SECHS
Möglicherweise war es die britische Bierwerbung, mit der unsere Freundschaft begann. Als wir die Originalserie drehten, wurde keiner der Darsteller gut bezahlt. Leonard verdiente wohl 1250 Dollar pro Folge in der ersten Staffel – mehr als jeder andere, aber weniger als ich. Wir bekamen nicht einmal Tantiemen. Gut möglich, dass keine andere Sendung häufiger auf verschiedenen Sendern gezeigt wurde als die Originalserie, aber niemand von uns hat jemals einen Penny dafür gesehen. Das Network und Paramount behielten darüber hinaus alle Vermarktungsrechte. Das war für die ganze Besetzung ein echtes Ärgernis, besonders aber für Leonard. Spock war hot! Spock war vermarktbar, und das Network schlug Kapital aus ihm. Sein Konterfei tauchte plötzlich überall auf, und Leonard wurde darüber immer ärgerlicher. Mr. Spock war schließlich vor allem sein Werk. Endgültig auf die Palme brachte Leonard wohl sein Besuch in London, wo er Spocks Abbild überall auf Plakaten sah, mit denen Heineken verkauft wurde. Leonard war zu Recht sauer, dass das Studio mit seinem Gesicht Bier in Großbritannien verkaufte – zumal er davon nichts wusste, geschweige denn irgendwelche Einnahmen daraus erhielt.
Leider war Leonard diese Art von Behandlung mittlerweile gewöhnt. Einige Monate nach Beginn unserer ersten Staffel bot ihm ein Agent zweitausend Dollar für einen persönlichen Auftritt an einem Samstagnachmittag in Boston. Selbst nach Abzug der zehn Prozent Beteiligung für den Agenten hätte Leonard damit in ein paar Stunden mehr Geld verdient als mit einer Woche Dreharbeiten. Es war ein lukratives Angebot für ihn und das erste Mal, dass er eine solche Gelegenheit bekam. Das einzige Problem war, dass er freitagabends pünktlich um 18 Uhr am Flughafen sein sollte und dafür das Set etwas über eine Stunde früher verlassen musste. Das war keine große Sache, es war durchaus möglich, um ihn herumzufilmen, wenn er rechtzeitig Bescheid sagte. Er bat Roddenberry um Erlaubnis. Was dann geschah, sollte Leonard nie vergessen.
»Ich wartete einige Tage auf die Antwort der Produzenten, und der Agent wollte die Sache festklopfen«, erklärte Leonard. »Irgendwann wurde mir mitgeteilt, Gene Roddenberry wolle mich sehen. Ich suchte ihn in seinem Büro auf, und wir sprachen ein paar Minuten. Dann sagte er: ›Ich habe gehört, Sie wollen Freitag früher Schluss machen.‹« Leonard bejahte und erzählte Roddenberry von dem Zweitausend-Dollar-Angebot.
Als er mir die Geschichte erzählte, schüttelte er ungläubig den Kopf. Er war ehrlich verblüfft, als Roddenberry antwortete: »Ich habe gerade ein Unternehmen mit dem Namen Lincoln Enterprises gegründet. Wir werden das Merchandising einiger Star-Trek-Fanartikel übernehmen, aber wir wollen auch die persönlichen Auftritte der Schauspieler managen. Die Gebühr beträgt zwanzig Prozent.« Leonard sagte, sein Agent bekomme bereits zehn Prozent und er verstehe nicht, weshalb er Roddenberry nun ebenfalls etwas zahlen solle. Roddenberry musterte ihn und erwiderte kühl: »Der Unterschied zwischen Ihrem Agenten und mir besteht darin, dass er Sie am Freitag um fünf nicht hier rausbekommen kann, ich schon. Und das kostet Sie nur zwanzig Prozent.«
Leonards Antwort war typisch für ihn: »Das kann ich meinem Agenten nicht antun«, sagte er. »Er hat mir den Job verschafft.«
Und Roddenberrys Reaktion zeigte, wie die Anzugträger über die Schauspieler dachten. »Ich werde seine Worte nie vergessen«, sagte Leonard: »›Tja, dann müssen Sie sich verbeugen und Jawohl, mein Herr sagen.‹«
»Da haben Sie den Falschen erwischt«, gab Leonard zurück und verließ wütend das Büro. In dem Moment gab Roddenberry nach, und Leonard konnte an besagtem Freitag früher gehen. »Obwohl wir danach noch jahrelang miteinander arbeiteten, kam es nie auch nur annähernd zu so etwas wie einer Freundschaft zwischen Gene Roddenberry und mir.«
In dem Maß, wie Spocks Beliebtheit zunahm, verschlechterte sich das Verhältnis zwischen Leonard und den Produzenten. Es wurde so übel, dass man ihm eine Mitteilung zukommen ließ, es sei ihm verboten, die Bleistifte und Kugelschreiber des Studios zu benutzen.
