DREI

Steve Guttenberg spielte unter Leonards Regie in der erfolgreichen Komödie Noch drei Männer, noch ein Baby. Darin geht es um drei Junggesellen – verkörpert von Guttenberg, Tom Selleck und Ted Danson –, die für ein Baby sorgen müssen, das eine ihrer Freundinnen bei ihnen zurückgelassen hat. Unter Schauspielern gilt es allgemein als die größte Herausforderung, mit Tieren und mit Kleinkindern zu arbeiten. Als ich Guttenberg fragte, ob das stimme, lächelte er und schüttelte den Kopf. »Überhaupt nicht«, antwortete er. »Die größte Herausforderung ist es, gar nicht arbeiten zu können.«

Nach Leonards Entlassung aus dem Militärdienst mieteten er und Sandi eine kleine Wohnung auf dem La Cieniga Boulevard. Sandi war mit dem zweiten Kind schwanger, ihrem Sohn Adam. Leonard ging sofort an die Arbeit – als Taxifahrer. Er wusste, dass es eine Zeit dauern konnte, bis er wieder dieselbe Position erreicht hätte wie zuvor, und sie mussten ihre Miete bezahlen. Taxifahren war, genau wie Kellnern, ein praktischer Job für einen Schauspieler. Er konnte nachts arbeiten und tagsüber zu den Vorsprechen gehen, und bekam er eine Rolle, konnte er kündigen, ohne eine große Lücke zu hinterlassen. »Ich habe diese Arbeit eine ganze Weile gemacht«, sagte er. »Ich wollte keinen Job mit Verantwortung haben, bei dem die Leute sich auf mich verlassen. Wenn ich doch mal eine Arbeit annahm, bei der es auf mich ankam, stellte ich sofort klar, dass ich möglicherweise plötzlich kündigen würde. Ich bin Schauspieler!«

Ich wusste sehr lange gar nicht, dass Leonard als Taxifahrer gearbeitet hatte, bis er irgendwann einmal erwähnte, dass er in der Gegend Taxi gefahren war, in der er nun lebte. Und dann erzählte er mir von dem Fahrgast, der ihm am nachdrücklichsten im Gedächtnis geblieben war, und darüber, was er von ihm gelernt hatte. Der demokratische Gouverneur Adlai Stevenson, der damals erneut Präsidentschaftskandidat seiner Partei werden wollte, nachdem er 1952 gegen Eisenhower verloren hatte, sprach bei einem politischen Abendessen im Beverly Hilton. Leonard sollte einen Fahrgast vom Bel Air Hotel abholen. Dieser Fahrgast stellte sich als der Senator von Massachusetts heraus, John F. Kennedy. Als Kennedy erfuhr, dass Leonard aus Boston stammte, bombardierte er ihn mit Fragen über das West End, über die Erfahrungen seiner Eltern als Einwanderer und über Leonards Schauspielkarriere. Leonard antwortete, es sei hart, und fragte dann seinerseits, wie Stevensons Chancen stünden, die Kandidatur beim zweiten Anlauf zu bekommen. Statt zu antworten, beugte Kennedy sich vor und fragte: »Sie sprechen mit vielen Menschen. Was glauben Sie?«

Als sie das Hilton erreichten, geschah etwas Erstaunliches: Kennedy wollte Leonard um die 1,25 Dollar Fahrgeld prellen. »Er verließ das Taxi und ging davon, ohne zu bezahlen. Er war abgelenkt.« Aber eine Sache war charakteristisch für Leonard: Wenn er arbeitete, erwartete er eine Bezahlung dafür. Und wie ich noch erfahren sollte, kämpfte er für das, was ihm seiner Meinung nach zustand. Leonard stieg also aus dem Taxi und folgte Kennedy ins Hotel. »Ich will meine 1,25 Dollar«, sagte er. Kennedy sprach einen Bekannten an, lieh sich drei Dollar und gab sie Leonard.

Diese Fahrt hinterließ einen starken Eindruck bei Leonard. Die Tatsache, dass Kennedy seine Frage nicht beantwortet, sondern sie zurückgegeben hatte, »vermittelte mir das Gefühl, viel wertvoller zu sein, viel bedeutsamer und wichtiger, weil mich ein Mann in seiner Stellung nach meiner Meinung fragte. Er wusste ganz offensichtlich viel mehr als ich, aber ihm lag nichts daran, mich mit seinem Wissen zu beeindrucken … Das war eine der wichtigsten Lektionen, die ich je gelernt habe, und ich merke, dass ich mich oft genauso verhalte wie er damals. Wenn mir jemand eine Frage stellt, habe ich vielleicht eine Antwort darauf, aber oft frage ich: ›Was denkst du selbst darüber?‹ Auf diese Weise lerne ich viel mehr, als wenn ich die Frage einfach selbst beantworten würde.«

Das wurde in der Tat zu einem wichtigen Teil seiner Persönlichkeit. Jedem, der etwas Zeit mit Leonard verbrachte, fiel das sofort auf. John de Lancie beschrieb ihn treffenderweise als »hervorragenden Zuhörer. Er hörte aktiv zu, was die meisten Menschen nicht tun.«

Im ersten Jahr nach dem Militärdienst spielte er in verschiedenen Ziv-Sendungen mit. Er war ein Cowboy in Luke and the Tenderfoot, ein Matrose in Navy Log, er drehte eine Folge von Your Favourite Story und eine von The Man Called X, einer Spionagegeschichte, die angeblich auf den wahren Abenteuern eines Regierungsagenten beruhte. Auch auf der Bühne war er zu sehen: in einer Nebenrolle in dem Stück Life Is But a Dream am Civic Playhouse, einem Stück, das lange in Vergessenheit geraten wäre, hätte Leonard damit nicht seine erste starke Kritik in der LA Times bekommen: »Ein überzeugender Leonard Nimoy.«

Niemand, der Leonard kannte, hätte da widersprochen – er überzeugte mit allem, was er tat.

Ich gab mein Debüt im amerikanischen Fernsehen bei einer der beliebtesten Sendungen in der kurzen Geschichte dieses Mediums. Ich verkörperte Ranger Bob in The Howdy Doody Show an der Seite verschiedener Marionetten und eines Clowns namens Clarabell. Clarabell sprach nicht, er drückte seine Gefühle aus, indem er eine Fahrradhupe betätigte. Das reduzierte die Möglichkeit eines sinnvollen Gesprächs um einiges.

Bevor ich nach New York kam, hatte ich mehrere Sendungen bei der CBC gemacht. In meiner ersten großen Rolle spielte ich neben dem großen Basil Rathbone in einer Liveversion von Melvilles Tragödie Billy Budd. Rathbone hatte die Rolle des Sherlock Holmes in zahlreichen Verfilmungen verkörpert, und ich hatte wohl jeden seiner Filme gesehen. Es war eine unglaubliche Gelegenheit für mich, von einem etablierten, erfahrenen Kollegen zu lernen. Zugegebenermaßen war ich etwas nervös, da geschätzte zehn Millionen Kanadier die Sendung sehen würden. Die Aufführung schien gut zu laufen, bis zu dem Moment, als Rathbone das Schiff betrat und irgendwie mit dem Fuß in einem großen Eimer stecken blieb. Während die Kamera ihn nur von der Hüfte aufwärts filmte, schüttelte er wie verrückt das Bein, um den Eimer loszuwerden. Natürlich vergaß er seinen Text, und wenn ein Schauspieler seinen Text vergisst, gerät er ins Schwitzen. Nun schüttelte sich also der große Basil Rathbone, den ich schon so lange bewunderte, einen Eimer vom Fuß, während ihm der Schweiß über das Gesicht lief und er sich verzweifelt an seinen Text zu erinnern versuchte. Niemals in der Geschichte der künstlerischen Darbietungen hat sich jemand so erfolglos bemüht, normal zu wirken.

Aber das war ziemlich typisch für die Zwischenfälle, die in den ersten Tagen des Fernsehens passierten. Während Leonard in Hollywood hauptsächlich Ziv-Sendungen drehte, hielt ich mich in New York auf und machte Livefernsehen. Während er amerikanische Ureinwohner spielte, arbeitete ich für religiöse Sonntagmorgensendungen wie Lamp Unto My Feet. Während ich mein Handwerk weiterhin durch Proben und Arbeiten erlernte, glaubte Leonard, sich am besten durch das Schauspielstudium weiterbilden zu können.

Ich habe keinen Schauspielunterricht genommen. Dessen Wert ist mir sehr wohl bewusst, aber für mich hieß es Learning by Doing. Leonard studierte seine Kunst. Er verbrachte einen Großteil seiner Laufbahn mit der Vervollkommnung seines Könnens. Ich glaube, Leonards darstellerische Fähigkeiten wurden vor allem deshalb oft unterschätzt, weil es bei ihm so leicht aussah. Spock zu imitieren schien zum Beispiel einfach – aber es erforderte großes Talent, diese extreme Leidenschaftslosigkeit darzustellen. Kurz vor seinem Eintritt in die Armee war er einer Truppe junger Schauspieler beigetreten, die eine Kompanie gründeten, um Bühnenpraxis zu sammeln. Eins ihrer Mitglieder war James Arness, mit dem sich Leonard recht gut verstand. Ein Jahr später war Arness zufällig in Atlanta, wo er für einen Film warb, den er mit John Wayne gemacht hatte, und Leonard rief ihn an. Arness erzählte ihm, er habe gerade einen Vertrag unterschrieben. Er werde eine Hauptrolle in einer neuen Cowboyserie spielen, die auf der beliebten Radiosendung Gunsmoke beruhte.

Zwei Jahre später war James Arness ein berühmter TV-Star. Das war keine allzu große Überraschung. Wir waren umgeben von solchen Erfolgsmeldungen und wussten, dass eine Karriere durchaus im Bereich des Möglichen war. Also arbeiteten wir weiter und hofften, auch irgendwann an der Reihe zu sein. Später fanden es viele erstaunlich, dass Leonard und ich in einer Folge von O.N.C.E.L. zusammen aufgetreten waren. Dabei war das kein bisschen erstaunlich. Wir arbeiteten häufig mit den verschiedensten Kollegen zusammen, und es wäre viel ungewöhnlicher gewesen, hätte es keinen einzigen gemeinsamen Auftritt gegeben.

