Siebzehn
Mable
D ie nächsten Wochen ziehen die Anfänge des ›Spiels‹ an mir vorbei wie tiefschwarze Regenwolken. Jede Woche gibt es eine neue der vielen Challenges, an denen Lien, Kady, Rachel und Brittany teilnehmen. Lien hält seit der Party noch mehr Abstand zu uns als zuvor. Ich wette, sie hat sich zu Recht gefragt, warum sie vorgeben soll, wir wären Freundinnen.
An unserem schwarzen Brett in der Küche hängt jeden Montag ein neuer Aushang. Dort werden die ›Challenges‹, die nichts weiter sind als eine aufgezwungene Bloßstellung, und die bisherigen Punkte ausgehängt. Wer diese im Blick behält, ist mir schleierhaft. Vermutlich hat Harper recht und der Campus wird von einem Big-Brother-ähnlichen Netzwerk aus böswilligem Klatsch und Tratsch überwacht. Ob es irgendwo einen Schiedsrichter gibt, der akribisch zählt, wer für wen welche Hausarbeit erledigt hat?
Oder behalten die Kings selbst das Ganze im Blick?
Neben meinem Namen steht jedenfalls eine glatte Null.
Ich bin die Einzige, die so tut, als hätte der ›Wettkampf‹ nie begonnen.
Nicht, weil ich es nicht schaffen könnte. Sondern weil ich mich nicht von einer Meute superreicher Idioten, denen langweilig ist, herumschubsen lassen werde. Ich weiß nicht genau, was ich tue, aber so gut wie nichts zu tun, scheint mir eine praktikable Lösung zu sein. Abwarten ist meine Devise. Was wird passieren, wenn ich einfach so tue, als gäbe es das Spiel gar nicht?
Rachel und Lien haben am Ende des Monats bereits 430 Punkte erreicht. Da sie jeweils in Bikinis in die Vorlesung gegangen sind, das gesamte Campuskino mit Minibürsten gereinigt und noch ein paar andere schräge ›Challenges‹ erfüllt haben, sind einige der Punkte nachvollziehbar. Der Rest?
In unser Wohnheim gehen Studenten ein und aus, als wäre es tatsächlich ein Puff.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich meine Kommilitoninnen so sehr erniedrigen lassen würden, aber … Aber ich weiß, wie Menschen sind. Und vielleicht macht es ihnen sogar Spaß? Die meisten Typen, die durch unseren Flur gehen, sehen gut aus. Wäre ich am College, um guten Sex zu haben, würde ich mich vielleicht über so viel ›Besuch‹ freuen? Aber es nur zu tun, um bei dem Spiel der Kings genügend Punkte zu erhalten, verstößt gegen jedes meiner Prinzipien.
Ist es wirklich ein Unterschied, für wen du Sex hast?
Ja.
Definitiv ja.
Während ich in die Vorlesungen gegangen bin, gelernt, abends gekellnert und das Punktesystem ignoriert habe, ist um mich herum eine Art Blase entstanden. Das Starren hat nicht aufgehört. Es ist schlimmer geworden. Und ich muss ständig aufpassen, dass mir keines dieser Arschlöcher ein Bein stellt. Mich anrempelt. Lacht, wenn ich in einer Übung eine Frage stelle, oder mich als ›Hure‹ beleidigt, wenn ich an einem Labor teilnehme. Von allen bin ich vermutlich diejenige, auf die diese Bezeichnung am wenigsten zutrifft.
Das Mobbing zermürbt mich mehr, als ich zugeben will. Es sind die kleinen Dinge, die am Abend über mir zusammenbrechen. Mir fällt es mit jedem Tag schwerer, mich auf meine Vorlesungsinhalte zu konzentrieren. Niemand spricht mit mir außer Harper. Die anderen Stipendiatinnen halten sich fern, weil sie nicht verstehen, warum ich keine Punkte sammle. Bestimmt glauben sie, ich hielte mich für etwas Besseres.
