Von Olsens Entdeckung elektrisiert wollten alle das eisfreie, unterirdische Land selbst sehen. Deshalb begab sich das gesamte Team in den Aufzug, der ausreichend Raum für die gesamte Expedition bot.
Unten angekommen, stoppte der Aufzug und seine Tür glitt zischend zur Seite. Von draußen quoll helles Sonnenlicht und ein Schwall warmer, feuchter Luft in die Kabine. Eigenartige, den Mitgliedern des Teams unvertraute Farne verdeckten das Sichtfeld auf alles, was weiter als ein paar Dutzend Meter entfernt war.
Myers hielt Amanda und Olsen, die sofort ins Freie drängten, mit ausgebreiteten Armen zurück. »Zuerst müssen wir die Sicherheit des Geländes prüfen. Was ist, wenn die Tür zugeht, während wir draußen sind, falls es auf der anderen Seite keinen Öffnungsmechanismus dafür gibt? Dann sind wir ganz schön angeschmiert. Also gehe ich allein raus und kläre die Lage.«
Die Waffe im Anschlag, den Blick in alle Richtungen schweifend, betrat der Colonel das unbekannte Territorium.
»Terra Incognita«, flüsterte Olsen andächtig. Er musste sich zusammenreißen, um seiner Neugier und seinem Forscherdrang nicht sofort nachzugeben. Unruhig verlagerte er das Körpergewicht von einem Fuß auf den anderen. »So etwas haben wir damals bei der Operation High Jump vergeblich gesucht.«
»Hier drüben links ist dasselbe Bedienfeld wie oben«, verkündete Myers zur Erleichterung aller. »Trotzdem, bleiben Sie, wo Sie sind.« Vorsichtig umrundete er die gewaltigen Farne. Da nirgendwo Gefahren lauerten, marschierte er schnurstracks zum Aufzug zurück. »Jetzt werde ich die Funktionsweise der Tür von außen testen. Sollte alles wie gewünscht klappen, können Sie zu mir kommen.« Er presste die Hand auf die Sensorfläche des Bedienelements und führte die Fingerbewegungen aus, die ihnen oben in der Station am Fuß des Whitney Peak den Zugang zum Aufzug erlaubt hatten. Die Schiebetür schloss und öffnete sich ganz wie gewünscht. Schweigend signalisierte der Colonel dem Team, ihm zu folgen und geleitete es an den Farnen vorbei auf eine weite, offene Ebene.
Amanda klatschte vor Begeisterung wie ein kleines Mädchen in die Hände.
MacNeil ließ die neue Welt stumm auf sich einwirken.
Olsen stammelte: »Das … das … ist unglaublich. Ein … ein Wunder.«
Nur die Soldaten verhielten sich ruhig und observierten die Umgebung, als könne jederzeit ein hinterhältiger Angriff über das Team hereinbrechen.
***
Vor der US-Expedition breitete sich eine Kulisse aus, die jeder der Teilnehmer bis zu diesem Augenblick als Hirngespinst abgetan hätte. Rechts und links wucherte ein prähistorischer Urwald. Vor ihnen erstreckte sich ein mit Büschen getüpfeltes Grasland in Form einer breiter werdenden Schneise, die in eine weite, offene Ebene mündete. Die Decke hing mehr als tausend Meter über den Köpfen des Teams. Sie bildete perfekt den natürlichen Himmel nach, inklusive einer künstlichen Sonne. Wolkengruppen schwebten in der Atmosphäre. Das Ende des gigantischen, unterirdischen Hohlraums wurde von diesigen Schleiern verborgen.
Amanda fand als Erstes die Sprache wieder. »Das alles darf es eigentlich nicht geben, und dennoch ist es real. Kann mich mal jemand zwicken, damit ich mir sicher sein kann, dass ich nicht träume?«
Olsen tat ihr den Gefallen – recht kräftig sogar.
»Autsch!« Sie verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Das war doch im übertragenen Sinn gemeint. Na gut, was soll’s. Das hier ist eine einmalige Chance für die Wissenschaft. Wir müssen sie unbedingt nutzen. Lasst uns sofort losgehen und das Gebiet erforschen. Was meinst du als Kollege?«
»Ja, ähm, weiß nicht …« stammelte Olsen.
»Nein«, herrschte ihn Myers an. »Und auch für Sie, Frau Doktor, gilt: kein übereilter Aktionismus. Ich stimme einer Erkundung des Areals zwar zu, aber vorher fahren wir mit dem Aufzug an die Oberfläche, rüsten uns ordentlich aus und packen Proviant ein. Mir läuft der Schweiß jetzt schon in Strömen von der Stirn. Wie warm ist es hier unten eigentlich? Das sind echte Treibhaustemperaturen. Diesen Faktor müssen wir unbedingt bei unserer Planung mit einbeziehen.«
»Dreißig Grad Celsius«, meldete Jones prompt.
