Die Autofahrt von Papa Ps Haus zu dem von Levi war kurz, aber ich schenkte der Landschaft nicht wirklich Beachtung, die dazwischen lag. Immer wieder überkam mich ein Anflug von Panik, der mir den Atem raubte – außer wenn ich Levi ansah oder ihn berührte. Er nahm meine Hand in seine, bis eine Kurve kam, und drückte sie sofort wieder an sich.
„Wir sind da“, stellte er fest und ich sah aus dem Fenster.
Bisher hatte ich mir keine Gedanken darüber gemacht, in welchem Haus Levi wohl leben würde, aber sein Zuhause überraschte mich. Es war … wunderschön. Es war ein weißes, einstöckiges Häuschen mit einem Garten, in dem es im Spätsommer nur so blühte.
„Hast du die alle gepflanzt?“, fragte ich, während Levi mir aus seinem SUV half.
„Die meisten“, gestand Levi mit einer Spur von Stolz. „Das Haus war ein echtes Wrack, als ich es gekauft habe. Die Rosen dort drüben waren etwas verwildert, aber mit etwas Zuwendung sind sie wieder richtig aufgeblüht. Hinterm Haus habe ich sogar einen Gemüsegarten und ich kann dir bestätigen, dass alles zur selben Zeit reif geworden ist. Ich kann dir zeigen, wie man erntet und sich um die Pflanzen kümmert – sofern du das möchtest.“ Das Letzte sagte er zögernd.
Ich drückte seine Hand. „Ich glaube, das würde mir gefallen.“
Das breite Lächeln in seinem Gesicht verriet mir, dass dies die richtige Antwort war – ich würde so ziemlich alles tun, um ihn so glücklich aussehen zu lassen.
Mir lief ein Schauer über den Rücken. Nicht … alles. Aber wenn etwas so Einfaches wie Unkrautjäten ihn so glücklich machte? Dann würde es mich auch glücklich machen, das zu tun.
Innen war das Haus ebenso schnuckelig wie außen. Es schien wirklich nicht für einen alleinstehenden Soldaten gebaut worden zu sein, sondern für eine ganze Familie. Ich stellte mir schon vor, wie ich in der Küche Brote für mein Kind schmierte und im Wohnzimmer Puzzles zusammenbaute …
Aber ich hatte keine Ahnung, wie lange ich hier bleiben würde. Und sicherlich würde Levi eines Tages seine eigene Familie gründen wollen.
„Die Schlafzimmer sind hier unten“, erklärte Levi und zog mich sanft hinter sich her. „Das Badezimmer befindet sich genau in der Mitte, mein Zimmer ist links und das Gästezimmer auf der rechten Seite. Wenn du willst, kannst du hier schlafen, aber …“
Ich versteifte mich. Allein? In einem fremden Zimmer? Levi hielt inne und sprach ein wenig sanfter.
„Es wäre mir aber eine Ehre, wenn du bei mir im Zimmer schlafen würdest. Ich verspreche dir, dass ich nichts Falsches im Sinn habe. Bitte entschuldige, wenn dir das etwas komisch vorkommt, aber mein Wolf braucht dich so nah wie möglich bei sich.“
Erleichtert stützte ich mich auf Levis Arm. „Habe ich deshalb das Gefühl, dass ich dir so nahe sein muss? Mein Wolf?“
Levi sah neugierig zu mir hinunter. „Was meinst du? Spürst du den Wolf in dir nicht?“
Beschämt sah ich zu Boden und zuckte mit den Schultern. „Mag sein. Keine Ahnung, wie es sich anfühlen soll. Entschuldige …“ Die Worte sprudelten nur so aus mir heraus. „Das ist wahrscheinlich völlig normal und ich verhalte mich nur seltsam, aber …“
Mit einem Finger auf meinen Lippen unterbrach mich Levi. „Du verhältst dich überhaupt nicht seltsam. Du hast ein schweres Erlebnis hinter dir. Da ist es normal, dass man nach solch einer Tortur die Dinge etwas anders verarbeitet. Wir kriegen das schon hin, okay?“
Ich nickte, sah ihn jedoch nicht an und dann überkam mich ein herzhaftes Gähnen.