Das Ergebnis war vorhersehbar. Bis zu diesem Zeitpunkt in seiner Karriere hatte Leonard keinerlei Macht besessen. Wie die meisten Schauspieler war er sich der ständigen Gefahr, gefeuert zu werden oder einen Job nicht zu bekommen, nur allzu bewusst. Nun befand er sich endlich in einer echten Machtposition, und das verlieh ihm nach siebzehn Jahren der Geringschätzung, siebzehn Jahren, in denen ihm als Charakterdarsteller leicht gekündigt werden konnte, die Stärke, nicht nur für seine eigenen Rechte, sondern auch für die der übrigen Besetzung einzustehen. Einige Jahre später erwarb Filmation die Rechte, eine animierte Fassung der Serie zu produzieren. Man engagierte Leonard und mich, Jimmy Doohan, der Scotty und alle anderen männlichen Stimmen sprechen sollte, sowie Majel Barrett als Krankenschwester Chapel und für alle weiblichen Stimmen. Auf die Frage, warum die anderen Darsteller nicht engagiert wurden, erklärte man, dass es nur ein begrenztes Budget gebe und man es sich nicht leisten könne. Als Leonard das hörte, wollte er den Job nicht machen. »Das ist nicht Star Trek«, sagte er. »Bei Star Trek geht es um Vielfalt, und die beiden, die am meisten dafür stehen, sind George Takei und Nichelle Nichols, und wenn sie nicht mitmachen, dann habe ich kein Interesse.« Das Unternehmen hatte keine Wahl. Ohne Leonard oder mich gab es kein Star Trek. Das war lange bevor die Star-Trek-Lizenzen kleine Berge von zusätzlichem Einkommen abwarfen – das Honorar, das Leonard angeboten wurde, war also durchaus wichtig für ihn. Aber er hatte gelernt, seine Macht zu nutzen, und die anderen Darsteller wurden ebenfalls engagiert.
Gleichzeitig hatte auch ich meine Probleme mit Gene Roddenberry. Er hatte eine pseudomilitärische Medaille entworfen, die von Lincoln Enterprises vertrieben wurde. Um die Verkäufe anzukurbeln, wollte er, dass ich sie in der Serie verwendete. Ich sollte sie einem Crewmitglied anstecken. Diese Auszeichnungszeremonie hatte überhaupt nichts mit dem Plot zu tun, also weigerte ich mich, da mitzumachen. Irgendwie brachten sie dann jedoch Leonard dazu, die Szene zu spielen.
Leonard und ich hatten also beide ein schwieriges Verhältnis zu Gene Roddenberry. Er verfügte über viele Talente, aber Takt gehörte nicht unbedingt dazu. Einerseits hatte er die Vision, diese wunderbare Welt zu erschaffen, und konnte andererseits Zeit damit verschwenden, durch irgendwelchen Kleinkram ein paar unbedeutende Dollar rauszuschlagen. Und er ließ sich nicht leicht umstimmen. Wenn er an etwas glaubte, blieb er dabei, egal, ob er es mit den Schauspielern oder dem Network zu tun hatte. Es war Gene, der Leonard davon überzeugte, diese Ohren aufzusetzen, und er war es auch, der die Briefkampagne der Fans initiierte, die uns ein weiteres Jahr schenkte. Leonard beschrieb sein Verhältnis zu Roddenberry einmal als »Vater-Sohn-Beziehung – mal war sie toll, mal richtig schlecht«. Das war offenbar der Grund, weshalb Leonard manchmal so bitter enttäuscht von Genes Verhalten war. Ich habe das nie so empfunden. Gene konnte paternalistisch sein, aber ich glaube, an diesem Punkt meiner Karriere brauchte ich einfach keine Bestätigung. Was auch immer die zeitweise schwierige Dynamik dieser Beziehung ausmachte, Roddenberry und Leonard lebten beide lange und erfolgreich davon. Sie brauchten einander – wir alle brauchten einander –, und rückblickend erscheint es viel wichtiger, Genes kreativen Geist in den Fokus zu rücken als die Familienstreitigkeiten, die wir ausfochten.
