Kapitel 3

Schatzsuche

Tag 2. Samstag Morgen

Es kam genauso, wie ich es vorhergesagt hatte. Dad inspizierte den Schaden am Transporter mit einer Mischung aus Kränkung und Enttäuschung. Mir wäre es fast lieber gewesen, wenn er mich stattdessen angeschrien hätte. Dann wäre es wenigstens schnell vorbei gewesen. Seit meiner Rückkehr aus dem College behandelte er mich wie ein rohes Ei und gab mir das Gefühl, eine Art Invalide zu sein.

Obwohl mein Vater früher bei den Special Forces gedient hatte, war er ein ruhiger und nachdenklicher Zeitgenosse, den man nur schwer auf die Palme bringen konnte. Dennoch war es besser, ihn nicht zu provozieren.

»Und du hast wirklich keine Idee, was das war, Jack?«

»Nein, Dad. In der Umgebung war nichts. Ich nehme an, es war ein Tier, vielleicht ein Hirsch, der nach dem Aufprall weggerannt ist.«

Er berührte das demolierte Blech. »Das ist ganz schön verbogen, mein Sohn. Wenn dieser Hirsch die Kollision überlebt hat, dann nicht sehr lange.«

»Offenbar lange genug, um sich aus dem Staub zu machen«, antwortete ich gereizt.

Er drehte sich überrascht um. »Ich mache dir deswegen doch keine Vorwürfe, Jack. Weißt du noch, wie ich mit einem Pick-up den Elch plattgemacht habe? Na ja, der Elch würde es vielleicht anders beschreiben. Der Wagen hatte einen Totalschaden. Man könnte es als ein Unentschieden bezeichnen.«

»Aber das ist nachts passiert.« Meine Antwort erstaunte mich selbst. Mein Vater warf mir einen Rettungsring zu, und ich schlug ihn zur Seite.

»Das stimmt, aber Hirsche sind schnell«, sagte er. »Es kann gut sein, dass du ihn nicht gesehen hast, als er auf die Straße gesprungen ist. Der Transporter ist kein Sportwagen, auch wenn du ihn wie einen fährst. Wie auch immer. Du wirst auf jeden Fall eine Weile zu Fuß unterwegs sein oder den Buick nehmen müssen.«

Ich beschloss, besser nichts mehr zu sagen.

Patrick und Natalie trafen erst nach neun Uhr ein. Als ich sie gemeinsam aus seinem Wagen aussteigen sah, wurde ich kurz eifersüchtig, wofür ich mich sofort schämte. Während der letzten beiden Jahre war ich am College gewesen und hatte Natalie mit ihrem kranken Vater zurückgelassen. Seit meiner Rückkehr ging ich ihr aus dem Weg und hatte nicht einmal ihre Nachrichten beantwortet. Ich konnte gewiss keinen Anspruch auf sie erheben. Ehrlich gesagt war ich erstaunt, dass sie überhaupt noch mit mir sprach.

Patrick blieb vor der Tür stehen. »Hey, hast du die Kühltruhe etwa ganz allein umgestellt?«

»Ja, mit dem Palettenheber.«

Wir gingen zu den alten Heuballen im hinteren Bereich der Scheune, hinter denen die Truhe im Halbdunkel stand. Natalie hob den Deckel an und betrachtete den außerirdischen Leichnam. Mittlerweile war sein Fell mit Eis bedeckt. »Das kommt mir noch immer vollkommen unwirklich vor. Habt ihr alles auf Video aufgenommen?«

»Ja, aber ich weiß nicht, ob uns das viel nützen wird«, erwiderte Patrick. »Deepfakes wirken inzwischen so authentisch, dass ein Video gar nichts mehr beweist. Was wir brauchen, ist ein Lichtschwert oder ein Blaster. Wenn du vor den Augen von ein paar Reportern ein Auto in der Mitte durchschneidest, ist dir ihre ungeteilte Aufmerksamkeit gewiss.«

»Noch besser wäre eine fliegende Untertasse«, erwiderte ich.

Patrick kicherte. »Eine, die wirklich fliegt.«

»Also gut. Ich will keinen Rückzieher machen.« Natalie verzog das Gesicht und deutete auf die Leiche. »Aber was wir hier tun, ist moralisch und rechtlich alles andere als einwandfrei.«

»Ich weiß, Nat. Wir werden das Alien in ein oder zwei Tagen an die Behörden übergeben – egal, ob wir bis dahin ein Raumschiff gefunden haben oder nicht.« Ich sah sie mit gerunzelter Stirn an. »Und wir werden uns damit abfinden, dass wir danach nie mehr was von der Sache hören.«

Natalie presste die Lippen zusammen. »Hey, halt mir keine Vorträge, Kumpel. Du kannst dich auf dein Ingenieursexamen freuen, mehr oder weniger, und Patrick wird seinen Familienbetrieb übernehmen. Ich bin diejenige, die in dieser Stadt verrotten und früher oder später an Langeweile sterben wird.«

Natalie hatte immer Betriebswirtschaft studieren wollen. Der Tod ihrer Mutter und die Alzheimer-Erkrankung ihres Vaters hatten ihr jedoch einen Strich durch die Rechnung gemacht. Noch ein Grund mehr, warum ich mich dafür schämte, wie ich sie behandelt hatte.