Levi strich mit seiner Hand auf meinem Arm auf und ab. „Warum legst du dich nicht einfach aufs Bett und ruhst dich aus?“
Ich krallte mich noch fester an seinen Arm. Ich war noch nie hier gewesen und wollte nicht allein sein. „Was wirst du denn machen?“
Levi zuckte mit den Schultern. „Normalerweise brauche ich nach einer Mission Zeit, um runterzukommen.“
„Zeig es mir.“ Schon wieder sprangen die Befehle aus meiner Kehle und meinem Mund und übergingen mein Gehirn vollkommen.
„Dir zeigen?“
Levi wirkte nicht angegriffen, sondern einfach nur neugierig, daher machte ich einen Schritt nach vorne. „Zeig mir, wie du runterkommst. Zeig mir, was du tust, wenn du nach einer Mission heimkommst.“
Lächelnd führte mich Levi ins Wohnzimmer und ließ mich auf der Couch Platz nehmen, dann ging er zu einem einzelnen, hohen Bücherregal. Er nahm sich die Zeit, das Regal in Ruhe zu durchforsten, bevor er sich für ein dickes Buch entschied. Er drehte sich zu mir um. „Möchtest du etwas zum Lesen?“
Ich schüttelte den Kopf. Im Moment war ich damit zufrieden, Levi einfach nur zu beobachten.
Statt zur Couch zurückzukommen, ging Levi zu seiner Stereoanlage, stöpselte sein Telefon ein und tippte kurz auf den Bildschirm, bevor Musik ertönte. Sie war ruhig … entspannend. Ohne Worte. Das gefiel mir.
Später setzte sich Levi an das Ende der Couch und legte meinen Kopf auf seinen Schoß. Ich kuschelte mich an seine muskulösen Oberschenkel und ließ mich von seinem starken Duft betören. Er griff hinter die Rückenlehne der Couch und zog eine Decke über uns, die er mir um das Gesicht herumwickelte, damit ich nicht ganz bedeckt war.
„Ist das so in Ordnung?“
Zufrieden seufzte ich. „Es ist perfekt.“ Es war, als könnte ich jegliche Erwartungen, Sorgen und Pläne hinter mir lassen. Ich schmiegte mich enger an ihn und Levi klappte sein Buch auf, während sein Arm auf meiner Schulter lastete.
* * *
Ich hielt mir schützend meinen Bauch, als zwei dunkle, schattenhafte Gestalten mit ausgestreckten Händen auf mich zukamen. Sie wollten mir mein Baby wegnehmen. Sie wollten nicht, dass ich es behalte. Nein, ich war gezwungen zu kämpfen! Ich musste mein Baby beschützen!
„Schhh, schhh, schhh. Cody, ich bin da. Du bist in Sicherheit. Keiner wird dir wehtun. Das lasse ich nicht zu. Ich beschütze dich. Ich bin da.“
Levis beständige Zusicherung holte mich aus meinem Albtraum. Schluchzend klammerte ich mich an ihn. Er strich mir durchs Haar und über den Rücken und murmelte immer noch beruhigende Worte, bis ich wieder klar denken konnte.
„Geht es dir wieder gut?“
Ich nickte an seiner Brust.
„Du hast geschrien.“
Ich schluckte schwer und es war, als ob mein Mund einer Wüstenlandschaft gleichkäme. „Albtraum.“
Er forderte keine Erklärung von mir, sondern streichelte weiter über meinen Rücken. Es half.
