gebraucht?«

»Drei Minuten und sechsunddreißig Sekunden. Genauer konnte ich das ohne Stoppuhr nicht bestimmen.«

»Aha«, sagte Mrs. Bradley. »Dann können wir heimfahren, Kind. Und jetzt sagen Sie mir noch: Was wollte Ihr Onkel hier, am Heiligen Abend um Mitternacht?«

»Er wollte mich ausspionieren, glaube ich. Ich hatte ausgeplaudert, dass ich eine Verabredung mit Mr. Fossder hatte, und er hasste den alten Fossder ja. Ich vermute mal, das hat ihn neugierig gemacht, und er wollte herausfinden, was um alles in der Welt Fossder und ich im Schilde führten.«

»Was für eine Art Mann war Fossder?«

»So ehrlich, wie man nur sein kann. Es war Onkel Simith, der den Zwist so lange aufrechterhalten hat, wissen Sie. Fossder hätte sich längst mit ihm versöhnt. Genauer gesagt hat er das ja auch, zumindest insofern, als er meinen Onkel zum Zeugen für sein Testament eingesetzt hat.«

»Ehrlich war er also? Das hatte ich auch schon gehört. Ein offenherziger, ehrenhafter Mensch – und ich glaube, dass er genau wegen dieser beiden Eigenschaften ermordet wurde, Kind.«

»Also wissen Sie, wer der Mörder ist!«, sagte Tombley, der plötzlich begriff. Er schwieg, bis das Auto den Bayswater Brook überquerte.

»Aber wie haben Sie es herausgefunden, Mrs. Bradley?«, fragte er.

»Zunächst habe ich das ja gar nicht. Obwohl, nein, das stimmt nicht ganz. Ich habe es sofort gewusst, aber ich konnte es nicht glauben. Ich habe dann in alle möglichen anderen Richtungen ermittelt, und es gab einen Zeitpunkt, da hatte ich mich fast davon überzeugt, dass meine erste Vermutung falsch gewesen war. Aber es gab immer sehr konkrete Hinweise, insbesondere, was das Temperament des Mörders anbetraf. Später, als das Testament bekannt wurde, kam dann auch das Motiv hinzu. Das konnte ich unmöglich ignorieren. Aber Kind, warum haben Sie mir denn nicht erzählt, dass Ihr Onkel den Geist entdeckt hatte, oder vielmehr das Kostüm?«

»Ich hielt es nicht für wichtig. Außerdem wusste ich ja, dass Sie es dem Inspektor weitererzählen würden. Und der hätte mich dann sofort als Fossders Mörder verhaftet.«

Mrs. Bradley kicherte.

»Der Inspektor glaubt im Grunde genommen gar nicht, dass Fossder ermordet wurde«, sagte sie.

Das Auto hielt neben dem Wirtshaus Star.

»Nicht hier, George. Fahren Sie nach Roman Ending!«, sagte Mrs. Bradley hastig.

»Warum wollen Sie mit zu mir fahren?«, fragte Tombley. »Ich habe keine Zeit. Ich muss die Schweine füttern.«

»Ja, Kind, ich weiß. Aber wenn wir bei Ihnen zu Hause sind, möchte ich, dass Sie die Verkleidung anziehen und mir zeigen, wie Sie darin aussehen.«

»Ich?«

»Sie.«

»Aber warum?«

»Zu Vergleichszwecken. Ich würde gerne sehen, wie groß Sie im Vergleich zu Mr. Fossders Mörder sind.«

»Aber dieses Nachthemd reichte ihm wahrscheinlich gar nicht mal bis zu den Füßen hinunter.«

»Ich weiß, Kind.«

»Sie werden mich aber nicht den ganzen Kram anziehen lassen und dann den Inspektor aus irgendeiner Ecke hervorzaubern, damit er mich einlocht? Keine bösen Spielchen, ja?«

»Kein einziges böses Spielchen, Kind. Seien Sie nicht so nervös und argwöhnisch.«

»Ich bin argwöhnisch. Ich traue Ihnen nicht.«

»Dann sind Sie aber sehr undankbar. Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich Sie nicht verdächtige.«

»Niemand außer Fay kann mir ein Alibi geben, und ich werde nicht zulassen, dass sie mir eines gibt.«

»Ja, aber für den nächsten Mord werden Ihnen sehr viel mehr Leute als nur Fay ein Alibi geben können, Kind.«

»Den nächsten Mord? Wann soll der denn stattfinden?«

»Das weiß ich nicht genau. An Pfingsten, vermute ich. Es könnte jedoch sein, dass der Mörder nicht so lange wartet. Ich weiß nicht, wie sehr er sich im Augenblick unter Druck gesetzt fühlt.«

»Und wen wird er ermorden? Sie meinen doch nicht etwa, dass er mich ermorden wird?«

»Ich weiß es nicht, Kind. Ich bin mir allerdings ziemlich sicher, dass es sich bei einer der Personen, hinter denen er her ist, um Ihren Gehilfen Priest handelt. Ob es ihm nun in den Sinn kommt, noch jemand anderes zu ermorden, kann ich im Moment wahrhaftig nicht sagen. Es wird interessant sein, das zu beobachten. Es gibt auch die Möglichkeit, dass Carey das Opfer sein wird, obwohl der Mörder etwas nicht weiß, was ich weiß.«

»Mag sein, aber es wird ganz sicher nicht interessant sein, wenn man selbst ermordet wird! Ich finde, Sie hätten diesem Burschen einen Hinweis geben sollen.«

»Welchem Burschen?«

»Dem Mörder, natürlich.«

»O, dem Mörder? Nun, er weiß, dass ich ihn verdächtige, aber er weiß nicht, wie viel ich beweisen kann.«

»Heißt das nicht, dass Sie selbst auch in Gefahr sind?«

»O doch«, sagte Mrs. Bradley. »Aber so schrecklich groß ist die nicht.« Sie lachte scharf und meckernd. »Er weiß, dass ich den Inspektor noch nicht davon überzeugt habe, dass er derjenige ist, der verhaftet werden sollte.«

»Haben Sie das denn überhaupt schon versucht?«

»Nein, noch nicht.«

Das Auto hielt auf dem Feldweg, der nach Roman Ending führte. Mrs. Bradley und Tombley stiegen aus und kletterten über den Zauntritt.

»Es gibt da eine kleine Sache, die mich, wie ich zugeben muss, ein wenig neugierig gemacht hat«, sagte Mrs. Bradley. »Ich war eines Abends einmal zusammen mit Carey hier, während Sie in Dänemark waren, und jemand hat die Steinplatte über das Loch im Boden des Holzschuppens geschoben. Carey war gerade dabei, den unterirdischen, ringförmigen Gang zu erkunden, und ich war im Haus. Fay und Jenny kamen ebenfalls ins Haus, aber keine von beiden hat das Loch verschlossen.«

»Eine von ihnen hat mir eine Broschüre zur Schweinezucht geklaut«, sagte Tombley.

