»Ich sagte doch, dass ich nicht weiß, wie ich es dir am besten sagen soll …«, murmelt Kilian und weicht nun ebenfalls zurück. Kälte durchströmt mich, macht mir schmerzlich bewusst, dass er nicht mehr direkt vor mir steht und mich anlächelt.

Eine ganze Weile schweigt er, den Kopf gesenkt. Seine Schultern heben und senken sich unnatürlich schnell, und als er aufblickt, sind seine Augen glasig.

»Ich habe dich so sehr gehasst, weil ich es einfach nicht wahrhaben wollte, dass ich mich zu ihr hingezogen fühlte, zu deiner Seele, obwohl sie doch so kaputt ist«, sagt Kilian schließlich.

Ich kann es nicht leiden, wenn er so über meine Seele spricht, ganz gleich, ob es nun der Wahrheit entspricht oder nicht. Am liebsten würde ich … Moment mal, hat er gerade gesagt, dass er sich zu mir hingezogen gefühlt hat?

Überrascht hebe ich den Blick. »Was?«

»Tu nicht so verwundert, Lenora. Tief in dir drin weißt du doch, dass du etwas Besonderes bist.«

Wir stehen direkt voreinander, und es tut fast weh, so nahe bei ihm zu sein und ihn nicht zu berühren.

»Es war unglaublich egoistisch, dass ich mich von dir ferngehalten habe und so fies zu dir gewesen bin.

Einen Moment lang glaube ich, dass er gleich in Tränen ausbricht.

»Wieso beginnt meine Seele dann auf einmal zu heilen?«, frage ich, um das eigentliche Thema zu umgehen. Nicht dass er am Ende wieder verschwindet und dieses Mal vielleicht nicht mehr zurückkehrt. So wie meine Mutter.

»Ich weiß es nicht. Ich bin noch nicht so lange Seelenführer, musst du wissen. Manche Dinge versteht man selbst mit jahrelanger Erfahrung nicht«, sagt er nach einer Weile und mustert mich von oben bis unten. »Es ist wirklich unglaublich!«

Kilian schaut mich an, als wäre ich ein verdammtes Weltwunder, und ich wünschte, ich könnte sehen, was er in mir sieht, aber ich bin nicht wie er. Ich habe keine Ahnung von Seelen und ihren Zuständen, aber ein Anrecht darauf zu erfahren, was mit meiner eigenen passiert.

»Aber ich muss es wissen, Kilian. Wenn ich sie heilen kann, macht das mein Leben vielleicht einfacher. Vielleicht ist all die Dunkelheit dafür verantwortlich, dass es mich immer wieder zurück in meine Vergangenheit zieht«, sage ich und schaue ihn flehend an. Ich muss es einfach wissen. Ich muss herausfinden, was mich heilen könnte. Und ich muss mich davon

»Ich weiß es wirklich nicht, Lenora. Aber ich kenne jemanden, der das möglicherweise herausfinden könnte. Mein Vater«, sagt er und sieht sich auf der Lichtung um, als könnte Herr Winter jeden Augenblick hinter einem Baum hervorkommen.

»Warum kommst du morgen nicht einfach mit zu mir? Dann können wir herausfinden, wieso sich deine Seele allmählich zu erholen scheint«, sagt er und greift nach meiner Hand.

Langsam nicke ich, auch wenn ich irgendwie Angst davor habe, seiner Familie zum ersten Mal offiziell vorgestellt zu werden.

Es ist mir wichtig, dass Kilians Familie mich mag, weil ich Kilian mag. Nicht nur er fühlt sich zu mir hingezogen, wie er es vorhin genannt hat. Dieses Gefühl beruht mittlerweile auf Gegenseitigkeit.