Wie falsch sie liegen …
Eine Freundin, mit der ich in den Kursen zusammensitzen könnte, fehlt mir. Die Beleidigungen treffen mich. Das leise Zischen, wenn ich einen Raum betrete. Die Klebesticker an meinem Rucksack, die irgendjemand im Vorbeigehen befestigt.
Verschwinde .
Zu hässlich für das Spiel.
Unfickbar.
Ein noch viel größeres Problem ist, dass ich mich bisher nicht überwinden konnte, Reece’ Übung zu besuchen. Mir fehlen Inhalte, und ich weiß nicht, ob ich das Fach bestehen werde, wenn ich versuche, die Lücken im Alleingang zu füllen, und niemanden fragen kann. Ich fürchte mich davor, mich vor Reece zu setzen und ihn ansehen zu müssen. Mir bewusst werdend, dass er mich verarscht hat wie alle anderen.
Wenigstens begegne ich Sylvian und Jaxon auf dem Campus nicht.
Es ist ein täglicher Kampf, aber noch gewinne ich ihn. Das, was um mich herum geschieht, zu ignorieren, ist eine funktionierende Maßnahme. Fragt sich, wie lange ich das durchhalte.
Am Donnerstagabend, als ich auf dem Weg zum Crowns bin, um für meine Kollegin einzuspringen, die morgen eine wichtige Zwischenprüfung schreibt, fällt mir die ungewöhnlich große Gruppe auf, die sich auf dem Parkplatz versammelt hat. Weil ich bereits paranoid geworden bin, fürchte ich einen Moment lang, dass sie meinetwegen hier sind. Um einem neuen Streich gegen mich zuzusehen.
Doch nichts geschieht und ich betrete unbehelligt die Bar.
Drinnen ist jeder Platz belegt.
»Was ist los?«, frage ich Derby, der bereits im Akkord Bier zapft.
»Das ist hier jeden Donnerstag so. Sei froh, dass ich dir die anderen Tage zugeteilt habe.« Er drückt mir ein volles Tablett in die Hand. »Am Wochenende feiern die Kids ihre eigenen Partys in den Verbindungshäusern. Da sitzen hier nur die Außenseiter rum. Aber donnerstags rennen sie uns die Bude ein.« Er zwinkert. »Jetzt beeil dich.«
Nach einer halben Stunde fühle ich mich, als wäre ich gesprintet. Der Job als Kellnerin ist nicht zu vergleichen mit dem hinter der Bar. Im Flavor habe ich höchstens leere Gläser eingesammelt – nie volle getragen. Den VIP-Bereich durfte ich als unter Einundzwanzigjährige nicht betreten. Was ich als Glück erachtet habe, denn dorthin wurden reihenweise schwere Flaschen und Tabletts voller Cocktails gebracht.
Die vielen Biergläser im Akkord durch den Raum zu tragen fühlt sich anstrengender als meine sonstigen Schichten an. Völlig erschöpft gönne ich mir hinter der Theke eine kurze Pause und trinke ein Glas Leitungswasser. Wenigstens sind die Studenten von ihren ausgelassenen Gesprächen abgelenkt genug, dass mich kaum jemand ein zweites Mal ansieht. Sie registrieren mich, ja, aber sie ignorieren mich auch. Das ist sehr viel besser, als das Zentrum ihres Spottes zu sein.
»Gut, die hier bringst du ins Billardzimmer.«
»Ins Billardzimmer?«
Derby nickt zu einer unscheinbar wirkenden schwarzen Holztür, hinter der ich bisher eine Abstellkammer vermutet habe.
Er mustert mich, als würde er sich fragen, ob ich für die Aufgabe geeignet bin. Das kann nicht an den vier Getränken liegen, die er auf mein Tablett gestellt hat. Drei Gläser Whiskey und eine Cola. Der Whiskey ist nicht auf der Karte verzeichnet, weil er zu den Getränken gehört, die mit über dreißig Dollar verbucht werden und je nach Jahrgang im Preis schwanken.