Nachdem wir die ersten dreizehn Folgen gedreht hatten, wurde der Autor Gene Coone Produzent, und Roddenberry wurde zum ausführenden Produzenten befördert. Seine Hauptaufgabe schien darin zu bestehen, jeden noch möglichen Penny aus der Serie herauszuquetschen, bevor die Quelle versiegte. Er verkaufte alles, was man sich vorstellen kann. Kameraleute machen vor jeder Szene Aufnahmen, um die Beleuchtung zu testen. Meistens sind es etwa zehn Stück, jedenfalls nur so viele, um sicherzugehen, dass das Set gut ausgeleuchtet ist. Normalerweise werden sie weggeworfen. Roddenberry verkaufte jede einzelne.
Die meisten Serien produzieren Outtakes, einige Minuten Material mit Pannen und Witzen. Sie werden zur Unterhaltung der Besetzung und der Crew gemacht, häufig enthalten sie Insider. Wir drehten zum Beispiel einen, der damit begann, dass Spock einen Pfeil abschießt – gefolgt von einer Szene, in der Kirk eilig in eine Höhle gebracht wird, weil ihm ein Pfeil im Gemächt steckt. Es war ein Scherz mit vielen Ebenen, aber nicht für die Allgemeinheit gedacht. Roddenberry schnitt Höhepunkte dieser Outtakes zusammen und verkaufte sie. Ich erfuhr erst davon, als jemand mir erzählte, ein Freund habe sie in einer Kneipe gesehen.
Es dauerte eine Weile, aber irgendwann begriffen Leonard und ich, dass wir viel mehr Macht hatten, wenn wir uns nicht als Einzelkämpfer durchschlugen, sondern zusammentaten. Vielleicht war es Zufall, vielleicht auch nicht, aber etwa zur selben Zeit, als Kirk und Spock immer beliebter wurden, hatten zwei der größten Pitcher im Baseball, die zukünftigen Legenden Sandy Koufax und Don Drysdale, mit der Tradition gebrochen, indem sie ihre Jahresverträge bei den Dodgers zu zweit verhandelten. Die Geschichte beherrschte mehrere Wochen lang die Schlagzeilen. Ihre Strategie zwang die Dodgers, ihnen eine ansehnlichere Gehaltserhöhung zu geben, als jeder einzeln bekommen hätte. Ich weiß nicht mehr, ob uns das auf die Idee brachte, jedenfalls beschlossen Leonard und ich, ebenfalls gemeinsam zu verhandeln. Wir trafen keinerlei Vereinbarung, nur dass wir uns absprechen wollten, wenn es irgendein Problem oder eine günstige Gelegenheit gab. Manchmal nutzten wir diesen Einfluss im Zusammenhang mit Änderungen im Text, bei Vertragsklauseln, auf jeden Fall aber, sobald Geld im Spiel war. Später, als Star Trek zu einem Multimilliarden-Franchise-Unternehmen geworden war, war unsere Macht in dieser Hinsicht enorm. Zusätzlich dazu, dass wir auf Conventions erschienen, wurden uns viele weitere Möglichkeiten geboten, um aus unseren Rollen Kapital zu schlagen. Das zwang uns zu einer dauerhaften Zusammenarbeit. Wir brauchten einige Jahre, aber je mehr Zeit wir miteinander verbrachten, desto deutlicher wurde uns, wie gern wir zusammen waren. Anders als bei sonstigen Serien oder Filmen, wenn das Ende der Dreharbeiten meist unweigerlich das Ende der dabei entstandenen Freundschaften bedeutete, war diesmal das Ende der Originalserie der Beginn einer lebenslangen Freundschaft.
Leonard kam man nicht so einfach näher. Er schien sich am wohlsten zu fühlen, wenn eine respektvolle Distanz zwischen ihm und der übrigen Besetzung gewahrt wurde. Was ich damals nicht wusste: Ihn hielt weitaus mehr von uns anderen fern als nur die Schwierigkeit, Spock abzulegen. Während wir die Serie drehten, hütete Leonard ein Geheimnis. Er war damals alkoholabhängig.
Ich erfuhr erst später davon, als Leonard sich in der Lage sah, öffentlich darüber zu sprechen. Wie bei so vielen anderen Dingen in seinem Leben hatte ihn seine Abhängigkeit eine Lektion gelehrt, die er weitergeben wollte. Er wollte anderen Menschen die Qualen ersparen, die er durchlitten hatte. Dummerweise hörte ich ihm nicht zu, als ich seinen Rat am dringendsten nötig gehabt hätte.
