Dienstag

Dienstag, 11 . Februar, 11 :25 Uhr

E r musste an Sabine Kaufmann denken, und ein Grinsen trat auf sein Gesicht. Es war keine Häme, kein Spott, vielmehr ein Lächeln der Bestätigung. Der alte Lada Niva brachte ihn mit seinem Allradantrieb souverän den steiler werdenden Waldweg hinauf. Zugegeben: Ausgewaschene Stellen oder größere Steine nahm er mit einem Hüpfen, das man nur mit gesunden Bandscheiben überstand. Einer der Kritikpunkte, den Sabine immer wieder anführte. Das und der schwarze, stinkende Dieselqualm, der ohne Feinstaubfilter aus dem Auspuffrohr drang. Aber Ralph Angersbach wollte seinen Dinosaurier just in diesem Moment nicht missen. Der Pappbecher mit Kaffee, den er sich am Autoschalter des hiesigen McDonald’s geholt hatte, wackelte bedrohlich in der provisorisch angebrachten Klemmhalterung. Dann war er auch schon da. Flatterband spannte sich über den Schotter, und ein Beamter in Uniform signalisierte dem Kommissar mit einer wischenden Handbewegung, dass es ab hier kein Weiterkommen gab.

Angersbach kannte den Kollegen vom Sehen, er konnte seinen Ausweis daher stecken lassen. Mit der rechten Hand zog er den Reißverschluss seines Rollkragenpullovers zu, dann griff er den Becher und überlegte, ob er die Jacke mitnehmen sollte.

»Gummistiefel wären wichtiger«, kommentierte der Uniformierte, der seinem Blick offensichtlich gefolgt war. Angersbach bedankte sich und ging nach hinten. Wechselte die Wanderschuhe gegen ein Paar extrahohe Stiefel und näherte sich dem kniehohen Zaundraht, der von einem Warnschild flankiert war.

Betreten verboten. Lebensgefahr.

Im Untertitel wurde darauf hingewiesen, dass das gesperrte Areal durch Erdrutsche gefährdet sei.

Na toll, dachte Angersbach und stieg über den Draht. Dafür, dass der hiesige Leichenfund ihn nur am Rande betraf, durfte er direkt mal sein Leben aufs Spiel setzen.

Viele schienen sich allerdings weder um den Zaun noch um das Schild zu scheren, denn der Trampelpfad nach unten war nicht erst seit heute ein breit ausgetretener Weg.

Angersbach ließ sich Zeit und nippte noch einmal an seinem Kaffee, bevor er das im Winter dürr gewordene Schilf erreichte. Heiß war er ja, aber viel zu bitter.

Zuerst fielen ihm die Kollegen der Spurensicherung ins Auge, deren Schutzanzüge in einer leichten Brise flatterten. Ein ihm fremder Mann steckte in einer olivfarbenen Wathose, und braunes, aufgewühltes Wasser hatte ihn bis knapp über die Knie verschluckt. Auf einer weißen Folie, die notdürftig mit Steinen bewehrt war, um sie am Wegflattern zu hindern, erkannte er etwas, das ihn an eine alte Reuse erinnerte. Einzelteile umgaben es. Soeben legte einer der Schutzgekleideten ein neues Stück dazu. Er tat das sehr bedächtig.

Ralph Angersbach hatte längst begriffen, dass es sich bei dem Gebilde nicht um einen Fangkorb handelte und die Mordkommission auch sicher nicht wegen eines Falles von illegaler Fischerei verständigt worden war. Er näherte sich, dann erkannte er die zweite markante Form, die man auf der Folie abgelegt hatte.

Einen Totenschädel.