ZEHN
Vor Star Trek engagierten Produzenten einen angesehenen Charakterdarsteller, wenn sie Leonard anriefen. Nach Star Trek wollten sie seinen Namen, der meistens »Leonard Nimoy aus Star Trek« lautete. Denn nun kannte man ihn, und er zog immer mehr Zuschauer an. Es war eine merkwürdige Zeit für Leonard – zum ersten Mal in seiner Laufbahn befand er sich in der Situation, dass er die Wahl hatte und nicht jede Rolle wegen des Geldes annehmen musste. Schauspieler neigen dazu, schnell Ja zu sagen und dann erleichtert zu sein, dass sie den Job haben. Leonard tastete sich langsam in seine Karriere nach Spock vor. Er machte mehrere zu vernachlässigende Filme. In jener Zeit arbeitete er intensiv daran, Spocks Ohren loszuwerden. Doch genau wie ich stellte er fest, dass es so etwas wie Nach Star Trek nicht gab. In fast jedem Bericht und jeder Rezension über ihn und was auch immer er tat, gab es einen Verweis auf oder einen Vergleich mit Spock. »Tewje lässt uns Spock vergessen«, hieß es zum Beispiel. Oder seine Rolle im Remake von The Invasion of Body Snatchers – Die Körperfresser kommen wird als »die böse Seite von Spock« bezeichnet. Wenn Reporter und Kritiker schrieben, das Publikum habe Spock für einige Stunden erfolgreich vergessen, bewiesen sie damit im Grunde nur, dass in Wahrheit niemand Spock vergessen hatte.
Ganz im Gegenteil. Während alle Mitglieder der Besetzung ihre eigenen, neuen Projekte fanden, wurde Star Trek im Hintergrund durch die zahlreichen Wiederholungen auf anderen Sendern viel populärer als während der Erstausstrahlung. Wir entkamen dem Erfolg nicht, sondern er überraschte uns alle und nahm uns in Beschlag. Es schien, als sei Star Trek zur Titelmelodie unseres Lebens geworden.
Kurz nachdem Leonard bei Kobra, übernehmen Sie gekündigt hatte, übernahm er seine allererste Hauptrolle in einem Fernsehfilm, einem ABC Movie of the Week-Thriller mit dem Titel U-Boot Wayne in geheimer Mission. Darin spielte er den Kommandanten eines U-Boots, das ein geheimes atomares Raketenabwehrsystem transportiert. Als er feststellt, dass seine Mannschaft von feindlichen Agenten unterwandert wird, die das U-Boot aufs offene Meer lenken und die Waffe stehlen wollen, muss Commander Kettenring irgendwie herausfinden, welche Besatzungsmitglieder Verräter sind, und den Plan vereiteln. Leider verschwand der Film in der Versenkung und taucht nur noch gelegentlich im Spätprogramm auf.
Danach drehte Leonard mehrere Filme, unter anderem seinen ersten Kinofilm, die Westernkomödie Catlow, in der er – wie vor Star Trek – den Bösewicht spielte. Yul Brynner und Richard Crenna waren Teil der Besetzung, und auch Leonards Freund und Mentor Jeff Corey hatte eine kleine Rolle.
Es war ein holpriger Weg, gepflastert mit Theaterstücken, Fernsehfilmen und Gastauftritten in beliebten TV-Serien. Ich befand mich auf dem gleichen Weg. Das Telefon klingelte häufig, aber sosehr wir auch vorgaben, es sei nicht der Fall – wir trugen beide unsere Charaktere aus Star Trek auf dem Buckel.
Leonard traf einige interessante Entscheidungen, zum Beispiel die zu seinem ersten größeren Hollywoodfilm, dem eben schon erwähnten Remake des Regisseurs Philip Kaufman von The Invasion of Body Snatchers, einem Science-Fiction-Klassiker. Donald Sutherland und Jeff Goldblum spielten darin mit, und Robert Duvall hatte einen Cameo-Auftritt als Priester auf einer Schaukel, wurde aber nicht im Abspann erwähnt. Die Handlung besteht darin, dass Außerirdische aus dem Weltall kommen, um die Erde zu besiedeln. Sie erscheinen als gewaltige Schoten, die sich unter Betten verstecken. Legt sich ein Mensch schlafen, steigt eine exakte Kopie von ihm aus der Schote auf und übernimmt die Kontrolle über seinen Körper. Körperlich gleichen diese Menschen den ursprünglichen Personen aufs Haar, aber sie haben keinen emotionalen Kern, sind völlig leidenschaftslos.
