12
Als sie diesen Abend nach Hause kam, war es bereits 21:30 Uhr und sie hoffte, dass John daran gedacht hatte, mit Barney rauszugehen. Sie würde es selbst tun, wenn sie noch alleine leben würde, aber die Ereignisse des Tages gingen ihr nicht aus dem Kopf und sie wollte nur noch einen Drink, etwas essen und ins Bett.
John musste ihre Scheinwerfer durch die Vorhänge im Wohnzimmer gesehen haben, denn als sie ausstieg, öffnete er die Vordertür. Barney drückte sich zwischen seinen Beinen durch, bellte und sprang an ihr hoch. Sie zog an seinen Ohren. »Whisht! Whisht! Beruhig dich! Man könnte meinen, ich war eine Woche weg!«
John lächelte, küsste sie. »Guten Abend, Bullenschweinchen. Wie sieht es im Schweinestall aus?«
»Stressig, wie immer«, antwortete sie, als sie den Flur betrat und ihre Jacke auszog. »Was ist das für ein Geruch?«
»Abendessen. Ich hoffe, diesmal kannst du es essen.«
»Nun, um ehrlich zu sein, es riecht wirklich sehr gut und ich hab Hunger. Und heute hatte ich es auch nicht mit einer verwesenden Leiche zu tun.«
Sie ging in das kleine Zimmer, das sie noch immer als Kinderzimmer bezeichnete, schnallte ihr Holster ab und legte ihren Smith & Wesson Revolver in die obere Schublade der Kommode. Als sie ins Wohnzimmer zurückkam, stand John bereits am Tisch mit den Getränken und hob ein Glas aus geschliffenem Kristall mit Wodka und klirrenden Eiswürfeln darin. »Ich hab dir schon einen eingeschenkt.« Er übergab ihr das Glas, küsste sie erneut. »Sláinte.
Möge dir das Pech dein ganzes Leben lang folgen, dich aber nie einholen.«
»Wo ist dein Drink?«
»In der Küche. Ich bin fast fertig mit Kochen. Willst du mir Gesellschaft leisten? Mein Gott, kaum zu fassen, wie häuslich ich werde. Weißt du, was ich heute gemacht hab? Die Fensterbretter abgestaubt. Ich hab einen Doktortitel in Computerwissenschaft und ich hab die Fensterbretter abgestaubt.«
Mit der Hand auf dem Rücken seines weißen Baumwollhemds folgte sie ihm in die Küche. Er war so groß, schlank und gottgleich und sie liebte sein lockiges schwarzes Haar, auch wenn er es wie jetzt kurz trug. Was sie an ihm so sehr liebte, war seine körperliche Stärke in Verbindung mit seinem emotionalen Einfühlungsvermögen, und dass er anscheinend immer spürte, wenn ihr etwas Sorgen bereitete.
Er ging an den Herd und hob den Deckel von einer orangefarbenen Kasserolle, um einen Blick hineinzuwerfen. »Sieht super aus. Noch 20 Minuten, dann ist es fertig.«
»Was ist es, Spaghetti Bolognese?«
»Mexikanische Hackbällchen mit Chipotle-Tomatensoße. Nina, meine Putzfrau in San Francisco, hat mir beigebracht, wie man die macht. Glaub mir, wenn man die kocht, bleibt nie was übrig.«
»Das klingt herrlich. Ich hab den ganzen Tag noch nichts gegessen. Schmier mir Butter auf die Hintertür, und ich ess auch die.«
»Was ist denn los?«, fragte John, während er die Soße kurz umrührte und dann den Deckel wieder auf der Kasserolle platzierte.
»Nichts Besonderes. Warum?«
Er kam zu ihr und legte ihr die Hände auf die Schultern. Sie liebte den dunkelbraunen, feuchten Schimmer seiner Augen und seinen kohlefarbenen Dreitagebart. Ein echter, dunkler Ire aus der Zeit der Romantik, als es noch Feen und Könige gegeben hatte.
»Ich glaub, ich kenn dich mittlerweile gut genug«, behauptete er lächelnd.