»Das war ich. Aber ich glaube, die Mädchen sind gekommen, um genau dieses Buch zu holen.«

»Aber wer hat sie dazu angestiftet? Das ist schon ein wenig seltsam, finden Sie nicht?«

»Ich werde Ihnen jetzt eine direkte Frage stellen«, sagte Mrs. Bradley. »Antworten Sie nur, wenn Sie mir auch die Wahrheit sagen wollen. Wissen Sie, wer Ihren Onkel getötet hat, Kind?«

»Nein, das weiß ich nicht. Im Grunde möchte ich es auch gar nicht wissen – auch wenn mich das wahrscheinlich den Hals kosten würde, wenn mich der Inspektor jetzt hören könnte. Mein Onkel hat irgendjemandem die Daumenschrauben angelegt – das ist alles, was ich weiß. Und ich möchte nicht in den Schuhen dieser Person stecken. Er konnte ein ziemlich übler Teufel sein, wenn er nur wollte, wissen Sie? Wobei ich sagen würde, dass er das eher als bösen Scherz gemeint hat. Jemanden ernsthaft erpressen würde er nie.«

»Aber wer könnte es dann gewesen sein, der das Loch verschlossen hat?«, fragte Mrs. Bradley und sah ihn scharf an.

»Priest«, schlug Tombley vor.

»Priest war drüben in Garsington, um bei einer ferkelnden Sau zu helfen.«

»Das ist doch kompletter Unsinn«, sagte Tombley. »Säue brauchen keine Hilfe beim Ferkeln. Die sind nicht wie Pferde oder Kühe.«

»Merkwürdig«, sagte sie. Ihr fiel ein, dass Carey genau dasselbe gesagt hatte. »Er könnte Carey natürlich von Garsington aus hierher gefolgt sein. Aber ich habe ihn nicht gesehen – was nichts beweist.«

»Linda Ditch – Linda Priest, meine ich – könnte es nicht gewesen sein?«

»Wohl kaum. Abgesehen davon, dass ich nicht beweisen könnte, dass sie sich zu diesem Zeitpunkt auch nur in der Nähe der Farm aufgehalten hat, glaube ich nicht, dass eine Frau in der Lage wäre, diese Platte ganz allein hochzuhieven.«

»Ich kann es jedenfalls nicht gewesen sein.«

»Nein, Kind, Sie können es nicht gewesen sein. Sie waren schließlich gerade in Dänemark, nicht wahr?« Ihre schwarzen Augen leuchteten ironisch.

»War Pratt irgendwo in der Nähe?«

»Ich habe ihn nicht gesehen. Gut möglich, dass er zusammen mit Fay und Jenny im Auto hergekommen ist, aber ich glaube eher nicht, dass er das getan hat. Ich glaube im Gegenteil, dass er den beiden zur Zeit eher aus dem Weg geht.«

»Außerdem«, sagte Tombley, »wenn Linda nicht in der Lage wäre, die Platte anzuheben, um sie wieder auf das Loch zu schieben, dann wäre Pratt wohl ebenso wenig dazu fähig. Der Bursche scheint mir ein ziemlicher Schwächling zu sein.«

»Er wirkt so, das stimmt. Aber auf den äußeren Anschein kann man sich nicht immer verlassen. Besonders bei jungen Männern nicht.«

»Ich nehme an, es war nicht Careys Freund Hugh, der ihm einen Streich spielen wollte?«

»Ich fürchte nein. Hugh war in London. Er arbeitet in einer Bibliothek, wissen Sie. Dort geben sie ihm nicht besonders oft frei, dem armen Jungen.«

»Dann muss es wohl Priest gewesen sein. Das könnte doch sein. Er ist schließlich alles andere als entlastet, was den Mord an meinem Onkel angeht. Zwischen den beiden gab es ziemlich viel böses Blut wegen Linda, wissen Sie?«

»Ja, das weiß ich«, sagte Mrs. Bradley.

»Diese Geschichte mit der Steinplatte – steht die in irgendeiner Verbindung zu dem Mord? Was meinen Sie?«

»Ich habe nicht die geringste Ahnung. Falls ja, dann hat sie ihren Zweck nicht erfüllt.«

»Dann geschah es vielleicht aus Ärger? Weil irgendjemand einen Groll gegen Carey hegt? Oder um Sie abzulenken, während die Person sich irgendwo anders zu schaffen machte?«

»Letzteres könnte sich durchaus als wertvolle Idee herausstellen. Ich werde es auf jeden Fall im Gedächtnis behalten.« Sie sah ihn immer noch scharf an.

»Die ganze Geschichte ist mehr als merkwürdig«, sagte Tombley und runzelte die Stirn. »Es ist doch so: Falls die Person, die die Steinplatte wieder an ihren Platz gelegt hat, wusste, dass sich Carey darunter befand, muss sie ebenfalls gewusst haben, dass Sie zur Stelle waren, um ihn wieder freizulassen.«

»Aber genau das habe ich ja eben nicht geschafft«, bemerkte Mrs. Bradley und grinste, als sie sich daran erinnerte, wie sie in wilder Hast in ihrer Unterwäsche durch die Gegend gejagt war, um Hilfe zu holen. »Es muss Priest gewesen sein«, sagte sie laut. »Oder nicht, Kind?«

»Das würde ich auch meinen, ja«, stimmte Tombley ihr zu. Sie hatten den äußersten der neuen Schweineställe erreicht, die Tombley hatte bauen lassen. Insgesamt gab es fünf davon. Er nickte zu den Ställen hinüber. »Sieht doch besser aus als das alte Zeug, nicht wahr?«, sagte er stolz. »Im August wird alles fertig sein, und dann wird geheiratet. Ich kann es kaum erwarten, Fay endlich aus den Klauen von Mrs. Fossder zu befreien. Es wird ihr besser gehen, und sie wird glücklicher sein, wenn sie nicht mehr dort ist.«

»Und Jenny vielleicht auch«, sagte Mrs. Bradley. »Ist Ihnen jemals der Gedanke gekommen, dass sich – wenn Hugh nicht mehr im Rennen wäre – Jenny und Carey zusammentun könnten?«

»Du liebe Güte, nein! Carey ist der ewige Junggeselle!«, sagte Tombley amüsiert. Sie gingen an den restlichen vier Schweineställen vorbei und betraten das Haus. Dort hüllte sich Tombley – nachdem er sich noch einmal beschwert hatte, dass die Fütterung der Schweine längst überfällig sei – erst in den dicksten Mantel, den er besaß, und zog sich dann das Geisternachthemd über. Es reichte ihm bis zu den Knien. Den Teil des Kostüms mit dem Kopf unter dem Arm hatten sie vorher bereits an dem Nachthemd festgezurrt, und so stand er nun vor ihr – ein grausiges, furchterregendes Spektakel. Sah man von der Befestigung des Kopfes ab, hatte die ganze Aktion weniger als zwei Minuten gedauert.