Als Leonard nach L.A. zurückkam, nahm er wieder Schauspielunterricht, diesmal bei einem Mann namens Jeff Corey. Corey war ein sehr talentierter Schauspieler, der auf der Schwarzen Liste stand. Er wurde also verdächtigt, Sympathien für die Kommunisten zu haben, weshalb ihn kein Produzent engagierte. Ersatzweise eröffnete er eine Schauspielschule, die bald einen exzellenten Ruf genoss. Unter den Schülern, mit denen Leonard sich anfreundete, war Vic Morrow, der später in der Serie Combat! auftrat. Diese Bekanntschaft sollte zu einem weiteren der zahlreichen Wendepunkte in Leonards Karriere führen.

So unglaublich es auch erscheint, die meisten von uns wussten kaum etwas über die Schwarze Liste. Ich erinnere mich nicht, jemals mit Leonard darüber gesprochen zu haben. Es war eines der Themen, die einfach nichts mit unserem Leben zu tun zu haben schienen, obwohl wir mittendrin steckten. Wie Leonard einmal erklärte: Wir waren jung, naiv und so uneingeschränkt damit beschäftigt, unseren Lebensunterhalt zu verdienen, dass wir allem anderen wenig Aufmerksamkeit widmeten. Leonard, der mit der Zeit politisch sehr aktiv wurde und sich für die Sache der Liberalen einsetzte, sagte viel später zu einem Interviewer: »Es trifft mich sehr, dass sich so viel davon in Hollywood abspielte und ich damit überhaupt nicht in Berührung kam.« Er erinnerte sich, dass er sich eine Genehmigung vom FBI holen musste, um eine Komparsenrolle in der Sendung West Point zu spielen. Ich glaube, ich musste das nie tun, wohl weil ich kein amerikanischer Staatsbürger war.

Als die Schwarze Liste schließlich hinfällig wurde, war Corey wieder als Schauspieler tätig und trat in vielen Filmen auf wie Zwei Banditen, Der Marshal und Little Big Man. Leonard hatte bereits über zwei Jahre bei ihm Unterricht genommen, als Corey endlich wieder als Schauspieler arbeiten konnte. Leonard übernahm einige seiner Kurse, und nachdem er einige Jahre unterrichtet hatte, eröffnete er selbst eine Schauspielschule. Unter seinen Schülern waren die Popsänger Bobby Vee und Fabian sowie Alex Rocco, der die Rolle des Kasinobesitzers Moe Greene in Der Pate spielte. Ursprünglich hatte der gebürtige Italiener Rocco für eine Gangsterrolle vorgesprochen, aber Leonard war offensichtlich ein so prägender Lehrer, dass der Regisseur Francis Ford Coppola entschied: »Ich habe meinen Juden!«

Im Gegensatz zu mir war Leonard also ein erstklassig ausgebildeter Schauspieler. Unsere Schauspielstile waren sehr unterschiedlich. In seiner Schule lehrte Leonard seine Version der damals populären Technik des Method Acting. Bis dahin war die Darstellungsweise im Allgemeinen überdeutlich, häufig dicht am Melodramatischen. Es war eine sehr formelhafte Art des Agierens, ein wenig so, als läse man eine Speisekarte mit einer gewissen Auswahl vor. Beim Method Acting, der Technik, die Lee Strasberg durch sein Actors Studio in New York bekannt gemacht hatte, wurde den Schülern beigebracht, zu ihrer Rolle zu werden und die wahren Gefühle der Figur darzustellen. Dies erforderte, die sozialen, physischen und psychischen Umstände einer Figur zu studieren. Man versuchte, so viel wie möglich über sie herauszufinden, auch wenn das hieß, dass der Schauspieler sich die Hintergrundgeschichte selbst ausdenken musste, um die – Achtung, hier kommt es! – Motivation der Figur zu verstehen. Er musste entscheiden, welche Kleidung die Figur tragen sollte, die auf diese Weise ihre Persönlichkeit widerspiegelte. Es bedeutete, Körpersprache einzusetzen, Jahre bevor dieser Begriff überhaupt verwendet wurde. Es war revolutionär. Statt die Emotionen der Figur zu spielen, musste der Schauspieler sie fühlen.

Das Wissen eines Schauspielers begann mit dem Textbuch. Leonard empfand immer Ehrfurcht vor dem geschriebenen Wort, und wenn er selbst schrieb, legte er die gleiche Sorgfalt und denselben Respekt zugrunde, wie wenn er spielte. Der Text sollte dem Schauspieler Hinweise geben, wer seine Figur ist, welche Entwicklung sie durchmacht und wie sie reagiert. Ein Schauspieler musste außerdem den Zweck jeder einzelnen Szene verstehen – »das Rückgrat der Szene« nannte er es –, welches Wissen den Zuschauern durch die Handlung und den Dialog vermittelt werden soll. Und dann der Subtext – was steckt hinter den einzelnen Zeilen? Was will die Figur wirklich sagen? Hat ein Schauspieler das verstanden, kann er sowohl seine Stimme als auch bestimmte Eigenheiten entsprechend einsetzen. »Man kann auf unzählige Arten ›Ich liebe dich‹ sagen«, erklärte Leonard immer. Wie es gesagt wird, hängt von der Situation und dem Gesamtanliegen des Schauspielers ab. Wenn zum Beispiel ein Mann einer Frau zum ersten Mal sagt, dass er sie liebt, verlangt das vollkommene Hingabe. Wenn es dagegen gesagt wird, um einen Streit zu beenden, nicht unbedingt.

Ein Schauspieler, der diese Technik beherrscht, so glaubte Leonard, verleihe jeder Rolle Aufrichtigkeit. »Eine Rolle ist wie eine Pflanze«, sagte er. »Je reichhaltiger der Boden, desto besser wächst sie. Eine Aufgabe des Schauspielers ist es, seine Pflanzen zu düngen.« Im Jahr 1977 wurde Leonard als Nachfolger von Richard Burton, Anthony Hopkins und Tony Perkins als Kinderpsychiater Martin Dysart im Broadway-Hit Equus besetzt. Es ist eine schwierige Rolle in einer komplexen Geschichte um einen Psychiater, der einen Jungen behandeln soll, der aus unbekannten Gründen sechs Pferde geblendet hat. Um sich angemessen auf die Rolle vorzubereiten, setzte Leonard eine Anzeige in die New York Times, in der er »einen Pferdepsychologen für Hilfe bei Recherche« suchte. Er erhielt über zweihundert Antworten von Psychologen, Tierärzten, Trainern, Jockeys und Glücksrittern. Im Endeffekt entschied er sich für einen Ethologen, jemanden, der das Verhalten von Tieren studiert, und entwickelte »Ehrfurcht vor der Macht der Pferde im Denken des Menschen«.

Für mich hatte die Herangehensweise an die Schauspielerei als Technik immer etwas … Technisches. Meine Methode ist ziemlich anders, nämlich die klassische nichttechnische Technik: Ich lernte den Text und spielte die Rolle. Ich versuchte, das Wesen meiner Rolle zu ergründen, das eine Wort, den einen Satz zu finden, die am besten die Absichten der Figur beschrieben, und bewegte mich von dort aus fort. Genau wie Leonard fand ich die Hinweise im Text. Ich hoffe, eine Person überzeugend genug verkörpern zu können, die ganz anders ist als ich selbst, der Schauspieler. Konnte ich die entscheidende Zeile wahrhaftig werden lassen, folgte der Rest des Charakters automatisch. Allzu häufig schimmert der Schauspieler durch die Darstellung seiner Figur hindurch, und sie wird nur eine andere Version vorheriger Rollen, die er gespielt hat, bloß mit anderem Namen und einem anderen Kostüm. Als Leonard und ich mit der gemeinsamen Arbeit begannen, näherten wir uns dem Material aus sehr unterschiedlichen Richtungen. Glücklicherweise funktionierte es aber wunderbar – was vielleicht auch am Wesen unserer Figuren lag. Zu dem Zeitpunkt hatten wir beide zudem schon lange regelmäßig als Schauspieler gearbeitet.

Als Schauspiellehrer und -berater sowie als aktiver Darsteller war Leonard Mitglied der jungen Schauspielerszene in Los Angeles geworden. In jeder anderen Branche auf der ganzen Welt sind auch in der Unterhaltungsindustrie Beziehungen wichtig. Kurz nach Leonards Entlassung aus dem Militärdienst zum Beispiel besetzte Boris Sagal ihn in einer Folge des Matinee Theater, bei dem er Regie führte. Das Matinee Theater war eine täglich ausgestrahlte und live gedrehte einstündige Theatersendung. Vier Tage lang wurde geprobt, dann fand der Dreh statt – es wurde also immer an fünf Sendungen zugleich gearbeitet. Demnach gab es viele Jobs für Schauspieler. Sagal engagierte Leonard für eine Rolle mit weniger als fünf Zeilen Text in einem Drama mit Vincent Price. Price verkörperte wie gewöhnlich einen Wahnsinnigen, einen Ehemann, der seine Frau in die Luft zu sprengen plant, indem er das Haus mit Gas volllaufen lässt und dafür sorgt, dass das Telefon Funken sprüht, wenn er anruft. Leonard spielte einen neugierigen Boten.

Er wurde zunächst für eine weitere Folge engagiert, aber dem Regisseur gefiel Leonards Darstellung nicht, und er ersetzte ihn. Das war eine Katastrophe für Leonard. Bei ihm geschah nichts zufällig. Selbst wenn er nur einen einzigen Satz zu sprechen hatte, feilte er daran. Sagte ihm also jemand, er sei nicht gut genug oder habe die Rolle nicht verstanden, nahm er das als echten Angriff wahr. Er arbeitete hart daran, sich einen Namen zu machen, und dies war ein großer Rückschritt. Es dauerte eine Weile, bis er sich davon erholt hatte.