»Du weißt, wie mein Leben aussieht. Irgendwer macht ständig was Verbotenes, und ich muss rausfinden, wer es war, und ihn einfangen. Tagein, tagaus. Es gibt nie einen Tag, an dem jeder in Cork beschließt, einfach mal 24 Stunden lang nicht zu trinken, zu stehlen, sich zu prügeln, Eigentum zu zerstören, Drogen zu verkaufen und sich zu prostituieren. Nicht einen Tag, niemals! Aber dafür hab ich mich entschieden.«
»Okay.« John küsste ihren Haaransatz, ihre Stirn und dann die Spitze ihrer nach oben geneigten Nase. »Willst du wissen, was ich heute gemacht hab? Nun, außer Hausarbeit.«
Sie stellte ihr Glas auf der Anrichte ab und zog dann den obersten Knopf seines weißen Hemds auf. »Nur zu. Was hast du heute gemacht? Wenn es mit dem Internet zu tun hat, werd ich vermutlich kein Wort verstehen.«
»Einfach ausgedrückt hab ich eine Website entworfen, auf der Ärzte und Apotheker die Testergebnisse von ErinChems neuesten Produkten nicht nur als Schaubilder und Statistiken sehen können, sondern tatsächlich. Beispielsweise ein Zeitraffervideo von einem abklingenden Hautausschlag.«
Katie öffnete seinen zweiten Knopf, dann den dritten und schob die Hand unter sein Hemd. »Ihbäh! Ich hoff, du vermiest mir nicht gerade das Abendessen.«
Er küsste sie lange und leidenschaftlich, seine Zungenspitze tastete über ihre Zähne und spielte dann mit ihrer. Dann küsste er sie erneut. Als er sich wieder aufrichtete, atmete er so schwer, als wäre er ihr an der Küste entgegengerannt. »Ich glaub, ich stelle die Hackbällchen erst mal warm. Das hat nicht zu Ninas Unterricht gehört.«
Er ging an den Herd und drehte das Gas ab. Als er wieder zu ihr zurückkam, knöpfte Katie bereits ihre Bluse auf. Sie packte ihn leidenschaftlich und küsste ihn immer wieder, zerrte sein Hemd auf, schob es ihm von den Schultern. Obwohl er seit Monaten nicht mehr auf der Farm seines verstorbenen Vaters gearbeitet und mindestens zehn Pfund zugenommen hatte, war seine Brust noch immer muskulös und sein Bauch straff. Durch seine Hose packte sie seinen Penis und spürte, wie er bereits anschwoll. Sie drückte noch fester zu, er zuckte zusammen, sagte: »Aua!« Aber sie lachten während ihres Kusses.
John schob ihr die Bluse über den Kopf und öffnete ihren BH. Ihr verstorbener Ehemann Paul hatte immer Schwierigkeiten damit gehabt, obwohl er jedem Rock nachgestiegen war, und für gewöhnlich hatte es darin geendet, dass er über den verfluchten Schwachkopf schimpfte, der das Ding erfunden hatte. John hingegen schob seine linke Hand sanft auf Katies Rücken und ihr BH öffnete sich wie von Zauberhand. Ihre großen, runden Brüste sackten etwas ab, hüpften sachte, und ihre rosigen Brustwarzen wurden bereits hart.
Wieder küssten sie sich lange, bis Katie kaum noch Luft bekam. Was für eine Art zu sterben,
dachte sie mit geschlossenen Augen, dem Verstand in absoluter Dunkelheit und zu Tode geküsst. Schließlich löste sie sich keuchend von ihm. »Barney.«
»Barney?«
Sie ging zur Küchentür und schloss sie. »Ich will nicht, dass er uns beobachtet.«
»Er ist ein Hund.«
»Genau. Hast du noch nie von Dogging gehört?«
Sie löste Johns braunen Ledergürtel und zog seinen Reißverschluss runter. Er trug eine graue David-Beckham-Unterhose, die ihm Katie im Gentleman’s Quarters gekauft hatte und die sich eng um seine Erektion schmiegte. Sie ging auf ein Knie runter, um ihm aus der Hose zu helfen, und dann schob sie auch seine Unterhose runter, sodass sich sein Penis vor ihr aufrichtete. Er war so hart, dass er mit jedem Herzschlag leicht zitterte. Sie nahm ihn in den Mund, saugte daran, ließ die Zunge darum kreisen und drückte die Zungenspitze in die kleine Öffnung.
John stand stocksteif da, beide Hände auf seinem Gesicht, und als sie seine Hoden in die Hand nahm, sachte mit den Fingernägeln kraulte, heftiger und tiefer an seinem Penis saugte, stöhnte er wie ein Mann, der zum ersten Mal die grausame Wahrheit erkannte – dass Glückseligkeit niemals ewig währte.