Irgendwann im Lauf der zweiten oder dritten Staffel fing er an, regelmäßig zu trinken. Das erzählte er mir vor der Kamera, während wir die Dokumentation Mind Meld über uns drehten. »Bis dahin war es kein Problem«, sagte er. »Ich trank nach der Arbeit ein Glas Wein oder nahm einen Drink oder zwei, aber das war in Ordnung. Doch dann wurde mir dieses Ritual extrem wichtig, ging mir in Fleisch und Blut über, weil ich mich auf die Entspannung am Ende des stressigen Arbeitstags freute. Meine Assistentin hatte sich angewöhnt, mir einen Drink im Pappbecher zu bringen. Sobald wir eine Szene beendet hatten, trank ich. Daraus wurden ein paar Drinks. Und allmählich trank ich, ohne es zu merken, immer mehr. Mein Hang zur Sucht übernahm das Kommando. Wie so viele Alkoholiker war ich imstande, es bei der Arbeit geheim zu halten. Ich passte auf, dass es meine Darbietung nicht beeinflusste. Solange ich nie trank, während ich arbeitete, hatte ich die Illusion von Kontrolle. Ich belog mich selbst: Ich arbeite nicht betrunken, ich trinke überhaupt nicht im Zusammenhang mit der Arbeit. Ich kann warten.«
Mir ist es nie aufgefallen. Ich habe Leonard nie alkoholisiert gesehen. Ich habe nie bemerkt, dass er bei der Arbeit unaufmerksam war oder sich in irgendeiner Weise anders als vollkommen professionell verhielt. Tatsache ist, dass ich keine Ahnung von Alkoholismus hatte. Ich dachte, alle seien wie ich. Wenn ich etwas tun musste, tat ich es. Leonard und ich rauchten zum Beispiel während der Dreharbeiten zur Originalserie jeder wie ein Schlot. Ich rauchte so viel, dass meine drei kleinen Mädchen das Gesicht verzogen und sagten: »Daddy, du stinkst«, wenn ich ihnen einen Kuss gab. Ich wollte nicht, dass meine Kinder sich von mir abwandten, weil ich nach Tabak stank, also beschloss ich, mit dem Rauchen aufzuhören.
Es war nicht einfach. Ich machte einen kalten Entzug, legte eine Schachtel Zigaretten weg und rührte sie nie wieder an. Ich musste eine Zeit lang echt kämpfen. Leonard erinnerte mich gern an den Tag, als ich nach dem Dreh einer Szene das Set verließ, weiter durchs Studio und aus der Tür hinausging, wo ich schließlich stehen blieb und verzweifelt rief: »Ich will eine Zigarette!« Irgendwie schaffte ich es, sie mir abzugewöhnen. Da Leonard auch rauchte, wusste er, dass ich meinen Dämon bekämpfte so wie er den seinen. Der Unterschied zwischen uns beiden war ein psychologischer: Ich neige nicht zu Suchtverhalten. Leonard vermutlich schon. Lange glaubte ich, es sei eine Frage der Willenskraft – wenn man wirklich aufhören wollte, schaffte man es auch. Ich irrte mich.
Leonard versuchte gleichzeitig das Rauchen und das Trinken aufzugeben, eine fast unmögliche Aufgabe. »Ich dachte, vielleicht kann ich ein bisschen rauchen«, sagte er, als wir darüber sprachen. »Aber das konnte ich nicht. Rauchte ich anfangs nur wenig, war es bald wieder viel. Beim Trinken genauso. Und innerhalb von etwa zwei Jahren bekam ich ein ernsthaftes Alkoholproblem. Es erreichte einen Punkt, an dem ich nicht mehr kontrollieren konnte, wie viel ich trank. Ich gab mir selbst Versprechen, die ich nicht halten konnte. So verlor ich allmählich meine Selbstachtung. Samstags oder sonntags trank ich schon mittags und war schnell nicht mehr ganz bei mir. Um vier Uhr nachmittags ging ich ins Bett und verschlief den nächsten Tag, verpasste eine Party in meiner eigenen Wohnung. Wenn die Gäste kamen, war die Party für mich schon vorbei. Ich versprach mir, diesmal wird es nicht passieren. Dieses Wochenende trinke ich höchstens ein, zwei Bier am Samstag, und nicht vor vierzehn Uhr. Um elf trank ich dann das erste Bier, um drei oder vier war ich wieder total zu. Irgendwann wurde mir klar, dass ich zum Alkoholiker geworden war.«
Es gibt nicht die eine logische Erklärung dafür, warum Menschen alkoholabhängig werden. Ich bin mir sicher, dass es immer komplexe emotionale und körperliche Gründe gibt. Ich hatte in meinem Leben selbst damit zu kämpfen: Gegen Leonards Rat heiratete ich eine Alkoholikerin. Obwohl Leonard und ich verzweifelt versuchten, ihr zu helfen, drangen wir nie zu dem Grund für ihren Schmerz vor. Die Situation verbesserte sich nicht, und dann starb sie bei einem schrecklichen Unfall. Sie ertrank stark alkoholisiert in unserem Pool. Ja, inzwischen kenne ich mich aus mit Alkoholikern, ich weiß, dass sie Experten darin werden, ihr Umfeld an der Nase herumzuführen, ich weiß, welchen Schmerz sie anderen zufügen, und ich weiß, sie können nicht anders. Aber wer weiß, warum Leonard zu trinken begann? Zu dieser Frage sind wir nie gekommen.