»Ich bin mir sicher, dass irgendwer es obduzieren will«, wechselte Patrick das Thema. »Vielleicht sollten wir es an den Höchstbietenden verschachern.«

»Ich glaube, das gehört in die Rubrik moralisch nicht einwandfrei «, erwiderte ich. »Vielleicht sollten wir lieber das Raumschiff verhökern und das tote Alien kostenlos dazugeben.«

»Wie auch immer, Alter. Solange nur viel Geld dabei herausspringt.«

»Also gut.« Ich ging zwischen den Sesseln und dem Beistelltisch hindurch zur Werkbank, zog eine Schublade auf und holte den Ausrüstungsgürtel und die Gerätschaften des Außerirdischen heraus. »Und wie wollen wir es anstellen?«

Patrick runzelte die Stirn und kratzte sich am Kopf. »Gute Frage. Wie groß ist unser County? Sechshundert Quadratmeilen? Und wir wissen gar nicht, ob sich das Schiff überhaupt im Taft County befindet.«

»Ich glaube nicht, dass wir lange suchen müssen«, sagte Natalie. »Chewbacca war zu Fuß unterwegs, stimmt’s? Wieso sollte ein Alien am Punkt A landen und dann ewig bis zum Punkt B laufen? Ich wette, dass er weit von seinem Schiff entfernt war, als du … äh …«

»Als er ihn umgebracht hat.«

Ich bedachte Patrick mit einem genervten Blick. »Vielen Dank, mein Freund. Aber du hast wahrscheinlich recht, Nat. Außer er wurde runtergebeamt oder abgesetzt.« Ich machte eine Pause und tippte mir ans Kinn. »Wisst ihr, wenn es kein Schiff gibt, dann ist das eben so. Aber jetzt wollen wir einfach mal davon ausgehen, dass es existiert, und entsprechend planen. Schlimmstenfalls sind wir ein paar Stunden lang umsonst zu Fuß unterwegs. Für den Anfang sollten wir die Umgebung des Unfallorts absuchen.« Ich machte erneut eine Pause. »Wir brauchen eine Karte von dem Gebiet, um die Stellen zu markieren, die wir bereits durchkämmt haben.«

»Ich habe einen Straßenatlas im Auto«, erwiderte Patrick. »Da Jack seine Karre zerstört hat, fahren wir auf jeden Fall mit meiner. In dem Buick würden wir uns alle nur zu Tode schämen. Hast du inzwischen eigentlich schon mit deinem Dad gesprochen?«

»Ja, und es war genauso unangenehm, wie ich es mir vorgestellt habe. Er benimmt sich, als würde ich sofort einen Nervenzusammenbruch bekommen, wenn er einmal die Stimme erhebt.«

Patrick und Natalie sahen mich voller Mitgefühl an, sagten aber nichts.

Wir zwängten uns zu dritt in Patricks Auto, einen alten Plymouth Duster mit Lenkradschaltung und durchgehender Sitzbank. Natalie nahm in der Mitte Platz. Patrick besaß den Duster länger als seinen Führerschein und schaffte es noch immer, Ersatzteile für ihn aufzutreiben, die allerdings nicht alle original waren. Einem Autokenner wäre sofort aufgefallen, dass das Grollen unter der Haube nicht von einem serienmäßigen Slant-Six-Motor stammte.

Die Fahrt zur Poller Road verlief abgesehen von meinen gelegentlichen Routenhinweisen in vollkommener Stille. Wenn ich gerade nicht die Karte studierte, stellte ich mir immer unglaublichere Raumschiffe und Wurmloch-Generatoren vor. Patrick und Natalie gingen zweifellos ganz ähnliche Bilder durch den Kopf.

Patrick parkte am Straßenrand. Auf der rechten Seite verbarg ein mit Bäumen bestandener niedriger Hügel den Blick auf den Stadtrand von Dunnville, das Valley-Einkaufszentrum und das Tate-Gewerbegebiet, in dem Nat arbeitete. Auf der linken Seite säumte ein klappriger Lattenzaun eine spärlich bewaldete Wildwiese.