»Was?«, frage ich ihn. »Traust du mir nicht zu, dass ich den teuren Whiskey ordentlich tragen kann? Ich bin gerade fast eine Stunde lang durch dieses Chaos gelaufen und habe nicht einen Tropfen verschüttet.«
Derby wirkt abwesend. »Na, ich will ma’ hoffen, dass du nix verschüttest. Geh jetzt.«
Ich rolle heimlich mit den Augen, nachdem ich mich abgewendet habe, und gehe auf die Holztür zu.
Dahinter erwartet mich ein schwarzer Vorhang, und noch bevor ich ihn beiseiteschiebe, strömt mir Zigarrenrauch entgegen. Ich erwarte, eine Reihe gut betuchter Professoren hinter dem Vorhang vorzufinden, und bete innerlich, dass ich niemanden von ihnen im Unterricht habe, als ich hindurchtrete und in den Rauchschwaden vier Poker spielende Gestalten ausmache.
Romeo bemerkt mich als Erster. Kaum sieht er auf, folgen ihm die anderen Blicke.
Es ist, als wäre ich ein Jahrhundert in der Zeit zurückgereist. Der Raum ist fast genauso groß wie der Gastraum, in den sich über fünfzig Studenten quetschen, und wirkt wie ein altes Herrenzimmer. Holzverzierungen an der Decke, Regale voll mit in Leder gebundenen Büchern an den Wänden, Sessel, deren Armlehnen breiter sind als die Sitzfläche. Teppiche mit orientalischen Mustern, Ölbilder, die Männer in altmodischen Fracks zeigen, und ein Billardtisch, der mit seinen goldenen Verzierungen nicht nur antik wirkt, sondern so teuer wie die restliche Einrichtung des Raumes zusammen.
Jaxon zieht an seiner Zigarre, bevor er sie vor sich auf dem Tisch ablegt. Genauso wie sein Pokerblatt. Seine Siegelringe blitzen mir entgegen und er trägt ein klassisches, wenn auch sehr locker geknöpftes Hemd. Reece sitzt ihm gegenüber. Statt einer Zigarre raucht er einen Joint und statt eines Anzugs trägt er ein Poloshirt und eine helle Hose. Ein wenig wirkt er wie ein Model, das auf den Titelbildern konservativer Zeitschriften abgedruckt wird, nur um einiges … heißer.
Romeo verschwindet hinter dem dichten Rauch. Seine Miene ist undurchschaubar und grau wie das letzte Mal, als ich ihm begegnet bin. Bleibt noch Sylvian.
Er hat sich nicht einmal ganz zu mir umgedreht. Er trägt wieder seine Lederjacke und eine Zigarette klemmt zwischen seinen Lippen. Er wirkt desinteressiert. Als würden wir uns überhaupt nicht kennen.
Aber wir kennen uns. Wir hatten Sex. Es scheint ewig her zu sein und doch erinnere ich mich an jede einzelne Sekunde.
Drei der Männer, die vor mir sitzen, habe ich bereits gespürt. Sie haben mich an sich gezogen, mich übermannt, mich kommen lassen oder beinahe kommen lassen, und genauso viele haben mich hintergangen. Reece hat dabei zugesehen, wie Jaxon mich betäubt hat. Und Romeo hat ihm dabei geholfen.
Sämtliche meiner Instinkte schreien ›Lauf!‹, aber wie soll ich Derby das erklären?
Sollte mir das nicht egal sein? Ich finde einen anderen Job. Irgendjemand in der Verwaltung kann bestimmt eine fleißige Studentin gebrauchen, die bereit ist, für einen Hungerlohn zu arbeiten.
»Wirst du die Getränke noch zum Tisch tragen oder sollen wir dir das Tablett an der Tür abnehmen, Dole ?« Jaxons rechter Mundwinkel zuckt.
Jetzt abzuhauen würde sie gewinnen lassen. Mir ist bewusst, dass ich mit dem Feuer spiele, aber ich verlasse mich darauf, dass Sylvian sein Wort gegenüber Harper hält. Auch wenn es naiv ist, das zu glauben. »Wer bekommt die Coke?«, frage ich und trete näher, den Blick auf die Mitte des Tisches gerichtet. Stapelweise Hundertdollarscheine liegen dort auf einem Haufen. Ein Vermögen. Und sie spielen darum, einfach so.