***
Das Team versammelte sich erneut vor der Aufzugtür im Inneren der Station. Bei den Schlitten hatten sie alles Nötige für einen mehrtägigen Aufenthalt in der mysteriösen Biosphäre in ihre Rucksäcke gepackt und Schnee auf den Karbidkochern geschmolzen, um den Wasservorrat in ihren Feldflaschen auf das Maximum aufzustocken. Alle Mitglieder erhielten eine spezielle Einmannpackung für Notfälle, deren Inhalt über die übliche Ausstattung der Army-Rationen hinausging. In den Schachteln waren unter anderem Hartkekse, abgepackte Rindfleischstreifen, Schokolade, Desinfektionsmittel, Coffeintabletten, antibakterielle Tabletten für die Reinigung von Wasser, Verbandszeug und eine Schere zum Zurechtschneiden von Mullbinden.
MacNeil hatte die Hunde reichlich gefüttert und ihnen größere Batzen Fleisch für den nächsten Tag hingelegt. Denn Kenai gehörte nicht zu den Hunden, die sofort alle verfügbare Nahrung herunterschlingen. Stattdessen hob er immer einen Vorrat für später auf. Und der Leitrüde würde auch die anderen Vierbeiner zuverlässig davon abhalten, sich zu früh auf die Fleischreserve zu stürzen.
»Wir müssen spätestens in vier Tagen zurück sein. Länger kann ich die Malamuten ohne Futternachschub unmöglich allein lassen«, sagte der Hundeführer.
»Außerdem wird das Wetter bald schlechter. Wir dürfen also auch aus diesem Grund nicht später zur Basis aufbrechen«, ergänzte Myers, der darauf insistiert hatte, die Overalls, die sie in Little America verwendet hatten, mitzunehmen. Diese würden sie vor abkühlenden Temperaturen in der Nacht schützen und konnten dank ihres Schnitts bequem über den Uniformen als zweite Kleidungsschicht getragen werden. Auf die Schlafsäcke verzichtete das Team dafür – sehr zu Amandas Missfallen.
***
Zurück in der künstlichen Ökosphäre befahl Myers Jones, die Handfunkgeräte in seinem Gepäck zu testen, für den Fall, dass eine Trennung des Trupps in zwei Gruppen nötig werden sollte. Das erste Gerät erwies sich als defekt … der Rest ebenso.
»Merkwürdig«, grübelte Myers. »Wie kann so etwas passieren?«
»Beispielsweise durch einen elektromagnetischen Impuls, kurz EMP genannt«, erklärte Olsen. »Der bulgarische Wissenschaftler Christofv hat 1932 entdeckt, dass elektromagnetische Wellen Funkgeräte und Radaranlagen zerstören können. Eine äußere Einwirkung an den Geräten ist nicht ersichtlich.«
»Und was ist mit anderen elektrischen Geräten wie Taschenlampen?«, hakte Myers nach.
»Die können betroffen sein oder auch nicht.«
Myers nickte kurz in Richtung Schumann, der eine Taschenlampe aus seinem Rucksack holte und einschaltete. Sie funktionierte einwandfrei.
»Gut«, konstatierte der Colonel kurz und bündig.
Nun untersuchten Olsen und Blair die Farne in unmittelbarer Nähe.
»Sieht mir ganz nach Vertretern der Familie Iridopteridales aus«, meinte Olsen. »Ihr Vorkommen datiert auf die Kreidezeit zurück.«
»Hm«, machte sich Myers bemerkbar. »Und was sagt uns das?«
»Diese Gewächse sind Vorläufer der heutigen Farne und sie gelten seit Millionen von Jahren als ausgestorben«, antwortete Amanda.
»Gab es damals nicht riesige, fleischfressende Dinosaurier?«
»Das stimmt.«
»Ich habe auf der Ebene einige Silhouetten gesehen, die durch die Prärie gestreunt sind. Genaueres konnte ich nicht identifizieren. Sie scheinen ziemlich groß zu sein … und wahrscheinlich sind sie verdammt gefährlich. Wir werden also in der Deckung der Bäume am Dschungelrand vorstoßen. So vermeiden wir es, wie auf dem Präsentierteller in unser Unglück zu rennen. Ich führe, Schumann bildet die Nachhut. Die Zivilisten bleiben zusammen mit Jones in der Mitte. Auf geht’s Männer!«
»Männer …?« Amanda kicherte.
