ES WAR unmöglich, den richtigen Zeitpunkt zu bestimmen, um Will von dem Inhalt des Vertrags zu erzählen. Ich musste schnell vorgehen und meine Worte vorsichtig wählen. Ich ging im Kopf durch, was ich mir zurechtgelegt hatte, während ich einen simplen Bagel in den Toaster steckte und meine Schürze ablegte. Ich schielte zu George in der Hoffnung, seine Aufmerksamkeit zu erregen, ohne seine hitzige Debatte mit einem unserer Stammkunden über die Aussichten der Yankees ohne Derek Jeter zu unterbrechen.
„Das ist traurig, sage ich dir. Traurig! Ich könnte es nicht ertragen, wenn diese Arschlöcher aus San Francisco schon wieder die Meisterschaft gewinnen. Das ist einfach nicht richtig.”
Mr. G senkte mit trauriger Zustimmung den Kopf. Ich wollte die Augen verdrehen und ihnen erzählen, wie erfolgreich die Orioles dieses Jahr waren, aber so weit ich wusste, waren sie auch schlecht. Ich hatte in dieser Saison noch kein Baseballspiel gesehen, aber ich hatte auch nicht die Geduld, die Statistiken zu googeln. Ich hatte kaum genug Geduld, darauf zu warten, dass der Toaster den verdammten Bagel ausspuckte.
„Randall, darf ich dir eine neugierige Frage stellen?”, flüsterte George in mein Ohr. Ich zuckte überrascht zusammen, denn er war gerade eben noch in eine Diskussion auf der anderen Seite des Tresens vertieft gewesen.
„Sicher. Was gibt’s?”, meinte ich abwesend, während ich einfachen Frischkäse auf den blanken Bagel strich.
„Hast du Ärger, Junge?”
„Hä? Nein. Wieso fragen Sie?” Meine Verwirrung musste nicht zu übersehen gewesen sein, denn der ältere Mann atmete erleichtert aus und tätschelte liebevoll meine Schulter.
„Oh gut. Du warst so glücklich, dass ich dachte, du hättest vielleicht ein Mädchen gefunden, aber in der letzten Woche warst du nicht bei der Sache. Ich weiß, dass deine Familie nicht in der Nähe lebt, also wenn du jemanden zum Reden brauchst ... naja, ich würde gern zuhören.”
Ich war sprachlos. Ich starrte ihn an wie ein Idiot und dachte dabei, dass ich die Baseballstatistiken doch hätte nachsehen müssen.
„Äh ... mir geht’s gut. Danke der Nachfrage. Ich war nur abgelenkt.”
„Von einem Mädchen?”, fragte er zwinkernd.
„Nicht direkt.” Ich wickelte den Bagel in Folie ein und holte eine Papiertüte hervor, bevor ich George in die Augen sah. „Da ist dieser Mann. Er sagt, dass er geoutet ist, aber das müsse er bald rückgängig machen. Ich bin wirklich verrückt nach ihm, und das macht mir Angst. Und dann ist da noch diese Frau hinter mir her, die von ihrem Aussehen, ihrer Redeweise und ihrem Benehmen genau mein Typ ist, aber ich kann kein Interesse vortäuschen, weil ich pausenlos an den Mann denken muss. Das ist so verwirrend. Ich wollte bloß nach New York kommen, um Musik zu machen. Ich habe mir viel Mühe gegeben, Komplikationen aus dem Weg zu gehen, und jetzt weiß ich nicht mehr, was ich tun soll, also ja ... ich bin in Gedanken woanders. Das ist alles.”
Jetzt war George an der Reihe, sprachlos zu sein. Ich wollte lachen aber ich musste jetzt gehen.
„Oh. Das wusste ich nicht. Ich hätte dich Ezekiel vorgestellt. Du hättest es mir sagen sollen.”
„Mr. G, ob es ihnen gefällt oder nicht, Zeke hat einen Freund. Und ich habe offensichtlich schon mehr als genug um die Ohren, worum ich mich kümmern muss. Ich muss los. Wir sehen uns nächste Woche.”
„Warte!”
Ich packte meine Jacke und eilte zu der geöffneten Glastür, dabei brüllte ich ein kurzes Auf Wiedersehen. Ich wollte keine Zeit damit verschwenden, meine Sexualität zu erklären, wo meine Homosexualität oder Bisexualität das Letzte war, worüber ich im Moment nachdachte.
Ich schaffte es in Rekordzeit zum Washington Square Park. Will saß auf einer Bank mit Blick auf den Brunnen und kontrollierte die Nachrichten auf seinem Telefon. Er war tief in Gedanken, dabei sah er ernst, aber glücklich aus. Allein sein Anblick brachte mich zum Lächeln. Ein so starkes Gefühl der Zuneigung überkam mich, dass mein Herz einen Schlag auszusetzen schien. Ich wusste nicht, woher es kam, aber die Intensität machte mir Angst.
„Bitte sehr. Scharfer Jalapeño-Frischkäse auf einem Cheddar-Zwiebel-Bagel.” Ich schlich mich von hinten an ihn an und wedelte mit der Tüte neben seinem Ohr.
„Meine Lieblingssorte”, meinte er sarkastisch und packte zu meinem Ärger die Tüte, ohne sich umzudrehen.
„Das dachte ich mir”, stellte ich fest, und ging um die Bank herum, um mich neben ihm zu setzen. „Du hast Glitter unter dem Auge.”
Will hob seine Brille ein wenig und berührte seine linke Wange. „Ups. Benny hat gestern Abend ein Versuchskaninchen gebraucht. Er war ziemlich aufgeregt, dass du ihn wegen des Postens als Stylist der Band angerufen hast. Bedeutet das, dass ihr von einem Label etwas gehört habt?”
Ich nickte abwesend. Es war belebt für einen Morgen an einem Wochentag. Ich dachte an das erste Mal, als wir hierher gekommen waren. Es war eiskalt gewesen und wir hatten den Bereich für uns gehabt. Wir hatten darüber gesprochen, was wir sein wollten, wohin wir gehen wollten. Welchen Unterschied ein paar Monate doch machen konnten.
„Bist du okay?”
