Um den Hals trug er einen rosa Schal mit glitzerndem Goldmuster, der nachlässig über sein schwarzes Cordjackett hing. Tess hatte sich einen bärtigen älteren Mann vorgestellt, doch der dänische Profiler Carsten Morris war schlank, relativ klein, hatte braune Augen und war deutlich jünger, als sie gedacht hatte. Jetzt erst fiel ihr auf, dass sie noch nie ein Foto von ihm gesehen hatte.
Carsten Morris, von Beruf Psychiater, hatte zehn Jahre sehr erfolgreich als Profiler für die dänische Polizei gearbeitet, aber sich nie in der Öffentlichkeit gezeigt.
Er unterstützte die Beamten bei der Erstellung von Täterprofilen, um den Kreis der Verdächtigen einzugrenzen und deren Verhalten besser zu verstehen. Die Vorgehensweise, die benutzten Waffen, Tatort, Uhrzeit und Opfer konnten eine Menge über den Täter aussagen. Carsten Morris war es auf diese Weise schon oft gelungen, den Richtigen zu finden. Auch für den Valby-Mann hatte er ein Profil erstellt, das ihnen vielleicht weiterhelfen konnte.
»Guck dir den Schal an«, flüsterte Marie. »Warum schicken die uns einen Langzeitstudenten aus Christiania?«
Sie beobachtete, wie Polizeimeister Adam Wikman herbeieilte und sich dem berühmten Profiler vorstellte.
»Jesses«, sagte Marie und schüttelte den Kopf.
Nach dem jüngsten Vergewaltigungsfall liefen die Ermittlungen bei der Polizei Malmö auf Hochtouren. Die Frau aus Bellevue war ins Krankenhaus gebracht worden, und eine Polizistin aus Makkonens Team sollte später versuchen, sie zu verhören.
Tess betrat den Besprechungsraum der Abteilung Gewaltverbrechen, wo sie dieses erste Treffen mit Carsten Morris und den anderen Ermittlern leiten sollte. Rafaela Cruz aus Makkonens Team saß bereits am Tisch, Makkonen selbst befand sich in einer anderen Besprechung.
»Ist das so gedacht, dass du mit dabei bist?«, fragte Marie, als sie Rafaela erblickte.
»Scheint so.«
Die große, muskulöse Ermittlerin antwortete, ohne aufzusehen. Manchmal fragte sich Tess, ob Rafaela Marie absichtlich behandelte, als wäre sie Luft, nur um sie zu provozieren. Falls ja, gelang ihr das ausgezeichnet, denn Marie tappte jedes Mal in die Falle, sobald sie sich im selben Raum befanden.
Kurz darauf kam auch Lundberg herein, dicht gefolgt von Carsten Morris. Er nickte allen zu, setzte sich auf einen Stuhl, um sich kurz darauf wieder zu erheben.
»Ich glaube, ich habe noch nicht alle begrüßt.«
Er gab Morris die Hand.
»Lundberg.«
»Und mit Vornamen?«
»Einfach nur Lundberg.«
Tess und Marie sahen sich an. Niemand hatte ihn je anders genannt, Tess konnte sich gar nicht mehr an seinen Vornamen erinnern. Überhaupt wusste sie nicht viel über den älteren Kollegen. Nur dass er ein treuer Mitarbeiter mit einer hohen Integrität war und einen Haufen Enkelkinder hatte, die neben dem Job seine Hauptbeschäftigung zu sein schienen. Er hatte Privates immer strikt von Beruflichem getrennt, auch jetzt noch, da seine Zeit als Polizist sich allmählich dem Ende zuneigte.
Tess schob die Thermoskanne mit Kaffee über den Tisch, aber Morris hob abwehrend die Hand. Dann zog er einen Teebeutel heraus und hängte ihn mit zitternden Fingern in seinen Becher. Die Brücke war am Morgen ein paar Stunden für den Zugverkehr geöffnet gewesen, und so hatte er kommen können.
»Ist es okay, wenn ich Schwedisch spreche?«, fragte sie und eröffnete damit die Sitzung.