Leidenschaftslose Außerirdische? Kommt mir irgendwie bekannt vor … Ich frage mich, wie sie ausgerechnet auf Leonard kamen.
In diesem Film spielt er einen Psychiater und Autor mehrerer Selbsthilfe-Bestseller, der sich weigert, den Schilderungen von Bekannten Glauben zu schenken, ihre Liebsten hätten sich irgendwie verändert und den Zugang zu ihren Gefühlen verloren. Dieser Dr. Kibner hört mit Anteilnahme zu, beschwört die Ratsuchenden jedoch, rational zu bleiben. In sanftem, abwiegelndem Tonfall gelingt es ihm, ihre Ängste zu beruhigen – und dann erfahren die Zuschauer, dass er einer der vertauschten Menschen ist, vielleicht sogar der Anführer der Invasion. Ein Kritiker hob hervor, die größte Ironie liege darin, dass keiner von Dr. Kibners engen Freunden – die ihn um Hilfe bitten – zu bemerken scheint, dass er selbst völlig emotionslos ist.
In gewisser Weise zeigte Leonard damit tatsächlich Spocks dunkle Seite: einen Außerirdischen, der die menschlichen Emotionen nicht spürt, die Spock immer so faszinierten und die er doch nie nachempfinden konnte.
Ich weiß nicht, wann die einzelnen Darsteller sich in das Unvermeidliche fügten: dass wir für alle Zeiten an Star Trek gebunden waren. Ich glaube, ich wehrte mich länger dagegen als die anderen. Ich dachte irgendwie nach wie vor, die Rolle, mit der man meinen Namen verknüpfen werde, warte noch irgendwo auf mich. Es dauerte eine Weile, bis ich begriff und einsah – und letztlich dankbar akzeptierte –, welchen wichtigen Platz Kirk und die Crew der Enterprise im Unterhaltungsuniversum einnahmen.
Während Leonard an den Körperfressern arbeitete, entschied Paramount, den ersten Star-Trek-Film zu drehen. Erst nachdem der Rechtsstreit über seinen Anteil an den Merchandising-Einnahmen beigelegt war, willigte er ein, beim Dreh mitzumachen. Aufgrund des Erfolgs dieses Films dämmerte dem Studio allmählich, welchen potenziellen Wert sie mit der Serie besaßen, die sich durch drei Staffeln gekämpft hatte und sich nun hervorragend vermarkten ließ. Sofort plante Paramount einen zweiten Film. Leonard sagte seine Teilnahme zu – ebenso wie wir anderen –, verlangte diesmal aber eine Garantie vom Studio, dass man zusätzlich ganz andere Rollen für ihn auftreiben werde. Das Studio ließ sich auf zwei »Pay-or-play«-Zusagen ein. Danach musste man ihn für zwei weitere Filme bezahlen, ob man ihn nun irgendwo unterbrachte oder nicht. Ich weiß, wie Studios ticken: Wenn sie ihn bezahlten, fänden sie auch einen Weg, ihn einzusetzen.
Solange das Skript für Star Trek II geschrieben wurde, spielte Leonard den israelischen Pionier und Ehemann der Premierministerin Golda Meir, Morris Meyerson, in dem Fernsehfilm Golda Meir. Er hatte die Rolle anfangs abgelehnt, war sich nicht sicher, ob er sie spielen konnte, aber letztendlich überzeugte ihn der Produzent. In dem Film, der in Israel gedreht wurde, spielen die großen Darstellerinnen Judy Davis und Ingrid Bergman die Jüdin Golda zu verschiedenen Zeiten ihres Lebens. Es war erst ein paar Jahre her, dass die Miniserie Roots Menschen dazu angeregt hatte, ihre eigene Herkunft zu erforschen, und mit Rollen wie Tewje oder Meyerson schien Leonard ebenfalls seine jüdischen Wurzeln zu suchen. Mit Ingrid Bergman vor der Kamera zu stehen war ein besonders schmerzliches Erlebnis. Während der Dreharbeiten litt sie unter ihrer Krebserkrankung, an der sie letztendlich sterben sollte, und alle Beteiligten wussten darüber Bescheid. Leonard erinnerte sich, wie die Kostümbildner Kleidung für sie entwarfen, die ihren durch Behandlungen stark angeschwollenen Arm verbargen. Einige Monate nach den Dreharbeiten sprach er ein letztes Mal mit ihr. Sie habe aufgehört, Medikamente zu nehmen, sagte sie. Sie würden ihr zu sehr zusetzen, und sie habe akzeptiert, dass geschehen werde, was geschehen müsse. »Ich möchte diese Zeit so gut wie möglich genießen.«
Sie bekam einen Emmy als beste Darstellerin in einem Fernsehfilm, war jedoch bereits verstorben, als dies verkündet wurde. Als bester Nebendarsteller war Leonard ebenfalls nominiert – seine vierte Nominierung. Unter den Kandidaten waren aber auch John Gielgud, Derek Jacobi und Laurence Olivier, der die Auszeichnung letzten Endes für seinen Auftritt in Wiedersehen mit Brideshead bekam.