»Und das Kostüm war auf jeden Fall in einem Stück, als Onkel Simith es mit nach Hause gebracht hat«, sagte Tombley, nachdem Mrs. Bradley ihm die Erlaubnis erteilt hatte, es wieder auszuziehen. »Ich selbst habe es auseinandergenommen und die Teile separat versteckt.«

»Ziehen Sie es noch einmal an, Kind, und laufen Sie dann ein bisschen umher. Ich möchte sehen, wie das wirkt.«

Tombley stolzierte gehorsam auf und ab, in der Gestalt eines sehr großen, kopflosen Mannes mit einem grässlich grinsenden Kopf unter dem Arm. Mrs. Bradley hatte so etwas schon einmal gesehen, bei einer Kostümparty an Bord eines Schiffes. Nachdem sie Tombley erlaubt hatte, die Verkleidung wieder auszuziehen, sagte sie: »Sie geben einen sehr guten Geist ab, Kind. Übrigens, wo hatte Ihr Onkel eigentlich das graue Pferd her, auf dem er geritten ist?«

»O, das war wahrscheinlich die alte Neddy, unser Ackergaul. Warum wollen Sie das wissen?«

»Jemand ist in der Nacht von Mr. Fossders Tod über die Folly Bridge geritten. Und am selben Tag ist auch jemand auf einem grauen Pferd durch Garsington geritten.«

»Wollen Sie damit sagen Onkel Simith war der Geist?«

»Die Person, die ich meine, ist auf jeden Fall über den Treidelpfad in Richtung Iffley geritten. Ich kann nicht sagen, wie weit sie gekommen ist. Zumindest …« Sie zögerte.

»Reden Sie weiter«, sagte Tombley. »Sie können sich nicht vorstellen, wie interessant ich das finde, was Sie da sagen!«

»Erzählen Sie mir mehr über Ihren Onkel und das Pferd.«

»Was soll ich sagen? Das Einzige wäre vielleicht, dass mein Onkel, wenn er die Wahl zwischen einem Pferd und einem Auto hatte, sich immer fürs Reiten entschieden hat. Und dann noch, dass es durchaus möglich ist, dass er über Garsington nach Oxford geritten ist, weil er niemandem begegnen wollte, den er kannte. Aber wie können Sie sich so sicher sein, dass er es war?«

»Das Pferd hat ein Hufeisen verloren.«

»Ach ja? Schön. Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich jetzt mal meine Schweine füttern gehe?«

»Ich dachte, Sie wollten mehr über Ihren Onkel erfahren.«

Tombley zögerte. »Nun ja, schon, aber die Schweine haben Vorrang.«

»Also gut, Kind. Aber ich möchte, dass Sie mir den Geist geben.«

»Und was ist mit dem Inspektor?«

»Überlassen Sie den nur mir. Dann einstweilen auf Wiedersehen. Ach, könnten Sie Priest noch eine Nachricht von mir überbringen?«

»Wenn Sie möchten.«

»Tragen Sie ihm Folgendes auf«, sagte Mrs. Bradley mit großem Ernst. »Er soll sich aus dem Staub machen. Sagen Sie ihm, ich würde jede Verantwortung für sein Wohlergehen ablehnen, wenn er noch länger in der Gegend bleibt.«

»Und Sie wollen, dass ich ihm das sage?«

»Nun, ja, Kind, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«

»Sie wollen wirklich, dass ich dem besten Schweinegehilfen in Europa – wenn nicht gar der ganzen Welt – sage, er soll verschwinden? Weil Sie nicht für die Konsequenzen verantwortlich sein wollen, wenn er hier bleibt? Ist Priest der Mörder? Warum lassen Sie ihn dann nicht einfach verhaften?«

Sie antwortete nicht auf seine Fragen.

»Ich möchte, dass Sie ihm ausrichten, was ich Ihnen gerade gesagt habe«, wiederholte sie stattdessen.

»Aber was, wenn der Mörder nie verhaftet wird? Was dann?«, verlangte Tombley zu wissen. Mrs. Bradley sah ihn an und wendete dann seufzend den Blick ab.

»Sagen Sie mir, Kind«, fragte sie beiläufig, »warum haben Sie das Loch verschlossen, als Carey unten war?« Sie faltete das Geisterkostüm zusammen. Tombley stöhnte auf.

»Also wussten Sie die ganze Zeit, dass ich es war! Gibt es überhaupt irgendetwas, was Sie nicht wissen?«

Sie ließ sich ein Stück braunes Packpapier und eine Schnur geben, trug das Paket zu ihrem Auto und reichte es George.

»Was sind Suggestivfragen doch für hässliche Sachen«, sagte sie. »Erinnert dieses Paket Sie an irgendetwas, George?«

George holte das Paket noch einmal hervor und wog es in den Händen. Sein Blick traf den seiner Arbeitgeberin.

»Ja, Madam. Ich fürchte, das tut es«, sagte er.

»Ah«, sagte Mrs. Bradley. »Aber wir könnten es nicht beweisen, George. Verstauen Sie es wieder, Kind, und fahren Sie mich zurück zum Alten Hof.«

Tombley war ihr nach draußen gefolgt.

»Woher wussten Sie, dass ich es war? Ich brauche Ihnen natürlich kaum zu versichern, dass ich erst später erfuhr, dass Carey da unten war.«

»Das weiß ich doch, Kind. Und ich weiß auch, dass Fay nicht nach Dänemark gereist ist, mit dem Geld, das sie sich von Jenny geliehen hat.«

»Nein. Ich bin nur für zwei Wochen nach Dänemark gefahren. Nach meiner Rückkehr haben wir zusammen in einem möblierten Apartment nicht weit von Hove gewohnt.«

Mrs. Bradley schauderte es.