Durch seine Arbeitsweise waren diese Minirollen in gewisser Hinsicht schwieriger für ihn als die größeren. Je mehr Text eine Figur hat, desto leichter ist es, sich in die Person hineinzufinden. Mit nur drei oder vier Zeilen ist es schwierig, irgendeinen Rhythmus oder einen glaubwürdigen Charakter zu entwickeln. Aber es war Arbeit, es gab eine Gage, und so lehnte er kein Angebot ab und versuchte, so gut wie möglich zu spielen. In Mini-Max zum Beispiel stellte er einen finsteren Typen dar, der in einem Billardzimmer im Hintergrund herumlungert. Er trug also dunkle Klamotten und eine dunkle Sonnenbrille – lange bevor die Leute auch drinnen Sonnenbrillen aufsetzten – und behielt die Brille während der ganzen Folge auf. Ironischerweise wurde ihm selten erlaubt, vor der Kamera zu rauchen. Abseits der Kamera war er ein starker Raucher, wie so viele Schauspieler. Es half, um zwischen den Aufnahmen runterzukommen. Auch ich rauchte. Einmal spielte Leonard einen Outlaw in einem Western und bat einen Requisiteur um eine der selbst gedrehten braunen Zigaretten, die Cowboys rauchten. Der Requisiteur verweigerte ihm die Bitte. Ziv produzierte diese Sendungen wie am Fließband, ohne zu wissen, wer sie letztendlich sponsern würde. Das Unternehmen war also besorgt, die Tabakkonzerne könnten es ablehnen, eine Sendung zu finanzieren, in der ein Bösewicht ihr Produkt benutzte – also rauchten die finsteren Kerle in diesen Sendungen nicht. Nur Helden entspannten bei einer Zigarette.

Als Charakterdarsteller spielte Leonard eine erstaunliche Spannbreite von Figuren, seine Spezialität war jedoch der harte, böse Bube. Während die Darsteller in einigen Ziv-Sendungen nicht mehr als einmal auftraten, gingen andere Sendungen viel entspannter damit um. Leonard drehte zum Beispiel acht Folgen von Lloyd Bridges’ Abenteuer unter Wasser und spielte darin alles Mögliche, vom Revoluzzer-Studenten bis zum Sprengstoffdieb. In einer Folge trug er einen Schnurrbart, in einer anderen spielte er ohne Schnurrbart, dafür mit Hut. Er legte sich eine Vielzahl an Akzenten zu, je nachdem, wofür er bezahlt wurde. Bei den meisten Ziv-Sendungen bekam man achtzig Dollar am Tag, gedreht wurde zwei Tage lang. Abenteuer unter Wasser war eine der erfolgreichsten Sendungen des Studios, deshalb war das Budget etwas größer. Man zahlte hundert Dollar pro Tag, und der Dreh dauerte zweieinhalb Tage. Wenn man dort also einen Spanier mit Schnurrbart und Brille brauchte, sagte Leonard: »Sí, señor«, klebte sich einen Schnurrbart an und setzte eine Brille auf. In den darauffolgenden Jahren trat Leonard in vielen der erfolgreichsten Serien auf, die im Fernsehen liefen, arbeitete mit einigen der besten amerikanischen Schauspieler zusammen und erwarb sich in der Branche einen guten Ruf als böser Bube.

Er war regelmäßig in Western zu sehen, wo er sowohl Cowboys als auch Indianer spielte, so zum Beispiel in Colt .45, Tombstone Territory, The Rough Riders, Mackenzie’s Raiders, 26 Men, Tate – die Abenteuer eines einarmigen Revolverhelden –, Outlaws, Death Valley Days, Cimarron City, drei Folgen von Broken Arrow, Tales of Wells Fargo, The Rebel, Doug McClures Die Leute von der Shilo Ranch. Er arbeitete zusammen mit dem Academy-Award-Gewinner Ernest Borgnine bei einem seiner vier Auftritte in Wagon Train, Clint Eastwoods Tausend Meilen Staub, Bonanza und natürlich die vier Folgen von Jim Arness’ Rauchende Colts und was es sonst noch gab. In The Twilight Zone spielte er einen Soldaten in Dean Stockwells Infanterietrupp am letzten Tag des Zweiten Weltkriegs, in drei Folgen von The Silent Service einen U-Boot-Fahrer und in Navy Log einen Matrosen. Er spielte Polizisten und Räuber, er drehte zwei Folgen der Science-Fiction-Serie The Outer Limits und trat in Arztserien von General Hospital bis Dr. Kildare auf.

In diese Sendungen wurden viel professionelle Arbeit und wenig Geld gesteckt. Es gab keine Zeit für Vorbereitung oder Proben, man legte einfach los. Wenn die Sendungen vor Ort gedreht wurden, geschah das von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Man jagte buchstäblich dem Tageslicht hinterher und floh vor den sich ausbreitenden Schatten. Die Crew packte Kamera und Reflektoren und rannte einen Hügel hinauf, dem Schatten immer einen Schritt voraus, drehte eine Minute lang, packte dann wieder zusammen und bewegte sich drei Meter weiter. Nahaufnahmen wurden oft vor einer Wand gefilmt, damit sie auch nach Sonnenuntergang noch gemacht werden konnten, weil nur eine kleine Fläche beleuchtet werden musste. Gab es irgendeine Möglichkeit, Geld zu sparen, wurde sie genutzt. Man bildete sich nicht ein, Kunst zu machen, man produzierte Fernsehsendungen.

»Es war ein prima Training«, sagte Leonard einmal. Vermasselte man seinen Text oder machte man sonst irgendeinen Patzer, ging man nur einen Satz zurück und knüpfte dort an. Die Szene wurde nicht ausführlich von vorn begonnen, es gab auch keine dritten oder vierten Takes. Häufig kannten die Schauspieler gar nicht den Kontext der Szene, die gerade an der Reihe war. Man trat einfach auf und ging wieder ab. Danach kamen die Nahaufnahmen dran. Das war die eine Gelegenheit, irgendeine Art von Ausdruck zu zeigen. Leonard meinte, »ob man noch einmal angerufen wurde, hatte damit zu tun, ob man sich korrekt verhielt und seinen Text auf Kommando abliefern konnte oder nicht. Ich erinnere mich an den Dreh einer Folge von Dezernat M, einer Polizeiserie mit Lee Martin. Ich spielte einen Brandstifter, mein Bruder wurde von James Coburn gespielt. Wir arbeiteten drei oder vier Tage zusammen. Eines Morgens sollten wir um halb acht in der Maske sein und um acht am Set, drehbereit. Ich bin pünktlich, kein Jim Coburn. Acht Uhr, ich bin so weit, am Set kein Jim Coburn in Sicht. Dann erfuhr ich, er habe verschlafen. Das war unerhört – ein Schauspieler, der eine TV-Truppe aufhielt. Wir fingen trotzdem an und machten erst einmal etwas anderes. Ich dachte: Oh, der arme Kerl hat gerade seine Karriere zerstört. Nachdem wir die Folge abgedreht hatten, war Jim Coburns nächster Job in dem Film Die glorreichen Sieben. Er wurde ein großer Star, und ich weiß noch, wie ich zu mir sagte: Ich war pünktlich – wo bleibt mein Ruhm?«

Leonard war kein Star, sein Name stand nie ganz oben, aber er hatte regelmäßig zu tun. Er nahm, was ihm angeboten wurde. Beim ersten seiner drei Auftritte in der Serie Broken Arrow zum Beispiel spielte er einen Indianer, der beschuldigt wurde, jemanden erhängt zu haben. Es war eine Rolle ohne Text. Er verbrachte den Großteil der Folge damit, auf der Anklagebank zu sitzen und sich schweigend die Zeugenaussagen anzuhören.

Wie die Mehrheit seiner Kollegen arbeitete Leonard weiterhin auch in anderen Bereichen, um sich die Schauspielerei zu finanzieren. Zusätzlich zu seinen Jobs als Schauspiellehrer und Taxifahrer befüllte er Automaten, teilte Zeitungen aus, war Kartenabreißer im Kino und arbeitete sogar in einer Zoohandlung, die exotische Fische verkaufte. Es war kein einfaches Leben, und, wie er betonte: »Es dauerte lange, bis ich mich von der Schauspielerei ernähren konnte. Vor Star Trek hatte ich in Los Angeles fünfzehn Jahre lang versucht, Arbeit als Schauspieler zu finden. In dieser Zeit gab es keinen Job, der länger als zwei Wochen dauerte.«

Das waren die »charakterformenden« Jahre, wie Leonard sie später nannte, und jeder, der jemals sein Glück in diesem Beruf versucht hat, weiß, wovon er spricht. Er weiß, wie schwer es ist, die Hoffnung nicht aufzugeben. Selbst Leonard gab zu, dass er manchmal sehr unglücklich, sehr wütend war. Diese Gefühle gehören zum Leben eines Schauspielers. Man sieht, wie Kollegen, an deren Talent man Zweifel hat oder die einem nach eigener Überzeugung das Wasser nicht reichen können, Rollen bekommen, die man eigentlich gern selbst gespielt hätte. Man erlebt, wie manche von ihnen sogar berühmt werden. Und dann fragt man sich manchmal: Warum nicht ich? Häufig ist es eher Frust als Eifersucht, aber was es auch ist, man macht einfach weiter. Doch es beeinflusst das ganze Leben. Manchmal entlädt sich der Frust auch. Leonards Frau Sandi sagte in einem Interview: »Wir hatten schreckliche Streitigkeiten. Es gab Zeiten, in denen er die Schauspielerei aufgeben und sich einen vernünftigen Job suchen wollte, aber ich ließ es nicht zu.« Glauben Sie mir, jede Familie eines um Rollen kämpfenden Schauspielers kann nachvollziehen, was Sandi meinte, als sie fortfuhr: »Leonard war in diesen Zeiten keine angenehme Gesellschaft. Und ich wusste nicht immer zu schätzen, dass er ein starker Ehemann und Vater war.«

Wenige dieser kleineren Rollen boten Leonard die Gelegenheit, sein Talent richtig auszuspielen, deshalb suchte er sich andere Wege, seine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. 1962 erwarben er und sein guter Freund Vic Morrow die Filmrechte für ein Stück, das sie in einem kleineren Theater am Santa Monica Boulevard auf die Bühne gebracht hatten: Jean Genets Deathwatch (dt. Unter Aufsicht). Die komplexe, hochemotionale Geschichte versprach nicht gerade, ein kommerzieller Knaller zu werden. Sie spielt in einer Gefängniszelle, in der zwei Insassen um die Zuneigung des dritten Zellengenossen, eines Mörders, streiten. Leonard hatte wunderbare Kritiken für seinen Auftritt in dem Stück bekommen und war der Meinung, dadurch in der Branche aufgefallen zu sein, denn danach bekam er wesentlich mehr Jobs. Damals verdiente er erstmals so viel als Schauspieler, dass er in den anderen Tätigkeiten etwas kürzertreten konnte. In der Folge festigte sein Auftritt in Genets bekannterem Stück The Balcony (dt. Der Balkon) seinen Ruf als begabter Jungschauspieler.

