Der Schlaf will sich nicht einstellen. Ich wandere im Haus umher und denke an Miffy the Kat und die Kriminalbeamten, die die Nacht durcharbeiten und sich bemühen, Sierras Fall zu lösen. Die Festnahme von Sierras Mörder wird mein wundes Herz nicht heilen, aber den Schmerz zumindest lindern. Angst steigt in mir auf. Was, wenn er weiß, dass ich die Polizei auf seine Spur gebracht habe, und sich an mir rächt? Was, wenn er sich an Miffy the Kat rächt? Er kennt uns beide. Genau in diesem Moment könnte er vor unserem Haus stehen.
Mum ist auch noch auf. Ich renne in ihr Schlafzimmer.
»Ich habe Angst.« Ich erzähle ihr, was mir gerade durch den Kopf gegangen ist.
»Der wird nie hierherkommen, Taylor. Das ist ein Feigling, der sich in Chatrooms rumdrückt und Jagd auf ahnungslose junge Mädchen macht. Der zeigt sich nicht.« Obwohl Mum sehr überzeugt klingt, muss der Gedanke ihr auch gekommen sein, denn sie fügt hinzu: »Ich habe schon mit der Polizei darüber gesprochen, die mich aber beruhigt hat.«
»Ich frage mich, warum er verschwunden ist, als er sich mit Miffy the Kat in diesem Shopping Centre getroffen hat.«
»Wer weiß … Vielleicht entsprach Miffy nicht seinen Erwartungen. Vielleicht hat sie etwas gesagt oder getan, dass ihn erschreckt hat. Möglicherweise werden wir das nie erfahren, selbst wenn sie ihn schnappen.«
»Sie werden ihn schnappen, das weiß ich. Morgen werden wir den entsprechenden Anruf bekommen.«
Jetzt habe ich mich mit meinen Überlegungen so in Panik hineingesteigert, dass ich mich nicht traue, in mein Zimmer zurückzugehen, und deshalb zu Mum ins Bett krieche. Einschlafen kann ich immer noch nicht. Ich starre in die Dunkelheit. Mum kann auch nicht einschlafen. Das merke ich daran, wie sie atmet.
»Ich glaube, ich steh lieber auf«, flüstert Mum.
Ich folge ihr, denn ich will nicht allein sein.
Wir setzen uns ins Wohnzimmer und trinken Milo. Wir loggen uns bei Risiko ein, um festzustellen, wie oft die Website inzwischen schon angeklickt worden ist. Achttausend Mal. Fast verschlucke ich mich an meinem Milo. Jetzt wird Callums Mum sicher wieder behaupten, dass es ein viraler Hit ist. Sierra würde das sehr gefallen. Die Kommentare zu meinem Blog reißen gar nicht mehr ab. Zahlreiche andere Mädchen haben mir die Fotos von Typen geschickt, mit denen sie sich getroffen haben.
Ich lehne mich auf dem Sofa zurück.
»Das ist nur wegen Sierra so«, sage ich. »Das hat nichts mit mir zu tun, sondern ausschließlich mit Sierra. Deshalb rufen so viele Leute die Site auf.«
Ich schüttle den Kopf. Sie war so schön. Fast immer, wenn ich an Sierra denke, endet das mit Tränen, auch diesmal. Ich habe es satt, in solch einer Situation regelmäßig in Tränen auszubrechen. Das macht mich fertig. Ihr Tod ist so sinnlos.
***
Kurz bevor Mum zur Arbeit geht, weckt sie mich. Ich liege immer noch auf dem Sofa, und Mum hat eine Decke über mich gebreitet.
»Ich fahre jetzt zur Arbeit«, sagt sie. »Bist du so weit okay, dass du zur Schule gehen kannst?«
Ich springe auf. Um nichts auf der Welt würde ich allein zu Hause bleiben.
»Ja, klar. Ist Callum schon da?«
»Nein, dazu ist es noch zu früh, aber du solltest schon mal anfangen, dich fertig zu machen. Ich dachte, du würdest sonst verschlafen.«
Meine Augenlider jucken, meine Augäpfel fühlen sich geschwollen an – oder vielleicht auch anders herum. Ich fahre mir mit den Fingern durchs Haar, das völlig verfilzt ist.
