Es war vorgesehen, dass die Merciers uns die Schlüssel des Hauses am 21. Juni aushändigen würden, dem Tag der Unterschrift unter den Kaufvertrag. Aber ungeduldig wie wir waren, hatten wir sie gebeten, uns den Schlüsselbund schon ein paar Tage früher zu überlassen, das heißt schon am Freitag, dem 18. Juni, damit wir das Wochenende hätten, um in der Garage für einige Kartons Platz zu schaffen und mit dem Umzug zu beginnen. Der Notar war, wie schon gesagt, ein Freund von uns. Oder genauer gesagt der Freund von Guy, der mit Claude in der Stadtbibliothek arbeitete. Weil uns so viel daran lag, hatte er zugestimmt, Fünfe gerade sein zu lassen. Um uns einen Gefallen zu tun und sich nicht als rigider Hüter des Gesetzes zu geben. Er glaubte, das Richtige zu tun, und es war ja auch kein Risiko dabei. Dergleichen geschah regelmäßig. Es genügte, dass wir sofort die Wohngebäudeversicherung abschlossen, was wir denn auch auf der Stelle machten. Dann begannen wir, die ersten Kisten zu transportieren, Winterkleidung, Bücher, Schallplatten, ein bisschen Kinderspielzeug. Wir dachten, so gewinnen wir Zeit. Und da die Wohnung, die wir aufgaben, nur ein paar hundert Meter von dem Haus entfernt war, konnten wir das machen, wann wir Lust hatten, und unseren Peugeot 106 vollladen.
Es war witzig und regressiv, das Auto mit Kisten und Tüten vollzustopfen, wie damals, als wir noch Studenten waren, es machte Spaß, Dinge zu sortieren und Stapel von Zeug aufzuschichten, und uns in Bewegung zu setzen. Nach all den Monaten des Zauderns hatten wir es nötig, etwas zu tun. Es war uns gar nicht möglich stillzusitzen, dermaßen hatten wir Lust, damit anzufangen, das Haus in Besitz zu nehmen. Wir waren wie elektrisiert, und jeder Handgriff war von einer Ungeduld gesteuert, die man auch Euphorie nennen darf. Es war die gleiche Fieberhaftigkeit wie an dem Tag, als ich das Haus meiner Familie verließ, um mich mit Claude im Zentrum von Lyon niederzulassen. Das sind einzigartige Gefühle, die sich einem einbrennen, die alle Energiezentren des Körpers aktivieren. Das Haus erlaubte uns, unsere Träume und Vorstellungen in die Tat umzusetzen. Einzige Grenze war unser Budget.
Ich sah mich schon die Erde umgraben, um Beete zu bestellen, sah mich einen kleinen botanischen Garten anlegen, der unserem Sohn erlauben würde, fleischfressende Pflanzen zu hegen, die seine neueste Leidenschaft waren. Ich sah mich schon dabei, ein Miniaturgewächshaus zu bauen, um darin Samen zu ziehen, ich stellte mir eine Veranda vor und noch eine ganze Reihe weitere Anbauten. Sagen wir es so: Mir Dinge auszumalen war nicht das Problem, im Gegenteil, es war geradezu unmöglich, sich nicht in die Zukunft hineinzuprojizieren. Es ist erstaunlich, wie sehr das Bewusstsein den gesamten Raum in Besitz nimmt, Pläne schmiedet und jeden Quadratmeter des neu gekauften Grundes erforscht.
Ich denke an dieses Wochenende, an dem wir die Schlüssel bekommen hatten, wie an ein Geschenk, ich denke an das Junilicht, das auf den lehmfarbenen Mauern spielte, ich denke an das große Portal aus Holz mit den antiken Beschlägen, das man mit Kraft öffnen musste, und an den schweren Schlüssel, der sich in dem rostigen Schloss kaum drehen ließ. Ich denke an die Sonnenflecken auf der glühend heißen Erde des Hofs, ich denke an meinen Wunsch, diesen Hof mit Kletterpflanzen zu bevölkern, um einen Patio zu machen, einen mediterranen Ort der Zuflucht und Inspiration. Ich liebte den Gedanken, dass man das Haus durch diesen Garten betreten würde, den wir erst noch schaffen mussten. Und ich hatte vor, einen Fahrradunterstand zu bauen, denn in dieser besseren Welt sah ich mich meine Einkäufe auf dem Fahrrad machen, die perfekte coole Städterin, die ich werden wollte. Damals sagte man noch nicht Bobo .
Am Sonntag morgen gingen wir zum Flohmarkt in Feyssine und fanden einen schmiedeeisernen Gartentisch mit vier Stühlen, nicht mehr ganz frisch, aber noch benutzbar. Ich würde sie nur abschleifen und neu lackieren müssen. Diese Gartenmöbel, so rustikal wie reizend, waren die exakte Illustration unseres künftigen Lebens wie ich es mir vorstellte, ein Klischee, das ich vermutlich aus einem Film oder einer der Wohnzeitschriften hatte, die ich damals atemlos durchblätterte und behalten habe. Sie sind immer noch in Reichweite, auf einem Regal, direkt hinter mir im kleinen Zimmer des Hauses, in dem ich schreibe, und das, wie alles andere, bald dem Erdboden gleichgemacht werden wird.
Wir hatten Marie und Marc eingeladen, mit uns zusammen im Garten ein Glas zu trinken, auf diesen schmiedeeisernen Stühlen, die reichlich unbequem waren. Es war eine Art Picknick, und wir tranken Bier, das wir mitgebracht hatten. Wir hatten uns unter dem Kirschbaum niedergelassen, der voller Kirschen hing, es war exakt die Kirschenzeit. Überall auf dem Boden lagen die auf den Steinen aufgeplatzten Knorpelkirschen herum und klebten an den Schuhsohlen. Die Jungs kletterten in den Baum, ich rief ihnen zu, sie sollten achtgeben, schließlich wollten wir uns den schönen Sonntag nicht verderben.
Das einzige Problem:
Diese Schlüssel hätten wir niemals im Voraus verlangen sollen.
Diese winzige Zeitverschiebung hat den ganzen Unterschied ausgemacht.
Das habe ich erst danach verstanden.
Nimm die Schlüssel nicht.