Für Tess war das nicht selbstverständlich. Im Unterschied zu dem, was viele glaubten, fiel es Dänen und Südschweden durchaus nicht immer leicht, sich zu verständigen.
»Meine Mutter war Schwedin, ich bin zweisprachig aufgewachsen«, sagte er leise, und sein freundliches Lächeln spiegelte sich in seinen braunen Augen.
»Na, da haben wir ja Glück«, sagte Marie und lächelte ihn an.
Carsten Morris nahm ein Kästchen mit chinesischen Anti-Stress-Kugeln heraus, die leise klackerten, als er begann, sie in der Hand zu bewegen.
»Ihr Cold-Case-Team hat sich wirklich einen Namen gemacht«, sagte er und blickte in die Runde. »Die Sache mit dem Friedhofsmord ist bis zu uns vorgedrungen. Es ist eine Art Role Model für den Umgang mit alten Fällen geworden.« Er nickte Tess zu. »Ich erinnere mich, Sie in einer Fernsehsendung gesehen zu haben.«
»Ja, nur leider kann man sich auf seinen Lorbeeren nicht ewig ausruhen.«
Carsten Morris betrachtete die blauroten Kugeln in seiner Hand.
»Nein, und ich kann Ihnen auch wirklich nicht dazu gratulieren, dass der Valby-Mann zu Ihnen herübergekommen ist. Er hatte eine dreijährige Cooling-Off-Periode. Warum wird er jetzt wieder aktiv? Und warum hier? Irgendetwas in seinem Umfeld muss sich verändert haben.«
Er schwieg eine Weile, schien in seinen eigenen Gedanken versunken.
Marie sah zu Tess hinüber.
»Sie haben ihn viele Jahre beobachtet«, sagte Tess.
»Ja, und es ist ein merkwürdiges Gefühl, einem Menschen so nahe zu rücken, dass man fast alles über seine Kindheit, seine Familie, seinen Beruf und seine Motive zu wissen glaubt, ohne ihm je persönlich begegnet zu sein. Ein Gespenst, das ich Tag und Nacht verfolge.«
Carsten Morris drehte eine Kugel in der Hand.
»Ich habe zehn Jahre mit diesem Mann gelebt.«
»Fühlen Sie sich auch zu Ihrem eigenen Geschlecht hingezogen?«, fragte Marie und grinste breit, während sie ihren Pferdeschwanz fester zog.
Rafaela blickte erstaunt auf.
Tess bedeutete Morris mit einer Geste, dass er sich nicht um Maries Kommentar zu kümmern brauchte. Aber Carsten Morris lachte und blickte Marie amüsiert an. Dann ließ er die Kugeln noch einmal durch seine Hand rollen.
»Irgendetwas muss im näheren Umfeld des Valby-Mannes passiert sein, das Panik in ihm ausgelöst hat. Jetzt agiert er wieder genau wie damals.«
Tess nickte.
»Erzählen Sie uns, was er für ein Mensch ist.«
Morris räusperte sich.
»Der Valby-Mann ist in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, da bin ich mir ziemlich sicher. Deshalb überfällt er ausgerechnet diese Häuser. Wo die Leute Geld haben. Eine Art Rache für seine Kindheit, in der ihm das vorenthalten wurde.«
Rafaela rutschte unruhig auf ihrem Stuhl herum und notierte sich etwas. Tess wurde nicht recht schlau aus der hochgewachsenen Kollegin, die niemandem wirklich in die Augen sah. Hatte sie sie jemals lachen sehen?
Viele Jahre war Rafaela als vielversprechende Polizistin im Außendienst gehandelt worden. Doch vor ein paar Jahren hatte man sie nach Lund versetzt. Niemand wusste genau, warum, aber es kursierten Gerüchte, sie hätte bei einem Einsatz überreagiert und wäre einem Drogenabhängigen gegenüber gewalttätig geworden. Eine interne Ermittlung hatte es nie gegeben, und es wurde darüber spekuliert, ob jemand sie schützte. Jetzt war sie seit ein paar Monaten zurück in Malmö und hatte in der Abteilung Gewaltverbrechen angefangen, wo Makkonen ein Auge auf sie haben sollte. Vor ein paar Wochen hatte sie dann zu Tess’ großer Verwunderung an der Cold-Case-Tür geklopft und um ein Gespräch mit ihr gebeten. Sie hatte sich auf einen Stuhl gesetzt und zehn Sekunden geschwiegen, dann war sie zur Sache gekommen.
