2002
Es war ein Fehler, ihn anzurufen. Alles ist schiefgelaufen, und jetzt ist es zu spät. Deshalb liege ich hier. Es ist deswegen, wegen dieses Anrufs. Oder?
Meine Hand hat beim Auflegen gezittert und war schweißnass.
Es brannte hinter meinen Lidern, ich wollte nur noch nach Hause. Sollte ich ihn noch einmal anrufen? Alles zurücknehmen, behaupten, es sei nur ein Scherz gewesen?
In der Garderobe des Paviljongs war es stickig. Überall hingen Jeans- und Trainingsjacken. Ich riss sie herunter und ging hinaus. Drinnen lief E-Type,
I got life,
ich drängte mich an den betrunkenen Fußballern in ihren blau-gelben Trikots vorbei, die stumpf auf der Tanzfläche auf und nieder hüpften. Was hatten sie auf unserer Abschlussparty zu suchen?
Sara hielt mich fest.
»Komm, wir tanzen!«
»Ich will nicht, ich bin müde«, sagte ich und machte mich los. Ich wollte wirklich nur noch nach Hause.
Der falsche Gesang der Blau-Gelben dröhnte in meinen Ohren. Die Fenster zum Strand waren geöffnet, um frische Luft in den Saal zu lassen. Schweißgeruch mischte sich mit dem Zigarettenrauch, der von der Terrasse hereindrang. Der Boden klebte, es stank nach Bier. Ich trank meine Cola aus, die noch auf der Theke stand, und bemerkte, dass Rickard auf mich zusteuerte.
Er wankte, ließ mich aber nicht aus den Augen. Was wollte er nur schon wieder? Ich hatte doch längst Schluss gemacht. Ich drehte mich um und sah im Spiegel hinter der Bar, wie zwei Typen ihn aufhielten und in ein Gespräch verwickelten. Ich schlich mich zur Toilette, schloss ab und setzte mich auf den Klodeckel. Kleine schwarze Punkte tanzten vor meinen Augen. Ich steckte meinen Kopf zwischen die Knie. Als ich mich wieder besser fühlte, nahm ich ein Stück Traubenzucker aus der Tasche, stand auf und wusch mir am Waschbecken das Gesicht mit kaltem Wasser.
Dann betrachtete ich im Blechspiegel mein Gesicht. Ich wollte das alles nicht. So hätte es nie kommen dürfen.
Ich ging zurück in den Saal. Rickard war nirgends zu sehen, er schien endlich aufgegeben zu haben.
Es war kurz vor zwei. Noch eine Stunde, dann würde das Paviljong schließen. Wenn ich mich jetzt rausschlich und langsam nach Hause ging, würde es nicht auffallen, dass ich früher gegangen war. Die Tanzfläche war voll. Auf dem Bildschirm flimmerte Kylie Minogue im gelben Sportwagen umgeben von Wolkenkratzern vorbei:
Can’t get out of my head.
Sara kam noch einmal herüber. Das Gejohle von der Tanzfläche übertönte ihre Stimme.
»Wie geht es dir?«, rief sie.
»Okay, ich bin nur müde. Ich mach mich mal auf den Weg«, rief ich zurück.
»Wenn du noch kurz wartest, können wir zusammen gehen.«
Ich schüttelte den Kopf.
»Ich ruf dich morgen an.«
Ich drückte mich an der Wand entlang, um an den Tänzern vorbeizukommen. Die Garderobe war nicht besetzt, meine Jeansjacke lag auf dem Boden. Im Freien angekommen, atmete ich auf, es war schön, dem Gedränge und den vielen Leuten zu entkommen.
Draußen standen mehrere Autos, an denen eigene kleine Partys mit Musik, Bier und Gegröle stattfanden. Die Nacht war rein, warm und hell.
Ich zog mir die Jacke an und ging Richtung Brücke, entschied mich dann aber doch für die Abkürzung durch das Wäldchen.
»Soll ich dich mitnehmen?«, fragte jemand hinter mir.
Ich zuckte zusammen und murmelte: »Nein, danke.«