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Toms Hausboot an der Donau, Wien

„Danke für letzte Nacht! Bin im Museum, hab einen Tipp bekommen, ruf mich an XOXO. Hellen“, hatte Hellen auf den Zettel geschrieben, den sie auf ihr Kopfkissen, neben das von Tom gelegt hatte. Die Nachricht entlockte Tom ein Lächeln und er wusste jetzt schon, dass er in Schwierigkeiten war. Er war verliebt.

Tom stand auf und legte den Zettel zur Seite. Dann griff er zu seinem Telefon und wählte Hellens Nummer.

„Hier ist der Anschluss von Hellen de Mey, bitte hinterlassen Sie mir nach dem Signalton eine Nachricht.“

Tom legte wieder auf und wählte Hellens Büronummer. Auch hier nahm nur ihre persönliche Mailbox den Anruf entgegen.

Achselzuckend beschloss Tom, erst mal eine heiße Dusche zu nehmen. Nach dem kurzen Abstecher ins Badezimmer ging er in die Küche und machte sich einen starken schwarzen Kaffee. Während er den Espresso in kleinen Schlucken schlürfte und die Morgendämmerung über der Donau beobachtete, versuchte er noch einmal, Hellen zu erreichen.

Wieder meldete sich auf beiden Anschlüssen nur ihre Mailbox. „Da stimmt was nicht“, dachte er.

Schnell schlüpfte er in Jeans und T-Shirt, nahm seine Dienstwaffe, verließ das Hausboot und sprang in seinen Mustang. Die Kaiserstadt erwachte bereits zum Leben und das Verkehrsaufkommen verdichtete sich, daher dauerte es länger als erwartet bis er am Kunsthistorischen Museum ankam. Tom lief die wenigen Stufen zum Haupteingang des Museums nach oben und versuchte vergeblich, eine der zahlreichen schweren Türen zu öffnen. Erst die letzte Tür gab nach und schwang nach außen. Er betrat das Museum und erhielt augenblicklich die Bestätigung für sein unangenehmes Bauchgefühl. Der Nachtwächter lag mit einer Kugel im Kopf hinter der Empfangstheke.

„Hagen!“ Verärgert riss Tom seine Waffe aus dem Holster und lief zum Bürotrakt. Kurz vor Hellens Bürotür verlangsamte er seine Schritte und blieb an die Wand gepresst vor der Tür stehen. Langsam drückte er die Türklinke nach unten, riss die Tür auf und huschte mit seiner Waffe im Anschlag in das Büro. Leer. Er verzog das Gesicht, steckte seine Glock zurück in das Holster, nahm sein Handy zur Hand und wählte erneut Hellens Nummer.

„Komm schon, Hellen, wo steckst du?“, murmelte er vor sich hin, als ihn ein Brummen herumfahren ließ und seinen Blick auf Hellens Schreibtisch lenkte. Er fand ihr Mobiltelefon unter den zahlreichen Unterlagen auf dem Tisch. Das Display zeigte mehrere verpasste Anrufe. Drei waren von ihm, zwei von Graf Palffy. Er steckte auch Hellens Telefon ein und begann die Dokumente auf dem Tisch zu untersuchen. Was war es, das Hellen mitten in der Nacht dazu bewegt hatte, hierherzukommen? Hier musste doch ein Hinweis sein. Tom ergriff das Dossier über den Innenminister und starrte fassungslos auf die Seite, auf der der Stammbaum abgebildet war.

„Wow - Hagen arbeitet also für diesen Idioten?“ Tom war erstaunt, aber auch erfreut. „Das wird dem HBK gefallen“, sagte er leise zu sich selbst. Der Innenminister war nicht gerade der liebste Kollege des Bundeskanzlers. Er war ihm von Anfang an, mit seinen verrückten Ideen, ein Dorn im Auge gewesen. Tom faltete das Blatt mit dem Stammbaum zusammen und steckte es ein. Danach durchsuchte er die anderen Dokumente auf dem Tisch und fand schließlich den Brief von Professor Loos. Er flog über die Zeilen und hielt bei den Worten Pragmatische Sanktion inne. Ohne zu zögern, warf er den Brief auf den Tisch und lief los.