»Das war schon in Ordnung. Ich habe es genossen«, protestierte Tombley. »Im Vergleich zu diesem Loch hier kam es mir wie ein Palast vor. Wie auch immer, ich hielt es für eine gute Idee, ab und zu heimlich nach meinen Schweinen zu sehen. Ich konnte mir nie wirklich erklären, was aus dem wurde, das wir über Weihnachten verloren haben. Ich will nicht glauben, dass Priest es an sich genommen hat.«

»Als ich Fay an jenem Abend sah, kam mir der Verdacht, dass Sie selbst auch nicht weit entfernt waren.«

»Sie müssen eine Hellseherin sein, anders kann ich mir das nicht erklären. Also schön. Als ich sah, dass die Steinplatte nicht auf dem Loch lag, habe ich keinen Moment nachgedacht. Ich hatte einfach nur Angst, dass ich einen Teil des Kostüms da unten vergessen hatte, denn dann würde es mir rasch an den Kragen gehen.«

»Auch das habe ich bereits geschlussfolgert«, sagte Mrs. Bradley. »Tatsächlich war es dieser Umstand, der mich zu der unumstößlichen Überzeugung gelangen ließ, dass sich die Verkleidung hier auf Roman Ending befand. Da ich die Identität des Geistes kannte und wusste, dass es weder Sie noch Ihr Onkel waren, konnte ich ziemlich sicher sein, den Grund für zumindest einige der seltsamen Vorkommnisse zu kennen, die sich seit Heiligabend in dieser Gegend zugetragen haben.«

»Los geht’s«, sagte Ditch. Er stand links, an seinem angestammten Platz in der Morris-Tanzgruppe. Ihm gegenüber stand der junge Walt. Bob stand neben seinem Vater, und neben Walt stand Pratt. Das letzte Paar bildeten Carey und Tombley. Priest stand daneben und sah zu.

Sie tanzten zu Blue-Eyed Stranger. Anschließend ließen sie ihre Taschentücher sinken, und Pratt wischte sich das Gesicht mit dem Hemdsärmel ab. Ditch löste sich aus der Gruppe, legte seine Taschentücher beiseite und griff zur Ziehharmonika.

»Also, Mr. Priest«, sagte er. »Dann nehmen Sie doch bitte mal meinen Platz ein« Bisher hatten sie während des Tanzens lediglich die dazugehörige Melodie gesummt. Jetzt begann Ditch, auf seinem Instrument zu spielen. Dabei starrte er in die nordöstliche Ecke der Zimmerdecke hinauf.

»Das ist ja, als würde man für eine Regatta trainieren«, sagte Carey zu Tombley. »Was gäbe ich nicht für einen Drink!«

»Nehmt eure Stöcke, und dann tanzen wir Rigs o’ Marlow«, kommandierte Ditch und griff sich seinen eigenen Stock vom Tisch. Er nahm wieder seinen Platz am Kopfende der Gruppe ein, während Priest aus einer großen, versteckten Tasche in seinem Mantel ein langes Rohrblattinstrument herauszog, dessen Mundstück er an seinem Ärmel abwischte.

»Soll ich euch mal mit dem Schätzchen hier aufspielen?«

»Ja, nur zu, Mr. Priest, spielen Sie das Stück noch mal, damit wir sehen können, ob wir’s auch richtig machen, und lassen Sie die ganzen komplizierten Fingersätze einfach weg, es muss nur zum Tanzen reichen.«

»Alles klar. Aber ich wette, ich schaffe auch die komplizierten Sachen. Diese kleine Pfeife hier und ich, wir sind wie ein Liebespaar. Ich hab sie schon in Kirtlington beim Lamb Ale Festival gespielt. Ist lang her. Das war noch vor Walts Geburt.«

»Oha! Wer’s glaubt, wird selig!«, grinste der junge Walt. Priest lächelte, setzte sich die Oboe an die Lippen, hob die Augen wie ein Mann, der gerade ein köstliches Bier genießt, und begann, die Melodie zu spielen. Eine lebhafte Musik erklang, die das Blut in Wallung brachte. Die Tänzer zuckten unwillkürlich mit den Füßen und klopften zum Refrain leise mit den Stöcken.

»Also los!«, sagte Ditch, und die Tänzer formierten sich zu einer Linie. Ditch kreuzte seinen Stock mit Walts. Er stand mit geraden Beinen da, nur auf den Fußballen, und hielt seinen muskulösen Körper mit Leichtigkeit im Gleichgewicht, bereit, jeden Moment mit dem Tanz zu beginnen. Wie er so vor sich hin schaute, mit freundlichem, aber unbeirrbarem Blick, erschien er wahrhaftig wie der würdige Bewahrer einer allseits verehrten und ehrenvollen Tradition – der Hüter von Mysterien, die Jahrhunderte überdauert hatten. Ab und zu unterbrach er den Tanz, um den anderen Vorhaltungen zu machen.

»Sie machen zu große Schritte. Und schreiten Sie etwas energischer aus! Sie sehen ja aus wie ein Grashüpfer, wenn Sie da so rumflattern, Mr. Pratt. Und Walt, pass auf, wenn du dich aus der Rücken-an-Rücken-Formation löst. Du bist gegen Mr. Pratts Schulter gestoßen, als du eben an ihm vorbeigetanzt bist.«

»Alles klar, Vater«, sagte Walt. Er war ein sehr guter Tänzer – wie es sich für einen Ditch gehörte –, aber man hatte sich darauf geeinigt, Pratt nicht für jeden Fehler zur Rechenschaft zu ziehen.

»Das wäre zu entmutigend für den armen Kerl«, hatte Mrs. Ditch gesagt, als die Familie nach der dritten oder vierten Probe unter sich war. Und Mrs. Ditchs Wille war Gesetz.

»Jetzt könnt ihr euch alle mal ein bisschen ausruhen«, sagte der Übungsleiter und ließ sich auf einen Stuhl sinken. »Danach tanzen wir den Hey. Und denkt dran, der zweite Mann folgt dem ersten in die Runde. Bloß keine komplizierten Sachen. Einfach nur folgen, Mr. Pratt, dann kann gar nichts schiefgehen. Und pass auf deine Ellbogen auf, Walt, du wedelst mit deinen Taschentüchern etwas zu wild herum, für meinen Geschmack.«

»Alles klar, Vater«, sagte Walt besänftigend, legte die rituellen Taschentücher beiseite und suchte sich etwas, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen.

»Also gut. Dann machen wir noch fünf Minuten Pause, und dann möchte ich, dass ihr euch eure Schellen umschnallt«, sagte Ditch. »Ohne die Schellen machen diese Tänze ja überhaupt nichts her.«

Sie holten die Ledermanschetten mit den daran angebrachten Schellen hervor. Jeder der Männer nahm sich ein Paar aus dem Tuch, in das sie eingewickelt gewesen waren, wischte das Schmierfett von den Glöckchen, schüttelte die Schellen kurz, band sich die Manschette zwischen Fußknöchel und Knie ans Schienbein und zog die Hose ein wenig hoch, damit die Kniegelenke genug Bewegungsfreiheit hatten.

»Also los, Jungs«, sagte Ditch. »Mr. Priest, stellen Sie sich dazu, diesmal tanzen Sie, und ich werde aufspielen. Fangt mit der Rücken-an-Rücken-Formation an und macht von da aus weiter. Die ersten beiden Figuren brauchen wir nicht noch mal zu tanzen, solange Mr. Pratt sich daran erinnert, erst die rechte Schulter nach vorn zu nehmen.«

»O ja, tut mir leid«, sagte Pratt.