Nach dem Erfolg der beiden Star-Trek-Kinofilme war Leonard ambivalent bezüglich eines dritten Films. Mir ging es genauso. Wir hatten unsere Rollen gespielt, dann noch einmal und noch einmal – es gab keine schauspielerische Herausforderung mehr. Spock war in Der Zorn des Khan gestorben, doch in seiner Sterbeszene waren so viele Hinweise gestreut worden, dass seine cineastische Wiederauferstehung glaubwürdig wirkte. Bei der Überlegung, wie man das vertraute Material noch einmal spannend machen könne, machte Leonard einen interessanten Vorschlag: Er sagte dem Studio, er wolle bei diesem Film Regie führen. Das war ein gewaltiger Sprung, denn er hatte noch nie auf dem Regiestuhl gesessen, schon gar nicht bei einem Film mit einem beträchtlichen Budget.
Er setzte alles auf eine Karte. Wenn man eine solche Forderung stellt, geht man ein hohes Risiko ein, besonders wenn die eigene Figur schon tot ist. Aber das Studio wusste, welchen Wert Mr. Spock in der Geschichte hatte, und war überzeugt, dass Leonard es ernst meinte. So war es auch, und das Studio willigte ein.
Ich war begeistert. Jahre zuvor hatten Leonard und ich eine Klausel in unsere Verträge schreiben lassen, die in etwa lautete, was einem von uns beiden zugestanden wurde, musste auch der andere bekommen. Ich erinnere mich nicht daran, dies ausgehandelt zu haben. Eines Tages wachte ich auf, und wir hatten diese Klausel im Vertrag. Und das hieß, wenn Leonard bei diesem Film Regie führte, war ich beim nächsten an der Reihe. Bis dahin war dieser Punkt hauptsächlich Leonard zugute gekommen. Jedes Mal, wenn meine Agenten eine Erhöhung meiner Gage aushandelten, erhielt er automatisch auch eine. Wir lachten oft darüber, und ich sagte immer, er brauche gar keinen eigenen Agenten, er könne seinen feuern, dadurch zehn Prozent sparen und sich darauf verlassen, dass meiner den besten Deal für uns beide herausschlug. Aber diesmal zahlte es sich für mich aus – das Geld, das mein Agent für uns beide herausgeholt hatte, war nichts im Vergleich zu der Möglichkeit, bei einem Kinofilm Regie zu führen.
Das scheint ein universeller Traum zu sein. Es gibt eine wunderbare, aber offensichtlich erfundene Geschichte über Mutter Teresa. Nachdem sie den Nobelpreis erhalten hatte, sei sie von einer Abordnung der Vereinten Nationen in ihrem bescheidenen Zuhause besucht worden. Ein Repräsentant sagte zu ihr, wie sehr sie in aller Welt bewundert werde, und fügte hinzu: »Alles, was man Ihnen geschenkt hat, haben Sie anderen weitergeschenkt. Es muss doch etwas geben, das Sie nur für sich haben wollen.« Als sie um Essen für Waisen bat, sagte der Repräsentant, das sei eine schöne Bitte, doch diesmal solle es etwas für sie selbst sein. Mutter Teresa dachte darüber nach und sagte schließlich mit ihrer sanften Stimme: »Nun, ich wollte schon immer einmal Regie führen.«
Das geht allen Schauspielern so, die je gelebt haben. Und nun bekam Leonard diese Gelegenheit. Das war tatsächlich eine Aufgabe, auf die er sich fast seine gesamte Karriere lang vorbereitet hatte. Zu deren Beginn, erzählte er einmal, habe man ihm gesagt, er solle Regie führen. Anstatt sich geschmeichelt zu fühlen, »betrachtete ich das als Beleidigung. Ich dachte, was ist falsch an meinem Spiel?«