Trotz der relativ frühen Stunde war es bereits heißer als am Vortag. Selbst der Chor der Zikaden schien eine Siesta eingelegt zu haben. Ich führte meine Freunde zu der Stelle, an der ich den Außerirdischen gefunden hatte, und deutete auf den kaum noch sichtbaren Abdruck im Gras.

»Wo war der Transporter, als du das Alien gerammt hast?«, fragte Patrick.

Ich drehte mich um und ging zwanzig Schritte die Straße entlang. »Ungefähr hier, glaube ich.«

»Du warst also aus der Kurve raus und bist geradeaus gefahren, richtig? Da der Körper auf dieser Straßenseite gelandet ist, muss er von dort gekommen sein.« Patrick deutete zur Wiese. »Dieses Areal sollten wir uns als Erstes vornehmen.«

»Donnerwetter, Patrick«, sagte Natalie. »Du bist ja eine echte Spürnase.«

Patrick deutete eine Verbeugung an, überquerte im Laufschritt die Straße und sprang über den alten Zaun. Wir folgten ihm etwas gemächlicher.

Das strohfarbene Gras stand stellenweise hüfthoch. »Hier kann man sich leicht den Knöchel verknacksen«, mahnte Nat. »Achtet auf Erdhörnchenlöcher.«

»Das Gute an dem Gras ist, dass eine fliegende Untertasse, selbst eine unsichtbare, vermutlich einen Abdruck darin hinterlassen würde«, erwiderte ich.

»Das ist wirklich toll, Jack«, sagte Nat. »Wenn wir einen Helikopter hätten, könnten wir von der Luft aus suchen.«

»Oder eine Drohne«, antwortete ich. »Oh, da fällt mir ein …« Ich bedachte Patrick mit einem finsteren Blick.

Der lachte unbeeindruckt. »Ich habe dir doch gesagt, dass ich dir eine neue kaufen werde, wenn ich das Geld zusammenhabe.«

»Hier gibt es viele Bäume«, sagte ich und sah Nat vielsagend an. »Vielleicht kann jemand auf einen klettern und die Umgebung von oben betrachten.«

»Jemand?«, erwiderte sie.

»Na ja, du bist die Leichteste von uns. Und die beste Kletterin.«

Nat nickte widerwillig. Es widerstrebte ihr, wenn jemand ihr etwas vorschreiben wollte, aber sie wusste, dass ich recht hatte. Sie ließ den Blick über die Bäume gleiten und entschied sich für einen der größeren.

Nachdem sie ihn bestiegen hatte, harrte sie ein paar Minuten lang schweigend im Wipfel aus. Patrick und ich wurden immer ungeduldiger.

»Und?«, rief Patrick schließlich hinauf.

Nat sah zu uns herab. »Ich sehe zwei merkwürdig wirkende Stellen. Von hier aus kann ich aber nicht viel über sie sagen. Wir werden sie beide überprüfen müssen. Die erste ist ungefähr hundert Meter in dieser Richtung.«

»Was macht sie denn so besonders?«, rief ich zurück.

»Das Gras scheint dort nicht sehr hoch zu sein. Vielleicht ist es platt gedrückt. Ich kann es leider nicht gut erkennen.«

Mithilfe meines Handy-Kompasses gelang es mir, die fraglichen Stellen einigermaßen akkurat in Google Maps zu markieren.

»Welche sollen wir zuerst überprüfen?«, fragte Patrick, während Natalie vom untersten Ast auf den Boden sprang und sich wieder zu uns gesellte.

Sie legte die Stirn in Falten und strich sich nachdenklich über das Kinn. »Vielleicht … die weniger weit entfernte?«

Patrick ignorierte ihren Sarkasmus komplett und machte sich umgehend auf den Weg. »Gut. Dann lasst uns keine Zeit verschwenden.«

Während wir ihm folgten, sah Nat mich von der Seite an. »Bilde ich es mir nur ein, oder spricht er tatsächlich noch mehr als sonst wie John Wayne?«

»Mich macht völlig fertig, wie motiviert er ist. Ich habe das Gefühl, dass ich diese Suchmission leiten sollte, aber Patrick hat sie praktisch an sich gerissen.«

»Ich glaube, er freut sich doch nicht so sehr darauf, eines Tages die Fleischerei seines Vaters zu übernehmen und für immer hierzubleiben, auch wenn er unbedingt diesen Eindruck erwecken will, Jack. Im Gegensatz zu mir spricht er bloß nicht offen darüber.«

Ich seufzte. »Mittlerweile scheinen wir alle im selben Boot zu sitzen.«

»Ach, komm schon. Deine Probleme mit dem MIT sind nicht schön, aber ich bin mir sicher, dass sie sich bald klären werden.«