»Gib sie mir, Mable«, sagt Sylvian leise und sofort durchströmt mich Erleichterung. Er klingt nett. Furchtbar nett und ich fühle mich um einiges sicherer. Er wird mich beschützen, oder?
»Ihr seid schon per Du?«, fragt Jaxon ihn höhnisch und greift nach einem der Whiskeys von meinem Tablett. Sein arrogantes Lächeln lässt Wut durch meine Adern strömen, und ich zittere leicht, als ich die anderen Drinks serviere. »Was, Sylvian? Hast du sie nicht nur aus dem Wald gerettet, sondern sie dort auch gefickt?«
Sylvians Nackenmuskeln spannen sich an, aber auch Reece’ Miene bleibt unbewegt, als würde ihn die Vorstellung in irgendeiner Weise stören. Die Kings wissen nichts davon?
»Mein Blatt ist fantastisch«, sagt Reece kühl. »Können wir diese Runde beenden, ohne uns von einem wertlosen Charityprojekt ablenken zu lassen? Ich war gerade dabei, meinen Einsatz zu erhöhen.« Er schiebt ein paar Chips in die Mitte und würdigt mich keines Blickes. »Wer geht mit?«
Romeo bewegt ebenfalls seine Spielsteine in die Mitte und ich mache innerlich vor Wut bebend auf dem Absatz kehrt.
»Warte, Dole, du solltest meine nächste Bestellung …« Jaxon greift nach meinem Handgelenk und ich reagiere blitzschnell.
Er wagt es, mich zu berühren?
Er riskiert es, mir näher zu kommen, nach mir zu fassen?
Nach allem, was er mir angetan hat?
Ich denke nicht, ich handle. Es gibt nur wenige Dinge, die ich tun kann, um mich an ihm zu rächen. Blitzschnell habe ich nach der Cola gegriffen und sie ihm ins Gesicht geschüttet. Er prustet, lässt mich irritiert los, öffnet seine Augen und fixiert mich.
Was dann geschieht, ängstigt mich und ich weiche zwei Schritte zurück.
Alle Kings stehen gleichzeitig auf, so schnell und abrupt, dass zwei der Stühle zu Boden fallen, auf denen sie saßen.
Romeo, Sylvian, Reece und Jaxon.
Sie stehen vor mir, und jeder starrt mich an, als hätte ich ein riesiges Verbrechen begangen.
Ich gehe rückwärts zum Vorhang, doch Sylvian folgt und fasst nach mir, bevor ich fliehen kann. »Das war ein Fehler.«
»Sicher«, bringe ich hervor. »Wie kann Jaxon es wagen , mich anzurühren?«
»Hol einen Lappen«, befiehlt Sylvian. »Hol einen Lappen, sag Derby Bescheid und komm augenblicklich wieder.«
»Ich werde einen Teufel tun«, zische ich und versuche mich von ihm loszureißen.
Sylvian hält mich spielend leicht an Ort und Stelle. »Tu es oder du bist deinen Job hier sofort los.«
»Bastard«, murmle ich, befreie mich aus seinem sich lockernden Griff und verschwinde. Mir ist langsam klar, dass sie nicht mehr bluffen. Können diese Männer denn alles von mir verlangen, weil sie die Scheißkönige dieser Universität sind? Ich erkläre mich schnell haspelnd vor Derby, der gar nicht genau hinhört.
Als ich zurück ins Billardzimmer trete, steht Sylvian noch immer bei der Tür. Reece hat sich mit verschränkten Armen gegen den Tisch gelehnt und Jaxon auf die Lehne eines Sessels gesetzt. Romeo hat sich im Nebel des Raumes verborgen und steht bei einem der wandhohen Bücherregale.
Ich gehe mit wackeligen Knien auf den Tisch zu und wische die Lache der Coke von der Platte.
»Mich musst du reinigen, nicht den Tisch.« Jaxon herrscht mich selbstgefällig an.
