Schon als wir zur Tür hereinkamen, brachte Papa P Cody zusammen mit Preston und Cindy direkt ins Kinderzimmer. Er schloss die Tür ganz fest und gab uns zu verstehen, dass die Omegas sich aus allem, was wir besprechen würden, heraushielten.
Als ich ins Zimmer kam, saßen die Jungs schon um meinen Esstisch herum. Jonah saß an seinem Laptop, während die anderen Kaffee tranken und sich unterhielten. Man konnte die Anspannung, die in der Luft lag, glatt mit einem Messer durchschneiden, so dick war sie. Ich holte tief Luft und schnappte mir die Dose mit den Cookies, die Papa P am Tag zuvor vorbeigebracht hatte.
Ich stellte den Behälter in die Tischmitte und öffnete den Deckel, während ich Platz nahm. „Vielen Dank, dass ihr gekommen seid, Jungs. Das war eine schwere Zeit, die Cody durchgemacht hat. Es ist schön, euch in der Nähe zu haben – für den Fall, dass ich später etwas einschlagen muss, wisst ihr?“ Ich fuhr mir mit einer Hand durch die Haare, während ich sprach.
„Wo du gerade davon sprichst, Leute zu verdreschen, traue ich mich fast nicht, dich nach dem kleinen Porzellanschrank mit dem rosafarbenen Geschirrset von Oma zu fragen, Betty“, sagte Ezra.
„Leck mich, das gehörte meiner Großmutter.“ Mit einem liebevollen Lächeln betrachtete ich den Schrank. „Es ist lustig, als Kind habe ich das Zeug gehasst. Mom holte es zu jedem Feiertag und zu besonderen Anlässen heraus, aber wehe es kam in die verdammte Spülmaschine – nein, diese Dinger mussten von Hand gewaschen werden. Seht ihr das Lochmuster am Tellerrand? Versuch nur mal, mit großen, unbeholfenen Fingern Essen aus diesen feinen kleinen Löchern zu bekommen.“
Bossman gluckste. „Ich kann es mir gut vorstellen. Darf ich raten, dass du es jetzt zu schätzen weißt?“
Ich nickte. „Dieses Haus hat viel von meiner Mutter in sich. Nachdem ich sie verloren hatte, konnte ich es nicht ertragen, mich von ihren Schätzen zu trennen. Immer wieder sage ich Cody, dass wir alles zusammenpacken und er das Haus zu seinem machen kann, aber er meint, dass ihm die Traditionen und der Familiensinn gefallen, die mein ganzer Krempel repräsentiert.“
Ezra schnaubte. „Du hattest mich, Levi, das hattest du wirklich … und dann sah ich dieses verfluchte Spitzendeckchen unter der Lampe auf dem winzigen Tisch dort drüben. Dein Ernst? Ein Spitzendeckchen? Sag mir bitte, dass zumindest das von Cody stammt.“
„Leck mich gefälligst.“ Ich grinste. „Meine Mutter hat das gemacht. Und es bringt Leben in die Bude, weißt du?“
„Was ich weiß, ist, dass wir dich nicht so gut kennen, wie wir dachten“, sagte Boomer nachdenklich. „Das ist im Übrigen gar nicht so schlecht. Es ist cool, eine neue Seite von dir zu sehen.“
„Scheiße, Boomer. Wenn du so nett bist, wird er mir sicher den Arsch aufreißen“, jammerte Ezra spielerisch.
„Nein, ich werde dich nicht schlagen. Ich ziehe einfach Moms Silber hervor und bringe dich dazu, mir beim Polieren zu helfen. Eine tolle Möglichkeit, Frust abzubauen“, sagte ich und grinste Ezra an.
„Keine Sorge, schon bald hast du jemand Besseren, an dem du deine Aggressionen auslassen kannst – ich habe gerade das Haus gefunden, auf das sowohl die Adresse als auch Codys Beschreibung passen.“ Jonah drehte seinen Laptop ein wenig, um mir ein Bild auf Google Earth zu zeigen, das definitiv wie das Haus aussah, das mein Gefährte vorhin beschrieben hatte.
„Heilige Scheiße, Jonah. Das ist ja Hacking der Extraklasse. All das hast du nur anhand einer Anschrift und einer Hausbeschreibung herausgefunden?“ Verwundert schüttelte ich den Kopf über die Fähigkeiten meines Freundes.
Jonah wurde rot und wackelte unbehaglich auf seinem Stuhl, während er an seinem Kragen zerrte, als ob er ihn auf einmal lockern müsste. „So schwer ist das nicht. Es gibt im ganzen Land nur eine bestimmte Anzahl von Adressen, die genau übereinstimmen. Und mit einer Beschreibung und einer Kreuzung kannst du den Kreis so gut wie immer eingrenzen – vorausgesetzt, du weißt, wie man es macht.“
„Das ist es ja, Jonah. Wir alle wussten nicht, wie man so etwas macht. Respekt an dich, das ist alles, was ich dazu sage“, meinte ich.