Das war natürlich nicht der Gedanke hinter diesem Vorschlag. Leonard kam einfach immer als intelligenter, analytischer Denker rüber. Vielleicht war es die Tonlage seiner Stimme oder die Art und Weise, wie er mit Sprache umging, jedenfalls strahlte er eine natürliche Intelligenz aus. Das machte ihn zu einem guten Lehrer, und den sahen wahrscheinlich auch die Leute in ihm und gaben ihm den Rat, Regie zu führen. Er erfuhr schon sehr früh in seiner Laufbahn, was gute Regie ausmacht. Während seiner Zeit beim Militär führte er Regie bei Trainingsfilmen und in den Stücken für seine Theatergruppe, wie zum Beispiel Endstation Sehnsucht, in denen er auch auftrat. Über die Jahre beobachtete er genau, wie die verschiedenen Regisseure ihren Beruf ausübten, und lernte auf diese Weise bei fast jedem Job etwas dazu. Aus den ersten Tagen des Fernsehens lernte er, sparsam zu sein, schnell zu drehen und das Beabsichtigte sofort umzusetzen. Viele Regisseure brachten sich auf die sichere Seite, indem sie mehrere Aufnahmen derselben Szene machten, weil sie glaubten, zumindest eine davon würde sich als brauchbar erweisen. Bevor es Videoaufzeichnungen gab, war das manchmal teuer und zeitraubend. Und auf einem Set ist Zeit wirklich Geld. Unter den Regisseuren, für die er damals arbeitete, war Jack Webb bei Polizeibericht ein Meister des schnellen, kostengünstigen Drehs. Webb verwendete viele Nahaufnahmen. Er holte die Schauspieler rein, ließ sie vor irgendeinem Hintergrund stehen und den Text direkt in die Kamera sprechen. Häufig war die Person, mit der sie scheinbar redeten, nicht mal am Drehort. Es passierte durchaus, dass ein Schauspieler kam, seinen Part sprach und ging, ohne den geringsten Kontakt mit seinem Dialogpartner gehabt zu haben. Norman Felton, der Produzent von Solo für O.N.C.E.L. und zahlreichen anderen Sendungen, war bekannt dafür, jungen Regisseuren diese Tricks beizubringen. Leonard verbrachte mehrere Tage am O.N.C.E.L.-Set im Schlepptau von Joe Sargent, der später große Kinofilme wie MacArthur und Stoppt die Todesfahrt der U-Bahn 123 drehte.
Leonard bekam die erste Gelegenheit 1972, als er gebeten wurde, bei einer Episode der Anthologieserie Night Gallery Regie zu führen. Sie hieß »Death on a Barge«, und »das Textbuch war reine Poesie«, wie Leonard sagte. Er meinte vermutlich Poesie à la Edgar Allan Poe. Es ging um eine schöne junge Vampirdame, die auf einem Kahn mitten auf dem Kanal von ihrem Vater gefangen gehalten wird. Wegen des Wassers kann sie nicht fliehen, und – genauso wichtig – es kann niemand zu ihr gelangen. Doch dann wird das Wasser aus dem Kanal abgelassen …
Leonard, der gute Leonard, beschrieb die Handlung, wie nur er es konnte, als die Geschichte von »Romeo und Julia als Vampire«.
Danach führte er bei einer weiteren Night-Gallery-Episode Regie, ebenso wie bei einer Folge von Kobra, übernehmen Sie. Als er den Vertrag für Star Trek III unterschrieb, hatte er jedoch seit fast einem Jahrzehnt nicht mehr hinter der Kamera gestanden. Ich war mit der Polizeiserie T.J. Hooker beschäftigt, als das Studio einwilligte, Leonard die Regie zu übertragen. Er hatte einen Gastauftritt in einer früheren Folge von T.J. Hooker gehabt, in der er meinen ehemaligen Partner spielte, der auf Rache sinnt, als seine Tochter vergewaltigt wird, jedoch nicht genügend Beweise für die Verurteilung des Täters vorliegen. Wir entschieden, dass es sinnvoll wäre, wenn er einmal bei dieser Serie Regie führen würde. Eine Polizeiserie fürs Fernsehen, ein Multimillionen-Dollar-Kinofilm … irgendwie ergab es damals Sinn. Die Episode, die er machte, hieß »The Decoy«. Darin lässt sich die schöne junge Heather Locklear als Köder einsetzen, um einen Mann in die Falle zu locken, der schöne junge Blondinen umbringt. Die eigentliche Herausforderung für Leonard bestand darin, Heather auf möglichst viele verschiedene Arten möglichst spärlich bekleidet zu zeigen. Vielleicht nicht die beste Vorbereitung für den Star-Trek-Film.