Mit glänzenden Lippen stand Katie auf. »Sitz.«
»Sitz? Du klingst, als wär ich Barney.«
Sie grinste. »Setz dich, du Depp. Da – auf den Stuhl.«
Nackt wie er war, kam John der Aufforderung nach und setzte sich auf den Küchenstuhl. Seine Erektion hielt er dabei wie ein frisch gekrönter König ein lilafarbenes Zepter in der Hand. Katie zog den Reißverschluss ihres Rocks auf, schob sich die Strumpfhose runter und dann das Höschen. Normalerweise trug sie zu Strumpfhosen nie ein Höschen, aber es war fast der 27. des Monats.
»Weißt du, was du bist, Katie Maguire?«, fragte John, als sie auf ihn zukam, stehen blieb und eine Hand auf die rechte Schulter legte.
»Vorhin hast du mich Bullenschweinchen genannt.«
Lächelnd schüttelte er kaum merklich den Kopf. Seine Miene war fast glückselig. »Du bist ein Traum, genau das bist du. Du bist ein unglaublicher Traum, den ich nicht haben sollte. Sieh dich nur an.«
Katie küsste ihn und stieg dann vorsichtig über ihn, spreizte die Beine, damit er seine Eichel zwischen den Lippen ihrer haarlosen Scham platzieren konnte. Sobald sie sicher sein konnte, dass alles an seinem Platz war, senkte sie sich langsam, sodass sein Penis immer tiefer in sie glitt. Schließlich war er so tief, dass es aussah, als hätte sie auch schwarzes Schamhaar.
Sie schlang die Arme um ihn und legte die Stirn an seine Schulter. So blieben sie über eine Minute lang sitzen, spürten nichts als einander, rochen nichts als einander.
»Ich will nicht, dass das jemals aufhört«, flüsterte John. Sein Atem erreichte ihr Ohr wie heißer Donner.
»Alles muss irgendwann aufhören, mein Liebling«, flüsterte sie.
»Bitte, Gott, nicht das.«
Dazu sagte Katie nichts. Ihr Leben beinhaltete mehr Enden als Anfänge und sie saßen auf einem Küchenstuhl, während sie mit 107.826 Kilometer die Stunde um die Sonne rasten, und alles wirkte gleichzeitig so lächerlich und leidenschaftlich und tragisch, dass sie am liebsten weinen würde.
Langsam erhob sie sich, sodass John fast aus ihr herausrutschte. Dann setzte sie sich wieder sehr langsam, bis sie seine Haare wieder zwischen ihren Schenkeln spürte. Dieses Mal drang er so tief in sie, dass sein Penis den Eingang ihrer Gebärmutter berührte und sie erschrocken schniefte und zusammenzuckte. Sie ritt ihn weiter, auf und ab, auf und ab, immer im selben Rhythmus, obwohl John sich ihr nun mit ausgestreckten Beinen, angespannten Oberschenkeln und Gesäßmuskeln entgegenhob.
Katie spürte, wie sich zwischen ihren Schenkeln der Höhepunkt zusammenzog. Der Rand der Sitzfläche des Holzstuhls drückte gegen ihre Knie, aber das bemerkte sie kaum. Sie spürte nur John in sich und den Druck, der sich in ihrem Inneren aufbaute, mehr und mehr, als stünde die Existenz selbst kurz vor der Implosion.
John keuchte: »O mein Gott, Katie! O mein grundgütiger Gott!«
Sie spürte sein Schaudern und dann fing er wie bei einem Anfall an zu zucken. Sie spürte seine Wärme, seine Feuchtigkeit in sie strömen. Sie klammerte sich an seine Schultern, ihr ganzer Körper war erwartungsvoll angespannt, ihr Gesicht verzerrt, die Zähne lagen fest aufeinander, ihr Höhepunkt war so nah, sie hätte schreien können.
Dann summte ihr Handy auf dem Tisch: And it’s no, nay, never –
no, nay never no more …
Es war Inspector Liam Fennessy. Er klang wie die Ruhe selbst, andererseits tat er das immer. Er verfügte über eine Kälte und Distanziertheit, die sie anfangs bewundert hatte, sie hatte ihn fast darum beneidet, bis sie herausgefunden hatte, dass er seine Frau Caitlin misshandelte, um mit dem Stress in seinem Beruf klarzukommen.
»Tut mir leid, Sie zu stören, Ma’am. Wir haben ’nen neuen Kerl mit abgeschnittenen Händen und ohne Gesicht.«
»O Gott im Himmel.« Sie war noch außer Atem und nahm sich ein Geschirrtuch, um sich den Schweiß von Gesicht und Hals abzuwischen. John stand auf, ging ins Schlafzimmer und brachte ihr ihren dunkelgrünen Morgenmantel, legte ihn ihr um die Schultern und gab ihr dann einen Kuss auf die Stirn.