»Ich würde gerne mit alten Fällen arbeiten. Gibt es einen Platz für mich im Cold-Case-Team?«
Tess hatte nichts dagegen, ihr Team zu erweitern. Aber sie war sich nicht sicher, ob ausgerechnet Rafaela dafür geeignet war, sie hatte sie nie als typische Ermittlerin gesehen, dazu brauchte man viel Geduld und analytische Fähigkeiten. Außerdem war sie sich ziemlich sicher, dass die Polizeiführung ihr keine weitere Mitarbeiterin genehmigen würde. Deshalb hatte sie Rafaela gebeten, zu warten und zu schauen, wie die Lage im Herbst aussehen würde. Tess hatte Marie von diesem Gespräch erzählt, was sie inzwischen bereute.
Morris blickte auf seine Hände und atmete ein paarmal tief durch.
»Ich hatte den Valby-Mann eigentlich hinter mir gelassen. Hatte das alles hinter mir gelassen«, er deutete auf das Whiteboard. »Aber erzählen Sie mir doch etwas über die neuen Fälle.«
Tess fasste zusammen, was man über den Mord an Linnea Håkansson in Höllviken zu wissen glaubte.
»Der Valby-Mann hat seine Opfer bereits früher in zwei Fällen getötet«, sagte Morris, als sie fertig war. »Beide Male fühlte er sich bedroht. Zwei Frauen sind zudem schwer misshandelt worden. Vielleicht genügte ihm die Vergewaltigung allein nicht mehr, um seinen Durst zu stillen. Was ihn antreibt, ist das Spiel, die Macht, das Planen und das Gefühl, unbesiegbar zu sein. Er hat alle charakteristischen Züge eines Serienmörders.«
»Hier in Schweden glauben wir nicht an Serienmörder«, sagte Marie. »Der einzige Serienmörder, den wir hatten, war Thomas Quick. Und das war am Ende nur eine Fantasie.«
Carsten Morris schüttelte den Kopf.
»Ihr habt massenhaft Serienmörder«, sagte er und zeigte auf seinen Kopf. »Und zwar da drinnen.«
Die Anti-Stress-Kugeln schienen ihm neue Energie verliehen zu haben.
»Die meisten leben es nur nicht aus. Das ist in Dänemark genauso. Der einzig bekannte Serienmörder, den wir abgesehen vom Valby-Mann hatten, ist Peter Frank, und der verübte seinen ersten Mord in den
USA
, wo er aufgewachsen war. Dieser Mord wurde erst viel später aufgeklärt, nachdem er wegen des Mordes an seiner Mutter in Dänemark festgenommen worden war. Da erst sah man die Verbindungen zu der Amerikanerin, mit der er früher ein Verhältnis gehabt hatte. Die Schweden glauben vielleicht nicht an Serienmörder, und ich verlasse mich nicht nur auf Zahlen und Statistiken. Es sind die zugrunde liegenden psychologischen Strukturen, die mich interessieren. Und die Psyche ist überall auf der Welt gleich. Natürlich gibt es in den
USA
mehr Serienmörder als in Dänemark, aber das liegt schlicht an der größeren Bevölkerung.«
Carsten Morris schwieg, sein Blick wurde leer.
Er hatte eine Reihe von Büchern über Serienmörder und die unterschiedlichen Verhaltensmuster von Straftätern veröffentlicht. Ein paar davon hatte Tess mit großem Interesse gelesen. Sie stellte ihre Sterntasse ab und räusperte sich, um den Profiler wieder zum Thema zurückzubringen.
Morris zuckte zusammen.