»Ich hoffe, dass du recht hast. Wenn die Entscheidung gegen mich fällt, ist alles vorbei. Dann werde ich nirgendwo mehr unterkommen.«

Nat verzog das Gesicht. »Ich weiß gar nicht genau, was passiert ist. Irgendwas mit Bitcoins, oder?«

»Jemand hat mit meiner ID auf sämtlichen Laborcomputern Bitcoin-Mining-Daemons installiert. Dadurch wurde das Netzwerk massiv überlastet und ist komplett abgeschmiert. Eine Menge Leute sind verärgert, weil sie Abgabetermine verpasst haben und ihre Projekte von Grund auf neu durchführen müssen, und ich sitze in der Klemme. Der Vorfall wird untersucht. Bis die Ergebnisse vorliegen, bin ich suspendiert. Es geht um unsachgemäße Verwendung von Geräten und Programmen, Hacking … Du weißt schon.«

Nat schüttelte den Kopf. »Dafür bist du nicht der Typ, Jack. Aber ich verstehe, dass dich das belastet.«

Ich brummte. Da ich mich jedes Mal fühlte, als würde ich in einem abstürzenden Fahrstuhl feststecken, wenn ich über diese Sache nachdachte, war sie nicht gerade mein liebstes Small-Talk-Thema.

Den Rest der Strecke legten wir schweigend zurück. Als wir zu Patrick aufschlossen, stand er in der Mitte eines kleinen Fleckchens mit kürzeren Grashalmen, stemmte die Fäuste in die Hüften und drehte sich langsam im Kreis.

»Das sieht nicht sehr vielversprechend aus«, bemerkte Nat.

»Ja, aber lasst uns trotzdem gründlich sein«, sagte Patrick. »Streckt die Arme aus und tastet nach irgendetwas, das ihr nicht sehen könnt.« Er begann, wie ein Schlafwandler durch die Gegend zu stapfen, wobei er mit den Armen vor der Brust und über dem Kopf wedelte.

Nat und ich beobachteten ihn einen Moment lang, fingen an zu lachen und ahmten ihn mit übertriebenen Bewegungen nach. Nat stöhnte gequält: »Gehirrrne …«, und schon bald schlurften wir alle herum wie Zombies.

»Nein«, rief Patrick, als wir nach fünf Minuten noch immer nichts gefunden hatten. »Hier ist nichts. Lasst uns die andere Stelle versuchen. Wo ist sie?«

Ich sah auf mein Handy und deutete in die entsprechende Richtung.

»Das wirkt auch nicht viel ermutigender«, sagte ich, als wir den Blick über das zweite Suchgebiet schweifen ließen. Wie an der vorherigen Stelle waren die Grashalme auch hier weder umgeknickt noch abgefressen oder gemäht, sondern einfach nur kürzer.

»Ich frage mich, ob Wasser verschwinden würde, wenn es auf das Schiff träfe«, überlegte Patrick, während er von der einen Seite zur anderen ging. »Das nächste Mal sollten wir ein paar Wasserpistolen mitbringen und in alle Richtungen … Autsch!«

Wir blickten auf Patrick hinunter, der unerklärlicherweise rückwärts hingefallen war und sich die Stirn hielt.

»Netter Trick«, sagte Nat. »Übst du eine Pantomimen-Nummer ein?«

»Ich bin gegen etwas gelaufen«, sagte Patrick und deutete mit der freien Hand nach oben.

Nat und ich sahen uns an und verfielen wieder in unseren Zombiegang. Es dauerte nicht lange, bis wir etwas fanden. Etwas Unsichtbares.

Die Unterseite schien halbkugelförmig zu sein, zumindest, soweit ich hinauflangen konnte. Glattes Metall, das sich ein wenig glitschig und kühl anfühlte. Ich ertastete weder Kanten noch Nähte. Als der Größte von uns dreien ging ich herum und verschaffte uns eine Vorstellung von der Form des Schiffs. Es reichte nicht bis zum Boden herab und hatte einen Durchmesser von mindestens sieben Metern.

»Ich habe eine Stütze gefunden«, rief Nat aus.

Patrick und ich eilten zu ihr. Im Boden sahen wir einen flachen, scheibenförmigen Abdruck von etwa einem Meter Durchmesser. »Die Erde ist trocken und festgebacken. Das Ding muss ganz schön schwer sein.«

»Ich glaube nicht, dass es nur auf einem Bein steht«, sagte Nat. »Schaut euch um.«

Kurz darauf entdeckten wir zwei weitere Abdrücke, die zusammen mit dem ersten in einem sechs bis acht Meter großen Kreis standen.