Viele waren gespannt, wie ich damit umging, unter Leonards Regie zu spielen. Um ehrlich zu sein, ich auch. Der Regisseur hat das Sagen am Set, und in unserer Freundschaft gab es dieses Gefälle nicht. Ich rechnete damit, dass es am Anfang vielleicht etwas merkwürdig wäre. Aber ich zweifelte nicht daran, dass wir einen gemeinsamen Weg finden würden. Wir hatten unsere Differenzen gehabt und sie gemeinsam überwunden. Schauspieler sind häufig unterschiedlicher Meinung und müssen einen Kompromiss finden, der für beide Seiten in Ordnung ist. Leonard erzählte einmal die Geschichte von dem ersten Arbeitstreffen mit dem Produzenten Harve Bennett, bei dem wir das Skript durchgehen wollten, nur wir drei. Harve glaubte wahrscheinlich, er müsse als Schiedsrichter auftreten. Leonard erinnerte sich, wie ich hereinkam und rundheraus sagte: »Ich will nichts mit diesem Skript zu tun haben.«
Das klingt viel streitlustiger, als ich es in Erinnerung habe. Aber zweifelsohne herrschte eine gewisse Spannung in dem Raum. Vielleicht sogar große Spannung. Die Balance, die wir in unserer Freundschaft erreicht hatten und die so gut funktionierte, wurde umgeworfen, und wir mussten eine neue Basis finden. Ich hatte einige Fragen zum Skript und wie die meisten Schauspieler mehrere Vorschläge. Niemand kannte Captain Kirk besser als ich, und ich hatte – wie Leonard immer glaubte – die Pflicht, nett zu ihm zu sein. Er war schließlich auch gut zu mir gewesen. Leonard begann das Treffen mit den Worten: »Was für dich richtig ist, Bill, ist richtig für Star Trek. Ich habe vor, einen verdammt guten Star-Trek-Film zu machen, und dafür ist es wichtig, dass du dabei auch gut wegkommst.« In dem Moment konnte ich es wahrscheinlich nicht realisieren, aber da war er schon, der Regisseur, der dafür sorgt, dass sich sein Schauspieler wohlfühlt. Die nächsten Stunden verbrachten wir damit, das Textbuch Seite für Seite durchzugehen. Leonard und Harve hörten mir mit Respekt zu und waren mit den meisten meiner Änderungsvorschläge einverstanden. Das war für uns nicht ungewöhnlich. Schon beim ersten Film hatten wir schließlich viel gemeinsame Zeit damit verbracht, das Skript nach Möglichkeit zu verbessern. Es war eine lange, produktive Diskussion, und als wir durch waren, fand ich das Skript viel straffer und stärker.
Die anderen Darsteller hatten vermutlich dieselben Bedenken wie ich. Es war nicht einfach für Leonard, aus der Gruppe herauszutreten und das Kommando zu übernehmen. Aber er fand erfolgreich einen Weg, mit jedem Einzelnen umzugehen. Ich glaube, sie beobachteten auch argwöhnisch, wie ich auf seine Regieanweisungen reagierte. Ziemlich am Anfang der Produktion klärten wir das. Wir filmten eine sehr dramatische Szene, in der Kirk vom Tod seines Sohnes erfährt. Leonard und ich diskutierten darüber, und wir hatten beide einen etwas unterschiedlichen Ansatz. Als es schließlich so weit war, die Szene zu drehen, bat Leonard die anderen, das Set zu verlassen. Als alle gegangen waren, wussten wir beide genau, was wir nun tun würden – ohne es abgesprochen zu haben. Mit einem Knall, den jeder hören musste, donnerte ich mit der Faust auf das Steuerpult aus Metall. »Verdammt noch mal, Leonard!«, brüllte ich, so laut ich konnte. »Mir ist es egal, was du denkst! So würde Kirk nicht reagieren! Ich mache es nicht auf deine Art!«
Regisseur Nimoy hielt lautstark die Stellung. »Von wegen!«, brüllte er zurück. »Du bist bloß der Schauspieler, und du wirst es verdammt noch mal genauso spielen, wie ich es will! Geh dort rüber und halt die Klappe!«
»Ach ja?« Ich schlug die Hände gegeneinander, und das Geräusch von geprügeltem Fleisch dröhnte durchs Studio.
»Und ob!«, brüllte Leonard noch lauter.