Ich blickte hinunter auf seine Hand auf meinem Arm und fühlte, wie ich mich entspannte. Er holte eine Wasserflasche hervor, öffnete sie und reichte sie mir. Ich lächelte ihn schwach an und nahm ihm die Flasche ab, dann sah ich zu, wie er seinen Bagel sorgfältig auspackte. Er biss einmal ab und wischte seine Finger an der Serviette ab, bevor er mir einen Bissen anbot. Ich schüttelte den Kopf und holte den Papierkram aus den Tiefen meiner Jacke hervor.
„Ist das der Vertrag?”
Ich nickte still, doch ich lachte, als er aufschrie. Wem wollte ich etwas vormachen? Es war wirklich toll.
„Es gibt noch viele Details zu klären, was Anwälte und bürokratischen Mist bedeutet, aber ... voilà!”
Will ließ sich nichts vormachen. Seine Augen leuchteten vor Freude auf, während er den Bagel auf die Tüte legte, seine Hände erneut abwischte und mir die Papiere abnahm.
„Bedien dich. Er ist besser als sonst”, scherzte er und richtete seine Brille.
„Nur damit du es weißt, ich bin jetzt ein MBT. Das ist die Abkürzung für Meisterlicher Bagel Toaster. Und wenn es um das Auftragen von Frischkäse geht ... da bin ich Experte.”
Will lachte, aber er blickte nicht von dem Vertrag auf. „Du bist wirklich talentiert. Er ist perfekt getoas... – warum steht mein Name hier drin?” Seine Augenbrauen zogen sich zusammen, als er weiterlas.
Ich lehnte mich auf der Bank zurück und streckte die Beine aus. Zweifellos sah ich aus, als ich hätte keine Sorgen auf der Welt. Mein Gesicht war zur Sonne gerichtet und meine Arme lagen entspannt auf der Lehne der Bank ausgestreckt, ich hätte auch genauso gut auf einer Liege am Strand liegen können. Verdammt, war ich ein guter Schauspieler.
Ich schürzte die Lippen und drehte mich langsam um. Wills intensiver Gesichtsausdruck forderte eine Erklärung, ohne Wenn und Aber.
„Sie wollen dich auch.” Ich setzte mich auf und zog die Knie an, um ihn direkt ansehen zu können. „Es gab zwei Angebote. Dieses hier ist das Bessere wegen der Art, wie es gestaffelt ist. Wir können ein paar Aufnahmen machen und ein paar Shows hier und in LA spielen, bevor es ernst wird.”
„Was bedeutet das genau?”
„Es bedeutet, dass uns ein Vertrag angeboten wurde, unser erstes Album aufzunehmen, mit einem richtigen Label, das hinter uns steht. Wir sind kein Fünf-Mann-Team mehr – vier Musiker mit einem Manager. Wir hätten dann ein richtiges Team, das Touren organisiert und sich um die Logistik kümmert. Es ist ein Anfang. Versteh mich nicht falsch, wir müssen uns den Arsch aufreißen, und trotzdem gibt es keine Garantie, aber ... es bedeutet, dass wir eine Chance haben.”
„Ich freue mich für euch, aber–”
„Ich weiß. Sieh mal.” Ich schloss die Augen und holte tief Luft, bevor ich weitersprach: „Ich weiß, dass es nicht deine Absicht war, in die Band einzutreten, als du auf die Bühne gegangen bist, aber du hast einen Eindruck hinterlassen, Will. Sie haben dich geliebt. Du hattest großen Anteil daran, dass wir so toll waren.”
„Woher kennen sie meinen vollen Namen? Hast du es ihnen gesagt?”
„Nein. Tim hat ihn Cory gesagt, und der hat ihn Mike gesagt, als der anfing, Anfragen zu bekommen, dass man dich treffen will. Cory hat Holly gefragt und–”
„Rand, ich–”
„Es gibt einen Abschlussbonus. Das wäre genug Geld, um einen Teil deines Studentendarlehens abzubezahlen, oder zumindest das Geld, das du Marty schuldest. Und du hättest immer noch etwas für das weiterführende Studium übrig. Niemand setzt dich unter Druck, damit du einsteigst. Wir lassen deinen Namen streichen, wenn du nichts damit zu tun haben willst. Aber wenn du den Sommer über mit uns spielst und hilfst, Isaac, das ist der Gitarrist, den wir vielleicht engagieren wollen, auszubilden, also dann ...” Ich zuckte mit den Achseln, unsicher, wie es weitergehen sollte.
Stille.
Er legte den Vertrag beiseite und packte seinen Bagel wieder ein. Ich blickte ihn neugierig an.
„Willst du nichts essen?”
„Mir ist der Appetit vergangen.” Er starrte in die Ferne. Vielleicht hatten die Studenten, die in der Nähe des Brunnens etwas filmten, seine Aufmerksamkeit geweckt, oder vielleicht erkannte er den Mann, der in der Nähe auf einem Stutzflügel spielte. Wunschdenken. Ich lauschte den Klängen einer Sonate von Beethoven und bemerkte dabei, dass das Klavier leicht verstimmt war.
„Ich gehe zum Unterricht. Wir sehen uns später.” Er stand abrupt auf, dabei stieß er in seiner Eile die Wasserflasche um. Sie fiel zu Boden und bespritzte unsere Schuhe. Ich packte seinen Arm, als er sich herunterbeugte, um sie aufzuheben.
„Wir müssen uns unterhalten, Will.”
„Ich kann im Moment nicht mit dir reden. Ich bin zu sauer und weiß nicht einmal warum. Ich freue mich für dich, aber das ist dein Traum, Rand, nicht meiner. Ich wollte nicht, dass irgendjemand meinen Namen erfährt. Dieser Abend war eine einmalige Sache für mich. Meine Familie würde durchdrehen und–”
„Lass deine Familie da raus.” Ich zog an seiner Hand, als er einen Schritt zurücktrat. „Es ist vielleicht nicht, was du geplant hattest, aber es ist nichts Schlimmes. Du warst an diesem Abend so gut, weil du etwas getan hast, das du liebst. Etwas, in dem du gut bist. Du hast vor mehreren hundert Leuten gespielt, als würdest du das jeden Abend machen, und das in einer Perücke, Make-up und Klamotten, die du ansonsten nie im Leben tragen würdest, und noch dazu in einer Stadt, in der es niemanden interessiert, was du trägst. Nichts außer der Musik hat gezählt.”