»Wenn Sie sich nicht an die richtigen Schritte erinnern können, müssen Sie aufs Tanzen verzichten«, sagte Ditch mit ungewohnter Strenge. »Es geht nicht, dass Sie alles durcheinanderbringen. Das ist nicht zumutbar, ganz ehrlich, da kann meine Frau sagen, was sie will. Dann müssen Sie aufs Mitmachen verzichten und für Master Careys Freund aus London Platz machen. Der tanzt gar nicht so schlecht und erinnert sich außerdem an das, was ich ihm sage. Ich denke, dass er zu Pfingsten wieder hier sein wird.«

Carey grinste und bestätigte diese Vermutung. Pratt senkte demütig den Kopf und schaffte es anschließend, den Tanz recht ordentlich über die Bühne zu bringen.

»Das reicht für heute«, sagte Ditch. »Wenn wir uns das nächste Mal treffen, proben wir Trunkles und Bean-Setting und vielleicht auch noch Country Gardens. Und Sie, Mr. Priest, Sie wissen ja: Falls der kleine Master Denis mit seiner Fiedel auftaucht, dann können Sie der Morris-Narr sein. Aber wenn er am Pfingstsonntag nicht auftaucht, dann tanzen Sie an dem Platz, den Sie gerade eingenommen haben, und ich werde die Ziehharmonika spielen. Außer bei Bean-Setting und Rigs o’ Marlow, wo wir die Stöcke haben und damit Ihre kleine Pfeife unterstützen können, in die Sie so verliebt sind.«

»Verstanden«, sagte Priest. »Und ich wäre gern der Narr. Ich bin schließlich nicht gerade eine Schönheit!«

»Na ja, ich würde natürlich auch lieber tanzen«, bemerkte Ditch. »Ich bin noch lange nicht zu alt dafür, würde ich mal sagen!«

»Wer möchte noch einen Drink?«, fragte Carey gastfreundlich. Er jodelte laut, und Mrs. Ditch, die man für die Tanzprobe aus ihrer Küche verbannt hatte, betrat den Raum und brachte mehrere Flaschen Bier mit.

»Und, wie machen Sie sich mittlerweile so, Mr. Pratt?«, fragte sie, während sie mit einer Mischung aus mütterlichem Interesse und spartanischer Gelassenheit seine schweißüberströmte Stirn betrachtete.

»Man wird es richtig machen, und wenn es einen umbringt! Es bleibt noch genügend Zeit, um es so gut zu lernen, dass man es beherrscht!«, antwortete Pratt voller Enthusiasmus.

»Natürlich können Sie sich noch nicht als Headington-Tänzer bezeichnen, und ich würde mal sagen, die Bampton-Leute würden Sie sowieso nicht mitmachen lassen«, sagte Ditch mit Nachdruck, aber in freundlicher Absicht. »Sie geben sich Mühe, Mr. Pratt, das wissen wir. Mehr Gutes können wir im Augenblick noch nicht dazu sagen. Aber Sie sind sehr hartnäckig und ausdauernd, das muss ich Ihnen lassen!«

»Man hatte gehofft, man habe sich verbessert«, wagte Pratt zu sagen.

»O ja, Sie sind schon besser geworden, sicher!«, gestand Ditch ihm großmütig zu. »Das will ich gar nicht bestreiten. Und zu Pfingsten sind Sie dann genauso gut wie wir anderen, da habe ich keine Zweifel!«

»Na, sehen Sie!«, sagte Mrs. Ditch. »Sie dürfen nicht den Mut verlieren, Mr. Pratt! Nicht jeder kann den Morris tanzen, nicht wahr, Vater Ditch?«

»Es ist ein Rätsel, ja, das ist es«, sagte Ditch. »Sehr geheimnisvoll. Und es wäre gar nicht recht, wenn alle Welt es einfach so erlernen könnte!«

Denis kam am Samstag vor Pfingsten nach Stanton St John, im Auto seines Onkels Ferdinand. Als Erstes verbrachte er zwei Stunden in der Küche mit Mrs. Ditch und spielte ihr die Morris-Melodien auf seiner Geige vor. Mrs. Bradley unterhielt sich zwanzig Minuten lang mit ihrem Sohn, danach kehrte Ferdinand nach London zurück. Carey und Ditch verstauten gerade eine Bierlieferung im Keller, und Walt fütterte die Schweine. Bob rupfte das für das Pfingstessen gedachte Geflügel und lauschte derweil mit einem kritischen und kundigen Ohr dem Geigenspiel.

»Wie war das, Bob?«, fragte Denis, nachdem er eine bestimmte Melodie sechs Mal gespielt hatte.

»Ah, das geht schon in Ordnung so, Master Denis«, antwortete Bob.

Während Denis spielte, bügelte Mrs. Ditch die Morris-Hemden und plättete die weißen Hosen der Tänzer. Die Hemden waren aus Leinen und vorne und an den Ärmeln aufs Feinste plissiert. Die Männer hatten die Kostüme während der letzten Probe am Montagabend getragen, und Mrs. Ditch hatte sie in der Zwischenzeit mit stolzen, liebevollen Händen gewaschen. Als sie mit dem Bügeln und Plätten fertig war, machte sie sich daran, die Bänder und Rosetten zu glätten, mit denen die Kostüme der Tänzer verziert wurden. Denis legte die Geige zurück in ihren Kasten.

»Und wie läuft es mit dem Mord, Mrs. Ditch?«

»Aber, aber, Master Denis!«, tadelte ihn Mrs. Ditch.

»Ach, Unsinn! Ich weiß doch, dass es einen Mord gegeben hat, und es wird mir schließlich nichts Schlimmes geschehen, wenn ich danach frage, oder? Man hat noch niemanden verhaftet?«

»Ihre Großtante rechnet damit, den Schuldigen am Montag zu fassen«, gab Mrs. Ditch widerstrebend zu. »Sie scheint zu glauben, dass er Priest während des Tanzes etwas antun will. Und dann kann sie ihn sich schnappen.«

»Also so was!«, sagte Denis. »Das wäre ja absolut großartig! Das würde ich unglaublich gerne sehen! Ich werde mich wie eine Klette an Tante Bradley hängen. Obwohl, das brauche ich ja gar nicht! Wenn ich für die Tänzer spiele, werde ich ja sehen, was passiert. Das ist ja wirklich absolut großartig! Tausend Dank, dass Sie mir das erzählt haben, Mrs. Ditch.«

»Na, na, jetzt machen Sie mal keinen Unsinn, Master Denis! Wenn Ihnen etwas zustößt, was um alles in der Welt sollen wir dann tun?«

»Hat Tante Bradley gesagt, wann genau es passieren wird? Ich meine, während welchen Tanzes oder so?«