Mir fiel auf, dass wir nicht mehr auf der Couch lagen, sondern in dem großen Bett in seinem Zimmer. Hatte ich tatsächlich so tief und fest geschlafen? Ich trug noch immer die Kleidung vom Vortag, während Levi in ein lockeres Baumwoll-T-Shirt und eine Jogginghose geschlüpft war.
„Ich wollte dich zum Abendessen aufwecken, aber du warst mein hübsches, kleines Dornröschen.“
„Das mit dem Hübschsein weiß ich nicht so recht“, grummelte ich. „Entschuldige, dass ich dich geweckt habe.“
„Kein Problem … Dornröschen.“ Die Belustigung in seiner Stimme war nicht zu überhören und ich stupste ihn in die Seite, woraufhin er gluckste. „Meine Aufgabe ist es, dich vor bösen Jungs und bösen Träumen zu beschützen. Glaubst du, dass du wieder einschlafen kannst?“
Ich nickte und war schon halb eingeschlafen dank seiner tiefen, ruhigen Stimme und seiner sanften Berührung. Als wir uns hinlegten, zog er mich mit dem Rücken an seine Brust.
„Ist das in Ordnung?“, flüsterte er.
Ich antwortete, indem ich seinen Arm um meine Brust schlang.
* * *
Als ich am nächsten Morgen von der Sonne geweckt wurde, war der Albtraum nur noch eine blasse Erinnerung. Ich lag allein im Bett, aber Levis Geruch war noch frisch und stark. In Erinnerung an Levis Bemerkung, dass sein Wolf meine Nähe brauchen würde, kuschelte ich mich an seine Bettseite und achtete auf meine Reaktion darauf. Wie eine Droge, nur ohne die betäubende Wirkung. Mit jedem Einatmen wurde jeder Muskel etwas lockerer.
Ich konnte jedoch nichts spüren, was sich sonderlich wölfisch anfühlte.
Alle weiteren Erkundungen wurden durch die plötzliche Feststellung unterbrochen, dass ich sofort pinkeln musste.
Ich wälzte mich aus dem Bett und taumelte zum Badezimmer, schob die Tür auf und blieb abrupt stehen. Levi war gerade dabei, seine Zähne zu putzen, als meine Augen langsam von seinem schockierten Gesicht zu seiner nackten Brust wanderten und auf der engen, pinkfarbenen Unterwäsche landeten, die sich an seinen Hintern schmiegte.
Erst jetzt bemerkte ich, dass die Dusche lief. Wenn ich nur ein paar Sekunden später aufgewacht wäre, hätte ich vielleicht einen kaum bedeckten Levi entdeckt. Doch ich war ganz froh, nicht nachgedacht zu haben. Es war faszinierend, wie sich der leuchtend pinke Stoff an Levis Haut legte. Der obere Rand war mit Spitze gesäumt und der vordere Teil schmiegte sich perfekt an seinen …
Ich räusperte mich, machte allerdings keine Anstalten, den Blick abzuwenden. Ich hatte so etwas noch nie gesehen, insbesondere nicht an einem so starken, maskulinen Mann.
Levi steckte seine Zahnbürste zurück in den Zahnputzbecher und spülte sich den Mund aus, ehe er sich zu mir umdrehte und mir einen Blick auf den zarten Stoff bot. Plötzlich bemerkte ich, dass ich ihn unverhohlen angestarrt hatte, und richtete meinen Blick wieder nach oben. Levis Wangen waren deutlich errötet, aber er verschränkte seine Arme in einer Art und Weise, als wäre es ihm egal.
„Jetzt kennst du wohl mein Geheimnis.“
Natürlich war das ein Geheimnis, stellte ich fest. Ein wunderschönes, kostbares Geheimnis. Ein Lächeln umspielte Levis Lippen. Er versteckte sich nicht vor mir, sondern zeigte sich offen – offener, als ich es mir vorstellen konnte. Ein Kribbeln der Freude durchzuckte mein Rückgrat. Noch nie hatte ich ein Geheimnis gehütet, das nur zum Vergnügen war – ausschließlich gefährliche Geheimnisse. Der Mangel an Negativität machte das Ganze noch schöner.