Dass ihn das wahre Gesicht des Erfolgs extrem enttäuschte, war wahrscheinlich ein wichtiger Faktor. Wie er sagte: »Ich hatte mir eingebildet, ich hätte mit Star Trek ein Zuhause als Schauspieler gefunden. Plötzlich hatte ich einen eigenen Parkplatz, mein Name stand an der Tür meiner Garderobe, die ich zumindest für einige Monate behalten würde. Das war für mich etwas ganz Besonderes. Ich dachte, ich hätte eine Familie gefunden. Die Autoren und Produzenten waren Vaterfiguren für mich, die anderen Darsteller meine Brüder und Schwestern. Ich freute mich jeden Tag darauf, mit meiner kreativen Künstlerfamilie zusammenzuarbeiten. Doch dann entdeckte ich allmählich, dass das Studio nicht mit einem Freund oder meinen Eltern zu vergleichen war – die Leute dort waren meine Vertragspartner. Anstatt mich zu unterstützen, fragten sie: ›Wie viel zahlen wir ihm? Wenn er mehr will, sagt ihm, wir finden einen anderen, der die Ohren aufsetzt. Er will ein Telefon in seiner Garderobe? Nicht im Vertrag? Also kein Telefon. Er will Freitag früher weg? Nein, er muss bis Viertel nach sechs arbeiten.‹ Da gab es keinerlei Flexibilität, keine menschliche Sichtweise. Das verwirrte mich und machte mich sehr wütend. Es war der Auslöser dafür, dass ich in Therapie ging.«
In den meisten Berufen können die Menschen den Stress aus ihrem Job hinter sich lassen, wenn sie nach Hause kommen. Eine TV-Serie zu drehen verschlingt das ganze Leben. Freie Abendstunden, um runterzukommen, sind also rar. Der durch die Arbeit verursachte Druck vergrößert überdies bereits existierende Probleme zu Hause. Man findet nirgends ein Ventil. Während der Dreharbeiten ist keine Zeit für irgendetwas anderes, auch nicht für die Familie. Mein Familienleben litt extrem, als wir Star Trek machten, und dies hatte ganz sicher seinen Anteil an meiner Scheidung. Für Leonard schien die Serie ein Rettungsanker zu sein. »Ich erwischte eine Welle und hatte keine Ahnung, wie lange ich sie reiten konnte«, sagte er zu mir. »Ich war besessen davon, alles nur Mögliche herauszuholen. Jede Gelegenheit musste ich ergreifen. Für den Fall, dass ich wieder dort landen würde, wo ich herkam, musste ich als Sicherheit für später Geld zurücklegen.« Das führte dazu, dass seine Ehe strapaziert und die Beziehung zu seinen Kindern angespannt war. Wie er es einmal beschrieb: »Im Beruf wurde ich Hauptdarsteller, in der Familie spielte ich nur noch eine Nebenrolle.«
Sein Sohn Adam erklärte es folgendermaßen: »Er war so sehr mit seiner Karriere beschäftigt, dass er überhaupt nicht wusste, was für die Familie wichtig war. Am Anfang liebten wir Spock. Ich sah ihn spielen, noch bevor die Serie ausgestrahlt wurde, wir sahen uns Fotos von ihm in seiner Garderobe an, die er mit nach Hause brachte – die ganze Familie war Feuer und Flamme. Zuerst fanden wir das toll. Aber dann änderte sich alles. Es wurde schwierig, seine Aufmerksamkeit zu gewinnen. Es gab viele Konflikte. Irgendwann dachte ich, es reicht mit Spock. Wir haben genug von ihm gesehen. Alle mögen Spock, aber ich hätte mir ihn etwas familiärer gewünscht.«
Leonards Frau Sandi war eine Powerfrau. Sie nahm am Leben teil, engagierte sich bei den kulturellen Umbrüchen der Sechzigerjahre. Anscheinend dekorierte sie ihre Wohnung in den starken Farben der Gegenkultur, trug deren schräge Klamotten und liebte Rock ’n’ Roll. Sie und Leonard waren beide politisch aktiv, gingen zu Antikriegsdemonstrationen, unterstützten Friedenskandidaten wie Eugene McCarthy und George McGovern und nahmen sogar an Love-ins teil, bei denen junge Leute für ihre sexuellen Freiheiten demonstrierten – und sie manchmal tatsächlich demonstrierten. Diesbezüglich sagte Leonard einmal: »Es war eigentlich kein echter Gruppensex – aber es wurde viel gekuschelt.«