»Kurz bevor sie dichtgemacht haben, hat ’ne Frau beim Garda-Revier in Mayfield angerufen und gesagt, in ’nem Haus in der Ballyhooly Road, irgendwo zwischen Glen Avenue und Sunview Park East, liegt ’ne Leiche. Dann hat sie aufgelegt.«
»Hat sie ihren Namen genannt?«
»Nein. Aber die Jungs haben nicht lang gebraucht, das richtige Haus zu finden. Es war das einzige, in dem niemand ferngesehen hat. Die Tür war nicht abgesperrt, also sind sie direkt rein. Sergeant ó Nuallán und die Detectives O’Donovan und Horgan sind gerade auf dem Weg da raus, und ’n Team von der Spurensicherung.«
»Gibt’s Anhaltspunkte, wer das Opfer ist?«
»Bisher nicht. Es ist ’n männlicher Weißer, Anfang bis Mitte 40. Man hat ihn natürlich noch nicht bewegt, aber an den Oberarmen hat er zwei auffällige Tätowierungen und einige Narben, aber das war’s. Er ist nackt, wie der Schwarze, beide Hände fehlen. Und so wie’s aussieht, hat man ihm mit ’ner Schrotflinte das Gesicht weggeblasen. Vielleicht hat man auch mehrmals geschossen. Die Jungs, die ihn gefunden haben, sagen, von seinem Kopf sei nicht mehr viel übrig.«
»Geben Sie mir die Adresse und ich fahr hin, um mir selbst ein Bild zu machen.«
»Nicht nötig, Ma’am. Ich sorg dafür, dass Sie morgen früh
’nen umfassenden Bericht bekommen, mit Video und allem Drum und Dran. Ich kann auch die Presse abwimmeln, wenn die davon Wind bekommen.«
»Danke, Liam, aber ich will das mit eigenen Augen sehen. So langsam bekomm ich das Gefühl, wenn wir den Täter nicht bald schnappen, war das noch nicht das letzte Opfer.«
»Na schön. Ich sag Sergeant ó Nuallán Bescheid, dass Sie vorbeikommen.«
Sie legte ihr Handy weg. John schloss gerade mit bedauernder Miene seinen Gürtel.
»Du verschwindest wieder? Noch ein klasse Abendessen für die Toilette.«
»Wag es bloß nicht. Ich will das essen, wenn ich heimkomm.«
»Katie, wenn es bei dem Anruf um das ging, was ich denke, dann gehst du dir wieder eine Leiche ansehen, oder?«
Katie schloss ihren BH auf der Brust und drehte ihn dann um. »Stimmt. Liam sagt, ihm wurden die Hände abgeschnitten, und dass ihm mit einer Schrotflinte ins Gesicht geschossen wurde, genau wie bei dem Schwarzen in der Lower Shandon Street – aber
dieses Opfer ist weiß. Das sagt uns, dass es vermutlich nicht um Rassismus geht. Also ist es entweder ein Nachahmungstäter oder jemand auf einer Vendetta oder eine aufgebrachte Frau, die Spaß daran hat, Männern die Hände abzusägen und ihnen dann den Schädel wegzupusten.«
»Was auch immer das Motiv ist, Katie, behaupte nicht, dass du später nach Hause kommst und Appetit auf Hackbällchen hast.«
Sie ging zu ihm, schloss die letzten beiden Knöpfe seines Hemds. »Nein. Vermutlich hast du recht. Aber was du auch machst, wirf sie nicht weg. Bestimmt schmecken sie morgen noch besser, nachdem sie die Nacht über Zeit zum Mulchen hatten.«
John küsste sie. »Die Geschichte meines Lebens, nicht wahr? Du kannst es heute nicht bekommen, John, aber mach dir nichts draus. Morgen wird es zehnmal so gut sein. Und es heißt ›marinieren‹, nicht ›mulchen‹. Kompost wird gemulcht.«
»Ich weiß. Das sollte ein Scherz sein, da du ja Farmer bist. Nun, Farmer warst. Tut mir leid.« Sie drückte die Stirn gegen seine Brust und wiederholte es. »Tut mir leid.«
Sie fragte sich, sollten sie zusammenbleiben, wie oft würde sie das sagen müssen? Vielleicht sollte sie sich die Worte auf die Handfläche tätowieren lassen.