»Ein Dreibein. Das ergibt Sinn.« Nat schlang die Arme um eine der Stelzen und strich mit beiden Händen über die unsichtbare Oberfläche. »Nicht riesig, und auch nicht zylindrisch. Ich glaube, da sind Streben und hydraulische Leitungen. Auf jeden Fall eine Menge mechanische Details.«

Ich stand einen Moment lang mit erhobenem Blick wie erstarrt da. »Heilige Scheiße, Leute, wir haben das Ding wirklich gefunden. Eine echte fliegende Untertasse. Oder zumindest ein Raumschiff.« Wir grinsten alle breit.

»Ihr zwei seht aus wie der Joker«, sagte Natalie.

Ich massierte mir die Wangen und versuchte, sie zu lockern. »Das gibt bestimmt einen Muskelkater.«

Patricks Grinsen verblasste, während er die scheinbar leere Luft betrachtete. »Hm, weiter als bis zu diesem Moment habe ich noch gar nicht nachgedacht. Was passiert jetzt?«

»Wir versuchen hineinzukommen. Oder zumindest ihre Aufmerksamkeit zu erregen.« Ich nahm meinen Rucksack ab, griff hinein und holte die außerirdischen Geräte heraus.

»Vielleicht sollten wir erst unter dem Schiff hervortreten«, sagte Patrick, der noch immer nach oben sah. »Wir wollen doch nicht, dass sich eine Gangway auf uns herabsenkt.«

»Oder dass wir mit einem der Geräte versehentlich die Stützen einfahren«, fügte Nat lachend hinzu.

Patrick sah uns verängstigt an. »Was, wenn einer dieser Knöpfe die Selbstzerstörung des Schiffs initiiert oder ein Kraftfeld, einen Todesstrahl oder irgendwas in der Art aktiviert?«

»Das soll ein Witz sein, oder?«, erwiderte ich. »Erstens wird niemand ein Gerät konstruieren, dass seinen Träger umbringt, wenn er den falschen Knopf drückt. Und zweitens tun wir es entweder oder geben auf der Stelle auf und überlassen alles Weitere den Behörden. Es gibt schlicht und einfach keine Möglichkeit, das Risiko zu minimieren oder es langsam angehen zu lassen. Tue es oder tue es nicht. Es gibt kein Versuchen

»Wow, du hast gerade einen Hinweis auf Star Trek und ein Star-Wars -Zitat in ein und derselben Aussage verwurstet.« Nat tat, als würde sie eine Pistole abfeuern. »Wenn es so etwas wie göttliche Gerechtigkeit gibt, müsstest du dafür jeden Moment vom Blitz erschlagen werden.«

Mittlerweile hatten wir uns von dem unsichtbaren Schiff entfernt. Nun legte ich die Geräte vorsichtig nebeneinander auf den Boden.

»Wollen wir sie in irgendeiner bestimmten Reihenfolge ausprobieren?«, fragte Nat.

»Patrick und ich glauben, eine Pistole und einen Kommunikator identifiziert zu haben«, sagte ich. »Lasst uns die beiden Geräte zuletzt testen. Zwei von ihnen verfügen, soweit wir erkennen können, nur über Touchscreens. Wenn wir die nicht aktivieren können, kommen wir mit denen nicht weiter. Damit bleibt nur dies hier übrig.« Ich hielt das Gerät mit den V- und I-Knöpfen und dem kleinen Display in die Höhe. »Entweder sind V und I Buchstaben aus dem Bigfoot-Alphabet, oder es sind Symbole, die an beziehungsweise aus bedeuten.«

Nat musterte sämtliche Gerätschaften. »Ich wette, dass es Symbole sind. Bei den Pfeilen habe ich keine Zweifel, und das Dusch- oder Sprüh-Zeichen wirkt auch wie eins.«

»Und was meinst du, welches für was steht?«

Nat zuckte die Achseln. »Werfen wir eine Münze. Oder weißt du was? Lass uns einfach Knöpfe drücken, bis irgendetwas passiert.«

Ich hielt den Atem an und drückte den Daumen auf den V-Knopf. Das Gerät vibrierte, und auf dem kleinen Display erschienen Zeichen, die außerirdischer Text zu sein schienen. Ein paar Sekunden später wurde das Display dunkler und ging aus. Ich drückte wieder den V-Knopf, und der Text erschien erneut, allerdings ohne Vibration. Anschließend drückte ich den I-Knopf. Der Text verschwand, diesmal ohne vorherige Verdunklung.