Ich halte ihm den Lappen hin. »Hier.«
Er hebt eine Braue und ich beginne vor Wut zu schäumen. Mein klares Denken setzt aus, und es gibt nur noch einen Wunsch, der in mir vorherrscht: es ihm verdammt noch mal heimzuzahlen.
»Oh, hat der kleine Tyrell nicht gelernt, wie man sich sauber macht? Wirklich bedauernswert.«
Sein Feixen weitet sich und seine rechte Braue zuckt überrascht nach oben.
Ich trete vor ihn und säubere mit dem Lappen sein Hemd. »Einseitige Begabung gibt es häufig unter Spitzenstudenten. Sie können die genialsten Aufgaben lösen, aber für Dinge wie Körperhygiene sind sie einfach zu blöd. Ich wette, du hast jeden Tag jemanden, der dir dein Hemd bügelt, deine Socken bündelt und deine Hosen faltet, hm?«, rattere ich herunter und rubble über sein verdammtes Hemd. »Und vermutlich stehst du sogar drauf, wenn eine Kellnerin dich überschüttet, legst es darauf an. So ein Kontakt mit einem stinkenden Lappen, mit dem ich bereits zig Tische gesäubert habe, ist doch was Tolles, oder? Etwas ganz Außergewöhnliches.«
Jaxon lacht und umfasst wieder mein Handgelenk, dieses Mal so fest, dass ich keinerlei Möglichkeit habe, ihm meinen Arm zu entreißen. Seine eisblauen Augen blitzen hell auf. »Warum leckst du mir die Coke nicht aus dem Gesicht, das wäre um einiges hygienischer.«
In mir bricht ein Vulkan aus. »Leck dich selbst!« Ich werfe den Lappen auf den Tisch, fahre herum und reiße mich los. Zumindest versuche ich das. Statt mich gehen zu lassen, zerrt Jaxon mich an sich, so kraftvoll, dass ich gegen ihn stoße. Sofort ist auch sein zweiter Arm da, umschlingt mich und zieht meinen Rücken an seine steinharte Brust.
Jaxons Hand fährt über meinen Oberkörper bis zu meinem Nacken. Er hält mich gefangen, umfasst meine Kehle, drückt meinen Kopf zu sich nach hinten. Ein Rausch der Gefühle durchfährt mich, als wäre es nur wenige Stunden her, dass wir in der Limousine gesprochen haben.
Sein Gesicht nähert sich meinem Ohr. Atem kitzelt auf meiner empfindlichen Haut, bevor seine Lippen mein Ohrläppchen berühren.
Ich keuche, weil ein Hitzestrom durch meine Mitte jagt. Mein Körper verrät mich und verspannt in seinem Griff, als Jaxon mich auf unerbittliche Weise einkeilt. Vielleicht könnte ich mich befreien. Aber aus irgendeinem Grund ist mein Wille geschwächt … Ich stehe da wie in einer zugeschnappten Falle und warte auf das, was geschehen wird.
»Ich habe dir versprochen, dass ich mir etwas einfallen lasse, wie du dich gegenüber meiner Familie und der Stiftung, die dein Stipendium bezahlt, erkenntlich zeigen kannst«, raunt er an meinem Ohr. »Wenn es kein Sex sein soll – und ich glaube, er wäre bei Weitem nicht gut genug, um deine Schulden zu begleichen –, dann sei so gut und spiel wenigstens eine passable Kellnerin, ja? Mir Cola ins Gesicht zu schütten ist meines Wissens kein Ausdruck von Dankbarkeit.«
»Du hast es nicht anders verdient«, zische ich.
»Weil ich dich im Wald ausgesetzt habe wie ein Tier? Ich finde, du hast es verdient. So wie du dein Studium nicht verdienst. Und jetzt spielst du nicht mal mit, um dir wenigstens die Chance zu sichern, zu gewinnen.«
Jaxon fährt mit einer Hand in mein Haar und massiert mich. Die Berührung könnte so wohltuend sein, wäre er kein Arsch.