Leonards Hingabe an seine Arbeit zwang Sandi unweigerlich zu immer größerer Unabhängigkeit. Wie viele Schauspieler verpasste er große Teile der Entwicklung seiner Kinder. Ihr Vorbild wurde Sandi, von ihr bekamen sie die bedingungslose elterliche Liebe, die ihnen ihr Vater nicht geben konnte. Es muss Leonard innerlich zerrissen haben: Endlich war er in der Lage, der Familie Sicherheit zu geben, doch der Preis dafür war seine allzu häufige Abwesenheit.
Inwieweit dies zu seinem Alkoholkonsum beitrug, weiß ich nicht. Aber ich bin mir sicher, dass es ihn beförderte. Verblüffend ist vor allem meine Ahnungslosigkeit – dass dieser nette Mann, der sich jeden Tag die Ohren aufsetzte und gut vorbereitet zur Arbeit erschien, innerlich gegen Monster kämpfte. Wir waren ja noch keine engen Freunde. Ich erinnere mich nicht daran, ihn jemals zu Hause besucht zu haben. Und er konnte seinen Konsum so gut kontrollieren, dass seine Arbeit nie beeinträchtigt wurde. Spock trank nicht, niemals. Darauf war Leonard stolz. Selbst an seinen schlimmsten Tagen legte er Wert auf seine Professionalität.
Später, als das Thema mein eigenes Leben betraf und er mir zur Seite stand, begriff ich erst, wie weit Alkoholiker gehen, um ihr Verhalten zu verbergen.
Als die Serie abgesetzt wurde, versprachen sich wieder einmal alle Beteiligten gegenseitig ewige Freundschaft, aber mit wenigen Ausnahmen sahen wir nicht mehr viel voneinander. Das war in der Zeit, als unsere neunundsiebzig regulären Folgen auch auf anderen Sendern ausgestrahlt wurden und über die Jahre ein wesentlich größeres Publikum erreichten. Der Lizenzmarkt entwickelte sich gerade erst zu einer wichtigen Einnahmequelle für TV-Produzenten, und um seine Investitionen wieder reinzuholen, verkaufte Paramount Star Trek gern günstig an jeden Lokalsender, der die Serie haben wollte. Die lokalen Sender ließen sie immer wieder laufen, häufig tagsüber und am frühen Abend, wenn die jüngeren Leute zu Hause waren. Die Quoten für die ursprünglich allenfalls als mäßig erfolgreich geltende Sendung waren überraschend hoch, woraufhin andere Sender sie ebenfalls einkauften. Star Trek war viele, viele Jahre lang die beliebteste einstündige Serie auf den angeschlossenen Sendern. Die Zuschauerzahlen stiegen kontinuierlich. Ich bekam das dadurch mit, dass mich mehr Leute erkannten, nachdem die Serie bei NBC abgesetzt worden war und nur noch auf anderen Sendern lief. Merkwürdig, dachte ich damals. Aber die Enterprise hatte eine neue, unglaublich treue Anhängerschaft gefunden. Im März 1969 traf sich eine große Gruppe von Star-Trek-Fans in der Stadtbibliothek von Newark, New Jersey, um Dias zu gucken, Vorträge anzuhören, an Podiumsdiskussionen teilzunehmen und von der Serie inspirierte Lieder zu singen. Diese erste inoffizielle Trekkie-Convention führte zu weiteren. Trekkies? Was für ein seltsamer Begriff! Es gab keine Colties, Bonanzies oder Flintstonies – was um alles in der Welt war ein Trekkie? Die erste offizielle Convention fand im Januar 1972 im Statler-Hilton in New York statt. Diese Conventions brachten die Besetzung regelmäßig zusammen, und so wuchs auch die Freundschaft zwischen Leonard Nimoy und mir.