Ich gehe unter die Dusche. Es ist seltsam, so viel Zeit zu haben, um sich fertig zu machen. Manche Mädchen stehen offenbar jeden Tag so früh auf, weil sie immer wie aus dem Ei gepellt aussehen.
Meine Schuluniform ist nicht mehr so eng wie früher und sitzt viel besser. Ich muss also etwas abgenommen haben. Ich versuche mir vorzustellen, wie magere Mädchen sich fühlen. Wenn ich so wie sie wäre, würde ich bei jeder Gelegenheit Kleidung anprobieren. Ich würde in Geschäfte gehen und nacheinander alles, was da ist, anprobieren und jedes Mal fragen: »Wie steht mir das?« – obwohl ich weiß, wie sehr andere das nervt. Das war ein Teil von Sierras Problem. Die Leute nahmen an, sie wisse, wie toll sie aussah, ganz gleich, was sie anhatte, sodass sie genervt waren, wenn sie nach Komplimenten geierte. Vielleicht brauchte sie einfach diese Art von Bestätigung.
Nachdem ich mir mein Haar geföhnt habe, raffe ich es nach oben und binde es zu einem losen Knoten. Auf diese Weise wirkt mein Gesicht schmaler. Dann lege ich ein elastisches schwarzes Stirnband an und trage getönte Sonnencreme auf. Mit Eyeliner ziehe ich mir einen Lidstrich, und zwar so diskret wie möglich. Da ich mir sogar mein Haar selten zurechtmache, würde ich nur erstaunte Blicke ernten, wenn ich auf einmal mit zu viel Make-up aufkreuzen würde. Ich trete zurück und betrachte mich im Spiegel. Der Anblick stellt mich zufrieden. Ich sehe nicht mehr so aufgedunsen und ungesund aus. Ich gehe nach unten, mache mir warmen Kakao und esse das Obst, das Mum für mich hingestellt hat.
Ich hole mein Mathe-Arbeitsbuch heraus und löse ein paar Rechenaufgaben. Jede Seite ist ein kleiner Fortschritt, sagt Mum immer. In dem Moment hupt Callums Mutter draußen vor dem Haus. Ich werfe alles in meinen Rucksack. Callum und seine Mum strahlen mich an und klatschen, als ich einsteige. Ich werde knallrot, weil ich glaube, sie klatschen, weil ich mich heute so hübsch zurechtgemacht habe.
»Weißt du es schon?«, fragt Callum.
Irgendwie bin ich enttäuscht.
»Was denn? Haben sie ihn geschnappt?«
Jetzt ist ihr Lächeln nicht mehr ganz so strahlend.
»Äh … es geht um deine Website«, sagt Callum. »Hast du sie heute Morgen schon angeklickt?«
Meine Anspielung auf den Mörder hat der Sache den Glanz genommen. Auf einmal erscheint sie nicht mehr so wichtig.
»Oh. Sorry. Nein. Das letzte Mal hab ich sie mir gestern am späten Abend noch mal angesehen.«
»Inzwischen ist sie von fast vierzehntausend Leuten aufgerufen worden.«
»Was?«, kreische ich. Ich kann es einfach nicht fassen. »O mein Gott, Sierra wäre außer sich vor Freude!« Als ich ihren Namen ausspreche, fängt meine Stimme an zu zittern.
Jedem von uns ist klar, wie tragisch es ist, dass ausgerechnet ihr Tod sie in das Rampenlicht gerückt hat, nach dem sie sich immer gesehnt hat. Hauptsächlich wurde die Website in Australien aufgerufen, obwohl es auf der ganzen Welt Menschen gibt, die sie sich angesehen habe – und Sierra ist nicht da, um das alles zu genießen!
Als wir in die Mensa kommen, sitzt Riley an unserem Tisch und wartet auf uns. Ich lächle sie an, damit sie weiß, dass ich immer noch bereit bin, mit ihr zu reden, setze mich aber nicht zu ihr. Ich mache eine Geste, um ihr zu verstehen zu geben, dass ich woanders hinmuss. Sie nickt. Es ist schön, sie zu sehen.
Callum macht Anstalten, in der Mensa zu bleiben, doch ich ziehe ihn hinter mir her. Nachdem ich ihm mitgeteilt habe, dass ich mit ihm und Mr Samalot reden muss, gehen wir ins Lehrerzimmer.