Der Blick, den ich dafür erntete, war vernichtend. Ich war verdutzt über seine Wut. Ich hatte damit gerechnet, dass er verwirrt sein würde, aber nicht wütend.
„Manchmal steht mehr auf dem Spiel als nur die Musik. Es geht nicht darum, was ich mag oder nicht mag. Es geht um mehr als mich. Oder dich. Du bist so ...” Er knurrte und wandte sich von mir ab, dann drehte er sich wieder zurück und stieß mir den Finger vor die Brust. „Frustrierend und egoistisch. Du denkst, du weißt, was für jeden das Beste ist, aber dieses Mal weißt du es nicht! Du kennst mich nicht.”
„Hey!” Ich riss ihn an mich. „Ich kenne dich und ich kann Dinge sehen, die du nicht siehst oder nicht sehen willst. Ich bettle dich nicht an, bei uns einzusteigen. Aber ich möchte betonen ... es würde dir helfen, den Berg Schulden, unter dem du begraben bist, und der dich erst dazu gebracht hat, eine Perücke und High Heels anzuziehen, abzutragen. Du hast eine Chance ergriffen, dafür wird dir im Gegenzug eine Möglichkeit geboten. Das ist alles. Deine Entscheidung. Lies den Vertrag und denk darüber nach.”
Ich hob die Wasserflasche auf, legte ihm den Riemen seiner Tasche über die Schulter und reichte ihm die Tüte mit dem kalten Bagel. Er nahm die Tüte, aber schaute mich nicht an. Als ich sein Kinn vorsichtig mit dem Daumen hob und ihm die Sonnenbrille abzog, sah ich schockiert, dass seine Augen vor unvergossenen Tränen schwammen.
„Will? Baby, was ist los?”
Er schüttelte heftig den Kopf und rieb sich mit der Hand über die Nase. Er sah nervös und aufgewühlt aus. Keine dieser Reaktionen schien angemessen zu sein. Ich hatte das Gefühl, dass wir uns über zwei vollkommen unterschiedliche Dinge unterhielten, und ich hatte keine Ahnung, was das zweite Thema war. Ich war ratlos.
„Es ist nichts. Wir reden später.”
„Du kennst mich besser. Du weißt, dass ich dir folgen werde und–”
„Ja, ich weiß. Du gibst nie auf. Nicht, bis du es geschafft hast, deinen Willen durchzusetzen. Aber manchmal wäre es schön, wenn du ... die Dinge einfach auf sich beruhen lassen würdest.” Sein zittriger Tonfall nahm seinen Worten die Schärfe. Vielleicht war ich hartnäckig, auch wenn ich es lieber nicht sein sollte, aber ich hatte das Gefühl, dass dieses Mal nicht ich das eigentliche Problem war.
„Sag mir, was los ist.”
Will biss sich auf die Unterlippe und seufzte tief, bevor er zurück zu der Bank ging, auf der wir gesessen hatten. Er verschränkte die Arme, schlug die Beine übereinander und blickte in die Ferne, auch wenn er sich meiner Gegenwart bestimmt bewusst war. Ich setze mich mit dem Gesicht ihm zugewandt hin, dabei legte ich das Knie auf die Bank und suchte in seinem Gesicht nach Hinweisen. Die Stille wurde schon unangenehm, bis er mich endlich anschaute.
„Ich bin nicht, wer du denkst.”
Was? „Wer bist du?”
„Ich bin ich, aber ...” Er leckte sich nervös über die Lippen, bevor er fortfuhr: „Ich bin nicht die Art Mensch, die du magst.”
Ich neigte den Kopf und wartete. „Was soll das bedeuten?”
„Meine Eltern, meine Welt. Ich habe dir nur einen Teil davon erzählt.”
Ich wollte sagen: „Ja, ich weiß. Ich kann deine Dämonen praktisch sehen”, aber ich blieb still und wartete, bis er fortfuhr.
„Meine Eltern haben mich wegen meiner Streitlust nicht mehr unterstützt. Mein Dad wollte nicht, dass ich an die NYU gehe. Mein kleinlicher Widerstand war ein Experiment, das höchstens ein Jahr andauern sollte, bevor ich nach Hause zurückgekrochen komme. Es sind jetzt schon vier Jahre und ich mache bald meinen Abschluss.”
„Das hast du mir schon erzählt.”
„Na ja, der Zweck des Besuchs meiner Mom war, mich daran zu erinnern, dass es an der Zeit ist, erwachsen zu werden, meine Worte zurückzunehmen und dem Schwulsein abzuschwören. Sie sagte, mein Dad habe angeboten, mein Studentendarlehen komplett zu übernehmen, und sie würde heimlich bezahlen, was ich Martin schulde. Sie war nicht glücklich, als du aufgetaucht bist, denn das ... mein Schweigen bedeutet ihnen eine ganze Menge.”
„Wieso? Niemanden interessiert, ob du schwul bist.”
„Manche Leute schon, Rand.” Er seufzte schwer und verschränkte die Arme. „Mein Dad tritt nächstes Jahr zur Wahl um den Gouverneursposten an. Charles Sanders. Hast du schon von ihm gehört?”
Heilige Scheiße. Ja, ich hatte von ihm gehört. Charles Sanders war ein wohlbekanntes, scheinheiliges Arschloch. Die Sorte Mensch, die die „altmodischen” Familienwerte und Religionsfreiheit bemühten, um sich radikal gegen Immoralität und liberale Ideen zu stellen. Wenn man nicht weiß, hetero, gut angestellt und ein regelmäßiger Kirchgänger war, verdiente man einen Platz in der Hölle. Und man verdiente die Schikanen von Leuten wie ihm, die Angst benutzten, um anderen ihre Ansichten von Anstand aufzudrücken. Er war kürzlich in den Nachrichten gewesen, wo er seine deutliche Meinung über die gleichgeschlechtliche Ehe geäußert hatte. Es gab Gerüchte, dass er sich um den Gouverneursposten bewerben würde, aber ich musste die letzten Meldungen verpasst haben, dass er seinen Hut tatsächlich in den Ring geworfen hatte. Armes Indiana.