»Ein Serienmörder ist selten wie der andere«, sagte er schließlich. »Ihre Vorgehensweise unterscheidet sich enorm. Ein paar Dinge jedoch sind bei allen gleich: Sie bewegen sich in der Regel in Gegenden und Milieus, die sie gut kennen, und benutzen Waffen, mit denen sie vertraut sind.«
»Beim Valby-Mann war es ein Messer, und er war wohl immer mit dem Fahrrad unterwegs«, sagte Tess.
»Ja, das Messer ist sicher, und es gibt mehrere Zeugen, die glauben, im Zusammenhang mit den Überfällen in Kopenhagen einen Rad fahrenden Mann gesehen zu haben.«
»Aber warum ist er jetzt hier in Schweden aktiv, ausgerechnet jetzt?«
Morris zuckte die Achseln.
»Zufall, vielleicht arbeitet er hier, vielleicht ist es irgendwie praktisch für ihn. Leichter zu entwischen, und trotzdem ein vertrautes Milieu.«
»Ja, so verschieden sind wir gar nicht«, sagte Marie. »Immerhin waren wir bis 1658 alle Dänen, bis der Frieden von Roskilde uns gerettet hat.«
Wieder wedelte Tess Maries Kommentar beiseite.
»Sie hat ein etwas angespanntes Verhältnis zu Dänemark.«
»Ja, wir können ein bisschen anstrengend sein«, sagte Morris.
»Warum hat er Linnea getötet und Susanne nicht?«, fragte Lundberg unvermittelt.
Carsten Morris fuhr sich mit der Hand durch das wellige braune Haar.
»Aus zwei Gründen. Linnea hat ihn mit ihrem heftigen Widerstand überrascht. Und ich glaube, dass sie sein Gesicht gesehen hat.«
Lundberg schob sich die Brille auf die Stirn.
»Wie sucht er sich seine Opfer eigentlich aus?«
»Das wissen wir noch nicht genau. Wir wissen nur, dass er morgens zuschlägt, gegen sechs, immer im Haus der Opfer. Wahrscheinlich beobachtet er sie am Abend vorher, vielleicht sogar über mehrere Tage hinweg, und macht sich mit den Abläufen in der Familie vertraut.«
Carsten deutete auf ein Foto von Linnea, das am Whiteboard hing.
»Der Valby-Mann bevorzugt Frauen mittleren Alters. Zumindest bei den letzten zehn Opfern war es so. Die ersten drei waren etwas jünger, aber da war er selbst auch noch nicht so alt wie jetzt. Und alle waren dunkel, beinahe schwarzhaarig.«
Er deutete noch einmal auf Linnea.
»Dunkelhaarig, Mutter zweier Kinder. Wie sah das letzte Opfer aus?«
Tess sah zu Lundberg hinüber. Der ließ die Brille wieder auf seine Nase gleiten und las ab.
»Susanne war dunkelhaarig und hatte eine Tochter im Teenageralter.«
Morris nickte, ohne eine Miene zu verziehen.
»Er spielt mit ihnen, das macht für ihn einen der Reize aus.«
»Was ist es, das ihn daran so befriedigt?«
»Rache. Für etwas, das in seiner Kindheit passiert ist.«
Morris schwieg und betrachtete seine Anti-Stress-Kugeln.
»Ich habe da so meine Theorie, was ihn antreibt, aber dazu möchte ich im Moment noch nichts sagen.«
Marie zog ein Krabbensandwich aus ihrer Tasche.
»Sympathischer Typ.«
»Ja, er ist natürlich krank. Aber in seinem eigenen Kopf hält er sich für unfehlbar, steht er über allen anderen. Ein Narzisst. Sieht wahrscheinlich ziemlich gut aus, kriegt leicht eine Frau, ist aber privat nicht übertrieben sexuell. Bei seinen Überfällen vergewaltigt er die Frauen allerdings mehrmals im Laufe von wenigen Stunden, worüber in Dänemark hier und da gewitzelt wurde, sowohl in den Medien als auch bei der Polizei. Sehr unangenehm, wie ich finde.«
Carsten Morris runzelte die Stirn.