Leonard und Morrow gelang es irgendwie, 125 000 Dollar aus kleineren Spendenbeiträgen zusammenzubekommen, um den Film zu drehen. Man muss sich das vor Augen halten: Leonard arbeitete in verschiedenen Jobs und hielt sich gerade so über Wasser, doch sein Respekt für seinen Beruf und seine Leidenschaft für ehrlich und emotional erzählte Geschichten waren so groß, dass er seine Energie – und vermutlich einen Großteil seines Gelds – einsetzte, um dieses Projekt zu verwirklichen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand von dem Film einen kommerziellen Erfolg erwartete. Sie begannen 1964 mit dem Dreh. Morrow führte Regie, Paul Mazursky und Michael Forest spielten neben Leonard die Hauptrollen, Gavin MacLeod eine kleinere Rolle. Sie fanden keinen Verleih, deshalb buchten sie eigenständig mehrere ausgewählte Kinos für die Vorführungen. Premiere war 1966 in San Francisco. Zwei Jahre später, als Leonard bereits einige Anerkennung erhalten hatte, schafften sie es, landesweit einen begrenzten Verleih in Filmkunstkinos zu organisieren.

Wie sich herausstellte, war einer der Menschen, die das Stück in Santa Monica gesehen hatten, ein junger Schauspieler namens George Takei. Die Aufführung beeindruckte ihn derart, dass er die Namen der Schauspieler im Gedächtnis behielt, und als Roddenberry ihm die Rolle des Leutnants Hikaru Sulu gab, erkannte er den Namen Leonard Nimoy sofort wieder.

Ich arbeitete damals ebenfalls regelmäßig fürs Fernsehen, bestritt Gastauftritte in vielen Serien. Livetheatersendungen waren damals sehr beliebt, und man konnte sich dadurch sogar ein gewisses Prestige erwerben. Anfangs trat ich häufig in Sendungen auf, die von einem einzigen Sponsor präsentiert wurden, wie The Kaiser Aluminum Hour, Alcoa Premiere, Goodyear Playhouse, Kraft Theatre, The United States Steel Hour und The DuPont Show of the Month. Außerdem in legendären Programmen wie Playhouse 90, Alfred Hitchcock Presents und zwei Folgen von The Twilight Zone, die zu Klassikern wurden. Ich machte weiterhin Filme, aber die meisten Jobs gab es beim Fernsehen, und als frischgebackener Vater konnte ich mir keine Lücke leisten. Schließlich war ich in praktisch jeder nennenswerten Sendung jener Zeit zu sehen, darunter Gnadenlose Stadt, 77 Sunset Strip und Route 66. In The Outer Limits stellte ich einen Astronauten dar, der von einer Venusumkreisung zurückkehrt und nur noch friert. Ich trat mehrmals in Preston & Preston auf, und man bot mir dort sogar die Hauptrolle an. In Auf der Flucht spielte ich einen ehemaligen Polizisten, der möglicherweise zugleich ein Serienkiller ist und eine Reihe von Morden begangen hat, die einem anderen zur Last gelegt werden. Ich trat auch in Arztserien wie Dr. Kildare auf. In Rauchende Colts spielte ich einen gesuchten Verbrecher, der von Marshal Dillon gejagt wird und sich bei den Quäkern versteckt. Keiner von uns ahnte, dass wir uns mitten im Goldenen Zeitalter des Fernsehens befanden.

Wenn man so häufig arbeitete wie Leonard und ich, begegnete man zwangsläufig vielen verschiedenen Menschen. Und man wusste nie, wann einer von ihnen unter Umständen entscheidend für die eigene Karriere war. 1960 zum Beispiel hatte Leonard einen Gastauftritt als Hilfssheriff in der Serie The Tall Man vom Westernautor Sam Peeple. Die Hauptrollen spielten Barry Sullivan als Pat Garrett und Clu Gulager als Billy the Kid. Diese Folge war die erste, die eine einundzwanzigjährige Frau namens Dorothy C. Fontana geschrieben hatte, und für sie war das so aufregend, dass sie ans Set ging, um die Schauspieler kennenzulernen. Sie erinnerte sich: »Ich sagte Leonard, dies sei die erste Folge, die ich verkauft hätte, und er stellte mir ein paar Fragen und war sehr ermutigend und höflich. Den Produzenten gefiel die Rolle und Leonards Darstellung, also engagierten sie ihn für eine zweite Folge. Aber dann wurde die Figur umgebracht, und Leonard war raus aus der Serie.«

Leonards Freund aus Jeff Coreys Schauspielunterricht, Vic Morrow, der in der erfolgreichen Actionserie über den Zweiten Weltkrieg, Combat!, mitspielte, zog letztendlich das Kaninchen aus dem Hut. Morrow verhalf Leonard zu einer netten Rolle in einer Folge mit dem Titel »The Wounded Don’t Cry«. Er wurde besetzt als Private Neumann, ein GI, der Deutsch dolmetschen kann – wieder einmal: danke, Jiddisch! –, als sein Bataillon auf eine feindliche Sanitätsstation stößt. Unter den Zuschauern der Folge war ein Casting-Direktor namens Joe D’Agosta. Ihm gefiel Leonards Auftritt sehr gut. D’Agosta notierte sich sorgfältig, wer wofür engagiert wurde, das war seine Methode, begabte junge Schauspieler zu finden. Kurz darauf leitete D’Agosta das Casting für die erste Serie des Produzenten Gene Roddenberry, The Lieutenant. The Lieutenant erzählt die Geschichte eines Seebataillons, das zu Friedenszeiten auf dem Stützpunkt Camp Pendleton stationiert ist. Die titelgebende Figur war Zugführer und Ausbilder Leutnant William Tiberius Rice.

Tiberius? Ein interessanter zweiter Name für eine Rolle! Wo habe ich den bloß schon mal gehört? Oh, jetzt fällt es mir wieder ein – das war doch dieser große römische Kaiser!

In der Folge mit dem Titel »In the Highest Tradition« spielte Leonard einen aalglatten Hollywoodproduzenten, der die Einrichtungen von Pendleton nutzen will, um einen Film über einen Helden der Marine zu drehen – der sich dann allerdings als nicht ganz so heroisch herausstellt. In der einstündigen Sendung traten außerdem Gary Lockwood als der Leutnant und Majel Barrett auf. Regie führte Marc Daniels, den Leonard zuvor schon beim Dreh einer Folge von Dr. Kildare kennengelernt hatte, in der Leonards Schauspielschüler Fabian mitgespielt hatte. Diese Figur des extravaganten Produzenten war keine typische Rolle für Leonard, aber sein Agent, Alex Brewis, war für seine Hartnäckigkeit bekannt. D’Agosta beschrieb ihn einmal als »sympathische Bulldogge«. Ganz gleich, welchen Typ D’Agosta suchte, Brewis tauchte jedes Mal in seinem Büro auf und sagte: »Das ist die ideale Rolle für Leonard. Du musst ihn dir dafür holen.« Egal, worum es ging. »Das ist ideal für Leonard.« D’Agosta erinnerte sich, dass er von Leonards Darstellung in Combat! beeindruckt gewesen war, und ließ ihn für die Rolle in The Lieutenant vorsprechen. Marc Daniels war anfangs skeptisch, doch Leonards Vorstellung überzeugte ihn, und er gab ihm die Rolle. Leonard sagte, dieses Vorsprechen sei im Nachhinein das wichtigste seines Lebens gewesen. Es war eine kleine Entscheidung mit großen Auswirkungen.

The Lieutenant sollte sich für mehrere Beteiligte als Sprungbrett für Star Trek herausstellen. Star Trek war die nächste Serie, die Gene Roddenberry produzierte, und er bat D’Agosta, das Casting zu übernehmen. Majel Barrett heiratete Roddenberry und trat in jeder Version von Star Trek auf, sowohl im TV als auch in den Kinofilmen. Häufig verkörperte sie eine Figur und sprach zusätzlich die Stimme des Computers ein. Gary Lockwood spielte eine nicht unbedeutende Rolle im zweiten Star-Trek-Piloten und stand einige Jahre später mit mir in der Serie T.J. Hooker vor der Kamera. Marc Daniels saß im Endeffekt bei fünfzehn Folgen von Star Trek auf dem Regiestuhl. Und während wir nach den beiden Pilotfilmen abwarteten, ob das Network anbiss, führte Daniels Regie bei einer Folge von Rauchende Colts, die den Titel »The Treasure of John Walking Fox« trug und in der Leonard wieder einmal einen undurchschaubaren Indianer darstellte.

D’Agosta engagierte weitere Schauspieler, die in Folgen von The Lieutenant mitgespielt hatten, darunter Walter Koenig sowie Nichelle Nichols, die er in einem Schauspiel-Workshop entdeckt hatte. Die Folge von The Lieutenant, in der Nichols auftrat, wurde nie gesendet, aber sie zeigte vielleicht deutlicher als alle anderen Episoden dieser Serie, was Gene Roddenberry mit Star Trek vorhatte.