Ich starrte ihn ungläubig an. Armer Will.
„Das soll ein Scherz sein, richtig?”, fragte ich hoffnungsvoll.
„Nein. Ich hätte es dir von Anfang an erzählen sollen, aber ich hatte nicht damit gerechnet, dass ich – ich dachte, ich würde meinen Abschluss machen, während der Kampagne meines Dads als Hetero leben und danach ... mich vielleicht erneut outen. Eines Tages. Ich hatte nicht erwartet, dass ich eine andere Wahl habe.”
Ich hielt einen Moment die Luft an, bevor ich meine nächste Frage stellte. „Wann wolltest du mir von deinem Dad erzählen?”
„So weit hatte ich nicht gedacht. Es tut mir leid. Seit ich dich getroffen habe, lebe ich einen Tag nach dem anderen. Ich habe Erfahrungen und Erinnerungen gesammelt, mit denen ich nie gerechnet hätte. Ich war mir sicher, dass du nichts mit mir zu tun haben wolltest, wenn du wüsstest, wo ich herkomme. Ich dachte, mit uns wäre es schon vorbei, bevor das Thema aktuell würde.”
Ich rieb mit der Hand über mein stoppeliges Kinn. Ich hatte kaum den Vertrag in meinen Händen verarbeitet und jetzt kam auch noch Wills Offenbarung hinzu. Man fand nicht jeden Tag heraus, dass der Kerl, mit dem man ins Bett ging, der Sohn eines religiösen Fanatikers mit politischen Ambitionen war. Es war verrückt und unerwartet, aber das war es nicht, was mein Herz sinken ließ.
„Willst du mir sagen, dass wir unser Verfallsdatum überschritten haben? Wie eine Packung Milch?”
„Nein. Ich will nicht, dass es vorbei ist. Ich weiß, dass das mit uns noch frisch ist, aber ... es ist mehr als das. Ich bin noch nicht bereit, mich zu verabschieden.”
„Dann tu es nicht.” Das Gewicht auf meinem Herzen war schwer. Ich war nicht sicher, was mir bevorstand, aber ich war bereit zu kämpfen, wenn er es auch war. „Kann ich dich etwas fragen?”
„Sicher.”
„Vielleicht wird der Traum deines Dads wahr und er wird zum Gouverneur gewählt – aber was ist mit deinen Träumen?”
Will lehnte sich vor und stützte die Unterarme auf die Knie. „Was meins–”
„Gib mir den Sommer.”
„Was?” Will setzte sich auf und senkte die Brille, als würde es ihm helfen, zu verstehen, was ich sagen wollte.
„Gib mir die Chance, dir zu zeigen, dass es auch anders sein kann.”
„Was meinst du?”
„Spiel mit uns. Du kannst dich verkleiden. Spiel eine Rolle. Trag eine Perücke, Make-up, was auch immer du willst. Verdiene etwas Geld und entscheide dann, was du tun willst, wenn du erwachen werden musst. Gönne dir die Erfahrung deines Lebens. Etwas, an das du dich zurückerinnern kannst, bevor du wichtige Entscheidungen triffst. Wir können das mit uns geheim halten. Die Plattenfirma hat sowieso darum gebeten.”
„Du hast denen von uns erzählt?” Seine Augen weiteten sich erneut besorgt.
„Nein, entspann dich. Aber sie wollten mein Privatleben überprüfen. Ich habe deinen Namen nicht genannt, aber habe ihnen erzählt, dass ich bi bin und eine Beziehung mit einem Mann habe. Da haben sie gesagt, es wäre ihnen lieber, wenn ich das für mich behalten würde. Zumindest fürs Erste. Ich wollte denen eigentlich sagen, dass sie mich mal können, aber ... ich kann es für mich behalten. Für dich. Wenn es hilft. Aber ... gib nicht auf, Will. Noch nicht. Bitte.”
„Ich möchte Ja sagen, aber was sage ich meinen Eltern? Meine Mom ist länger in der Stadt geblieben, um mich an meine Pflichten gegenüber meiner Familie zu erinnern, und die beinhalten keine Männer mit Tattoos und zweifelhaftem Ruf. Wie soll ich erklären–”
„Gar nicht. Sag ihnen, dass du den Sommer über einen Job hast. Ein Job, der eventuell Reisen erforderlich macht. Sag ihnen, was auch immer du willst, aber denk darüber nach. Würde dich jemand in deiner Verkleidung erkennen? Selbst wenn man deinen richtigen Namen kennt, der ein ziemlich gewöhnlicher Name ist. Man würde dich nicht mit irgendeinem Typen in Verbindung bringen, der in einem anderen Bundesstaat zur Wahl um den Gouverneursposten antritt. Du kannst Tim, Cory und Mike vertrauen und ... niemand anders wird es erfahren, also–”
„Es sind nicht eure Band oder die Leute, die eure Musik hören, über die mein Dad sich Sorgen macht. Es geht um seine Wähler. Er macht sich sowieso schon große Sorgen, dass jemand herausfindet, dass ich schwul bin. Käme dazu noch Make-up und eine Band von links orientierten, tätowierten Punks ... von denen einer meiner Mom erzählt hat, dass er mein fester Freund ist, dann wäre die Hölle los. Er würde durchdrehen.”
„Er wird es nicht erfahren. Es sind nur ein paar Monate und nur wenige Bühnenshows, du wärst praktisch unsichtbar. Die meiste Zeit würdest du damit verbringen, den Neuen auszubilden. Sieh mal ... ich bin ein Arsch, das weiß ich. Ein netterer Mensch würde dich in Ruhe entschieden lassen, was du willst. Aber ich bin ein selbstsüchtiger Idiot, Will. Ich will alles. Und ich will dich.” Ich stand auf und nahm seine Umhängetasche. Ich wartete, bis er aufgestanden war, dann hängte ich sie ihm auf die Schulter. „Der Vertrag ist in deiner Tasche. Lies ihn und lass mich wissen, wie du dich entschieden hast.”
„Okay.”
Wir schauten einander einen Moment lang vielsagend an.
„Also, was gibt’s nachher zum Abendessen?”