»Ich glaube, ihr Schweden denkt da immer gleich an den Haga-Mann, aber es gibt nur wenige Parallelen. Ich hatte auch damals mit den Ermittlungen zu tun. Der Haga-Mann war relativ klein und hatte wenig Selbstbewusstsein. Natürlich war er sozial gestört, aber eines seiner Opfer begleitete er anschließend bis zur Haustür, weil der Frau nach der Vergewaltigung schwindlig war und sie nicht ohne Hilfe nach Hause fand. Das würde der Valby-Mann nie tun. Ich habe noch nie so jemanden wie ihn erlebt, nicht in Europa, nur in den
USA
. Es gibt nur wenige, die ein so riskantes Spiel spielen, das Schicksal derart herausfordern.«
»Beruf?«, fragte Tess.
»Irgendwas im Niedriglohnsektor. Er hat keine richtige Ausbildung. Der Valby-Mann ist alles andere als dumm. Aber er ist zu unstrukturiert, um wirklich Karriere zu machen. Seine Lust, seine Trigger, der Zwang, seine Fantasien umzusetzen, stehen ihm im Weg. Wahrscheinlich geht er wechselnden Tätigkeiten nach. Ich glaube, er arbeitet abends oder nachts, deshalb begeht er die Vergewaltigungen am frühen Morgen. Da muss er auch nicht befürchten, auf andere Leute zu treffen. Nicht, dass er asozial wäre. Die meisten finden ihn charmant, das ist häufig so bei Leuten mit einer psychopathischen Störung. Sie sind unterhaltsam, oft sogar witzig. Aber er geht keine engeren Beziehungen ein. Dennoch ist es möglich, dass er Kinder hat, wahrscheinlich lebt er aber nicht dauerhaft mit einer Frau zusammen.«
Carsten Morris verstummte. Starrte mit leicht glasigem Blick aus dem Fenster. Dann zuckte er zusammen.
»Entschuldigt«, sagte er. »Ich bin ein bisschen müde. Schlafe nachts schlecht, jetzt, wo alles wieder hochkommt.«
Tess schenkte ihm ein Glas Wasser ein, das er in drei Zügen leerte. Er steckte die Anti-Stress-Kugeln in die Tasche seines Jacketts, stand auf und ging hinaus.
Rafaela blickte von ihren Notizen auf.
»Sind wir fertig?«
Marie verdrehte die Augen. Tess nickte und beendete die Sitzung, nahm ihr Smartphone und ging auf die Homepage der Tageszeitung
Sydsvenskan
. Jöns’ und Makkonens Pressetreffen musste gerade zu Ende gegangen sein.
Dänischer Star-Profiler soll den Mörder fassen
, lautete die Schlagzeile. Jetzt hatte Carsten Morris kaum noch eine andere Wahl, als mit ihnen weiterzuarbeiten.
Marie war noch im Raum geblieben.
»Warum ist ausgerechnet Rafaela bei den Ermittlungen dabei? Sie wird nichts dazu beitragen! Sie ist völlig unfähig und hat keinerlei Erfahrung.«
»Wir sollten ihr eine Chance geben«, sagte Tess und blätterte in ihren Unterlagen.
Im Augenblick war Rafaela Cruz nicht ihr größtes Problem. Außerdem wollte Tess wissen, was ihre Kollegin draufhatte, nachdem sie sich so für das Cold-Case-Team interessiert hatte.
Wenige Minuten später kam Carsten Morris zurück. Er wirkte ein bisschen munterer, trat ans Fenster und schaute hinaus.
»Dass er seinen Opfern hinterher den Unterleib wäscht – was ist da dran?«, fragte Tess.
»Tja, wenn man nach einer Art Signatur sucht, dann ist es wohl das.«
»Aber was will er damit bezwecken? Er scheint Kondome benutzt zu haben, jedenfalls hat man bisher keine
DNA
gefunden.«
Morris schüttelte den Kopf und sah sie an.
»Eine weitere Kränkung, Kontrolle? Ich weiß es nicht. Was die menschliche Psyche angeht, gibt es mehr Fragen als Antworten.«