Die restlichen Tage, die ich zur Beobachtung im Krankenhaus verbringen muss, sind ziemlich langweilig, auch wenn Sophie fast die ganze Zeit bei mir ist. Alicia und Mara kommen immer dann, wenn sie keine Vorlesungen haben, und erzählen mir von dem neuesten Klatsch und Tratsch an der Akademie oder lesen mir etwas vor. Mein Unfall ist laut Alicia zu einer regelrechten Pressegeschichte geworden. In der Zeitung der Akademie ist ein großer Artikel erschienen, die wundersame Heilung der Lenora Hagen. Dass ich nicht lache! Von Heilung kann wirklich nicht die Rede sein. Mir tut noch immer jeder einzelne Knochen weh, als hätte man meinen Körper in tausend Stücke zertrümmert.

 

Als es endlich so weit ist und ich das karge Zimmer verlassen darf, geht es mir augenblicklich besser, aber an den Vorlesungen darf ich immer noch nicht teilnehmen, was mich beinahe in den Wahnsinn treibt. Verstehen sie denn nicht, wie wichtig dieses Studium für mich ist?

Wenigstens komme ich endlich hier raus und werde nicht mehr rund um die Uhr überwacht. So ist es mir zumindest vorgekommen mit all den Visiten.

Sophie hilft mir dabei, die wenigen Sachen, die Alicia und Mara für mich zusammengepackt haben, in mein Zimmer zu bringen und in dem altmodischen Kleiderschrank zu verstauen. Sie bleibt noch eine ganze Weile, nachdem sie mich auf meinem Bett platziert und darauf bestanden hat, mich zuzudecken, als wäre ich ein kleines Kind. Sophie ist noch schlimmer als die Schwestern, fragt mich alle fünf Minuten, wie es mir geht, und scheint total nervös zu sein ohne das ganze Krankenhauspersonal. Mehrmals ist sie drauf und dran zu gehen, bevor ihr wieder irgendein Grund einfällt, doch noch ein bisschen zu bleiben.

»Ach, die Pflanzen könnten mal wieder gegossen werden«, heißt es dann, oder: »Ich mache dir nur schnell noch eine Kanne Tee. Ja nicht bewegen, Kindchen.«

Zum Glück habe ich sie davon abhalten können, mir bis ins Bad zu folgen. Aufs Klo gehen kann ich alleine, auch wenn das im Moment einer regelrechten Tortur entspricht. Als es schließlich nichts mehr zu tun gibt, muss ich Sophie ein letztes Mal versichern,

 

Kaum dass Sophie weg ist, tue ich genau das, was sie eigentlich verhindern wollte. Ich setze mich an meinen Schreibtisch und klappe den Laptop auf. Von Sophie weiß ich, dass ich während der Woche, die ich im Krankenhaus verbracht habe, wichtigen Stoff verpasst habe. Es ist einiges, aber doch nicht so viel, dass ich es nicht an den Tagen, die ich noch zu Hause bleiben muss, nachholen kann. Die restliche Zeit will ich dafür nutzen, um mir schon einmal Gedanken über meine Hausarbeit in Erzähltheorie zu machen. Ich weiß, ich habe noch massig Zeit, aber ich bin ein Mensch, der solche wichtigen Aufgaben gerne vor der Deadline erledigt hat. Sophie hat für mich vermittelt und dafür gesorgt, dass ich genau das Thema bekomme, was ich möchte. Nun kann ich über den Aufbau der Bücher schreiben, die im letzten Jahr über auf der Bestsellerliste gestanden haben. Bücher, die mir am Herzen liegen, die ich entweder hasse oder liebe und allesamt in kürzester Zeit verschlungen habe.

Natürlich ist das Stipendium der Grund für meinen Arbeitswahn, aber es gibt noch einen wichtigeren, auch wenn es mir schwerfällt, ihn mir einzugestehen. Ich tue das alles, um mich von Kilian abzulenken und nicht jede einzelne verdammte Sekunde an ihn zu denken. Ich weiß noch immer nicht, ob sein Besuch im Krankenhaus nur Einbildung gewesen ist. Ich weiß nicht, ob er nach dieser Nacht noch einmal da gewesen ist, zumindest kann ich mich nicht daran erinnern, aber es ist nicht auszuschließen.

Alicia und Mara erzähle ich nichts davon, weil ich fürchte, dass sie mich für verrückt halten. Sie wissen ja, wie sehr ich Kilian gehasst habe und wie offensichtlich sein Hass auf mich gewesen ist. Warum also sollte er mich im Krankenhaus besuchen kommen? Vermutlich ist ihm mein Unfall ziemlich egal. Oder es war doch keine Einbildung …

Argh! Das ganze Nachdenken führt doch zu nichts und macht meine Kopfschmerzen nur noch schlimmer.

Keine Ahnung.

Damit will ich mich jetzt wirklich nicht beschäftigen. Ich muss diese Hausarbeit schreiben und den