„Ernsthaft?” Will blickte mich ungläubig an, als könnte er nicht glauben, dass er mit mir geschlagen war.
„Ja. Die Welt steht Kopf, aber wir müssen trotzdem essen, Baby. Wie wäre es mit thailändisch?”
Will schubste mich spielerisch am Arm und lächelte. Nicht übermäßig strahlend, aber hoffnungsvoll. Und in diesem Moment war das alles, was ich brauchte.
Ich war kurz davor, den Verstand zu verlieren. Ich konnte kaum Wills Offenbarung erfassen und was sie bedeutete. Genauso wenig konnte ich das Bild von Mrs. Sanders mit Marty vergessen, und was das vielleicht bedeuten konnte. Hatte seine Mutter eine Affäre mit ihrem „guten Freund” und verlangte gleichzeitig von ihrem Sohn, dass er so tat, als wäre er hetero? Wie heuchlerisch ihre so genannten „Familienwerte” waren, war zum Haare raufen.
Und nebenbei hatte ich endlich die erste wirkliche Chance, meine Träume wahr werden zu lassen. Nichts war sicher, doch das Timing war entscheidend. Ich fragte mich, was das für die Zukunft von Spiral bedeutete ... und meine eigene.
NACHDEM WILL zugestimmt hatte, den Sommer mit uns zu spielen, war ich im siebten Himmel. Zwar war es nur eine vorübergehende, aber dennoch eine tolle Lösung für einige unserer Probleme. Eins davon war, Isaac, unseren neuen Gitarristen, fit zu machen, bevor wir im Herbst ins Studio von Suite Dog gingen. Isaac war ein schlanker, gut aussehender, afroamerikanischer Mann Ende zwanzig mit hohen Wangenknochen und leicht femininen Zügen. Er war äußerlich gesehen ein passender Ersatz für Will, und er war zwar gut, aber nicht einmal annähernd so talentiert. Auf jeden Fall besser als Terry und mit einem besseren Charakter ausgestattet. Er hatte einen scharfen Sinn für Humor und scherzte gerne. Wenn er gelernt hatte, unsere Lieder zu spielen und sie auf der Bühne zu performen, würde er vielleicht der perfekte Ersatz für Will werden, wenn dieser im August mit dem weiterführenden Studium begann.
Ein paar Wochen, nachdem wir den Vertrag unterschrieben hatten, war es jedem in der Band bewusst geworden, dass wir offiziell eine neue Phase begonnen hatten. Wir verbrachten viel Zeit mit Proben und mehr Zeit als mir lieb war mit Promotion. Für uns verantwortlich bei Suite Dog Records war ein Visionär mit Köpfchen. Ich mochte Ed Espinosa sofort. Er war ein New Yorker puerto-ricanischer Herkunft, Mitte Dreißig und mit einem deutlichen Akzent aus der Bronx, einer Vorliebe für Schlapphüte, Designerjeans und T-Shirts mit verrückten Aufdrucken und fast schon beleidigenden Sprüchen. Und er liebte Spiral. Er war ein guter Verhandler mit einem ausgeprägten Geschäftssinn. Er schien sich auch auf dem Gebiet auszukennen. PR war wichtig und er versicherte uns, dass wir bei Leah in guten Händen wären. Ed hatte sie vom Fleck weg engagiert. Ihr Stil passte angeblich gut zu einer Newcomer-Band
Leahs Job war es, die Erwartungen hochzuschrauben, bevor unsere erste Single veröffentlich wurde. Sie schien tatsächlich so gut vernetzt zu sein, wie sie behauptete. Auf unsere Webseite gab es mehr Zugriffe denn je. Was auch immer sie tat, es funktionierte. Leah war in ihrer neuen Funktion sehr professionell, besonders, wenn Ed dabei war. Aber wenn wir unter uns waren, schwankte sie zwischen locker und entspannt bis hin zu unverschämt. Tim und Cory tauschten amüsierte Blicke aus, während ich versuchte, sie mir vom Hals zu halten, ohne sie zu vertreiben, und gleichzeitig Will nicht zu verärgern.
Er sagte nie ein Wort, aber ich bemerkte, wie er ihre roten Fingernägel beobachtete, die über meinen Unterarm fuhren, während sie sich über einen lustigen Tweet ausließ, den sie über die Band gepostet hatte. Flirten war harmlos, solange man wusste, wo man stand, aber im Moment waren alle verwirrt. Mich eingeschlossen. Ich steckte in einem unangenehmen Dreieck fest, aus dem ich leicht entkommen könnte, wenn ich offenbarte, wie Will und ich zueinander standen. Aber das durfte ich nicht. Also hielt ich fürs Erste meinen Mund. Und das begann, an mir zu zehren.
ICH WAR tief in Gedanken, als ich die Tür des Bagel Shops aufstieß und Richtung Westen auf der Fourth lief. In meinem Kopf stritten sich die Gedanken an Leahs neueste Idee von einem intimen Interview nur mit mir mit der Instrumentierung eines neuen Songs. Ich befürchtete, dass ‘intim’ bedeutete sie und ich, und, verdammt, dieses Gespräch wollte ich wirklich gern vermeiden. Wie unser Gespräch im Restaurant. Ich hatte noch nie eine Frau abweisen müssen, weil ich mit einem Mann zusammen war.
Ich musste etwas unternehmen, denn ich wurde langsam verrückt. Gerade als ich meine Schritte beschleunigte, rief jemand meinen Namen. Ich drehte mich um, aber als ich niemanden erkannte, ging ich weiter.
„Rand!”
Ich blieb erneut stehen und wünschte mir sofort, ich hätte es nicht getan.
„Terry. Wie geht’s?” Ich schaute ihn von oben bis unten an und stellte ungerührt fest, dass er schrecklich aussah. Sein strubbeliges braunes Haar und sein Bart waren lang und ungepflegt. Er sah aus wie jemand, der die Grenze zum Looser schon fast überschritten hatte.
„Ganz gut. Ich habe meinen Job bei Starbuck’s wieder bekommen, also ist alles in Ordnung. Nicht so cool wie ein Plattenvertrag, aber was soll’s.” Er lachte auf und zuckte krampfartig mit den Schultern, sodass ich glaubte, er wäre tatsächlich verrückt.