Nach dem Serienende hatten sich unsere Laufbahnen in verschiedene Richtungen entwickelt. Ich hatte weiterhin Gastauftritte in vielen beliebten Serien und drehte mehrere Fernsehfilme, während Leonard einfach ein Studio weiter arbeitete: bei Kobra, übernehmen Sie. Er spielte dort die Figur Paris, einen Meister der Verkleidung, und tourte parallel mit dem von ihm selbst geschriebenen Einmannstück Vincent durchs Land. Doch währenddessen trank er die ganze Zeit – und versteckte seine Sucht erfolgreich. Wie er in einem Interview zugab: »Wenn ich einen Auftritt auf der Bühne hatte, nahm ich den ersten Drink, sobald der Vorhang gefallen war. Aber der musste schon bereitstehen. Kam ich in meine Garderobe, wollte ich, dass dort ein eiskalter Gin on the Rocks auf mich wartete. Als ich bei dem Film Star Trek III Regie führte, wusste meine Assistentin, dass ich einen Drink haben wollte, sobald ich sagte: ›Schnitt. Das war’s für heute.‹ Und dann trank ich ohne Pause. Sobald ich den ersten Drink gehabt hatte, hörte ich nicht auf, bis ich völlig weggetreten war oder einschlief.«
Die Tatsache, dass Leonard die ganze Zeit in der Lage war, auf einem extrem hohen professionellen Niveau zu funktionieren und darüber hinaus seine eigenen kreativen Ideen zu verwirklichen, ist bemerkenswert. Ich kann nur vermuten, wie viel mehr er hätte erreichen können, wenn er all die Jahre trocken gewesen wäre. Vielleicht gelang es ihm, das Thema komplett aus den Medien fernzuhalten, weil es damals noch kein Internet gab. Die meisten Fans wären schockiert gewesen, hätten sie erfahren, dass ihr beherrschter, manchmal etwas bissiger, aber immer scharfsinniger Spock-Darsteller ein unglücklicher, wütender Mann sein konnte. Wie er zugab: »Wenn ich einen Drink brauchte, und es gab keinen, konnte ich sehr aufgebracht sein. Ich hielt viele Vorträge an Colleges, meist in kleineren Städten. Wenn ich nachmittags im Hotel eincheckte, fragte ich als Erstes, wie lange die Bar geöffnet hatte. So wusste ich, wann ich aufhören und ins Hotel zurückkehren musste. Ab und zu kam ich ins Hotel, und die Bar war schon geschlossen. Ich wollte meinen Drink. Also ging ich zum Empfang und sagte: ›Sie haben gesagt, die Bar sei bis zehn Uhr geöffnet. Machen Sie die Scheißbar auf!‹ Wenn ich ausging, suchte ich Restaurants aus, die eine voll ausgestattete Bar hatten. Ich ging unheimlich gern in London ins Theater, weil man dort vor der Vorstellung und in den Pausen trinken konnte.«
Leonard trank auch noch, als das Phänomen Star Trek zur Produktion weiterer Fernsehserien und von Kinofilmen führte und Spock und Kirk zu amerikanischen Ikonen wurden. »Das ging mehrere Jahre so«, gestand er. »Und die ganze Zeit über glaubte ich, ich hätte die Kontrolle darüber. Aber irgendwann war es so weit, dass ich morgens aufwachte und dachte: Warum soll ich heute leben? Und da fing ich an, mir Sorgen zu machen.«
Er und Sandi ließen sich 1986 scheiden. Es ging weder einfach noch freundschaftlich vonstatten. Ihre Wut und vielleicht auch Bitterkeit zeigen sich deutlich darin, was sie zu einem Reporter sagte: »Er verließ mich nach dreiunddreißig Jahren Ehe. Ich heiratete keinen Star. Ich heiratete einen sich abmühenden jungen Schauspieler, gleich nach dem College. Die ersten fünfzehn Jahre war ich die Einzige, die an ihn glaubte und an seiner Seite kämpfte. Mit Sicherheit habe ich einen großen Anteil an allem, was er erreicht hat.« Selbst in den schlimmsten Momenten in seinem Leben drängte sich die Karriere vor: Bei einer Anhörung brachte der Richter ein Foto von sich und Leonard mit in den Gerichtssaal und bat um ein Autogramm.