Gene Roddenberry hatte eine klare Vorstellung davon, wozu Fernsehen in Höchstform imstande war. Er begriff, welchen Einfluss dieses Medium auf die Gesellschaft nehmen konnte, aber er musste viel herumprobieren, bis er seine soziale Botschaft an den Studiomanagern und Zensoren vorbeischmuggeln konnte. Die Folge »To Set It Right« wurde gedreht, während die Bürgerrechtsbewegung in Amerika in vollem Gang war. Nichelle Nichols spielte die Freundin eines weißen Marinesoldaten und Dennis Hopper einen Marinesoldaten, der etwas dagegen hatte, wenn weiße Männer mit schwarzen Frauen ausgingen. Es war ein umstrittenes Thema. Der NBC zufolge zu umstritten, um ausgestrahlt zu werden. Ich habe sehr viel Zeit mit leitenden Studioangestellten verbracht. Sie denken in Zahlen, die am Ende herauskommen – es wäre also spannend gewesen, dieser Diskussion beizuwohnen. Es war ungewöhnlich, dass ein Network die Kosten für eine einstündige Sendung trug, ohne diese am Ende auszustrahlen. Der Druck von Sendern aus verschiedenen Teilen des Landes muss enorm gewesen sein. Wie ich Roddenberry kenne, hatte er hart für die Sendung gekämpft, und er gab sich nicht geschlagen, obwohl er diese Schlacht verloren hatte. Star Trek dreihundert Jahre in die Zukunft zu verlegen erlaubte es ihm, die gesellschaftlichen Probleme der Sechzigerjahre in den Blick zu nehmen, ohne allzu deutlich zu werden. Die Tatsache, dass das Ganze in einer fiktiven Zukunft spielte, ermöglichte es ihm, den ersten Kuss zwischen einer Schwarzen und einem Weißen in der amerikanischen Fernsehgeschichte zu filmen, nämlich als Captain Kirk durch Telekinese gezwungen wird, die von Nichols gespielte Kommunikationsoffizierin Lieutenant Uhura leidenschaftlich zu küssen. Die Tatsache, dass Kirk keine Kontrolle über sein Handeln hat, wird dadurch demonstriert, dass Spock singt, tanzt, lacht und ebenfalls einen leidenschaftlichen Kuss mit der von Majel Barrett dargestellten Krankenschwester Chapel austauscht. Offensichtlich handelte also keines der Crewmitglieder aus freien Stücken. Kirk wurde gezwungen, die schöne Uhura zu küssen!

Ganz klar auf mehreren Ebenen eine Fiktion.

Joe D’Agosta war verantwortlich dafür, dass Leonard die Rolle des Mr. Spock bekam. D’Agosta arbeitete bei einem anderen Studio, als der Star-Trek-Pilot besetzt werden sollte. Da Roddenberry nicht zufrieden mit den Schauspielern war, die bei ihm vorsprachen, bat er D’Agosta um Hilfe. Der erhielt dafür kein Honorar, wenngleich Roddenberry ihm einen Scheck über 750 Dollar zukommen ließ, als die Serie eingekauft wurde. »Als ich Gene sagte, ich hätte keine Zeit, das Casting zu machen«, erinnerte D’Agosta sich, »bat er mich, ihm einfach nur eine Liste mit Namen zu geben. Er und seine Leute würden die Schauspieler dann selbst vorsprechen lassen und die Gagen aushandeln.«

Roddenberry händigte D’Agosta ein zehnseitiges Dokument mit groben Charakterisierungen der Figuren aus. »In dem Skript gab es keine ausführliche Beschreibung von Mr. Spock, nur dass er halb menschlich, halb marsianisch sein sollte«, erzählte D’Agosta weiter. »Aber was Gene wollte, war ein hochgewachsener, hagerer Typ, der Lincoln ähnelte und eine gewisse Gelassenheit ausstrahlte. Er hatte eher eine Vorstellung von der äußeren Erscheinung als vom Charakter der Rolle. Er suchte einen Schauspieler, dessen überwiegend menschliches Erscheinungsbild ausstrahlte, dass er wortkarg war, aber dezidierte Schlussfolgerungen zog und nüchtern dachte. Er suchte jemanden, der auf einem höheren Intelligenzniveau zu funktionieren schien. Leonard passte körperlich auf die Beschreibung, aber er strahlte auch diese Intelligenz aus. Ich empfahl Gene Roddenberry letztendlich drei oder vier Schauspieler, und einer davon war Leonard.«

In Roddenberrys ursprünglichem Entwurf war Spock ein außerirdisches Mitglied der Crew des Raumschiffs USS Yorktown, das unter Captain Robert April diente, während das Raumschiff durchs Universum reiste und notleidenden Zivilisationen zu Hilfe kam. Während Roddenberry es gern als die erfolgreiche Westernserie Wagon Train im Weltall beschrieb, erinnerte es mich eher an die Weltraumversion der Romanabenteuer von Kapitän Horatio Hornblower. Damals war es auf jeden Fall einzigartig. Das Publikum liebte Western und Krimiserien. Die einzigen Science-Fiction- Elemente kamen in einzelnen Folgen von Serials wie The Twilight Zone und The Outer Limits vor.

Richard Arnold, der anerkannte Star-Trek-Experte, der an mehreren der Filme und TV-Serien mitgearbeitet und darüber hinaus Conventions organisiert hat, kannte Roddenberry gut. »Star Trek war für ihn eine Chance, die Geschichten zu erzählen, die er unbedingt erzählen wollte. Der Zeitpunkt war ideal, denn wir befanden uns mitten im Kalten Krieg mit seiner atomaren Bedrohung. Eine Science-Fiction-Serie war die Gelegenheit, denn so übersah die Zensur das Wesentliche. Dort begriff man es nicht. Er hatte sie mit einer weiblichen Rolle abgelenkt, die allzu sexy wirkte, während er Geschichten über Vietnam erzählte, über sexuelle Gleichberechtigung und Rassendiskriminierung, also lauter Tabuthemen. Normalerweise hätten die Zensoren das alles herausgestrichen, aber da Gene behauptete, es finde auf lila Planeten mit gepunkteten Menschen statt, verstanden sie es einfach nicht. Die Rolle des Mr. Spock war in dieser Hinsicht zentral – er sollte den Vertreter einer intelligenten Gesellschaft darstellen.« Tatsächlich beschrieb Roddenberry ihn in späteren Interviews als »das Gewissen von Star Trek«.

Noch nie hatte es eine Figur wie Mr. Spock gegeben. In den meisten Film- oder Fernsehdarstellungen waren Außerirdische entweder vom Aussehen oder vom Verhalten her Monster. Was auch immer sie taten, am Ende war es schlecht für die Erde. Spock war einmalig. Gene Roddenberry erschuf einen über Bevölkerungsgruppen und sogar über Speziesgrenzen hinaus gemischte Crew für die Enterprise. Und Spock war halb Mensch, halb Außerirdischer, was bedeutete, dass er in beiden Welten zurechtkam. Bis zur fünften oder sechsten Folge wurde er übrigens gar nicht als Vulkanier identifiziert. Spocks wahre Funktion bestand darin, als Beobachter menschlichen Verhaltens zu dienen und die menschliche Komponente, Tendenzen, Gewohnheiten und Überzeugungen zu kommentieren. Dafür musste er frei von normalen menschlichen Gefühlen sein.

Leonard erfuhr von seinem Agenten, dass er für eine Hauptrolle in einer neuen Weltraumserie in Betracht gezogen wurde. Genauer sagte er ihm, Roddenberry habe seine Darstellung in The Lieutenant gefallen, und er habe ihn nun für eine Rolle in einer Science-Fiction-Serie im Kopf, die gerade entwickelt würde. Ich kann mir vorstellen, wie Leonard reagierte. Solche Anrufe tätigten Agenten regelmäßig, um ihren Einsatz für ihre Schauspieler unter Beweis zu stellen. Bestimmt fühlte er sich geschmeichelt, denn anscheinend kam er zum ersten Mal für eine Hauptrolle in einer Network-Serie infrage. Aber wahrscheinlich nahm er die Sache nicht ganz ernst. Anrufe wie dieser – heute sind es E-Mails – bekommt man als Schauspieler relativ häufig, sie sind nichts Besonderes. Leonard ahnte wohl kaum, dass dies sein großer Durchbruch würde. Deshalb bemühte er sich auf dieselbe Weise wie sonst auch um den Job. Manchmal gehen diese Anrufe noch eine Stufe weiter, aber nur selten kommt es überhaupt zu einem Vorsprechen und noch seltener zu einer tatsächlichen Besetzung. Ich kann mir vorstellen, dass Leonard das Ganze noch am Telefon als vergebliche Liebesmüh abtat: ein Produzent, der einen Piloten entwickelte, der vielleicht nie gedreht würde, hatte ihn im Kopf für eine Rolle, die er vielleicht nie bekommen würde. Und selbst wenn er sie bekäme – die Chancen, dass das Network die Serie tatsächlich machen wollte, waren gering.