»Nein, das hat sie nicht. Ich nehme an, das kann sie nicht. Und mir gefällt diese Geschichte ganz und gar nicht. Außerdem ist da ja auch noch dieser Mr. Pratt. Der hat sich zwar während der letzten beiden Wochen unglaublich verbessert, aber ich fürchte, es bräuchte nicht viel, um ihn völlig aus dem Takt zu bringen, und dann würde Vater Ditch sich ganz schrecklich ärgern, das kann ich Ihnen sagen!«

»Ich denke eher, dass ihm das mächtig Dampf machen wird, die ganze Aufregung, meine ich. Also mir wird das bestimmt Dampf machen! Ich wette, ich werde am Montag besser spielen als je zuvor! Wer geht denn mit dem Hut rum?«

»Das sollte eigentlich Vater Ditch machen, der Narr ist ja oft der Kopf der Truppe«, sagte Mrs. Ditch. »Aber er liebt nun mal das Tanzen und hat für die Narreteien nicht so viel übrig. Deshalb hat er das Priest zugeteilt. Der hat das letztes Jahr auch schon sehr gut gemacht. Aber es scheint so, als hätte die alte Dame ihn gewarnt, dass er in Gefahr ist. Er macht in letzter Zeit irgendwie keinen besonders glücklichen Eindruck. Der brütet so vor sich hin, und gehässig ist er auch. Würde mich nicht wundern, wenn den sein Gewissen drückt, aus irgendeinem Grund. Und unsere Linda, die macht auch Ärger, die will gar nicht mehr zu ihm nach Hause. Oje! Das hätte ich Ihnen gar nicht alles erzählen dürfen!«

»Das ist schon in Ordnung«, sagte Denis. »Ich werde es nicht weitererzählen.«

Mrs. Ditch lachte und segnete seine Unschuld. Denis machte ein gekränktes Gesicht und wechselte das Thema.

»Haben Sie noch irgendetwas über das Priesterversteck herausgefunden, Mrs. Ditch?«

»Ich? Nein. Ihre Großtante hat versucht, vom Holzschuppen in Roman Ending einen unterirdischen Gang hierher zu finden, aber da ist nichts draus geworden. Der geht immer nur im Kreis, der Gang. Jedenfalls hat mir das unsere Linda erzählt, schon vor langer Zeit. Da hat anscheinend mal ein sehr altes Haus gestanden, und der Gang war wohl Teil der Grundmauern. Aber wenn Sie wissen wollen, wie man aus diesem Kämmerchen da wieder rauskommt, dann brauchen Sie nur hoch in das kleine stille Örtchen zu gehen – Sie wissen schon, welches ich meine – und dort das Wachstuch vom Boden zu nehmen. Aber passen Sie bloß auf, wenn Sie da runterklettern, sonst brechen Sie sich noch das Genick. Und dann erleben Sie den nächsten Montag garantiert nicht mehr!«

»Ich höre jemanden rufen«, sagte Denis plötzlich. Er ging und öffnete die Küchentür.

»Es ist Hugh«, sagte er. »Er fragt, ob irgendjemand daheim ist. Ich nehme an, der Lieferwagen hat ihn von Oxford aus mitgenommen.«

»Das bedeutet, dass es Zeit für das Mittagessen ist. Gehen Sie Master Carey rufen«, kommandierte Mrs. Ditch.

Nach dem Essen machten sie alle zusammen die Runde durch die Schweineställe, danach bildeten Hugh und Mrs. Bradley das Publikum, zusammen mit Mrs. Ditch als Chefkritikerin, während die Morris-Tanztruppe zum letzten Mal für ihren großen Pfingstauftritt probte. Die Tänzer trugen Arbeitshosen, Hemden und Tennisschuhe, abgesehen von Pratt, der sich in eine kurze Hose und ein Unterhemd gekleidet hatte. Sein langer dünner Körper sah länger und dünner aus denn je, und wie er da so mit hängendem Kopf dastand, ähnelte er – wie es der junge Walt sehr malerisch ausdrückte – »einer Osterglocke, deren Blüte zu schwer für ihren Stängel ist«.

Als Walt diesen Vergleich Carey erzählte, lachte dieser herzlich darüber und verpasste Walt eine Kopfnuss, und in dieser unbeschwerten Stimmung nahm die Probe ihren Lauf. Ditch, der so souverän tanzte wie eh und je, verzichtete diesmal sogar darauf, den Tanz zu unterbrechen oder irgendjemanden zu kritisieren, und Pratt machte – zur Überraschung seiner Gefährten und zu seiner eigenen großen Erleichterung – keinen einzigen Fehler.

Am Pfingstsonntagmorgen stand Mrs. Bradley sehr früh auf, kochte sich eine Tasse Tee und ging durch den kleinen Wald und die Felder nach Roman Ending hinüber. Priest stand in einem der Schweineställe und mischte das Schweinefutter. Als er Mrs. Bradley kommen sah, hellte sich sein Gesicht auf.

»Ich habe die Bilder, Ma’am, nach denen Sie mich gefragt hatten. Hier sind sie. Mr. Lestrange hat sie letzte Nacht vorbeigebracht. Sind sogar farbig.«

Er reichte ihr zwei Wappenzeichnungen. Das eine trug den Zickzackschnitt, das andere den Bastardfaden.

»Interessant«, sagte Mrs. Bradley und steckte sie in ihre Tasche. »Aber sonst haben Sie keine Zeichnungen erhalten? Nur diese hier von Mr. Lestrange?«

»Nein.«

»Also gut. Ich glaube, Sie sollten sich jetzt besser aus dem Staub machen. Sie haben mir erzählt, Sie hätten Verwandte in Berkshire. An Ihrer Stelle würde ich heute noch hinfahren. Ich werde George bitten, Sie zu chauffieren. Halten Sie sich dort versteckt, bis mindestens morgen Abend. Dann können Sie wieder zurückkommen.«

»Ich kann morgen nicht den ganzen Tag weg sein, Ma’am! Was ist mit dem Tanz?«, protestierte Priest.