„Schön. Also, alles Gute. Wir sehen uns.” Ich drehte mich um und wollte weitergehen, aber seine Hand an meinem Arm hielt mich auf. Ich schüttelte sie ab und funkelte ihn an. „Was willst du, Terry?”
„Ich will meinen Anteil. Das ist alles.”
Meine Augen verengten sich und mein Blick spießte ihn auf.
„Du hast deinen Anteil bekommen. Und dann bist du umgekippt. Es ist vorbei, Terry. Deine Verbindung mit Spiral wurde in dieser Nacht in der Bar offiziell beendet.”
„Oh ja, die Nacht, in der dein Schätzchen für mich übernommen hat. Ich hatte schon gedacht, du wärst eine Schwuchtel, aber dann habe ich gehört, dass du jetzt mit meinem Mädchen zusammen bist. Meine Güte. Du hast wirklich keine Klasse, O’Malley.”
„Wie bitte?”
„Du hast mich schon verstanden. Halt dich von Leah fern. Sie gehört mir.”
Ich sollte mit den Augen rollen und einfach weitergehen, aber ich glaubte, ich müsste den Idioten in seine Schranken verweisen.
„Ich bin nicht mit ihr zusammen, aber das sollte dir eigentlich egal sein. Sie hat gesagt, das mit euch ist vorbei. Sie geht dich nichts mehr an, genauso wenig wie Spiral. Viel Glück, Mann.”
Als ich einen Schritt zurück machte, packte er mich am Ellenbogen.
„Eine Frau wie sie interessiert sich nicht für Kerle, die auch auf Schwänze stehen. Genauso wenig wie eure sogenannten Fans. Die meisten Menschen halten deinesgleichen für widerwärtig, glaub mir. Du willst nicht, dass jemand es erfährt, oder?”
Ich starrte ihn an, bis er zusammenzuckte und den Blick abwandte. Es war sehr befriedigend, dass ich den kleinen Scheißer nervös machte.
„Bedrohst du mich etwa?” Ich hob die Hand, als er begann, wie ein Fisch auf dem Trockenen zu stottern. „Wenn ich du wäre, würde ich das nicht tun. Du bist ertappt. Du bist ein mittelmäßiges Stück Scheiße, und dafür habe ich keine Zeit.”
„Du schuldest mir–”
Ich trat so nah an ihn heran, dass ich seine Angst riechen konnte. Der Drang, ihm den Hals zuzudrücken, war stark, aber er war den Ärger mit der Polizei nicht wert. Mein Tonfall war tief und bedrohlich.
„Ich schulde dir nichts. Überhaupt nichts. Wenn du dich mit mir anlegst, wirst du es bereuen.”
Ich schubste ihn weg und drehte mich um. Es erforderte meine ganze Beherrschung, nicht zurückzugehen und ihn zu Boden zu schlagen. Ich wählte Eds Nummer und hinterließ eine kurze Nachricht. Dieses eine Mal war ich froh, dass sich jemand anderer um den Mist kümmerte, denn so konnte ich mich aus das konzentrieren, was wirklich wichtig war.
SPÄTER TRAF ich mich mit Will, nachdem er seine persönlichen Dinge aus dem Klassenzimmer geräumt hatte, das er für den Nachhilfeunterricht genutzt hatte. Die Gegend um die NYU schien etwas ruhiger, jetzt, da der Unterricht vorbei war. Es war Ende Mai, also gab es schon jede Menge Touristen, aber im Grunde gab es die überall in der Stadt. Ich schaute auf die Uhr und schielte zu den schweren Glastüren des Performing Arts Centers, gerade als Will mit einem Gitarrenkoffer erschien. Ich begrüßte ihn mit einem Lächeln, dann winkte ich sofort ein Taxi heran. Er sah mich neugierig an, aber sagte nichts. Normalerweise nahmen wir nur zu besonderen Gelegenheiten ein Taxi oder wenn es schon sehr spät war. Es war ein beliebter Witz, dass ich überall hin zu Fuß ging oder mit der U-Bahn fuhr, und ich hatte ihm versichert, dass das auch so bleiben würde, bis die ersten großen Schecks hereingeflattert kamen. Ich nannte dem Fahrer eine Adresse in Tribeca und lehnte mich zurück.
„Wo fahren wir hin?”
„Das wirst du schon sehen.”
Ich schaute aus dem Fenster, während Will vorgab, einen Ausschnitt aus der Today Show, der auf dem winzigen Fernseher in dem Prius gezeigt wurde, anzusehen. Die Fahrt war relativ kurz. Ich bezahlte, dann führte ich ihn in ein modernes, luxuriöses Appartementhaus. Will folgte mir mit einem verwunderten Gesichtsausdruck und fragte sich wohl, was ich vorhatte. Ich grüßte den Türsteher, der mir freundlich lächelte eine Schlüsselkarte und einen Umschlag überreichte.
„Karen hat Anweisungen hinterlassen. Sie sagte, Sie kämen um diese Zeit her. Lassen Sie sich Zeit. Sie wird hier sein, sobald sie es durch den Verkehr in der Stadt geschafft hat.”
„Danke, Keith.” Ich nahm den Gitarrenkoffer mit der freien Hand und ging zum Aufzug.
Das Gebäude war brandneu und ultrahip. Der Aufzug macht kaum ein Geräusch, als er von der Lobby in den fünfzehnten Stock fuhr. Ich blickte geradeaus und war froh, dass Will noch keine Fragen gestellt hatte, zum Beispiel: „Was soll der Mist?” Ich lieb vor Nummer 1505 stehen, öffnete die Tür mit der Schlüsselkarte und stieß sie schwungvoll auf.
Will betrat die große, luftige, unmöblierte Wohnung und schaute sich um. Die Zweizimmerwohnung hatte eine erstklassige Ausstattung mit hohen Decken, hochwertigen Küchengeräten, hellen, breiten Bodendielen und einer luxuriösen Dekoration. Er ging zum Fenster und sah den beeindruckenden Ausblick auf den Hudson River und die Skyline von New Jersey.
„Schön, was?” Ich setzte den Gitarrenkoffer ab und stellte mich neben ihn.
„Sehr schön. Warum sind wir hier?”
