Statt uns irgendwelche langweiligen Fakten vorzutragen, wie all die anderen Professoren in der letzten Woche, ruft Professor Johannsen gleich den ersten Studenten auf, um seinen Text vorzutragen. Die ganze Zeit hoffe ich, dass ich heute noch nicht drankomme, weil es so viele gibt, die vorlesen müssen. Ich spüre Kilians Blick auf mir, was nicht gerade zu meiner Beruhigung beiträgt. Wieder ist da dieses Kribbeln, dieses Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmt. Hinzu kommen die Texte meiner Kommilitonen, die wirklich gut geworden sind. Sie sind voller emotionaler Details über ihren jeweiligen Partner, und trotzdem werden sie von Professor Johannsen verhackstückt. Anscheinend kann man es ihm überhaupt nicht recht machen, was mir nur noch größere Sorgen bereitet.

Während ich mit halbem Ohr zuhöre und hin und wieder bei der scharfen Stimme unseres Professors zusammenzucke, mache ich mir in letzter Minute auf meinem ausgedruckten Text Notizen. Er strotzt nur so vor hastig gekritzelten Anmerkungen und Änderungen in Rot.

»Wenn Sie sich schon so eifrig Notizen machen, Frau Hagen, sollten Sie Ihren Text vielleicht auch vortragen, damit die anderen etwas daraus lernen«, reißt

Es dauert einen Moment, bis ich begreife, wozu er mich gerade aufgefordert hat. Dann ist es, als würde mir das Herz stehenbleiben. Mein Stift fällt mit einem Klacken auf den Boden und verursacht dabei das lauteste Geräusch im ganzen Saal. Alle Blicke sind auf mich gerichtet, und plötzlich frage ich mich, ob es wirklich eine gute Idee gewesen ist, sich für dieses Studium zu bewerben. Ich spüre, wie mich alle anstarren, wie die Neugier meine Kommilitonen mit jeder Sekunde wächst. Ich sehe, wie manche von ihnen, deren Texte wenigstens einigermaßen gut abgeschnitten haben, gehässig grinsen. Sie glauben wahrscheinlich, dass meiner schlechter ist als ihrer. Und das ist er ganz sicher. Im ganzen Saal gibt es allerdings nur eine einzige Person, deren Reaktion mich wirklich inte- ressiert. Was wird Kilian dazu sagen?

Um das herauszufinden, schlucke ich all die Angst, die ich in diesem Moment verspüre, herunter und beginne zu lesen. Meine Stimme ist so brüchig, dass ich manche Sätze mehrmals wiederholen muss, weil ich das Gefühl habe, dass mich keiner verstanden hat. Ich stottere die ganze Zeit, während mein Blick immer wieder zu Kilian wandert. Er mustert mich