„Wenn du denkst, dass das krass ist, dann wird dir das hier gefallen – während du geredet hast, habe ich den Besitz und den Namen des Eigentümers herausgefunden. Jetzt kommt’s: Der Typ, dem das Haus gehört, war der Schulleiter von Codys Schule. Das ist er sogar noch immer.“
Ezra wurde sauer. „Ein beschissener Schulleiter? Das soll wohl ein Scherz sein. Sag mir bitte, dass er ein Shifter ist, damit wir seinen Arsch erledigen können.“
Jonah kaute auf seiner Lippe. „Es gibt keine Möglichkeit, das mit Sicherheit herauszufinden, jedenfalls nicht nach seinen Aufzeichnungen. Wenn er wirklich ein Shifter ist, weiß er es gut zu verheimlichen.“
„Scheiß auf den Mist, packen wir unsere Koffer und ab in die Luft, Noah. Wir können innerhalb einer Stunde aufbrechen und nach Sonnenuntergang sein Haus observieren“, knurrte Zeke.
Noah nickte zustimmend. „Ihr alle wisst, dass ich dafür bin. Verdammt, wir müssen nur nahe genug an ihn herankommen, um zu riechen, ob er ein Shifter ist oder nicht. Und wenn ja, bringen wir ihn auf der Stelle zur Strecke.“
„Du meinst, ich bringe ihn zur Strecke – ich habe ihn für mich reserviert, schon vergessen?“ Ich tippte mir an die Nase.
„Verdammt, das hast du“, stimmte Ezra widerwillig zu.
„Wir sollten nichts überstürzen, Jungs“, sagte der Boss. „Jonah soll erst einmal seine Recherchen anstellen. Sobald wir alle Informationen haben, werden wir handeln. Wenn ihr Schwachköpfe da einfach so reinstürmt, könntet ihr die ganze Operation auffliegen lassen, noch bevor wir überhaupt wissen, wie tief das Ganze geht. Das hier ist die erste brauchbare Spur, die wir haben. Wie groß ist außerdem das Potenzial, dass der Wichser wirklich unter dieser Adresse wohnt? Lass dir von Jonah einen vollständigen Überblick über den Kerl geben.“
Jonah sah auf und seine Augen schlossen sich nachdenklich. „Ich brauche eine Übersicht aller Immobilien, die er besitzt oder mietet und auch seinen Terminkalender. Könnte ich ihn eine Woche lang beobachten? Ich würde gerne seine Verhaltensmuster kennen, bevor ihr die Sache in Angriff nehmt.“
„Wir haben aber keine weitere Woche“, schrie ich und klatschte verärgert mit der Hand auf den Tisch. „Verstehst du das nicht? Die Feiertage stehen vor der Tür, alle Kinder haben schulfrei und die Leute haben alle Hände voll zu tun. Scheiße, Jonah, überleg doch mal. Was, wenn er noch ein Kind entführt, während wir hier sitzen und Däumchen drehen?“
Noah legte mir eine Hand auf die Schulter und drückte sie sanft. „Beruhige dich, Levi. Tief durchatmen. Wir sind da alle auf derselben Seite wie du. Es mag zwar nicht unser Gefährte gewesen sein, der in dem Motel war, aber der Rest von uns hat mit eigenen Augen gesehen, was diese Jungs durchmachen mussten. Auch wenn Jonah es nicht selbst gesehen hat, so hat er doch genug von den Kameras und dem Funkverkehr mitbekommen, um das Wesentliche zu begreifen.“
Jonah stöhnte frustriert auf, nahm seine Brille ab und platzierte sie vor sich auf dem Tisch, während er mit beiden Händen durch sein Haar fuhr. Erst nach einigen Augenblicken sprach er endlich.
„Schön. Mir gefällt es zwar nicht, aber ich werde die Sache etwas beschleunigen. Allerdings müsst ihr mir 48 Stunden geben, in weniger Zeit kann ich es nicht schaffen – nicht ohne die Mission vollends zu gefährden.“
Noah rieb sich die Hände. „48 Stunden hören sich ideal an, Jonah. So haben wir Zeit, um zu planen. Aber sei dir darüber im Klaren, dass wir in genau 48 Stunden in Jersey landen werden, während du dich hier um die Angelegenheiten kümmerst.“
„Damit kann ich leben, Bossboy“, meinte Jonah selbstbewusst, während er seine Brille wieder aufsetzte und die Finger schon wieder über die Tastatur wandern ließ.
„Wenn ihr mich entschuldigt. Ich habe das dringende Bedürfnis, meinen Gefährten zu küssen und mit einem oder zwei Babys zu kuscheln“, erklärte ich, während ich aufstand.
Noah erhob sich und folgte mir aus dem Zimmer. „Das klingt nach einem perfekten Plan, Levi.“