Ich rechnete schon damit, dass die anderen hereinstürmten, um uns auseinanderzureißen, aber wir konnten beide nicht mehr. Einer von uns gab auf – ich weiß nicht mehr, ob er oder ich –, und der andere folgte ihm. Wer weiß, ob jemand wirklich geglaubt hatte, wir würden uns prügeln. Die Formulierung »nur der Schauspieler« hatte uns wahrscheinlich verraten, aber alle verstanden die Botschaft: Wir waren die Crew des Raumschiffs Enterprise, und wir würden eine weitere gute Reise zusammen unternehmen.
Leonard ging sehr gut mit einer potenziell schwierigen Situation um. Dabei erleichterte es ihm, dass er mit talentierten, hoch professionellen Schauspielern zu tun hatte. Nach den gemeinsam verbrachten Jahren kannte er das Temperament, die Bedürfnisse und die Größe des Egos von jedem Einzelnen und wusste, wie weit er mit seinen Anweisungen gehen konnte. Er war, wie George Takei sich erinnert, »sehr diplomatisch. Er arbeitete im Telegrammstil. Seine Art, Regie zu führen, war ›ein bisschen mehr davon‹ oder ›etwas weniger‹. War er der Ansicht, dass wir uns in eine falsche Richtung bewegten, schlug er vor: ›Denk an dieses oder jenes!‹«
Es war ihm wichtig, etwas Besonderes für jeden Darsteller aufzuspüren. Sein Ziel, sagte er einmal, war es, »einen Weg zu finden, damit jeder Schauspieler sein ganzes Können zeigen konnte«. An einem der ersten Tage drehten wir eine Szene, in der Walter Koenig, unser russischer Navigator Chekov, Lebenszeichen in Spocks Wohnräumen bemerkt, die versiegelt worden waren. Während Kirk das brüsk von sich weist und murmelt, die ganze Crew sei besessen von Spock, zeigt Chekov seine Messungen Scotty. Sein Text lautete etwa: »Sehen Sie, ich bin nicht verrückt.« Gerade als sie die Szene drehen wollten, sagte Leonard zu Walter: »Ich hätte gern, dass du das auf Russisch sagst.« Das bedeutete Walter viel. Seine Eltern waren russische Juden, die aus Litauen emigriert waren. In den zwanzig Jahren, in denen er einen Russen verkörpert hatte, hatte er keinen einzigen Satz in dieser Sprache gesprochen. Leonards Aufforderung war genauso ein Tribut an seine Eltern wie an seine Herkunft.
Steve Guttenberg erinnert sich, dass Leonard einige Jahre später in nahezu derselben Weise arbeitete, als sie Noch drei Männer, noch ein Baby zusammen drehten. »Als Regisseur war Leonard immer authentisch, immer aufrichtig. Er spielte keine Spielchen mit den Schauspielern. Er log nie, sagte nichts, was nicht der Wahrheit entsprach. Er ging mit jedem so um, wie es nötig war, weil wir alle verschieden sind. Und er war sehr flexibel, hörte zu, diskutierte und ließ die Schauspieler ihre Arbeit erledigen. Einmal bereiteten wir uns auf eine Szene vor, in der Tom Selleck und ich mit Ted Danson über seine Verantwortung diskutieren, das Baby zu behalten. Kurz bevor wir anfingen, steckte Leonard mir einen gefalteten Zettel zu, auf den er etwas geschrieben hatte. ›Lies das jedes Mal, wenn du mit der Szene beginnst!‹, forderte er mich auf. Ich entfaltete den Zettel, und da stand: ›Ich liebe dich.‹ Ich sah hoch zu Leonard und wollte etwas erwidern, aber er hob die Hand. ›Rede nicht mit mir!‹, sagte er. ›Spiel die Szene!‹ Nachdem wir ein paar Takes gemacht hatten, fragte ich: ›Leonard, was war das denn?‹ Er sagte: ›Das ist dein Thema.‹ Das war eine ungeheuer intelligente Art, einen Schauspieler zu lenken. Diese Botschaft unmittelbar vor dem Dreh zu lesen erfüllte mich mit großer Wärme, und dieses Gefühl nahm ich mit in die Szene. Manche Regisseure sind machiavellistische Manipulatoren, aber Leonard war ein Mutter-Teresa-Manipulator.«