Ich holte tief Luft und ging zu der Kücheninsel aus schwarzem Granit, die die Küche vom Hauptraum trennte. „Ich werde die Wohnung mieten. Ich meine, ich denke darüber nach. Was denkst du?”
„Kannst du dir das denn leisten?”
„Ja, das kann ich. Ich unterzeichne nur einen kurzzeitigen Mietvertrag, falls es in der ersten Phase nicht so gut läuft, doch ich habe seit Jahren Geld gehortet, um Spiral zu finanzieren. Ich kann es jetzt, wo der Vertrag unterzeichnet ist, etwas ruhiger angehen lassen.”
„Bis wann läuft der Mietvertrag?”
„Bis Ende August. Wenn wir es nicht schaffen, dann kann ich wieder in eine WG in der Lower East Side ziehen. Oder ich ziehe nach Queens. Also ... was denkst du?”
„Hmm. Es ist wunderschön.”
„Toll, dann alles Gute zum Schulabschluss. Wir ziehen am Ersten ein.”
Es war schwer zu sagen, wer überraschter war von uns beiden. Ich konnte nicht glauben, dass ich das laut ausgesprochen hatte, aber da es nun einmal passiert war, wollte ich auch dazu stehen. Mein breites Lächeln sagte ihm, dass er jetzt am Zug war.
„Ich wusste, dass du etwas vorhast. Wovon redest du da?” Er richtete seine Brille und lehnte seine schlanken Hüften an die Anrichte, sodass wir ein paar Meter entfernt voneinander standen.
„Ich rede davon, ein paar Monate schick zu wohnen. Was denkst du?”
„Ich denke, dass du verrückt bist. Zusammen zu wohnen bedeutet nicht, es ruhig angehen zu lassen.”
„Wir sagen, dass wir uns bloß die Wohnung teilen”, schlug ich mit einem Schulterzucken vor.
„Die Wohnung teilen.”
Will drehte sich zum Fenster, sodass ich sein Gesicht nicht sehen konnte, aber etwas sagte mir, dass ich das Falsche gesagt hatte. Ich versuchte es erneut.
„Logistisch gesehen ist es eine tolle Idee. Die Wohnung liegt in der Nähe der Studios von Suite Dog, sie sind zu Fuß zu erreichen. Also keine U-Bahn oder Taxis mehr. Außerdem ist sie einfach schön. Eine schicke Adresse ... und es gibt ein Kingsize-Bett. Keinen Futon.”
„Rand ... denk doch mal nach. Das ist ein PR-Albtraum.”
„Nein, es ist genial. Wir stehen nicht unter Beobachtung. Niemanden wird es interessieren, dass wir Mitbewohner sind.”
„Leah schon.”
Ich hielt inne. Das war das erste Mal, dass er ihren Namen in diesem Zusammenhang erwähnt hatte. Es war nicht so sehr ihr Name, sondern sein Tonfall.
„Vielleicht, aber sie wird denken, dass wir in getrennten Betten schlafen.”
„Da wird sie ja erleichtert sein”, stellte er sarkastisch fest.
Ich trat vor ihn und hielt sein Kinn mit Daumen und Zeigefinger fest. „Hey, du weißt doch, dass ich nicht an Leah interessiert bin. Ich bin–”
„Wieso nicht?”
„Hä?”
„Sie hat ziemlich deutlich gemacht, dass sie an dir interessiert ist.” Er biss sich auf die Unterlippe und wandte den Blick ab. „Egal. Tut mir leid, dass ich etwas gesagt habe.”
„Vertraust du mir?”
Unsere Blicke hielten sich lange Zeit, bevor er antwortete. „Ja.”
„Gut. Ich bin mit dir zusammen. Ich war noch nie in ... einem monogamen Arrangement, aber ich will es versuchen. Mit dir. Es geht hier nur um uns. Nicht um die Band. Nicht um Leah.”
Will starrte mich an, als wäre er sich nicht sicher, ob er mich richtig verstanden hatte. „Ist das dein Ernst?”
„Ja.” Ich drückte ihn gegen die Kücheninsel und hielt sein Gesicht fest, bevor ich ihn sanft küsste. „Komm schon, ich zeige dir, wo deine Zahnbürste hinkommt, Mitbewohner.”
„Ich werde nicht mit dir zusammenziehen.”
„Du weißt doch, dass ich dich überreden werde”, merkte ich an und kitzelte seine Seiten.
Wills Lachen hallte in dem leeren Raum wider. Es wurde zu einem Stöhnen, als ich mit der Hand über seinen Schritt fuhr und seinen Schwanz durch die Hose hinweg packte. Ich rechnete damit, dass er mich wegstieß, aber er legte stattdessen die Arme um meinen Hals und drückte seinen Mund auf meinen. Ich stöhnte in den Kuss und leckte an seinen Lippen, während seine Finger durch mein Haar fuhren. Dann klingelte mein Handy. Laut. Ich ließ meine Stirn einen Moment auf seiner ruhen, bis er mich auf den Mund küsste und zur Seite trat, damit ich den Anruf annehmen konnte.
„Hi, Karen. Ja. Ich bin schon da. Das ist in Ordnung. Ja – bis gleich. Danke.”
Ich steckte mein Telefon weg und nahm Wills Hand. „Komm hier lang. Wir haben fünfzehn Minuten und ich brauche deine Hilfe.”
Er lachte auf, als ich ihn über den kurzen Flur zum Hauptschlafzimmer zog. „Ich ziehe trotzdem nicht mit dir zusammen. Wobei brauchst du meine Hilfe?”
„Ich brauche Verschiedenes. Das Kingsize-Bett, von dem ich gesprochen habe und Laken und ... verdammt. Ich brauche auch Handtücher. Sieh dir das an.”
Das Badezimmer war wunderschön. Fliesen aus roh behauenem, hellen Stein gingen an der Wand mit dem Spiegel in eine Glaswand über, die die große Dusche umgab. Die Armaturen, die Bodenfliesen und die Lichter waren einfach, modern und geschmackvoll. Nachdem ich mir ein Badezimmer aus den Sechzigern mit zwei Freunden geteilt hatte, war dies hier geradezu luxuriös.