Einige Wochen später teilte Brewis Leonard jedoch mit, Roddenberry wolle weitere Arbeiten von ihm sehen, um einen Eindruck von seiner Bandbreite zu bekommen. Leonard schickte ihm eine Folge von Dr. Kildare, in der er einen scheuen, sensiblen Mann spielt, der sich mit einem blinden Mädchen anfreundet und ihm Gedichte vorliest. Dies war so ziemlich das Gegenteil des schnoddrigen Produzenten, den er in The Lieutenant gegeben hatte. Wie sich herausstellte, hatte Roddenberry diese Folge von Kildare gesehen, aber nicht realisiert, dass es Leonard war. Beeindruckt lud er ihn zu einem Treffen ein. »Ich ging dorthin in der Annahme, ich solle ihm vorsprechen«, erinnerte Leonard sich. »Stattdessen schlug er vor, eine Runde zu drehen. Wir gingen in die Szenenbildabteilung, er zeigte mir die Kulissen und stellte mich den Szenenbildnern vor. Wir gingen hinüber in die Requisite, und ich sah zu, wie einige der Requisiten angefertigt wurden. Wir gingen zu den Kostümbildnern, und langsam begriff ich, dass die Sache interessant wurde. Es war, als wolle er mir den Job verkaufen. Ich dachte, wenn ich jetzt den Mund halte, bin ich vielleicht gleich engagiert.«

Roddenberry selbst hatte noch keine hundertprozentige Vorstellung von Spock. Wie Leonard erklärte: »Das Beste, was Roddenberry mir gab, als er mir die Rolle anbot, war seine Bemerkung, dass diese Figur einen inneren Konflikt haben werde.« Eine Sache, bei der Roddenberry nicht mit sich reden ließ, war seine Forderung, dass die Crew des riesigen Raumschiffs, das durch das Universum streifen würde, ein Musterbeispiel der Vielfalt sein sollte. Zu einer Zeit, als das Fernsehen vornehmlich blütenweiß und uramerikanisch war, erschuf Gene eine Besatzung, die aus Männern und Frauen bestand, aus Menschen unterschiedlicher Hautfarbe, unterschiedlicher ethnischer Herkunft. Sogar ein Russe war dabei, um anzudeuten, dass der Kalte Krieg vorüber war. Roddenberry bestand darauf, dass Spock sichtbar außerirdisch war, denn er wollte deutlich machen, dass er aus einer anderen Welt kam und dass diese Trips in ferner Zukunft stattfanden, wenn Reisen zwischen verschiedenen Planeten als normal galten. Deshalb waren die großen, spitzen Ohren so wichtig.

Was Leonard erst viele Jahre später erfuhr: Roddenberry hatte bereits beschlossen, ihm die Rolle des Mr. Spock zu geben. Dorothy C. Fontana, die Autorin der Folge von The Tall Man, in der Leonard einen Auftritt gehabt hatte, arbeitete als Produktionsassistentin für Roddenberry. Sie erinnert sich: »Ich fragte Gene: ›Wer spielt Spock?‹ Und als Antwort schob er mir ein Bild von Leonard über den Tisch.«

Die Frage war, wer würde Captain Christopher Pike an seiner Seite spielen? Lloyd Bridges, James Coburn, Patrick O’Neal und Jeffrey Hunter wurden alle in Erwägung gezogen, aber letztendlich bekam Hunter, der in zahlreichen TV-Serien und Kinofilmen mitgespielt hatte, die Rolle – obwohl er in dem Film König der Könige Jesus verkörpert hatte. Im ersten Pilotfilm, »Der Käfig«, wird Captain Pike von einer Zivilisation zu einem Planeten gelockt, die, wie Dr. Boyce erklärt – der später von Pille ersetzt wird –, die erstaunliche Fähigkeit besitzt, »Trugbilder [zu] schaffen aus den Gedanken eines Menschen, aus Erfahrungen und Erinnerungen, selbst aus ganz persönlichen Wünschen. Die Illusion ist genauso perfekt und real wie diese Tischplatte, und wir müssen sie einfach zur Kenntnis nehmen.« Die Außerirdischen wollen, dass er sich mit einer von außen kontrollierten Menschenfrau, die sich wegen einer Bruchlandung dort aufhält, zusammentut und Kinder bekommt. Um Pike das Widerstehen extrem schwer zu machen, transformieren sie diese Überlebende in die Frau seiner Träume.

Selbst bei der allerersten Reise der Enterprise nutzte Roddenberry futuristische Zivilisationen, um gesellschaftlich relevante Geschichten zu erzählen. Im Piloten stellt einer der Außerirdischen die einfache Regel auf, die auf vielen der von der Crew besuchten Planeten gilt, genauso aber auch in den kommunistischen Staaten damals auf der Erde: »Falsches Denken wird von uns bestraft. Richtiges Denken wird von uns sehr großzügig belohnt. Sie werden sehen, das ist eine wirkungsvolle Kombination.«

Es war der teuerste Pilot, den NBC je produziert hatte, und er gefiel dem Network nicht. Vor allem war er ihnen zu intellektuell und enthielt zu wenig Action. Aber die Manager mochten Roddenberrys Konzept nach wie vor, und sie trafen die fast noch nie da gewesene Entscheidung, einen zweiten Piloten drehen zu lassen. An dieser Stelle kam ich ins Spiel. Mir wurde gesagt, Jeffrey Hunters Frau habe übertriebene Forderungen gestellt, weshalb er von Roddenberry gefeuert worden sei. Die erste Wahl, um ihn zu ersetzen, war Jack Lord, der fünfzig Prozent Gewinnbeteiligung haben wollte. Das war der Zeitpunkt, an dem Roddenberry mich anrief. Ich habe nie erfahren, warum er mir die Rolle anbot. Vielleicht weil ich in mehreren erfolgreichen Fernsehserien Hauptrollen gespielt hatte, aber auch in einigen Kinofilmen, unter anderem in Das Urteil von Nürnberg und Inkubo, dem ersten Film, der komplett in der Universalsprache Esperanto gedreht wurde.

Vielleicht lag es auch daran, dass er allmählich verzweifelte, ich zur Verfügung stand und der richtige Typ war. Leonard war dunkel und grüblerisch, ich war blond und blauäugig. Leonard zeigte wenig Gefühle, ich war ein wandelnder Stimmungsring. Wie ich den Besuchern von Star-Trek-Conventions oft erzählt habe, vermute ich, dass Roddenberry mich für die ideale Besetzung der Hauptrolle hielt, weil ich für das Publikum nicht zu intelligent war und ihn nicht viel kostete.

Ich saß in einem New Yorker Hotelzimmer, als er anrief. Ich hatte gerade die Gerichtsserie For the People abgedreht. Er erklärte, er mache einen Pilotfilm für eine Science- Fiction-Serie mit dem Titel Star Trek, NBC habe sie nicht gekauft, möge das Projekt aber so sehr, dass sie einen zweiten Piloten mit einer neuen Besetzung drehen würden.

Er bat mich, nach Los Angeles zu kommen und es mir anzusehen, mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass ich den Captain spielen sollte. Ich erinnere mich nicht an seine genauen Worte, aber ich vermute, er sagte so etwas wie: »Das ist die Hauptrolle. Dein Charakter bekommt das Mädchen. Er kämpft gegen den Schurken. Er rennt und springt. Und er steht im Abspann ganz oben.« Auf jeden Fall erwähnte er sicher nicht, dass ich an der Seite eines Halb-Menschen-halb-Außerirdischen spielen würde mit – wie Leonard sie später beschrieb – »Dumbo-Ohren«.

Ich fand den Piloten faszinierend, denn trotz aller Probleme war sein Potenzial offensichtlich. So viele Jahre später, nach all den atemberaubenden Weltraumfilmen und Spezial- effekten, die uns das Gefühl vermitteln, selbst vor Ort zu sein, ist es vollkommen unmöglich, adäquat rüberzubringen, wie innovativ das Konzept damals war. Das waren normale Menschen, Hunderte von Jahren in der Zukunft, und wenn sie nichts anderes zu tun hatten – das Universum und ihr eigenes Leben retten zum Beispiel –, hatten sie dieselben Schwierigkeiten und Beziehungsprobleme, wie sie die Zuschauer tagtäglich erlebten. Aber nachdem ich den Piloten gesehen hatte, äußerte ich Roddenberry gegenüber, meiner Meinung nach nähmen sich die Figuren selbst viel zu wichtig. Jeder Satz wirkte bedeutungsschwanger. Es lag nichts Fröhliches oder Spielerisches darin. Die Figuren schienen nur aufeinander einzureden, statt in Beziehung zu treten. Fast der Einzige, der in der ganzen Folge lächelte, war ironischerweise Mr. Spock.

Roddenberry stimmte mir zu und bot mir die Rolle von James Tiberius Kirk an.

Vor dem Dreh des zweiten Piloten wurden noch viele Änderungen vorgenommen. Wie Variety am 5. November 1965 berichtete, hatten die einzigen beiden Mitglieder der Originalbesetzung, die beibehalten wurden, Majel Barrett und Leonard Nimoy, sich vertraglich verpflichtet, den Piloten zu machen »für eine einstündige Science-Fiction-Abenteuerserie in Farbe, produziert von Desilu für NBC«. Wobei dieser kurze Text einen Fehler enthielt: Die Sendung wurde in Schwarz-Weiß gedreht. Als der Bericht erschien, tat Leonard genau das, was Schauspieler tun sollten – er arbeitete. Er spielte an der Seite der schönen Juliet Prowse in einer Valley-Musical-Theater-Produktion von Das Mädchen Irma La Douce.

Zusätzlich zu dem neuen Skript, in dem Majel Barretts Rolle verkleinert und durch eine Beziehung zwischen Spock und Kirk ersetzt wurde, gab es grundlegende Änderungen bei der Figur von Mr. Spock. Spock war das Ergebnis aller Erfahrungen, die Leonard bis dahin gesammelt hatte. Obwohl er Spock so realistisch darstellte, dass man leicht denken konnte, er basiere auf einer echten Vorlage, hatte er in Wahrheit sehr wenige Vorgaben. Leonard leistete Großartiges, als er Spock zum Leben erweckte, und ich glaube, er bekam nie die Anerkennung, die er dafür verdiente, diese ikonische Figur erschaffen zu haben. Wie Joe D’Agosta sich erinnerte: »Spock stand so nicht im Skript. Abgesehen vom Äußeren war die ganze Figur Leonards Werk. Er brachte die Seele dieses Charakters zum Vorschein.«

Zumindest zu Beginn hatte Leonard allerdings noch keinen guten Zugriff auf die Figur und probierte herum, um herauszufinden, was funktionierte. Nach dem ersten Piloten lächelte Spock nie wieder. »Hinterher wusste ich, dass es ein Fehler war«, sagte mir Leonard. »Als ich es sah, dachte ich, es zerstört das Geheimnisvolle, das, was die Figur ausmacht. Lächeln passte einfach nicht zu dieser Person. Sie ist nicht unbedingt negativ oder verdrießlich, aber vor allem ist sie niemals sorglos. Dieser Charakter muss als Wissenschaftler gespielt werden, als jemand, der studiert, was passiert.«

Auch Spocks Aussehen entwickelte sich noch. Als die Serie in Farbe gedreht werden sollte, gab Fred Philips, der Maskenbildner, ihm zunächst einen rötlichen Teint, um die Herkunft vom Mars anzudeuten. Aber beim Test auf Schwarz-Weiß-Geräten sah seine Hautfarbe einfach nur schwarz aus, und das passte nicht. Also wechselte Fred zu einem Max-Factor-Make-up, das sich Chinese Yellow nennt und das Spocks Haut einen leichten Gelbstich verlieh. Das genügte, um zu betonen, dass er nicht vollkommen hellhäutig war, und es wirkte wesentlich besser als das Marsianerrot.