Ich erzähle ihnen von Miffy the Kat und dass die Polizei unsere Website rund um die Uhr überwacht.
Mr Samalot reißt die Augen auf. »Das ist ganz gewiss mehr, als wir erwartet haben«, sagt er.
»Ich weiß«, erwidere ich. »Es ist also wirklich wichtig, dass wir Miffy nicht kontaktieren, und wenn die Kriminalbeamten uns mitteilen, dass sie die Kontrolle über die Site übernehmen, dürfen wir sie nicht mehr anklicken. Sonst könnte der ganze Fall zusammenbrechen, und der Typ könnte ungeschoren davonkommen.«
Mr Samalot nickt. »Ich werde niemandem etwas erzählen und die Finger von der Sache lassen.« Dann räuspert er sich ungefähr sechsmal hintereinander. Offenbar kommt er sich im Moment sehr wichtig vor. Aber schließlich war er es ja auch, der gestern die Galerie-Seite ins Netz gestellt hat, die dazu führen könnte, dass man Jacob Jones schnappt.
Callum sieht blass aus und sagt nicht viel. Seine Reaktion ähnelt eher der meinen. Die Vorstellung, dass die Polizei Sierras Mörder erwischt, ist überwältigend. Aber auch erschreckend.
In der Pause mache ich Riley ausfindig, und wir gehen ein Stück. Sie ist still und zurückhaltend, scheint aber wieder mit mir rumhängen zu wollen.
»Bist du okay?«, frage ich.
Sie lässt den Blick über den Sportplatz schweifen und beißt sich auf die Unterlippe. Hier ist nicht der richtige Ort für ein Gespräch.
»Möchtest du heute nach der Schule bei mir vorbeikommen?«
Sie nickt. »Ich werde Mum bitten, mich zu euch zu bringen.«
»Hast du mit Joel gesprochen?«
»Nein«, erwidert sie, ohne weiter darauf einzugehen. Wenn Riley über etwas verstimmt ist, gleicht ein Gespräch mit ihr dem Versuch, einem Huhn die Zähne zu ziehen. Jedenfalls zu Anfang. Wenn sie dann endlich anfängt zu reden, schlägt das Ganze ins Gegenteil um; dann kann sie gar nicht mehr aufhören.
»Taylor!«, ruft in dem Moment Izzy, die mit einer Gruppe von Mädchen daherkommt. Sie rennt auf mich zu und umarmt mich. »Sierra wäre ja so stolz«, sprudelt sie hervor. »Die ganze Schule redet von Risiko. Das ist einfach toll!«
Ich bemerke, dass Riley hinter die Gruppe zurückgewichen ist.
»Die Mädchen in der achten Klasse haben den ganzen Vormittag nur geweint«, fährt Izzy fort. »Aber manche Schüler sagen fiese Dinge über Sierra … zum Beispiel, dass es ihre eigene Schuld war.«
»Ich weiß. Das habe ich auch schon erlebt. Achte einfach nicht darauf«, sage ich, obwohl ich innerlich koche.
Ich blicke umher. Riley ist verschwunden. Ob sie wohl trotzdem nach der Schule bei mir vorbeikommt?
»Taylor«, sagt Mr Samalot, der mit Callum zusammensteht. »Der Schulleiter möchte mit dir und Callum sprechen.«
Sofort schießt mir der Gedanke durch den Kopf, ob wir mit der Website wohl gegen irgendwelche Schulregeln verstoßen haben.
Wir gehen zum Büro des Schulleiters. Callum und ich setzen uns auf die Besucherstühle vor Mr Williams’ Schreibtisch. Er lächelt uns an. Mit diesem Mann spreche ich höchstens dreimal im Jahr. Einer seiner Vorderzähne ist leicht schief, wie ich jedes Mal von Neuem bemerke.
»So traurig und tragisch Sierras Tod auch ist … zu eurer Website kann ich euch nur gratulieren. Ich habe mir alles angesehen und bin sehr beeindruckt, wie professionell es gemacht ist. Ihr habt damit die Herzen von vielen gerührt.«
Callum und ich rutschen verlegen auf unseren Stühlen hin und her.