Was auch immer die Gründe für die Scheidung waren, Leonards Schuldgefühle müssen immens gewesen sein. Es fiel ihm sehr schwer, seinen Eltern davon zu erzählen. Sie stammten aus einer Zeit und einem Umfeld, als es eine Schande war, sich scheiden zu lassen. Anständige Menschen ließen sich nicht scheiden. Wir steckten in den Vorbereitungen für einen Film, als Leonard sich endlich zum Gehen entschloss. Eines Morgens packte er einige Kleidungsstücke zusammen, brachte sie in sein Auto und verließ diesen Teil seines Lebens.
Den Mut, seinen Eltern von der Scheidung zu erzählen, brachte Leonard erst auf, als er erfuhr, dass er auf dem Titel der Newsweek abgebildet würde. Er erinnerte sich, dass er dachte: Vielleicht bringe ich die Zeitschrift mit und sage meinen Eltern, dass meine Ehe gescheitert ist, mildere den Schock aber ab, indem ich ihnen das Magazin zeige. Seht mal, ist das nicht toll? Ich bin auf dem Cover dieser wichtigen Zeitschrift abgebildet. Er fuhr in der Stadt herum und hielt an jedem Zeitungsstand und Kiosk auf der Suche nach der aktuellen Ausgabe der Newsweek. Jedes Mal bekam er zu hören, sie komme erst am Nachmittag. Da beschloss er, dass er nicht mehr warten konnte. Wäre seine Scheidung öffentlich geworden, bevor er seine Eltern darüber informiert hätte, wären sie zutiefst gekränkt gewesen.
Mit leeren Händen erreichte er ihre Wohnung. Er nahm seinen ganzen Mut zusammen und verkündete: »Ich wohne nicht mehr zu Hause.«
Seine Mutter lächelte. »Ach? Ihr verkauft das Haus?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich habe Sandi verlassen. Ich habe ein paar Kleidungsstücke mitgenommen und bin ausgezogen.«
Sein Vater kam aus irgendeinem Grund zu dem Schluss: »Das ist alles meine Schuld.«
Seine Mutter sagte nur traurig: »Oh, oh.«
Es war ein herber Schlag für seine Eltern, ein Eingeständnis schmählichen Versagens. Leonard gelang es nicht, ihren Schmerz zu lindern. Aber er hatte keine Wahl. Ich kenne das Gefühl nur allzu gut. Er akzeptierte die Tatsache, dass er sein Leben nicht für sie führen konnte, er musste es für sich tun. Und der Alkohol erleichterte ihm das alles scheinbar.
Kurz darauf lernte er eine besondere Frau kennen: Susan Bay, die Cousine von Michael Bay, dem Regisseur einiger großer Actionfilme. Susan war ebenfalls geschieden. Vorher war sie mit dem Schauspieler John Schuck verheiratet gewesen. Von Anfang an schienen Leonard und sie perfekt zueinander zu passen. Sie bezeichneten sich gegenseitig als »ultimativen Ehemann« und »ultimative Ehefrau.« Ein weiterer Cousin von Susan, Rabbi John Rosove, sagte einmal: »Sie holte ihn aus der Dunkelheit. Sie öffneten ihre Herzen und waren wirklich füreinander da.«
Sie heirateten 1989. Susan wusste Bescheid über Leonards Alkoholismus. »Ich trank nach wie vor«, sagte Leonard offen, »aber ich war unfassbar glücklich mit ihr. Und eines Tages sagte ich zu ihr, wie anders mein Leben mit ihr sei und wie glücklich ich war, und sie fragte mich: ›Warum trinkst du dann so viel?‹ Und ich dachte: Weißt du was? Sie hat recht. Ich brauche das nicht mehr. Also rief ich einen Freund an, und innerhalb weniger Stunden war jemand von den Anonymen Alkoholikern da – an einem Sonntagabend. Er sagte: ›Sie können Ihren Konsum nicht bloß reduzieren.‹ Wir redeten zwei Stunden lang, und am nächsten Abend ging ich zu meinem ersten Treffen der Anonymen Alkoholiker und war begeistert. Seit dem Gespräch an diesem Sonntagabend habe ich nichts mehr getrunken.«