»Na, das sagt der Richtige!«, platzt es aus mir hervor. Erschrocken starre ich ihn an. Habe ich das gerade wirklich gesagt? Offenbar ist meine innere Alicia mit mir durchgegangen. Gut so. Vielleicht hilft das ja, ihn endlich zum Reden zu bringen.

»Oh, fährt da jemand seine Krallen aus?«, entgegnet Kilian.

»Nur damit das klar ist: Ich bin alles andere als freiwillig hier. Überhaupt wäre ich am liebsten so weit weg von dir, dass selbst das andere Ende des Universums noch nicht genug wäre.« Wow, anscheinend hilft es wirklich, mich auf Alicia zu konzentrieren, wenn ich mit ihm spreche. Die bissigen Antworten kommen dann wie von selbst.

»Das beruht auf Gegenseitigkeit, glaub mir.«

Mir entweicht die Luft aus der Lunge, als hätte mir jemand gegen die Brust geschlagen. So fest, dass es qualvoll lange dauert, bis ich endlich wieder einatmen kann.

Am liebsten würde ich fortlaufen, aber ich muss hierbleiben, ich brauche diese Note. Nicht nur weil ich gerne eine der Besten aus meinem Jahrgang wäre, sondern auch um mein Stipendium zu behalten. Ein einziger Ausrutscher würde schon genügen, um mich

Die Aufgabe für diesen Text ist klar: Er soll voller Emotionen sein und sich mit meinem Partner beschäftigen. Ich fürchte, mein Text wird tatsächlich voller Emotionen sein. So sehr, wie ich Kilian in diesem Moment verabscheue, wird sich das sicherlich auf mein Schreiben auswirken. Und Hass ist ein exzellentes Gefühl, das ich mittlerweile perfekt in Worte fassen kann. Also beschließe ich, Kilian ein paar unangenehme Fragen zu stellen und ihn mit der Wahrheit zu konfrontieren.

»Was zur Hölle habe ich dir getan?«

Statt einer Antwort erhalte ich nur ein genervtes Schnauben und einen Blick, der mich von oben bis unten abtastet, als würde er direkt durch mich hindurchsehen. Ich kann nicht verhindern, dass ich Gänsehaut bekomme und mir kalte Schauer den Rücken hinunterrinnen.

Am liebsten würde ich laut aufschreien. Aber was kann ich schon tun? Er reagiert ja nicht auf meine Versuche, ihn endlich zum Reden zu bringen. Das ist wirklich mehr als frustrierend. Ich kann mich gerade noch davon abhalten, ihm eine zu scheuern. Nur zur Sicherheit setze ich mich auf meine Hände. Er soll nicht sehen, wie sehr er mich auf die Palme bringt.

»Okay, nächste Frage: Was ist deine schlimmste Kindheitserinnerung?« Ein neuer Versuch. Vielleicht

»Der Tod. Keine Ahnung?«, sagt er, wenig überzeugend.

Der Tod? Ernsthaft?

»Wessen Tod?«

»Such dir einen aus, es gibt schließlich so viel Tod um uns herum, nicht wahr?«, entgegnet er und mustert mich wieder mit diesem durchdringenden Blick, der mir das Gefühl gibt, dass er direkt in meine Seele blickt. Ehrlich gesagt, würde ich ihm eine solche Gabe zutrauen. Ich werde einfach das Gefühl nicht los, dass seine Worte mehr bedeuten, als es den Anschein hat. Sein ganzes Gehabe macht mich wahnsinnig. Seine Antworten bringen mich nicht weiter. Und es geht noch eine geschlagene halbe Stunde so weiter:

»Woher kommst du?«

Schulterzucken. »Woher kommen wir alle?«

»Kannst du auch mal normale Antworten geben?«

»Kannst du vielleicht auch mal normale Fragen stellen?«

Hin und her, hin und her. Bis ich es einfach nicht mehr aushalte. Ganz ehrlich: Ich habe es versucht, und mehr kann ich nicht tun. Vielleicht sollte ich Professor Johannsen um einen neuen Partner bitten.

Mittlerweile weiß ich nicht mehr, was ich sagen soll, und starre schweigend auf Kilians Tasse, die inzwischen

Noch nicht. Irgendwann halte ich unser eisiges Schweigen nicht mehr aus, so dass ich auf die Toilette flüchte. Ich weiß, dass Kilian jeden Moment verschwinden könnte, aber ich muss mich einfach selbst davon abhalten, meiner Frustration nicht vor seinen Augen nachzugeben und ihm eine zu scheuern. Wobei … Das wäre vermutlich Alicias Reaktion, ich dagegen würde eher in Tränen ausbrechen oder einfach abhauen, weil ich es in seiner Gegenwart nicht mehr aushalte. Wie kann man nur so arrogant sein? Und wo hat er, bitte schön, gelernt, Fragen so gut auszuweichen? Egal, was ich sage, egal, was ich frage, er hat immer irgendeine Antwort parat, um sich herauszuwinden. Ugh! Ich könnte ihn erwürgen!