„Wow. Das ist wirklich schön.” Wills Augen weiteten sich anerkennend.
„Hier kommt deine Zahnbürste hin. Und dort ist genügend Platz für Make-up und so weiter”, erklärte ich und deutete auf den Schrank zwischen den eleganten Waschbecken.
Er lächelte, als sich unsere Blicke in dem langen, rechteckigen Spiegel trafen. Ich schlang die Arme um seine Brust, dann fuhren meine Finger unter sein T-Shirt, um in seine Nippel zu kneifen. Er ließ den Kopf auf meine Schulter fallen, dabei entblößte er seinen Hals. Ich knabberte an seiner Kehle, während meine Hand weiter nach unten wanderte, um seine Gürtelschnalle und den Reißverschluss seiner Jeans zu öffnen.
„Aber wir sollten es besser erst testen.”
Er reckte den Hals und warf mir einen tadelnden Blick zu. Dass sich seine Hände auf meine legten, war ein gutes Zeichen, dass es ihm nichts auszumachen schien. „Rand, du wohnst noch nicht hier. Wir können nicht–”
„Wir müssen. Wenn der Sex in diesem Raum nicht gut ist, dann müssen wir es in einem anderen versuchen. Sag nicht Nein, Baby. Wir haben noch zwölf Minuten.” Ich befreite mich aus meiner Jeans und zog auch seine herunter, um seinen wunderschönen Hintern zu entblößen. Ich legte die Handfläche auf seinen Mund. „Lecken!”
Er gehorchte, dann beugte er sich mit einer Hand auf dem Marmor und der anderen an seinem Schwanz vor. Mein Mund wurde trocken. Ich konnte nicht glauben, dass er so einfach nachgab. Schließlich stimmte er meistens nicht einmal zu, dass ich in der Öffentlichkeit seine Hand hielt. Dass er nun lüstern seinen Rücken durchstreckte und mir seinen Arsch präsentierte, als wäre er ein Geschenk, erregte mich unglaublich. Ich langte um ihn herum und legte meine Finger um seinen Schaft. Er war bereits hart und voller Lusttropfen. Sein Spiegelbild blickte mich an und biss sich auf die Unterlippe.
„Halt dich besser ran. Wir haben noch elf Minuten.”
„Oh. Mein. Gott.” Ich blinzelte, um meine lustverzerrte Sicht zu klären, und tastete nach dem Kondom in meiner Hosentasche. Ich konnte nur hoffen, dass es feucht genug war. Ich öffnete schnell das Päckchen und rollte das Latex über meinen harten Schwanz.
„Tu es.” Er stieß zurück, sodass mein Schwanz durch seine Spalte fuhr.
Ich spuckte auf meine Finger, dann drang ich in ihn ein, dabei beobachtete ich ihn in Spiegel, um seine Reaktion zu sehen. Er bewegte sich nicht, bis ich meinen Finger anwinkelte und dabei seinen Lustpunkt berührte. Seine Augen bekamen einen Ausdruck purer Ekstase. Ich nahm einen zweiten Finger und noch mehr Speichel hinzu. Ich war immer noch erstaunt, dass er nichts sagte. Stattdessen stöhnte er und streichelte sich selbst. Dann langte er nach meinem Schwanz, positionierte ihn an seiner Öffnung und stieß zurück.
„Verdammt, Will.” Ich legte die Hände auf seine Hüften und hielt ihn einen Moment lang fest, bis er nickte und sich weider nach hinten drückte.
Es war eine langsame Bewegung, rein und raus, geben und nehmen. Zentimeter für Zentimeter drang ich in ihn ein. Als ich bis zum Anschlag in ihm versenkt war, lehnte ich mich vor und küsste seinen Nacken, dabei wogte ich vorwärts und zog mich anschließend wieder aus ihm zurück. Die Bewegung war vorsichtig, aber stetig. Ein einfacher Rhythmus mit gleichmäßiger Geschwindigkeit. Er ließ seinen Schwanz los und kam meinen härter werdenden Stößen entgegen, dabei kippte er die Hüfte. Seine ungehemmten Bewegungen nährten das Feuer in mir. Das Verlangen, hart in ihn zu stoßen, war stark, aber da Will das Sagen hatte, hielt ich mich zurück und ließ zu, dass er sich selbst an mir fickte, bis er den Rhythmus verlor und mir im Spiegel einen Blick zuwarf.
„Mach weiter, Baby.”
Wills Nasenflügel blähten sich. Das bedächtige Gleiten wurde schnell zu einem wilden Zucken. Ich streichelte ihn, während er mich hart ritt. Es erforderte all meine Kraft, um aufrecht stehen zu bleiben. Der Anblick unserer Jeans, die noch um unsere Knöchel hingen, das Gefühl seines harten Gerätes in meinem festen Griff, während seine Muskeln mich umklammert hielten, war intensiv. Aber es war die Reflexion seines wunderschönen Gesichts im Spiegel, mit der leicht schief sitzenden Brille auf der Nase voller Sommersprossen, die schließlich zu viel für mich war.
Ich legte den Arm eng um seine Brust, während ich das letzte Bisschen Kontrolle verlor. Meine Hüften stießen zu, als der Orgasmus mich zu übermannen drohte. Ich wollte, dass er zuerst kam, und versuchte verzweifelt, die Fassung zu behalten. Ich drehte seinen Kopf und biss auf der Suche nach seinem Mund in sein Kinn. Als sich unsere Zungen trafen, gab es kein Halten mehr. Welle um Welle überrollte mich. Ich konnte fühlen, wie Wills Erlösung meine Finger bedeckte, und versuchte, mich weiter zu bewegen, aber es war mir schon kaum noch möglich, aufrecht stehen zu bleiben. Das heftige Zittern zwang mich fast in die Knie.
Wills leises Lachen hallte in dem marmornen Badezimmer wider. Ich blickte lächelnd in den Spiegel, um in sein Lachen einzustimmen, denn ernsthaft ... was machten wir hier eigentlich? Stattdessen stockte mir der Atem. Ich schluckte und schloss die Augen, um mein inneres Gleichgewicht wiederzuerlangen. Er war perfekt. Süß, nett und so wunderschön. Ich wollte ihn.
Und das nicht nur bis August.