»Anscheinend bedeutet V an und I aus . Und dieses Ding teilt uns irgendetwas mit, aber …« Ich zuckte die Achseln. »Ohne ein Bigfoot-Wörterbuch wissen wir leider nicht, was.«

Nat sah nach oben. »Am Schiff scheint sich nichts verändert zu haben.«

Ich nahm eins der Geräte mit Touchscreen und drückte darauf. »Der Bildschirm geht nicht an. Vielleicht haben wir einen anderen Hautwiderstand als Bigfoot, einen, den er nicht registrieren kann.«

»Dann können wir nur noch den Kommunikator und die Strahlenpistole testen«, sagte Patrick.

Nat nickte gedankenverloren. »Vorausgesetzt, ihr liegt mit euren Vermutungen richtig.«

»Selbst wenn – wir wissen nicht, was der Blaster macht«, erwiderte ich. »Ich werde ihn auf jeden Fall nicht auf euch richten.«

»Das wäre nett«, sagte Nat.

Ich streckte, ohne auf irgendetwas Bestimmtes zu zielen, den Arm aus und betätigte den Duschknopf. Die Pistole vibrierte leicht, ansonsten passierte nichts. Ich sah mir die Knöpfe noch einmal an. »Ich werde Violett versuchen, dann Rot. Die Sperre in der roten Position macht mich nervös. Vielleicht solltet ihr beide einen Schritt zurücktreten.«

»Wieso? Machst du dir trotz deiner Ansprache von vorhin nun etwa doch Sorgen, das Schiff könnte sich selbst zerstören?«

»Ach, was soll’s. Wer will schon ewig leben?« Ich stellte den Schieberegler auf Violett ein und drückte erneut den Duschknopf, wieder ohne erkennbares Ergebnis.

Anschließend stellte ich den Schieberegler auf Rot und bewegte ihn um die Doppelverriegelung herum. Als ich dieses Mal auf den Knopf drückte, verwelkte die Vegetation vor mir, wurde braun und begann zu schmelzen. »Krass! Das ist definitiv eine Strahlenpistole.« Ich schob den Regler zu Blau zurück. »Und Rot bedeutet tot. Mit dem Teil spielen wir besser nicht rum.«

Patrick betrachtete den Kreis aus verrottetem Gras. »Ja, das lassen wir schön bleiben.«

Nun war nur noch der Kommunikator übrig. Ich hielt ihn in die Höhe. »Letzte Chance.«

Da niemand widersprach, drückte ich den V-Knopf. Das kleine Display ging an, ein außerirdischer Text erschien, und ein leises Piepen ertönte. Nach ein paar Sekunden betätigte ich den I-Knopf. »Tja, das war ein Reinfall.«

»Wieso hast du nicht hineingesprochen?«, fragte Nat.

»Willst du wirklich irgendwen auf uns aufmerksam machen?«, erwiderte ich. »Was ist, wenn jemand antwortet? Was sollten wir zu demjenigen sagen?«

»Guten Tag, meine Dame oder mein Herr«, entgegnete Nat mit einem spöttischen Grinsen. »Haben Sie einen Moment Zeit für ein Gespräch über unseren Herrn und Retter, den Großen Cthulhu?«

Patrick lachte. »Genauso machen wir’s.«

Ich betrachtete das fremdartige Gerät mit hilfloser Wut. »Das ist wirklich toll. Wir haben ein außerirdisches Raumschiff, das wir nicht öffnen können, und ein paar Alien-Geräte, die nichts bewirken.«

»Abgesehen von der Strahlenpistole«, sagte Patrick.

»Ich brauche was zu trinken.«

Ich starrte das halb volle Glas in meiner Hand an und versuchte, nicht in Verbitterung abzutauchen. Patrick und Natalie, die mit mir am Tisch saßen, schien es genauso zu ergehen. Alles in allem hatten wir seit unserem Aufbruch vom Landeplatz vielleicht fünf Worte gewechselt.

Ich lehnte mich zurück und sah mich um. Das Pub war fast komplett leer. Dennoch roch es leicht nach abgestandenem, verschüttetem Bier. Die Fernseher liefen und zeigten verschiedene Sportereignisse, darunter ein Darts-Turnier. Die einzige Kellnerin schien die Hoffnung auf zahlende Kundschaft aufgegeben zu haben und lehnte mit einem abwesenden Gesichtsausdruck an der Theke. Wahrscheinlich zählte sie die Minuten bis zum Ende ihrer Schicht. Der nächste besetzte Tisch war knapp zehn Meter von uns entfernt. Der einsame Gast, der daran saß, starrte gebannt auf einen Fernseher. Es bestand also keine Gefahr, dass irgendwer etwas von unserem Gespräch mitbekommen würde.