»Das lässt sich eben nicht ändern. Die Gruppe muss jemand anderen finden.«

»Verdammt noch mal, nein, das lasse ich nicht zu«, sagte Priest. »Nein, Ma’am, das wird nichts. Ich werde morgen den Morris-Narr spielen. Ich habe keine Ahnung, warum Sie so steif und fest davon überzeugt sind, dass ich das nächste Mordopfer sein werde. Was ist schon dabei, wenn ich mich tatsächlich wie ein Narr verhalten habe, als ich Mr. Simith bei Nero gefunden habe? Warum sollte mich deshalb jemand ermorden wollen? Das würde ich gern mal von Ihnen wissen. Niemand wird mich ermorden! Warum auch? Ich weiß nichts. Keiner hat einen Grund, mich zu ermorden!«

»Wissen Sie was? Sie sind ein schrecklich dummer Klotz!«, sagte Mrs. Bradley streng. »Und wenn Sie weiterhin so dickköpfig sind und, was noch schlimmer ist, mir weiterhin diese ganzen albernen Lügen auftischen, überlasse ich Sie einfach Ihrem Schicksal, ganz gleich, wie das aussehen mag!« Sie trat nah an ihn heran und sah ihm in die Augen. »Sie haben am Weihnachtsmorgen ein Schwein geschlachtet. Sie haben in der Nacht des zweiten Weihnachtsfeiertags Simiths Leiche aus Neros Koben geholt. Sie sind um ein Uhr morgens Mr. Lestranges Eber holen gegangen. Sie haben dabei geholfen, Simiths Leiche auf den Shotover Hill zu bringen und sie mit Schweineblut zu übergießen, um die Öffentlichkeit darüber zu täuschen, dass Simith in Roman Ending getötet wurde. Sie …«

»Soll ich nun das Schwein getötet haben oder den Mann?«, fragte Priest mit einem Ausdruck kindlicher Unschuld auf seinem hässlichen Gesicht.

»Seitdem sind Sie für den Mörder eine ständige Gefahr. Glauben Sie allen Ernstes, dass er Sie verschonen wird?«, verlangte Mrs. Bradley zu wissen. Aber es hatte nicht den Anschein, als wäre mit einer Antwort zu rechnen. Priest fuhr fort, in der Futtermischung zu rühren. Sein abstoßendes Gesicht wirkte vollkommen gleichmütig.

»Warum lassen Sie mich nicht einfach verhaften und bringen die Sache damit zu Ende?«, fragte er schließlich.

»Weil es mir im Moment noch nicht gelingen würde, dem Mörder genug Angst einzujagen, um mein Ziel zu erreichen. Das müsste Ihnen doch eigentlich klar sein.«

»Sie meinen, Sie können ihn nicht an den Galgen bringen, weil es noch nicht schwarz genug für ihn aussieht? Und weil Sie mir genauso wenig etwas beweisen können?«

»Ja, genau das meine ich.«

»Wer weiß davon, dass Sie heute Morgen hierhergekommen sind?«

»Niemand, denke ich. Sie könnten mich getrost ermorden, wenn auch vielleicht nicht ungestraft, obwohl ich mir auch da gar nicht mal so sicher bin.«

»Dann werde ich das doch verdammt noch mal versuchen! Sie haben mich die letzten Wochen genug drangsaliert!« Er hob die Stange hoch, mit der er das Schweinefutter gerührt hatte.

»Die ist aus Eisen!«, brüllte er, holte aus und ließ die Stange niedersausen. Mrs. Bradley sprang behände zur Seite, sodass die Stange auf den Kupferkamin prallte, vor dem sie gestanden hatte. Der Aufprall erfolgte mit solcher Gewalt, dass Priest ein heftiger Schmerz durch den Arm schoss und er die Waffe fallen ließ, um sich das Handgelenk zu reiben. Mrs. Bradley hob die Eisenstange auf und hielt sie auf Priests Brust gerichtet, als handelte es sich um einen Degen.

»Los jetzt, marschieren Sie nach draußen«, sagte sie und stieß ihm die Stange brutal in die Seite. Er wollte sich auf sie stürzen, aber ein zweiter Hieb mitten ins Zwerchfell brach seinen Widerstand. Er krümmte sich vor Schmerzen, doch Mrs. Bradley zwang ihn, sich aufzurichten, indem sie ihm die Stange erneut in den Leib stieß. Er verfluchte sie, drehte sich dann jedoch um und ging den Mittelgang entlang. Als er auf halbem Weg zur Tür versuchte, einen Überraschungsangriff zu starten, bekam er einen weiteren schmerzhaften Hieb verpasst.

»Sie bringen mich noch um!«, rief er.

»Das hätte der Henker auch getan, wenn Sie mich getötet hätten«, entgegnete Mrs. Bradley lachend.

Ihr Tonfall war jedoch derart unerbittlich, und auch ihr ganzes Verhalten unterschied sich so radikal von dem Bild, das er sich sein Leben lang vom weiblichen Geschlecht gemacht hatte, dass er zu der Überzeugung gelangte, es wäre wohl besser, sich zu fügen. Sie zwang ihn, zum Haus hinüberzugehen. Als sie an der Türschwelle anlangten, pfiff sie plötzlich dreimal dermaßen laut und schrill auf ihren Fingern, dass Priest so heftig zusammenfuhr, als hätte man ihm einen Stromschlag verpasst. Im nächsten Moment erschien Tombley und beschwerte sich empört. Er trug noch seinen Schlafanzug, war unrasiert und hatte sich lediglich rasch eine Jacke übergeworfen.

»Guten Morgen, Geraint«, sagte Mrs. Bradley mit einem breiten Grinsen. »Ist heute früh etwas mit der Post gekommen?«

»Nein, es ist Sonntag. Was machen Sie da mit Priest?«

»Ich unterrichte ihn in der Kunst der Selbstverteidigung. Sie können jetzt wieder zurückgehen und die Schweine füttern, Priest.«

»Einen Moment noch, Priest«, sagte Tombley. »Letzte Nacht ist ein Brief für Sie gekommen. Das ist mir gerade erst wieder eingefallen, als Sie nach der Post gefragt haben«, fügte er an Mrs. Bradley gewandt hinzu.

»Dachte ich’s mir doch«, sagte Mrs. Bradley mit ihrem verstörenden Grinsen.

»Da ist er«, sagte Tombley und reichte Priest den Brief.

»Der hat ja gar keinen Poststempel«, sagte Priest und drehte den Umschlag hin und her. Er machte einen äußerst beklommenen Eindruck und schien auch keine Eile zu haben, den Brief zu öffnen.

»Jetzt machen Sie ihn schon auf, Mann«, rief Tombley, der genauso beklommen wirkte. »Oder geben Sie her! Man könnte meinen, Sie rechnen damit, dass das Ding Sie beißt!«

»Hier, ich kann sowieso nicht so gut lesen.« Er drückte seinem Arbeitgeber hastig den Brief in die Hand, ganz offenbar erleichtert darüber, ihn nicht selbst öffnen zu müssen. Tombley riss den Umschlag auf. Im Innern steckte ein raues, unliniertes Blatt Papier, auf das zwei kleine Wappen gezeichnet waren. Das erste trug das Symbol des Zickzackschnittes, das zweite den Bastardfaden, genau wie Mrs. Bradley es prophezeit hatte.

»Was um alles in der Welt …!«, rief Tombley und hielt das Papier von sich weg, als könne es ihm etwas antun. Er sah Mrs. Bradley an. »Das sieht genauso aus wie das, was mein Onkel bei sich hatte, als er starb.«

»O, Sie wussten darüber Bescheid, Geraint?«, fragte Mrs. Bradley. Priest sah sie an und murmelte etwas, das zu leise war, als dass sie es hätte verstehen können. Dann schlurfte er davon.