Anfangs fand Leonard, Spock solle einen primitiven Look haben, mit einem groben Haarschnitt und buschigen Augenbrauen. Doch dann wurden ihm die Augenbrauen rasiert und nachgezeichnet. Spocks berühmte Ohren waren immer ein Thema. Roddenberry wollte die spitzen Ohren, um den Zuschauern sofort zu zeigen, dass er von einem anderen Planeten stammte. Leonard dagegen hatte Bedenken, er fragte sich, ob sie nicht zu albern aussahen. Aber bekanntlich ließ Roddenberry in diesem Punkt nicht mit sich reden. Das Studio hatte ein Unternehmen unter Vertrag genommen, das die ersten Ohrprothesen herstellen sollte, und das Ergebnis war katastrophal. »Grotesk und komisch« fand Leonard sie. Es kostete viel Zeit und Mühe, bis er schließlich zufrieden war.

Die Debatte über Spocks Erscheinungsbild riss nicht ab. Nachdem wir den zweiten Piloten gedreht hatten und NBC grünes Licht für die Serie gegeben hatte, begann die PR-Abteilung mit der Werbung. Eines Nachmittags bekam Leonard per Post ein Exemplar der Broschüre, mit der die Serie angekündigt wurde. Sie spiele im 23. Jahrhundert, bewege sich in Welten, die nie ein Mensch zuvor gesehen habe, blablabla. Sie enthielt außerdem Fotos von der Besetzung. Als Leonard sich Spock ansah, schien irgendetwas nicht zu stimmen. Er betrachtete das Bild genauer, und ihm wurde klar, dass es bearbeitet worden war. Spocks geschwungene Augenbrauen waren begradigt und die Spitzen an den Ohren entfernt worden. Als Reaktion darauf fühlte Leonard sich bedroht. Bedeuteten die Änderungen, dass man mit der Figur nicht zufrieden war? Das sollte schließlich sein erster fester Job als Schauspieler sein, der erste, der über einen längeren Zeitraum als zwei Wochen ging. Er rief Roddenberry an, und der gab zu, dass sich aus dem Vertrieb wegen der Charaktere Widerstand gerührt hatte. Einiges machte den Zuständigen Sorgen, vor allem aber, dass die Ohren als teuflisch gedeutet werden könnten, was ihrer Meinung nach den Verkauf der Serie im Bible Belt erschweren könne. Wie sie glaubten, wollten die Menschen dort kaum jede Woche einen Typen in ihr Zuhause lassen, der sie an den Teufel erinnerte. Roddenberry versicherte ihm, dass Spock ein wesentliches Element der Sendung bleiben werde. Und letztlich wurden die Ohren, die jeden Morgen stundenlang befestigt werden mussten, das charakteristischste Merkmal der Figur. Leonard liebte es, die Geschichte über eine Promotion-Party für Star Trek auf dem Gelände der Paramount zu erzählen: Er saß auf einem Stuhl und spürte plötzlich, wie sich von hinten zwei große Hände auf seine Schultern legten und fest zudrückten. Dann flüsterte ihm die unverkennbare Stimme von John Wayne ins Ohr: »Ich weiß, wer du bist. Du hast dir die Ohren machen lassen!«

Das zweite Drehbuch gab der Figur eine weitere Dimension, und es wurde allmählich klar, dass Spock ein eher besonnener Typ und im Normalfall einer Situation nicht ausgeliefert war. Dass er eher kontrolliert und logisch als emotional agierte.

Der Vorgänger dieser Figur wurde 1951 von Michael Rennie in dem Film Der Tag, an dem die Erde stillstand dargestellt. Rennie spielte einen Außerirdischen, der auf die Erde kommt und die Menschen davor warnt, sich weiter auf das atomare Zeitalter zuzubewegen. Diese Figur war außerordentlich intelligent und absolut distanziert, rational, kühl und friedfertig.

Um den Wesenskern von Spocks Charakter besser zu verstehen, sah sich Leonard sein eigenes Leben an, wie er es gelernt hatte. Spock war nicht bloß ein Fremdling, er war entfremdet. Als Produkt zweier sehr unterschiedlicher Zivilisationen fühlte er sich nirgends so richtig wohl. Leonard besann sich auf seine eigene Erfahrung als Heranwachsender in Boston und erklärte: »Ich wusste, was es bedeutete, zu einer Minderheit zu gehören, einer Minderheit, die immer wieder zum Außenseiter gemacht wurde. Ich kannte diesen Aspekt von Spock gut genug, um ihn darzustellen. Ich besaß den entsprechenden Hintergrund, aufgewachsen in einer Gegend voller Einwanderer, die sich an die moderne amerikanische Gesellschaft anzupassen versuchten. Glauben Sie mir, ich verstand wirklich, was es hieß, nirgendwo so richtig dazuzugehören.«

Leonard erzählte gern, dass er in Boston geboren wurde, seine Eltern als Immigranten nach Amerika gekommen waren, als Wesen von einem anderen Stern, und er nach Hollywood ging, um ein Wesen von einem anderen Stern zu werden.

Wenn es einen Charakter gab, auf den er sich bezog, um das nötige Gefühl von Entfremdung hervorzurufen, dann wahrscheinlich auf die Titelfigur aus einem seiner Lieblingsfilme, Der Glöckner von Notre Dame, in dem der großartige Charles Laughton den unvergesslichen Quasimodo verkörperte. Quasimodo war die Außenseiterfigur, und Leonard fühlte so sehr mit ihm, dass ihm zum Weinen zumute war, wenn er den Film sah. Er wollte, dass die Zuschauer dasselbe Mitgefühl für Spock empfanden, der in einem inneren Kampf zwischen seiner menschlichen und seiner vulkanischen Seite gefangen war, was letztendlich auf ein andauerndes Ringen zwischen Verstand und Gefühl hinauslief. »Ich wusste, dass wir keinen gefühllosen Mann darstellten«, sagte er einmal, »sondern vielmehr einen stolzen Mann, der gelernt hatte, seine Gefühle zu kontrollieren, und sie verleugnete. Obwohl er ein Außenseiter ist, aus zwei Kulturen stammt und fremdartig aussieht, lässt er sich nicht verunsichern. Er lässt sich nicht schikanieren oder veralbern. Er ist ein würdevoller Freak. Es gibt nur wenige Charaktere, die diesen Stolz, diese Coolness und die Fähigkeit besitzen, Dinge unverblümt auszusprechen, sich dann umzudrehen und zu gehen.«

Spock war das Resultat davon, dass Leonard siebzehn Jahre lang herumgeschubst worden war und seinem Beruf dennoch nach wie vor Liebe und Respekt entgegenbrachte.

Viele Gesten von Mr. Spock stammten aus einer überraschenden Quelle. In den Fünfzigerjahren ging Leonard ins Greek Theatre, ein berühmtes Freilichttheater in Los Angeles, um sich eine Vorstellung mit dem großen Harry Belafonte anzusehen. Die Bühne war dunkel. Plötzlich wurde ein einziger Spot auf Belafonte gerichtet, der allein auf der Bühne stand, die Hände auf die Oberschenkel gelegt, den Körper leicht gebeugt. Er erhielt großen Applaus und begann dann zu singen. Als er geendet hatte, gab es wieder gewaltigen Beifall. Belafonte reagierte nicht, sondern sang einfach ein zweites Lied. »Er stand bestimmt zehn, fünfzehn Minuten auf der Bühne, ohne eine einzige Bewegung zu machen«, erinnerte Leonard sich. »Und dann, mitten im Lied, hob er einfach nur den Arm. Es war eine gewaltige Geste, weil sie vor einem so reduzierten Hintergrund ausgeführt wurde. Das Publikum tobte. Das ganze Theater bebte. Wow, was für eine Lektion! Wenn man ganz zurückgenommen agiert, wird die kleinste Geste ein Riesending. Ich habe eine Menge daraus gelernt.«

James T. Kirk war wesentlich leichter zu entwickeln, weil er ein der amerikanischen Kultur vertrauter Charakter war: der Held mit dem kantigen Kinn, der in den Abgrund rennt, um die Maid in Not zu retten. Durch den Umstand, dass ich erst so spät zum Team stieß, musste ich mich für die Ausgestaltung meiner Rolle zumindest ein wenig auf den Text verlassen, den ich bekommen hatte. Ich war so sehr damit beschäftigt, ihn zu lernen, zu sprechen, mich an das Set und meine Kollegen zu gewöhnen, dass ich keine Gelegenheit hatte, tiefer in Jim Kirks Psyche einzudringen. Zumindest in den ersten Wochen lebte ich von meinem eigenen Narzissmus, wie Schauspieler das so tun, und kämpfte in erster Linie darum klarzukommen.

Jeder, der in diesem frühen Stadium mit der Produktion zu tun hatte, hegte seine persönlichen Bedenken. Der Einzige, der sich ausschließlich Gedanken um die eigene Rolle machte, war ich. Darauf lag mein Fokus. Die Figur, die man spielt, wird zu dem Knochen, den der Hund bewacht, und je länger das so geht, desto wilder wird der Hund. Das führte dazu, dass ich einen Tunnelblick in Bezug auf Kirk entwickelte.