Wenn wir zusammen arbeiteten, gab Leonard mir nie viele Anweisungen, sondern ermutigte mich vor allem, das Beste aus mir herauszuholen. Für eine Schlüsselszene, in der Kirk erfährt, dass sein Sohn von den Klingonen umgebracht wurde, schlug er mir keine Reaktion vor, sondern sagte, ich solle meinem Bauchgefühl folgen. Das passte zu seiner Überzeugung, dass niemand einen Charakter besser verstand als der Darsteller, der ihn verkörperte. »Du entscheidest, wie verletzlich Kirk in diesem Moment ist«, sagte er. »Wie viel von der heroischen Fassade du zerstören willst.« Ich war mir nicht ganz sicher, wie Kirk auf diese Nachricht reagieren würde. Leonard positionierte mich in die Nähe von Kirks Sessel, und als ich zurücktrat, brach ich einfach zusammen. Leonard sagte hinterher, er habe geglaubt, ich sei gestolpert. Aber er ließ mich machen. Ich kam mühsam wieder auf die Beine und sprach meinen Text. Nachdem Schluss war, kam er zu mir und fragte besorgt: »Alles in Ordnung?«
»Mir geht es gut«, antwortete ich. »Meinst du, wir können das verwenden?«
Am nächsten Tag erzählte er mir, Jeff Katzenberg habe ihn angerufen, nachdem er sich die ersten Aufnahmen angesehen hatte, und gesagt: »Ich habe gerade die Szene mit Bill gesehen. Warum hast du deine Zeit die ganzen Jahre mit der Schauspielerei vergeudet? Du bist Regisseur!« Ich bin mir nicht sicher, wie gut er es fand, dass seine Schauspielkarriere als »Zeitverschwendung« bezeichnet wurde, aber über den Anruf hat er sich definitiv sehr gefreut.
Es gab eine Stelle, die wir meiner Meinung nach nie richtig hinbekamen. Es war eigentlich eine einfache, unbeschwerte Szene, in der Kirk mit einer Frau zusammensitzt und ein Geheimnis für sich behalten will, das sie aus ihm herauszukitzeln versucht. Ein Szenario, das durchaus lustig hätte sein können. Aber ich traf es irgendwie nicht. Hinterher sah ich mir die Szene nicht an – das tue ich bekanntlich nie –, aber ich weiß noch, dass ich das Gefühl hatte, Leonards Vorstellung nicht entsprochen zu haben. Ich war nicht spontan genug gewesen.
Das war eine Gelegenheit, bei der ich mir etwas mehr Anleitung gewünscht hätte, aber so arbeitete er einfach nicht. Vielleicht war er aber auch zufriedener mit der Darstellung als ich.
Als Regisseur glaubte Leonard fest daran, dass das wichtigste Element im ganzen Prozess die Story war, die Story und noch mal die Story. »Es geht immer um eine gute Geschichte«, sagte er. »Du kannst noch so viele Schiffe in die Luft jagen, Raketen abschießen, Kämpfe, Katastrophen oder Stunts zeigen. Ist die Geschichte gut? Nimmst du etwas mit nach Hause, worüber du nachdenkst? Etwas, das dich berührt und dir das Gefühl vermittelt, Teil unserer menschlichen Spezies zu sein?«
Damit Kunst beim Publikum Anklang findet, so glaubte er, muss sie zugänglich sein. Um dies zu erreichen, sollte ein persönlicher Bezug zum Material gesucht werden. Wenn Leonard mit einem Projekt begann, brütete er über dem Skript und suchte nach Elementen, um den Zuschauer emotional zu beteiligen. Gab es diese Elemente nicht, versuchte er sie nachträglich durch gewisse Änderungen hinzuzufügen.