Myers lief knallrot an und stiefelte, die M16 im Anschlag, kommentarlos auf den Wald zu.
***
Die Gruppe marschierte zügig durch die vergleichsweise lichten Ausläufer des Dschungels, in denen der Boden weitgehend frei von Unterholz war. Seine tierischen Bewohner mieden jeden Kontakt zu den Eindringlingen. Von ihrer Anwesenheit zeugte lediglich wiederholtes Rascheln und Knacksen tiefer im Waldinneren. Im Schatten, außerhalb der direkten Bestrahlung durch die Kunstsonne, hielt sich die schwüle Hitze in einem erträglichen Rahmen.
»Die Sonne ist nicht stationär angebracht. Sie zieht ihre Bahn am Himmel«, stellte MacNeil fest.
»Was?«, fragte Jones. »Die Baumgipfel verdecken den Blick auf das Ding. Woher wollen sie das wissen?«
»Die Schatten der Pflanzen wandern. Das bedeutet, dass sich die Sonne bewegt.«
»Halt!«, rief Myers neben einem umgekippten Baumstumpf. »Zeit für eine Erholungspause. Jones und Schumann sichern die Gegend.«
»Gott sei Dank«, murmelte Olsen und nahm auf dem Stumpf Platz. »Ich bin völlig erschöpft.«
Myers grinste ihn verächtlich an und setzte sich neben Amanda.
»Wie lange sollen wir noch weitermarschieren?«, fragte Olsen.
»Bis es dunkel wird«, antwortete der Colonel.
Olsen ächzte.
MacNeil setzte sich dem Trio gegenüber im Schneidersitz auf die Erde. »Die Vegetation sieht fast genauso aus, wie zu Hause. Alles ist nur wesentlich größer.« Wie zur Bestätigung seiner Worte krabbelte ein handtellergroßer, schwarz-rot gestreifter Käfer, an dessen Vorderseite fingerlange Scheren prangten, an ihm vorbei über einen mit gelben und orangefarbenen Flechten besetzten Stein hinweg. »Dafür ist es viel stiller hier. Der Gesang von Vögeln fehlt komplett.«
»Ja«, stimmte Amanda zu. »Schachtelhalme, Mammutbäume, Birken, Buchen, Plantanen, Ahornbäume und Eichen gibt es bereits seit der Kreideperiode. Ihr Vorkommen ist also keineswegs verwunderlich. Das gleiche Prinzip gilt im negativen Sinn für das Fehlen von Vögeln, das wir hier beobachten. Die Evolution hatte sie damals noch nicht hervorgebracht. Spannender als die Flora dürfte die Fauna sein, die diese Epoche bevölkert hat und auf die wir hier unten treffen werden.«
***
Als die Dämmerung anbrach, richtete die Expedition ihr Nachtlager ein. Um für Überfälle in der Dunkelheit gewappnet zu sein, organisierte Myers eine Nachtwache in drei Schichten zu je zweieinhalb Stunden. Den Anfang würde Jones übernehmen, gefolgt von Schumann. Die letzte Wache fiel dem Colonel selbst zu. Als Vorkehrung gegen Insektenstiche trugen die Teammitglieder trotz der drückenden Wärme und der hohen Luftfeuchtigkeit die Overalls, die sie aus Militärbeständen erhalten hatten und die ihre Arme und Beine mit Stoff bedeckten. Ihre Rucksäcke benutzten sie als Kopfkissen.
Erstaunt bemerkte das Team, dass es vollständig dunkel wurde. Überall herrschte totale Finsternis, eine alles verhüllende Schwärze, die sie von Nächten auf der Erdoberfläche so nicht kannten.
Das Rumoren der Dschungeltiere verstummte und Stille kehrte ein. Die Umrisse der Bäume zeichneten sich im Schein von Schumanns Stablampe gespenstisch vor dem nächtlichen Hintergrund ab, während er den Nahbereich des umliegenden Urwalds inspizierte.
»Es gibt hier weder Sterne noch einen Mond, also ist es stockdunkel«, konstatierte Olsen. »Woher sollte Licht ohne eine vergleichbare Quelle kommen?«
»Die Erbauer der Ökosphäre haben für maschinell erzeugte Luftströme hier unten gesorgt. Und da tagsüber eine künstliche Sonne strahlt, hatten sie mit Sicherheit die technischen Mittel, um auch für die Nacht etwas Ähnliches in Form eines künstlichen Monds und künstlicher Sterne zu konstruieren«, gab Amanda zu bedenken. »Das völlige Fehlen von Licht, müsste gravierende Auswirkungen auf die Tierwelt haben. Die meisten nachtaktiven Jäger bekämen Probleme bei der Nahrungssuche.«
»Außer Troglobionten, also Höhlenbewohnern, die an eine Existenz in absoluter Dunkelheit angepasst sind«, meinte Olsen.