»Danke, Mr Williams«, sage ich.
»Sierras Verschwinden und ihr Tod haben die ganze Schule erschüttert. Viele Schüler und Lehrer haben sich krank gemeldet. Alle sind extrem verstört. Ich wollte euch fragen, ob ihr bereit wärt, bei der nächsten Versammlung in der Aula zu den anderen zu sprechen und ihnen zu erklären, was ihr für Sierra macht und was ihr mit eurer Seite bezweckt. Was ihr zu sagen habt, dürfte alle interessieren, und ich glaube, einigen Schülern könnte es helfen, das, was geschehen ist, besser zu verarbeiten.«
Callum sitzt wie erstarrt da. Er hat einen absoluten Horror davor, in der Öffentlichkeit zu sprechen. Diese Bitte ist ungefähr so, als fordere man ihn auf, mit seinen Augäpfeln zu jonglieren. Er klammert sich so fest an die Armlehnen seines Stuhls, dass seine Knöchel weiß hervortreten.
»Gern«, erwidere ich. »Wenn Callum mir hilft, das Material vorzubereiten, bin ich bereit, zu den anderen zu sprechen.« Callum braucht mir nicht unbedingt zu helfen, aber er soll sich nicht ausgeschlossen fühlen. Und dass nur einer von uns spricht, liegt nahe.
»Nein, ich werde auch sprechen«, sagt Callum und sieht mich an. »Ich finde, das ist wichtig.«
»Na wunderbar«, meint Mr William. Callum stößt die Luft aus. Ich hoffe, dass wir am Montagmorgen der ganzen Schule in der Aula mitteilen können, dass man Sierras Mörder geschnappt hat. Ich bin sicher, dass es so sein wird.
***
Ich habe mein neues Handy in der Tasche und sehe dauernd nach, ob Mum mir Neuigkeiten gesimst hat. Meine Englischlehrerin Ms Duerden fordert mich auf, das zu unterlassen, ist aber so freundlich, mir das Handy nicht wegzunehmen. Am Ende des Tages bin ich frustriert, weil sich nichts getan hat. Inzwischen muss die Polizei doch mit Miffy the Kat gesprochen und einen entscheidenden Hinweis erhalten haben. Schließlich hat sie sich mit ihm getroffen und ihn aus der Nähe gesehen. Sicher hat man nach ihren Angaben ein Phantombild angefertigt und ihr Fotos von Kriminellen gezeigt. Sie könnte ihnen beschreiben, wie er gesprochen, was er getragen hat. Vielleicht gelingt es ihnen sogar, noch Aufnahmen aufzutreiben. In großen Shopping Centres gibt es doch überall Überwachungskameras.
Als ich wieder zu Hause bin, setze ich mich in die Küche und warte auf Riley. Mum fährt in die Garage, und ich gehe ihr entgegen.
»Gibt’s was Neues?«
Sie schüttelt den Kopf. »Ich war gerade bei Rachel. Da die Polizei sie auf dem Laufenden hält, hat man sie sofort über Miffy the Kat informiert … Ich glaube, letzte Nacht hat sie überhaupt nicht geschlafen.«
Dass die Polizei Rachel informiert hat, nehme ich als positives Zeichen – offenbar halten sie das Ganze für einen wichtigen Anhaltspunkt. Seine Verhaftung muss nahe bevorstehen.
Ich fahre meinen Computer hoch, um mir unsere Site anzusehen. Nachdem ich verschiedene Kommentare gelesen habe, nehme ich zu einigen Stellung.
Ich rufe Riley an, erreiche sie aber nicht. Vermutlich kommt sie doch nicht. Dann rufe ich Callum an und teile ihm mit, dass man den Mörder noch nicht geschnappt hat. Er ist genauso enttäuscht wie ich.
»Weißt du schon, was du als Nächstes in deinem Blog schreiben willst?«, fragt Callum.
»Nein.«
»Hast du was dagegen, wenn ich was schreibe?«
»Nein, natürlich nicht!«, erwidere ich ein bisschen zu enthusiastisch. Ich wusste doch, dass er etwas schreiben wollte. Warum verblüfft mich dann seine Bitte so? Trotz meiner Neugier verkneife ich mir, ihn zu fragen, was er schreiben will.