»Oje! Er wird dieses Ding hier brauchen«, sagte Mrs. Bradley. Sie zielte hoch in die Luft, die Stange wirbelte der Länge nach herum, wie beim Baumstammwerfen, und landete etwa zwanzig Schritte vor dem erstaunten Gehilfen auf der Erde. Er hob sie auf und drehte sich perplex zum Haus um. Mrs. Bradley winkte ihm kurz zu und ging dann mit Tombley nach drinnen.

Zur Teestunde erschien der Inspektor an der Haustür des Alten Hofs. Er wurde von einem Wachtmeister begleitet.

»Was ist denn passiert?«, fragte Mrs. Bradley und nahm den Inspektor mit in den Garten, um sich mit ihm die ersten Rosenblüten anzuschauen.

»Ein Fall von Vandalismus in der Kirche St Peter ad Vincula in South Newington, Ma’am.«

»Wo ist South Newington, Inspektor?«

»Das liegt an einem Fluss namens Oke, Ma’am, zwischen Chipping Norton und Banbury.«

»Erzählen Sie mir nicht, dass es da eine Verbindung zwischen dem Vandalismus und dem Mord an Thomas Becket gibt, Inspektor.«

Er starrte sie fassungslos an.

»Dann haben Sie also von dem ähnlichen Fall in der Kathedrale von Canterbury gehört, Ma’am?«

»Nein. Aber wenn Sie jetzt als Nächstes das Becket-Fenster erwähnen …«

»Also wirklich. Da brat mir einer einen Storch, Ma’am! Sie wissen ja schon über alles Bescheid, da können Sie so ahnungslos tun, wie Sie wollen!« Er sah sie voll ehrlicher Bewunderung an. Mrs. Bradley grinste und schüttelte den Kopf.

»Ich versichere Ihnen, ich habe bisher nichts von dieser Sache gehört«, sagte sie. »Bitte rekapitulieren Sie. Charlie wird es sicher nichts ausmachen, das alles noch einmal zu hören.«

Der junge Wachtmeister lächelte und schlenderte außer Hörweite davon.

»Wir erhielten den Bericht letzte Nacht, und weil Sie ja gesagt haben, dass die anderen Vandalismus-Fälle mit diesen Todesfällen hier in Verbindung stehen, bin ich zusammen mit Charlie rasch nach South Newington gefahren, um mir die Sache vor Ort anzusehen. Viel gab’s da allerdings nicht herauszufinden, genauso wenig wie in Horsepath. Nur ein Stück Papier, das in Form eines Pfeils an der Wand klebte. Die Spitze des Pfeils wies auf ein Wandgemälde, das man dort vor einiger Zeit entdeckt hat. Darauf ist tatsächlich der Mord an Becket dargestellt. Was ich aber, ehrlich gesagt, nur weiß, weil ich den Pfarrer gefragt habe.«

»Und der Vandalismus in der Kathedrale?«, fragte Mrs. Bradley.

»Im Prinzip das Gleiche. Wieder ein Papierpfeil an der Wand, der auf das Bleiglasfenster zeigt, das den Mord an Becket darstellt. Hier ist der Pfeil. Wir haben es nicht geschafft, ihn in einem Stück von der Wand zu lösen.«

»Das ist ein Trost, dass der Mörder in den Kirchen keinen größeren Schaden angerichtet hat«, sagte Mrs. Bradley. »Tatsächlich scheint er eine recht feinfühlige und kultivierte Person zu sein. Also hören Sie zu, Kind. Morgen werden Sie endlich Ihre Verhaftung vornehmen können, und es wird dabei auch keinerlei Schwierigkeiten geben. Es ist sogar möglich, dass Sie das große Glück haben werden, Zeuge eines neuerlichen Mordes zu werden, da es mir nicht gelingen will, das Opfer davon zu überzeugen, sich von den Feierlichkeiten fernzuhalten.«

»Und wer ist dieses Opfer, Ma’am?«, fragte der Inspektor.

»Der Gehilfe Priest, natürlich«, antwortete Mrs. Bradley. »Ganz ehrlich, Sie sollten ihm Polizeischutz gewähren.«

»Wie Sie meinen, Ma’am«, sagte der Inspektor skeptisch. »Charlie, kommen Sie doch mal eben her«, rief er. Der junge Wachtmeister folgte seinem Ruf.

»Steigen Sie auf Ihr Fahrrad, fahren Sie rüber nach Littlemore und bringen Sie Billy Middlen auf Ihrem Gepäckträger mit zurück. Ich werde Sie beide auf diesen Priest ansetzen. Dann wollen wir doch mal sehen, ob wir es nicht verhindern können, dass er ermordet wird. Das ist eine gute Übung für Sie zwei. Mal ein bisschen Arbeit wie bei Scotland Yard, zur Abwechslung!«

Der Inspektor verabschiedete sich, und Mrs. Bradley ging zurück ins Haus. Die erste Person, der sie dort begegnete, war Denis. Er machte einen sehr ernsten und aufgeregten Eindruck und platzte offenbar geradezu vor Neuigkeiten.

»Stell dir vor, Tante Bradley!«

»Was denn, mein Junge?«

»Stell dir vor, Hugh hat eins von diesen Blättern bekommen!«

»Was für Blätter denn?«

»Du weißt schon – die mit diesen kleinen Wappen. Oder vielmehr, diesmal war es nur eins. Er regt sich ganz furchtbar auf. Er glaubt, dass man ihn ermorden will, wie diese beiden alten Männer, die auch solche Blätter bekommen haben.«

»Und was ist es dieses Mal für ein Wappen?«

»Na ja, eigentlich ist es nur eine Hand, aber es scheint ihm Angst einzujagen, dass es eine linke Hand ist. Ist denn die linke Hand schlimmer als die rechte, Tante Bradley?«

»Das hängt ganz davon ab, welche Bedeutung man ihr beimisst, Kind. Ich denke, Hugh tut gut daran, sich Sorgen zu machen. Aber jetzt steht uns ja erst mal der Pfingstmontag bevor, und die Morris-Tänzer … Wie heißt es doch so schön in Philip Stubbes’ Pamphlet über die ›ungebührlichen Sitten‹ zu Shakespeares Zeiten? ›Mit ihren schrillen Pfeifen, ihren dröhnenden Trommeln, ihrem Getrampel und Getanze, den klingenden Schellen, den Taschentüchern, mit denen sie über ihren Köpfen umherwedeln wie Wahnsinnige, ihren Steckenpferden …‹ Wie geht es noch mal weiter?«

Carey trat lachend zu ihnen.

»›… und unzähligen anderen Ungeheuern, die inmitten des Gewimmels ihre Scharmützel austragen‹«, beendete er das Zitat.

Mrs. Bradley sah ihn an und seufzte.