Wir saßen in Brors Küche und tranken Whisky. Oder besser gesagt er Whisky und ich Tee. Er hatte ein Feuer im Kamin gemacht und ich versuchte den Dreck und die Unordnung zu verdrängen. Wir waren im Abstand von wenigen Minuten geboren worden und ähnelten uns in vielem. Vor allem im Aussehen. Rötlich und mager mit strähnigem pigmentlosem Haar und auf eine so blasse Art nichtssagend dass uns alle nur als die Zwillinge in Erinnerung behielten.
Ist was passiert oder warum biste gekommen fragte er.
Nein nichts Besonderes antwortete ich und dachte an Johns Gemälde. Ich hatte an Ostern einfach noch nichts vorgehabt.
Der Abend verstrich. Wir drehten eine Runde mit dem Elchhund und der Himmel war wieder sternenklar. Der Hund zog uns voran. Die Temperatur lag bei minus zwölf und es knarzte unter unseren Sohlen. Die Laternen gingen nur bis zu GöranBäckströms aber das Licht des Schnees und der Sterne über uns genügten.
Wir redeten über Dinge die passiert waren. Wer gestorben war. Wer krank geworden. Über die Schneehuhnjagd in den Bergen und die gelungene Bedeckung der Nachbarshündin. Worüber man in Smalånger so redet. Wir redeten nicht darüber warum Emelie ihn verlassen hatte und auch nicht über den Verfall unseres Elternhauses.
Auch diese Nacht verbrachte ich auf einem Gustavian. Schaffte es nicht mal mehr mich auszuziehen sondern deckte mich mit meinem Mantel zu und schlief sofort ein.
Tags darauf zog ich Gummihandschuhe über füllte einen Eimer mit Seifenwasser und schrubbte mich systematisch durch die Zimmer. Gegen Nachmittag standen auf der Vortreppe schwarze Müllsäcke voll mit Bierdosen Pizzakartons Zeitungen verwelkten Zimmerpflanzen abgelaufenen Lebensmitteln leeren Hundefutterdosen und Schnapsflaschen zertrümmerten Bilderrahmen zerbrochenem Schnickschnack und einem Haufen zerschnittener Frauenkleider.
Angeblich können alle Menschen irgendetwas gut. Ich genoss den Anblick wenn der gemaserte Seifenboden zum Vorschein kam und die Leimfarbe der Holzvertäfelung wieder leuchtete. Genoss es wie das kochend heiße Wasser Essen Fett Erbrochenes und andere Substanzen aufweichte die eine harte Kruste auf Kacheln und Fächern im Kühlschrank und im Vorratskeller gebildet hatten. Genoss es sogar zu sehen wie die kreisende Waschtrommel den Dreck der letzten Monate oder auch Jahre aus Bettwäsche Gardinen Teppichen und Klamotten löste und am Ende alles im Trockenschrank aufzuhängen. Ich würde die Angst meines Bruders so wegputzen wie ich auch meine eigene wegputze. Es war wie Tetris. Die Teile fanden ihren Platz und vertrieben den Versuch an etwas anderes zu denken.
Bror hockte auf der Küchenbank und sah gleichgültig zu. Hin und wieder trank er einen Schluck Bier. Wenn die Flasche leer war ging er in die Kammer und holte eine neue. Vielleicht war ich zu spät gekommen.
Ich hab gehört du hast bei EskilBrännströms übernachtet sagte er.
Meinst du John fragte ich und hoffte er würde weiterreden aber er kniff seinen wortkargen Mund wieder zusammen und starrte weiter in die gefährliche Unendlichkeit.
Ich setzte mich neben ihn. Nahm ihm die Flasche aus der Hand und trank einen Schluck lauwarmes Bier.
Kennst du John fragte ich.
Den kennen doch alle sagte Bror.
Ich nicht sagte ich.
Er wohnt noch nicht so lang hier erklärte Bror.
Kann sein sagte ich und kehrte in die Wirklichkeit zurück. Du hast nichts zu essen da wir müssen einkaufen.
Er lehnte sich an mich und hätte ich meinen Bruder nicht so gut gekannt ich hätte geglaubt er weinte.
Er stank nach Trauer und Schweiß. Ich legte den Arm um ihn und strich ihm wie früher über das Haar. Alles wird gut sagte ich.
Alles wird gut.