»Eine solche Anpassung erfolgt über eine längere Evolutionsspanne. Wie hätte man einen solchen Vorgang hier unten stimulieren können? Dazu fällt mir keine plausible Antwort ein. Wahrscheinlich gab es früher künstliche Sterne und einen Mond und sie sind inzwischen defekt. Das müsste dann zum Aussterben nachtaktiver Tiere – sei es Räuber oder ihre Beute – geführt haben. Deshalb ist es hier nachts so totenstill.«
»Na ja«, wandte MacNeil mit einem leicht spöttischen Unterton ein. »Bei uns zu Hause finden beispielsweise selbst erblindete Igel ihre Beutetiere wie Würmer und Insekten allein mit ihrem Geruchssinn und ihrem Gehör. Wir sollten uns also nicht vorschnell in Sicherheit wiegen.«
»Genau«, ergänzte Myers trocken.
***
Nach drei Wegstunden am nächsten Morgen wuchs die Luftfeuchtigkeit an. Der Boden wurde weicher und war bald von seichten Pfützen gesprenkelt. Beim Auftreten in den Morast verursachten die Mitglieder des US-Teams schmatzende Geräusche.
»Wir laufen direkt in einen Sumpf«, sagte Myers. »Schumann, gehen Sie auf den kleinen Hügel da drüben, auf dem ein einzelner Baum steht, und schauen Sie, ob das Gelände begehbar ist.«
Der GI tat wie ihm geheißen. Auf der Kuppe der rund drei Meter hohen Anhöhe kniff er die Augen zusammen und spähte in die Ferne. Plötzlich schnellte eine Schlange auf ihn zu, die ihren hinteren Teil um einen Ast des Baums gewickelt hatte. Schumann schreckte reflexartig zurück, geriet dabei aus dem Gleichgewicht und rollte den steilen Abhang hinab.
Als ihn die anderen aus dem Blickfeld verloren, sprinteten sie los und umrundeten den Hügel.
»Mist«, rief Schumann, der bis zur Hüfte in einem brackigen Sumpfloch steckte. »Allein komme ich hier nicht raus.« Sein Sturmgewehr versank gerade neben ihm. Offensichtlich in der Hoffnung, durch eine Reduktion seines Gewichts weniger schnell verschluckt zu werden, streifte der Private seinen Rucksack ab und legte ihn zur Seite.
Gedankenschnell stellte Myers sein eigenes Gepäck ab, holte eine Seilrolle heraus und robbte bäuchlings auf seinen Untergebenen zu. Er warf Schumann das Ende des Seils zu und fing an, rückwärtszukriechen, um den Private herauszuziehen.
»Was ist das für ein Summen in der Luft?«, fragte MacNeil. »Hört ihr es auch?«
Bevor jemand antworten konnte, tauchte ein Schwarm Libellen auf. Die Insekten waren riesig – ihre Spannweite hatte die Länge des Unterarms eines ausgewachsenen Manns und ihr Rumpf die eines menschlichen Beins. Ihre Flügel schillerten metallisch glänzend in Grün und Blau. Der Pulk umschwirrte Schumanns Oberkörper.
Das ist ja fast wie im Film Die Vögel von Hitchcock, dachte Amanda beklommen.
Und schon attackierten die obszön großen Fluginsekten den im Sumpf feststeckenden Soldaten. Die erste Libelle riss ihm mit ihren messerscharfen Beißwerkzeugen die Nasenspitze ab, die zweite das linke Ohr. Schumann, der aus immer neuen Wunden blutete, versuchte, die Angreifer mit Faustschlägen abzuwehren.
»Arme anlegen! Ich brauche ein freies Schussfeld!«, brüllte Jones und holte die fliegenden Monstrositäten mit platzierten Einzelschüssen aus dem Sturmgewehr der Reihe nach aus der Luft.
Unterdessen zog Myers Schumann weiter aus dem nach Methan stinkenden Matsch. Kurz bevor er gerettet war, zerschmetterte ein Projektil aus Jones Waffe das letzte Insekt.
Myers rollte den gequält stöhnenden Schumann auf die Seite. Aus einer klaffenden Wunde an seinem Hals spritzte ein dicker Blutstrahl.
Olsen wandte sich ab und beugte den Oberkörper vor, dabei stützte er die Hände auf seine Oberschenkel. Im Gesicht aschfahl angelaufen plusterte er die Backen auf und würgte. Dann öffnete er den Mund und erbrach sich.