Ich holte tief Luft und beendete das Schweigen. »Wir haben irgendwas übersehen.«

Patrick sah auf. »Hä?«

»Chewbacca hatte eine Möglichkeit, in das Schiff zu gelangen. Wir können nicht hinein. Folglich haben wir etwas übersehen.«

»Gegen deine Logik ist nichts einzuwenden, Jack«, erwiderte Nat. »Aber sie hilft uns nicht weiter, außer wir kommen dahinter, was genau wir übersehen haben.«

Ehe ich etwas erwidern konnte, klingelte mein Handy. Ich zog es heraus und betrachtete das Display. Alice Kirby? Wieso sollte sie mich anrufen? Wir hatten sicher nicht ihre Lieferung durcheinandergebracht. Schließlich war sie seit zehn Jahren immer die gleiche. Außerdem hätte sie in dem Fall im Laden angerufen.

Ich mochte Mrs. Kirby, aber manchmal fand sie einfach kein Ende. Ich leitete den Anruf zu meiner Voicemail um, legte das Handy auf den Tisch und nickte Nat zu. »Okay, wie kommt man in das Schiff? Lasst uns alles aufzählen, was uns dazu einfällt. Egal wie abwegig.«

Patrick dachte einen Moment nach. »Gesichtserkennung.«

»Biometrische Informationen auf den Geräten«, sagte Nat.

»Stimmerkennung.«

»Ein Sensorfeld am Schiff, das man berühren muss.«

»Drinnen muss jemand die Tür öffnen.«

»Man muss gleichzeitig oder in einer bestimmten Reihenfolge mehrere Knöpfe drücken.«

»Der Befehl zum Öffnen befindet sich auf einem der Touchscreen-Geräte.«

»Wir haben den Türöffner nicht.«

Ich sah Natalie ungläubig an.

Sie winkte verlegen ab. »Was, wenn wir nicht alle Geräte haben? Vielleicht hat Chewbacca ihn beim Unfall fallen lassen. Oder er ist beim Transport der Leiche verloren gegangen.«

»Ha.« Ich dachte einen Moment nach. »Das ist nicht komplett abwegig. Und es lässt sich am leichtesten überprüfen. Lasst uns damit anfangen.«

Auf dem Weg zurück zur Unfallstelle waren wir genauso schweigsam wie auf der Fahrt zum Pub, allerdings merklich aufgekratzter. Und Patrick schien entschlossen, seinen Streckenrekord ein weiteres Mal zu brechen, was meinen Adrenalinspiegel zusätzlich in die Höhe trieb.

Als wir am Ziel ankamen, parkte Patrick gute fünfzehn Meter vom Unfallort entfernt.

»Warum so weit weg?«, fragte ich.

»Wenn Chewbacca beim Aufprall Geräte verloren hat, möchte ich sie nicht überfahren.« Ohne auf eine Antwort zu warten, knallte Patrick die Fahrertür zu und marschierte los.

Als wir ihn einholten, stand er an der Stelle, an der die Leiche gelegen hatte. Die Grashalme waren mittlerweile wieder fast komplett aufgerichtet, sodass nur noch ein schwacher Umriss des toten Außerirdischen zu sehen war.

Ich deutete auf die Straße. »Auf dem Asphalt liegt nichts. Und wenn Chewbacca hierhergeschleudert wurde, gilt für mögliche Geräte vermutlich dasselbe.«

Wir suchten eine halbe Stunde lang das Gras ab, entdeckten jedoch nichts.

»Ein Gerät wäre nicht unsichtbar, oder?«, fragte Natalie.

»Das bezweifle ich«, erwiderte ich. »Die Unsichtbarkeit wird entweder von dem Gürtel oder einem der Gegenstände daran erzeugt. Als wir den Gürtel von der Leiche entfernten, wurde sofort alles sichtbar. Ich kann mir keinen Grund vorstellen, weshalb irgendeins der anderen Geräte über einen eigenen Unsichtbarkeitsgenerator verfügen sollte.«

»Okay«, sagte Patrick. »Dann hat Chewbacca nichts fallen gelassen. Jedenfalls nicht hier.« Er sah sich um. »Wo genau hast du die Leiche aufgeladen?«

Ich zeigte auf die entsprechende Stelle, und wir durchkämmten sie ein paar Minuten lang.

»Immer noch nichts«, sagte Patrick. »Als Nächstes der Transporter. Du hast ihn noch nicht in die Werkstatt gebracht, oder?«

»Nein«, erwiderte ich. »Das erledige ich am Montag.«

»Dann sehen wir ihn uns mal an.«

»Verdammt«, sagte Patrick, als wir uns in unsere jeweiligen Lieblingssessel in der Scheune fläzten. Die Durchsuchung des Transporters hatte nichts ergeben. Wir hatten sogar noch einmal die Leiche inspiziert, aber auch an ihr nichts entdeckt.

