Als ich aus dem Wald zurückkomme, bin ich auch im Wohnheim nicht mehr allein. Autos parken auf der Kieseinfahrt, während Studenten und deren Eltern Koffer und Kisten in das alte Haus schleppen, in dem wir das kommende Semester wohnen werden. Ich stapfe mit gesenktem Kopf an ihnen vorbei, ignoriere ihre Blicke, achte nicht auf die Tränen, die mir noch immer die Wangen hinabrinnen, und stürme in mein Apartment. Es ist eines von insgesamt acht in diesem Haus mit je drei Zimmern, einem Bad und einem Wohnzimmer. Im Flur stapeln sich mehrere Koffer und ein ganzes Arsenal an Malsachen: blanke Leinwände, Pinsel und Zeichenblöcke. In einem der Zimmer verrückt jemand ein Möbelstück. Doch niemand scheint meine Anwesenheit zu bemerken.
Gut so. Ich brauche jetzt meine Ruhe, muss all diese Erinnerungen aus meinem Kopf vertreiben, allen voran die Worte des Fremden aus dem Wald.
Wo du hingehst, kann nur Tod folgen.
Ich ziehe mich in mein Zimmer zurück, lege mich in mein Bett und ziehe die Decke fest um mich. Mein Blick fällt auf das große Fenster, das nichts als Wald zeigt. Ich schließe die Augen und versuche, nicht an ihn zu denken. Dennoch zieht mich mein dummer Verstand zurück in den Schatten, so dass ich meinen dunklen Gedanken ausgeliefert bin. Auf einmal bereue ich es, so früh angekommen zu sein. Ich bereue es, ausgerechnet dieses Zimmer gewählt zu haben. Jetzt werde ich mit jedem Blick aus dem Fenster an diese Begegnung erinnert werden. An diesen einen Satz.
Vermutlich hat der Typ das nur gesagt, um mich zu verscheuchen. Und wie das funktioniert hat! Wohin ist die Entschlossenheit verschwunden, die ich kurz davor noch gespürt habe? Ich könnte mich ohrfeigen, dass ich einfach weggerannt bin. Das war mein altes Leben, mein altes Verhalten. Die neue Lenora rennt nicht mehr vor ihren Problemen weg. Sie geht sie an, und zwar mit der Sicherheit, dass alles gut werden wird – egal, wie scheiße die Situation gerade sein mag. Ich habe ein Happy End verdient. Also, warum verdammt nochmal handelst du nicht danach, Lenora?
Ich schüttle den Kopf und seufze. Langsam wende ich meinen Blick vom Wald ab. Meine Koffer stehen noch immer gepackt neben der Tür zum Wohnzimmer. Daneben stapeln sich drei Umzugskartons mit meinen restlichen Habseligkeiten, hauptsächlich Bücher. Auf dem Bett neben mir liegt eine verknickte Broschüre der Akademie.
Jede Sekunde zählt, steht da. Ich werde jede einzelne davon nutzen. Um glücklich zu sein und das zu tun, was ich schon immer gewollt habe: schreiben. Und keine alten Erinnerungen oder mysteriösen Typen können mich davon abhalten. Ich bin gekommen, um zu bleiben, koste es, was es wolle.