»Ich schick’s dir gleich zu.«
»Ach, du hast es schon geschrieben?«
»Ja. Gib mir Bescheid, was du davon hältst.«
Nachdem ich aufgelegt habe, warte ich auf seine Mail und öffne sie, sobald sie eintrifft.
Ich war bei Taylor, als sie Sierras letzten Anruf bekam und Sierra sagte, sie wolle bei ihrem neuen Typ bleiben. Ich hatte sofort ein ungutes Gefühl, sagte aber nichts, weil ein paar Wochen zuvor das Gerücht entstanden war, dass Sierra und ich was miteinander hätten. Hätte ich was gesagt, so hätte man annehmen können, ich sei eifersüchtig. Ich wollte nicht, dass man mich auslacht.
Deshalb habe ich, im Zweifel, nichts getan.
Am nächsten Tag erfuhr ich, dass Sierra nicht aufgetaucht war. Obwohl sie so etwas Ähnliches schon mal gemacht hatte, hatte ich das starke Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Doch da ihre engsten Freundinnen anderer Ansicht waren, habe ich wieder nichts gesagt. Ich habe Sierras Mutter nicht benachrichtigt; ich habe es nicht der Polizei gemeldet. Ich wusste, dass sie vermisst wird, hielt aber den Mund. Hätte ich sie retten können? Ich weiß es nicht. Ich werde es nie wissen.
Jetzt muss ich mit meinen Schuldgefühlen und meiner Reue leben. Ich trauere über den Tod meiner schönen Schulkameradin und wünschte, ich könnte die Uhr zu jenem Freitagabend zurückdrehen und auf mein Gefühl hören. Wenn ich mit ihr gesprochen und sie irgendwie dazu überredet hätte, zurückzukommen, müsste ich jetzt vielleicht nur ein paar Sticheleien ertragen, weil ich angeblich in sie verknallt bin. Stattdessen empfinde ich Kummer und Scham.
Ich füge noch den Titel hinzu: Ich habe nichts gesagt.
Callum und ich haben nie über diese Sache gesprochen, und als ich den Eintrag jetzt lese, breche ich in Tränen aus. Ich schreibe ihm, wie schön ich seinen Beitrag finde, und hänge an seinen Blog ein paar Fragen an, um eine Diskussion anzuregen.
Habt ihr schon einmal ein ungutes Gefühl ignoriert? Habt ihr bereut, es getan zu haben? Wie kann man in Erfahrung bringen, ob man seinem Gefühl folgen oder es ignorieren soll? Wann sollten wir unser Schweigen brechen, um unsere Freunde zu schützen?
Ich schicke die Fragen an Callum, der sie okay findet. Ich weiß nicht recht, ob ich ihn anrufen oder ob ich ihm ein bisschen Zeit lassen sollte. Ich schließe die Augen. Dann rufe ich ihn an.
Er geht nicht ran.
Diese Entscheidung finde ich okay.
Ich stoße auf ein Foto von mir und Sierra. Wir sind draußen, und die Sonne scheint Sierra voll ins Gesicht. Ich flüstere ihr hinter vorgehaltener Hand etwas ins Ohr. Sierra sieht glücklich aus und lacht über das, was ich ihr gerade anvertraue. Die Aufnahme hat Riley gemacht, und ich kann mich genau an die Situation erinnern. Ich flüstere Sierra zu, dass Riley und Joel sich mögen. Riley hatte mir eingeschärft, es nicht hinauszuposaunen. Das war vor zwei Jahren. Ich lächle, als mir alles wieder einfällt. Jeder wusste, dass Riley und Joel sich mögen. Es war kein Geheimnis. Sie hätten es gar nicht verheimlichen können.
Ich lade das Foto hoch und stelle es zusammen mit Callums Blog ins Netz. Ich teile es auf Facebook und Twitter. Anschließend stelle ich fest, dass der Blog und das Foto bereits aufgerufen werden.
Ich bin begeistert und gleichzeitig traurig, eine seltsame Gefühlsmischung. Ich wünschte, Sierra wäre hier und könnte das alles sehen.
Ich werde warten, bis man den Mörder geschnappt hat, und erst dann wieder etwas bloggen. Ich bin sicher, dass das die nächste Mitteilung sein wird.