Es dauerte eine Weile, bis ich mich der Rolle so nähern konnte, wie Leonard und später DeForest Kelley es taten, und in der Lage war, sie differenzierter zu spielen.

Ich erinnere mich nicht an die erste Begegnung mit Leonard am Set. Ich bin sicher, wir waren höflich. Vermutlich tauschten wir einen festen Händedruck. Möglicherweise hat einer von uns einen kleinen Scherz über das bevorstehende gemeinsame Abenteuer gemacht. Aber wir hatten beide – genau wie alle anderen Schauspieler – inzwischen so viel fürs Fernsehen gearbeitet, dass wir die Kennenlernspielchen bereits unzählige Male hinter uns gebracht hatten. Gelegentlich gab es einen Kollegen, mit dem man bereits vorher gedreht hatte, und man brachte sich ein paar Minuten lang auf den neuesten Stand, aber in diesem Fall kannte ich niemanden aus der Besetzung. Ich bezweifle, dass einer von uns beiden überhaupt realisierte, dass wir zuvor schon bei Solo für O.N.C.E.L. zusammengearbeitet hatten. So ist das eben in diesem Beruf.

Wahrscheinlich lastete zu Beginn mehr Druck auf mir als auf allen anderen. Der erste Pilot war gescheitert. Roddenberry bekam eine zweite – und letzte – Chance, die Zukunft zu erschaffen. Ich war am Broadway aufgetreten. Ich hatte die Hauptrolle in Kinofilmen gespielt. Ich war in anderen Fernsehserien Hauptdarsteller gewesen. Ich war gebeten worden, die Rolle von Captain Kirk zu übernehmen. Ich hatte nicht vorgesprochen wie jeder andere, also war ich wohl der Star von Star Trek. Mein Name wurde als erster genannt, und wenn die Serie scheiterte, würde es heißen, Shatner kann keine Serie tragen.

Ich weiß nicht, was in Leonards Kopf vorging. Jeder Schauspieler denkt wohl einfach nur: Ich habe eine gute Rolle, sieht aus, als würde das Network anbeißen, also muss ich so gut wie möglich spielen. Zu diesem Zeitpunkt in seiner Laufbahn war Leonard ein erfahrener, professioneller Schauspieler, auch wenn er nie Hauptrollen gehabt hatte. Ich glaube, anfangs erschien ihm die Vorstellung, diese spitzen Ohren und den wenig kleidsamen Haarschnitt zu tragen, etwas skurril. Wäre ich an seiner Stelle gewesen, hätte ich gedacht: Wäre ich doch nur diese Ohren los und sähe ein bisschen normaler aus!

Als der Schauspieler, der sehr viel Zeit damit verbracht hat, Spock eingehend zu betrachten, kann ich sagen: Diese Ohren waren wirklich auffällig. Erst mit der Zeit – und durch Leonards Hingabe an die Rolle – gewöhnte ich mich daran.

Jahre später erzählte mir Leonard von einem seiner Ziele bei diesem Engagement: Zuvor war sein Name immer mit Kreide an die Tür seiner Garderobe geschrieben worden – wenn er überhaupt eine eigene Garderobe hatte. Nun wollte er wenigstens einmal seinen Namen richtig an die Tür gepinselt sehen.

Die zweite Pilotfolge trug den Titel »Die Spitze des Eisbergs«. Hauptsächlich wird darin erzählt, wie die Enterprise und ihre Besatzung durch Crewmitglieder bedroht wird, die bösartige psychische Kräfte entwickeln, nachdem das Raumschiff eine unsichtbare Grenze überfahren hat.

Die allererste Szene, die wir drehten, spielte auf der Kommandobrücke der Enterprise. Wie George Takei sich erinnerte: »Leonard, Bill und Jimmy Doohan waren da. Paul Fix, der unseren Arzt spielte, und ich kamen an Bord. Nichelle Nichols hatte in dieser Folge keinen Auftritt, dafür Sally Kellerman. In dieser ersten Szene bemühten wir uns alle, in dem neuen Set zurechtzukommen. Die Leute probierten aus, wie sie sich bewegen, Dinge anfassen, sich setzen sollten. Leonard ging bei allem, was er tat, sehr überlegt vor. Er versuchte herauszufinden, wie ein superintelligentes, logisch denkendes Wesen sich bewegen und die Knöpfe drücken würde. Er fand heraus, wie er mit seinem Schaltpult umzugehen hatte, wie er die Stufen zum Unterdeck hinuntersteigen, zum Stuhl des Captain und zum Steuerpult gehen musste. Er bewegte sich nicht einfach, er plante jeden einzelnen Schritt so, dass er zu seiner Rolle passte. Dann diskutierten wir über die Szene. Ich fand Leonard faszinierend, wie er im Gegensatz zu uns anderen Schauspielern, die wir unseren Text gelernt hatten und einfach durchgingen, alles infrage stellte und diskutieren wollte, bevor wir mit dem Dreh begannen. Er stellte Fragen ohne Ende. Er war ein sehr bedachter und analytischer Schauspieler. Er musste verstehen, warum er etwas tat. Er leistete unglaublich viel Vorarbeit, damit alles so natürlich wie möglich aussah. Ich war davon so beeindruckt, dass ich es ihm gleichtat und jeden Knopf zu einem bedeutsamen Gegenstand machte.«

Von Anfang an konnten Leonard und ich gut miteinander arbeiten, obwohl ich ganz anders an eine Szene heranging als er. Wenn die Szene begann, befand ich mich dort, wo der Regisseur mich haben wollte, und wenn er etwas taugte, gab er den Schauspielern den Raum, sich dort einzufinden. Während Leonard die gesamte Szene im Voraus plante, ließ ich den Dingen ihren Lauf, sprach meinen Text in einer Weise, die dazu passte, wie die anderen agierten. Blieb Leonard zum Beispiel in seiner Position, weil er fand, dass es für Spock so am sinnvollsten war, kam Kirk eben zu ihm. Ich reagierte auf ihn, indem ich auf ihn zuging, mich setzte oder stehen blieb. Da er in der Rolle keine Gefühle zeigen durfte, bestand für mich die große Herausforderung darin, einem Mann gegenüberzustehen, der sich völlig emotionslos verhielt. Auch Leonard musste sich daran gewöhnen, mit mir zu arbeiten. Er sagte mir einmal: »Es war für mich ganz anders, mit Jeffrey Hunter als mit dir zu spielen. Einer der Gründe für die Veränderung von Spocks Charakter war die Tatsache, dass du an Bord kamst. Jeffrey Hunter war ein sehr zurückhaltender Darsteller. Ein guter Schauspieler, ein intelligenter Mann. Und so arbeitete er auch: nach innen gekehrt, mit Bedacht. Es gibt einen alten Witz über zwei Schauspieler, die eine Szene spielen sollen. Fragt einer den anderen: ›Was willst du in der Szene machen?‹

Sagt der andere: ›Nichts.‹

Darauf der erste: ›Nein, nein, nein! Du kannst nicht nichts machen. Das mache ich schon.‹ Genauso war es mit Jeffrey Hunter. Ich hatte das Gefühl, ich müsse dazu beitragen, der Szene Schwung zu verleihen. Ansonsten hätten wir beide nichts gespielt. Als du an Bord kamst mit deiner Energie, deinem Humor und diesem Funkeln in den Augen, war ich in der Lage, der wahre Spock zu werden.« Und er fügte hinzu: »Und ich lächelte nie wieder.«

Von Anfang an kämpfte Leonard darum, dass Spock seine Würde behielt. Andere Schauspieler hätten die Figur vielleicht mit der Schrulligkeit dargestellt, die ihre spitzen Ohren suggeriert. Er aber nahm alles im Zusammenhang mit Spock sehr ernst. Keine Spur von Klamauk. Seitdem gab es andere Charaktere, die auf diese Weise zum Leben erweckt wurden, insbesondere bei Star Wars, aber Leonard erbrachte als Erster den Beweis, dass es möglich war.

Es war nicht immer einfach. Einige Wochen vor der Ausstrahlung der Serie ließ NBC uns dafür werben. Es war eine typische Publicity-Veranstaltung. Journalistengruppen gingen von einem Darsteller zum nächsten und stellten immer wieder dieselben Fragen: Worum geht es in der Serie? Was können Sie uns über Ihre Rolle erzählen? Von welchem Planeten kommen Sie? Hat Spock wirklich spitze Ohren?

»Wir erzählen wahre Geschichten«, antwortete Leonard. »Wir erzählen Geschichten von Überbevölkerung. Von Rassenkonflikten. Geschichten über Ökologie, über Treue und Brüderlichkeit.« Spock, erklärte er, sei ein faszinierender Charakter, sehr intelligent und abgeklärt. Spock sei Wissenschaftler, fuhr er fort, um zu unterstreichen, dass er nicht der typische Außerirdische war und dass die Vorurteile der Medien, die auf den üblichen Science-Fiction-Storys beruhten, in diesem Fall nicht zutrafen.

Am nächsten Tag wurden die Reporter ans Set eingeladen, um uns beim Dreh einer Szene zuzusehen. Das war eine Gelegenheit für Leonard, die Seriosität seiner Figur zu beweisen. Leider spielte ausgerechnet diese Szene auf der Krankenstation. Spock war in einem Kampf schwer verwundet worden. Als Kirk herbeieilt, liegt Spock auf einem Bett, und leuchtend grünes Blut tropft von seinem Fuß. »Was ist passiert, Spock?«, will Kirk wissen.

»Captain«, antwortete er so würdevoll wie möglich, »ein Monster hat mich angegriffen.«

Selbstverständlich musste ich nicht in gleicher Weise um meine Würde kämpfen, da Kirk reale Kämpfe ausfocht. Schnell entwickelte Spock sich zu dem Gehirn der Serie. DeForest Kelley, der dem Team als Dr. Leonard »Pille« McCoy beitrat, war das Herz, ich der Actionheld. Captain Kirk war der klassische Krieger, der seine Männer trotz verschwindend geringer Chancen in die Schlacht führt und ramponiert und verletzt, aber siegreich aus ihr hervorgeht.

Und dann kam die Erstausstrahlung.