Als Leonards Sohn Adam beschloss, seine Karriere als Anwalt aufzugeben und Regisseur zu werden, unterstützte ihn sein Vater. »Bei meinen ersten Aufträgen arbeiteten wir zusammen und gliederten das Skript auf. Er hob immer die Bedeutung der Handlung über den technischen Aspekten des Filmemachens hervor, was ja im Grunde nur heißt, die Kamera zu bewegen. ›Wir sind bloß Geschichtenerzähler‹, sagte er. ›Und diese Geschichten erzählen wir zufällig im Film.‹ Seiner Erfahrung nach sind die meisten jungen Regisseure ganz fixiert auf die Kamera, dabei ›geht es immer um die Story. Das Ziel sollte es sein, diese gut zu erzählen. Die Darstellung, die technischen Probleme, das löst sich im Endeffekt von selbst.‹ Wir gingen Szene für Szene durch, und ich lernte rasch, wie man das Thema, die Entwicklung der Charaktere herausarbeitet. Vor allem aber begriff ich die Bedeutung der Geschichte, wie ich meinen persönlichen Zugang dazu fand.«
Der Erfolg von Star Trek III: Auf der Suche nach Mr. Spock bei Publikum und Kritikern markierte den Beginn einer neuen Phase in Leonards Karriere. Vertraglich stand es mir zu, beim nächsten Film Regie zu führen, aber meine Verpflichtung bei T.J. Hooker ließ das nicht zu, also engagierte das Studio Leonard für die Regie bei Star Trek IV: Zurück in die Gegenwart. Mit diesem Skript reisten wir zurück ins San Francisco der Achtzigerjahre. Immer hatte es bei Star Trek humorvolle Untertöne gegeben, aber wir hatten uns nie zuvor an echte Comedy gewagt. In diesem Film mussten wir zwei Wale einfangen und zurück in die Zukunft bringen. Den ach so rationalen Spock in die damalige Zeit zu versetzen hatte das unwiderstehliche Potenzial, ziemlich lustig zu werden. Einmal fragt Kirks Flamme Spock zum Beispiel: »Sind Sie sicher, dass Sie Ihre Meinung nicht ändern?«
Er überlegt und fragt dann: »Ist etwas falsch an der, die ich habe?«
Leonards Umgang mit den pfiffigen Dialogen und witzigen Szenen führte dazu, dass die Produzenten Jeffrey Katzenberg und Michael Eisner, die von Paramount zu Disney gewechselt hatten, ihn baten, bei dem amerikanischen Remake einer französischen Komödie Regie zu führen: Noch drei Männer, noch ein Baby. Zuerst war die Regisseurin des französischen Originals auch für das Remake engagiert worden. Sie wollte jedoch eine wortwörtliche Übersetzung benutzen, was für das amerikanische Publikum nicht funktioniert hätte. Der Film war bereits in der Vorproduktion, und sie brauchten dringend einen neuen Regisseur. Leonard sprang ein und überarbeitete das Skript. Genau wie bei Star Trek gab es einige Schauspieler, die sich fragten, ob er die richtige Wahl war. Tom Selleck erinnert sich, dass er dachte: Super Idee. Ein völlig emotionsloser Typ führt Regie bei einer Komödie. Aber durch sein Talent und seine Professionalität gewann Leonard schnell den Respekt der Darsteller. Jahre später sagte Selleck: »Leonard war unersetzlich.«
Genau: Leonard war unersetzlich.
Soweit ich weiß, hatte es Leonard zum ersten Mal mit einem fünf Monate alten Schauspieler zu tun. Genau genommen mit fünf Monate alten Zwillingen. Es gab ein paar »kreative Differenzen«. Manche Schauspieler können aufs Stichwort weinen, das Baby sollte aufs Stichwort pinkeln. Das hätte natürlich nicht funktioniert, weshalb man dem Baby einen Schlauch anklebte, damit alles planmäßig … lief. Als die Szene gedreht wurde, versagte die Konstruktion – aber das Baby funktionierte. Es war verblüffend: Das Baby pinkelte wie auf Knopfdruck.
Begeistert sagte Leonard zu der Mutter des Kindes: »So machen das professionelle Schauspielerinnen!«
Noch drei Männer, noch ein Baby war ein großer Hit, übertraf die Einnahmen von Filmen wie Eine verhängnisvolle Affäre, Beverly Hills Cop II und Good Morning, Vietnam mit einer Gesamteinspielsumme von 168 Millionen Dollar. Star Trek IV war der erfolgreichste Film der Serie gewesen und hatte auf dem amerikanischen Markt 109 Millionen eingespielt. Leonard war also einer der wenigen Regisseure in jener Zeit, die zwei Filme mit einem Gewinn von über hundert Millionen Dollar gedreht hatten.
Leonard änderte sich nie. Ich bin sicher, dass der früher hungernde Schauspieler sich enorm über den kommerziellen Erfolg des Films freute. Aber dies ist auch eine Branche, in der Talent an solchen Zahlen gemessen wird. Deshalb erfüllte es ihn sicher mit Zufriedenheit, dass seine Begabung endlich erkannt wurde. Zufriedenheit ist nicht das richtige Wort, denn Leonard war nie zufrieden mit seiner Karriere. Er strebte unentwegt vorwärts. Trotzdem glaube ich, dass ihm der Erfolg Genugtuung verschaffte.
Anscheinend waren viele überrascht, dass Leonard Nimoy Regisseur dieser herzerwärmenden Komödie war, die dem Studio ein kleines Vermögen eingebracht hatte. Aber manches ändert sich wirklich nie. Wenn die Leute davon erfuhren, war die häufigste Reaktion: Ich wusste gar nicht, dass Spock Regisseur geworden ist!