»Es war eine gute Theorie«, sagte ich. »Aber jetzt müssen wir uns etwas anderes …«

Mein Handy klingelte. Es war wieder Mrs. Kirby. Ich wusste, dass sie es so lange versuchen würde, bis ich ranging. Also nahm ich das Gespräch an.

»Hallo …? Ja, hi … Nein, nicht dass ich wüsste. Wie sieht es denn aus …? Oh, das gehört tatsächlich mir. Darf ich vorbeikommen und es abholen …? Prima, danke. Tschüss.«

Ich legte auf und grinste die anderen leicht dümmlich an. »Mrs. Kirby hat angerufen, um mich zu fragen, ob ich bei meiner Lebensmittellieferung etwas fallen gelassen habe. Ein schönes blaues Gerät aus Metall, hat sie gesagt. Sie dachte, es wäre ein Handy.«

Patrick lachte.

»Wie ist das denn bei ihr gelandet?«, fragte Nat.

Ich breitete die Arme zu einer hilflosen Gebärde aus. »Vielleicht ist es aus dem Burrito auf ihre Lieferung gefallen, als ich die Leiche in den Transporter geladen habe. Keine Ahnung, aber im Moment ist es mir auch egal.« Ich sah Patrick eindringlich an. »Warum hast du das Auto noch nicht angelassen?«

Während ich langsam zum Duster zurückging, betrachtete ich den Gegenstand in meiner Hand. Er passte perfekt zu Chewbaccas restlichen Geräten. Und man hätte ihn tatsächlich für ein Handy aus der Zeit vor den Smartphones halten können, wenn man um die neunzig Jahre alt war, nicht mehr sehr gut sah und abgesehen von einem Farbfernseher keine neumodischen Geräte um sich herum duldete.

Ich ließ die Schultern hängen. Das war nicht nett. Mrs. Kirby hielt sich sehr gut. Sie lebte allein und hatte sich mit einem Grad an moderner Technologie arrangiert, mit dem sie sich wohlfühlte. Manchmal konnte man leicht vergessen, dass niemand dazu verpflichtet war, immer auf dem neuesten Stand zu bleiben.

Als ich die Beifahrertür öffnete, grinste ich und winkte mit dem Gerät. »Auf zur Bat-Untertasse, Robin.«

»Du kannst mich mal. Robin ist nie gefahren. Wenn überhaupt, bist du Robin.«

Ich drehte mich zu Nat um. »Und du wärst dann Batgirl?«

»Batwoman.«

»Interessant. Seht euch die Symbole auf den Knöpfen an.« Ich hielt den beiden das Gerät hin.

»V und I«, stellte Nat fest.

»An und aus also. Oder in dem Fall vielleicht auf und zu

»Hoffen wir das Beste«, sagte Patrick und ließ den Wagen an.

Nach einer Fahrt, die man mit viel Wohlwollen als haarsträubend hätte bezeichnen können, waren wir sogar noch schneller beim Unfallort als das letzte Mal.

Patrick parkte an derselben Stelle wie zuvor, und wir stiegen aus. Ich blieb einen Moment lang stehen und sah mich um. Diese Straße war wirklich verlassen, nur sehr schwach befahren – vielleicht alle zehn Minuten ein Wagen. Ich konnte verstehen, wieso Chewbacca nicht mit meinem plötzlichen Auftauchen gerechnet hatte.

Die anderen waren fast schon beim Landeplatz, als ich zu ihnen aufschloss. Natalie bewegte sich einen Moment lang wieder wie ein Zombie und verkündete: »Ja, immer noch da.«

Ich zog das neue Gerät aus der Tasche und hielt es in die Luft. »Der Moment der Wahrheit ist gekommen. Möchte irgendwer eine Rede halten?«

»Zum Beispiel unsere Grabrede?«, fügte Patrick hinzu.

»Wollen wir das wirklich tun?«, fragte Nat.

»Ich bleibe bei dem, was ich vorhin gesagt habe, Nat«, erwiderte ich. »Wir können keine halben Sachen machen. Entweder drücken wir den Knopf, oder wir geben unsere Entdeckung auf.« Ich winkte mit dem Gerät. »Wofür entscheiden wir uns?«

Nat reckte trotzig das Kinn vor. »Ich will nicht in dieser Stadt versauern. Drück ihn.«

Ich blickte zu Patrick, der wie ein Reh im Scheinwerferlicht aussah, als er meinen Blick erwiderte. »Also?«

Er seufzte. »Ach, was soll’s? Wem mache ich was vor? Nat hat recht. Das Leben in Dunnville ist sterbenslangweilig. Wenn wir vaporisiert werden, haben wir es wenigstens schnell hinter uns. Drück ihn.«

Damit war die Entscheidung gefallen. Ich nickte und drückte den V-Knopf.