„Ich werde es niemandem verraten“, versprach ich. „Dieses Geheimnis werde ich nun auch hüten.“
Meine Finger zitterten an meinen Seiten. Wie sich wohl der Stoff unter meiner Berührung anfühlen würde? Jede Wölbung und jeder Winkel von Levis Körper wurde dadurch hervorgehoben. Levis Lächeln wechselte in einer Sekunde von zuckersüß zu frech, aber er rührte sich nicht gleich vom Fleck. Dann griff er nach seiner Hose.
„Stopp.“ Als wäre ich von einer anderen Person besessen, rollten mir diese Befehle bei Levi förmlich von der Zunge. Sofort gehorchte er und ließ die Hose wieder auf den Boden fallen. Ich musterte seinen Blick, um sicherzugehen, dass er einverstanden war. Ich wusste, wie es ist, aus Furcht zu gehorchen, aber in Levis Augen war keine Furcht zu erkennen, sondern lediglich Interesse. Wieso sollte er überhaupt Angst vor einem so kleinen Ding wie mir haben? Er hätte mich einfach hochheben, rausschmeißen und mir die Tür vor der Nase zuschlagen können – wenn er es gewollt hätte.
Aber das tat er nicht. Er gehorchte und wartete.
„Bleib da stehen.“ Ich machte einen Schritt auf ihn zu und dann noch einen. In meiner Brust rumorte etwas vor Vorfreude. Meine Sicht wurde schärfer, der Geruch etwas intensiver. Ich näherte mich Levi und strich zaghaft mit meinem Zeigefinger über die mit Satin bedeckte Kurve seiner Hüfte.
Levi zuckte zusammen und ballte die Fäuste.
Ich zog den Finger weg. „Ist das … zu viel?“
„Gott, nein!“, keuchte Levi. „Das ist unglaublich. Du kannst mich anfassen, so viel du willst.“
Irgendwie war mir das schon klar, aber es war schön, es durch Levi bestätigt zu bekommen. Mutig strich ich mit dem Finger über den weichen Stoff, wanderte über die feine Spitze und ließ meine Hand über seine nackte Haut und die straffen Muskelpartien gleiten. Levi zitterte regelrecht, aber er bewegte sich keinen Zentimeter, bat mich nicht, damit aufzuhören.
In mir brach etwas aus. Ich fühlte mich lebendig – wie neu geboren, nach Jahren des Lebens im Tod. Ich hatte die Kontrolle und das fühlte sich so … gut und richtig an.
Lange Zeit hatte ich nichts mehr unter Kontrolle gehabt und ich hätte mir nie vorstellen können, einen Mann wie ihn so zu kontrollieren. Er hätte mich mit einem einzigen Ruck brechen können, aber er tat es nicht.
Wie weit würde Levi mich gehen lassen?
Ich wich zurück und hütete mich vor dem aufsteigenden Verlangen nach Besitz in meinem Herzen. Ich wollte nicht so sein wie meine Entführer. Ich wollte niemanden zwingen, etwas zu tun. Auch wenn Levi kein Zögern oder Abneigung gezeigt hatte, hatte ich kein Vertrauen in mich. Was außer Kontrolle und Unterwerfung wusste ich denn schon? Und doch … war da etwas in Levis Augen, wenn ich etwas von ihm verlangte. Ich musste nachdenken … es verarbeiten.
Ich ging aus dem Zimmer und wies mit einer Geste auf die Dusche. „Du solltest reinspringen. Entschuldige, dass ich dich unterbrochen habe.“
Mit einem besorgten Gesichtsausdruck machte Levi einen halben Schritt nach vorne, aber ich flüchtete in die Toilette im vorderen Teil des Hauses, weil ich nicht bereit war zu erklären, was in meinem Kopf vor sich ging.