Amanda ging neben dem Schwerverletzten in die Hocke, um Erste Hilfe zu leisten und die Blutung zu stillen. Mit flinken Fingern fischte sie den Erste-Hilfe-Kasten aus ihrem Rucksack und entnahm daraus steril verpacktes Material zum Anlegen eines Verbands, Desinfektionsspray und das Klammergerät. Währenddessen wies sie Myers an, Schumanns Oberkörper und insbesondere seinen Kopf hochzulagern. Nachdem sie das klaffende Loch im Hals eingesprüht hatte, setzte sie das Klammergerät an und verschloss die Wunde zügig.
Aus Schumanns Mund schäumten Blutblasen, seine schwachen Bewegungen erlahmten vollständig und er schloss die Augenlider.
Als Amanda den Verband um den Hals angelegt hatte, fühlte sie den Puls des Verletzten. Er war kaum wahrnehmbar, aber Schumanns Herz schlug noch.
»Was können wir jetzt für ihn tun?«, fragte Myers.
»Nicht viel«, erwiderte Amanda. »Beten, dass er sich stabilisiert. Außerdem injiziere ich ihm ein Mittel zur Förderung der Blutgerinnung.« Sie stockte kurz, ehe sie mit gepresster Stimme fortfuhr: »Die Bestien haben seine Halsschlagader erwischt. Vielleicht war der Blutverlust bereits zu stark.«
Unglücklicherweise erfüllte sich ihre Prophezeiung – nach wenigen Minuten setzte Schumanns Atmung endgültig aus. Seine überlebenden Gefährten standen stumm und resigniert im Kreis um seine Leiche.
Myers erhob als Erster das Wort: »Er hatte es nicht verdient, so zu sterben … niemand hat es verdient, so zu sterben … ganz besonders nicht ein Mann wie Schumann, der sein Leben in den Dienst unserer Nation gestellt und es am Ende für sie geopfert hat. Alles, was uns bleibt, um unserer Anerkennung für ihn Ausdruck zu verleihen, ist ein würdiges Begräbnis.« Er sah sich um.
»Da drüben ist ein schöner Platz für seine letzte Ruhe. Jones, sie heben das Grab aus.«
Während der Private den Befehl mithilfe eines Klappspatens ausführte, murmelte der Colonel leise vor sich hin: »Mit seinem Rucksack sind auch alle Taschenlampen unwiederbringlich im Sumpf verschwunden. Na ja, wir werden nachts auch ohne sie zurechtkommen.« Laut sagte er: »Alle Mann sammeln größere Steine.«
»Wieso?«, fragte MacNeil.
»Muss ich Ihnen denn alles erklären? Für das Grab unseres Kameraden natürlich.«
MacNeil lief rot im Gesicht an und befolgte die Anweisung.
***
Blair, Olsen und MacNeil standen mit verschränkten Händen und gesenkten Häuptern rechts und links des Grabs, als Myers und Jones die Leiche ihres Kameraden sanft in die Grube betteten.
Myers zog die Pistole und das Bowiemesser des Toten aus dem Holster beziehungsweise der Scheide. Er faltete Jones Arme vor der Brust und legte die Pistole unter seine Hände. »Ein Krieger sollte stets mit seiner Waffe beigesetzt werden. Das gebietet seine Ehre.«
Die Waffe können wir vielleicht noch gebrauchen, dachte Olsen und wollte gegen dieses seiner Meinung nach archaische Ritual protestieren.
Amanda ahnte, was er vorhatte, umfasste seinen Unterarm und hielt den Zeigefinger vor ihre Lippen.
Als der Colonel aus der Grube gestiegen war, nickte er Jones zu, der daraufhin zunächst die ausgehobene Erde in das Grab schaufelte und dann die Steine darüber aufschichtete. Myers verkeilte das Messer am Kopfende des länglichen Steinhaufens, woraufhin es fast wie ein kleines Kreuz wirkte.
»Wir geben unseren treuen Kameraden in Gottes Hände«, sagte Myers mit feierlicher Stimme. »In seinen Taten wird er unvergessen in uns allen weiterleben. Dank seines Opfers werden wir unsere Mission mit einem grandiosen Erfolg abschließen. Ich werde ihn für die posthume Verleihung des Silver Stars vorschlagen. Jeder möge nun ein stilles Gebet für ihn sprechen.«
Als alle ihre Fassung halbwegs zurückgewonnen hatte, verkündete Myers: »Wir werden diesen verfluchten Sumpf weiträumig umgehen, bis wir wieder an den Dschungelrand kommen. Sachen packen und dann Abmarsch.«