»Aber vielleicht willst du ja auch gar nicht gewinnen?«, fragt er mich züngelnd. »Vielleicht bist du gar nicht bereit dazu, für deinen Traum zu kämpfen wie die anderen. Du glaubst, du bist etwas Besseres. Aber ohne Spiel kein Sieg, meine Teure.«
Er lockert seine Griffe und ich mache mich von ihm los. Seine Art mir gegenüber lässt mich keinen klaren Gedanken fassen.
»Bist du fertig, Jaxon?«, fragt Reece gelangweilt, der auf seinem Stuhl kippelt und uns mit halb gesenkten Lidern betrachtet. »Lasst Dole doch endlich in Ruhe. Sie wird in ein paar Tagen an Halloween ausscheiden, also scheißt drauf. Wir warten seit zehn Minuten auf deinen Einsatz, Jax.«
Jaxon betrachtet mich mit einem zynischen Lächeln. »Ich gehe All In.«
Reece hebt eine Braue, bevor er sich vorbeugt und Jaxons Stapel in die Mitte zieht. »Sylvian?«
»Ich bin raus.« Sylvian geht zurück zu seinem Stuhl, wirft sein Blatt hin und nimmt die Dollarscheine, die vor seinem Platz lagen, an sich. »Spielt ohne mich weiter.«
»Wie bitte?«, fragt Jaxon ihn.
»Ich bringe Mable zurück ins Wohnheim.«
»Was?!« Reece starrt Sylvian an, als hätte er den Verstand verloren. »Was für einen verdammten Narren habt ihr alle an dem Bettelmädchen gefressen? Strömt ihre Pussy eine Droge aus, die ich nicht wahrnehme?«
»Du willst, dass sie ihren Job verliert?«, fragt Jaxon Sylvian interessiert.
»Romeo kann für sie einspringen«, antwortet Sylvian.
Ich versuche Romeo in den Schatten des Raumes auszumachen, doch ich erkenne nicht mehr von ihm als seine Umrisse.
»Danke, aber ich werde einfach weiterarbeiten«, erwidere ich. »Und Drinks könnt ihr ja an der Bar ordern.«
Sylvians Blick trifft mich hart. »Das war kein Angebot.«
»Sondern?«, frage ich verstört.
»Wir gehen. Jetzt.« Er wendet sich zur Tür.
»Warte, warte!« Reece ist wieder aufgestanden und stellt sich Sylvian in den Weg. »Ich bringe Dole nach Hause.«
Sylvian verzieht spöttisch eine Braue. »Ach ja?«
Reece überprüft seine Uhr. »Ja, definitiv. Weißt du, Sy, wenn es dir darum geht, dass deine Prinzessin einen netten Abendspaziergang hat, bin ich perfekt dafür geeignet. Im Gegensatz zu dir kann ich freundlich sein und benutze meinen Mund, um freundliche Dinge zu sagen.«
»Sie wird eher vor dir davonlaufen, Crescent, als sich von dir nach Hause bringen zu lassen«, spottet Jaxon.
»Na, Hauptsache sie kommt sicher an, oder?«, fragt Reece selbstgefällig.
Ich versuche Worte zu formulieren, die meinen Widerstand kundtun, als ich Jaxons Blick bemerke. Ein Flimmern entsteht in meinem Magen, während die Intensität seiner forschenden Augen mich berührt.
»Sie bleibt«, stellt er klar.
Sylvian und Reece wenden sich an ihn.
»Wir spielen darum, wer sie ›nach Hause bringen‹ darf«, sagt Jaxon höhnisch und zieht seinen Stuhl zurück. »Setz dich, Belle. Gewinnst du, erhältst du all das Geld aus dem Pott. Gewinnt einer von uns, wissen wir, wer die Ehre hat, dich zu begleiten.«
Mein Mund wird trocken, und ich weiß, dass ich eine solche Gelegenheit nicht verstreichen lassen darf. Es ist so viel Geld. Einfach so viel Geld …
»Warum zögerst du?«, fragt Jaxon und zeigt eines seiner freundlichsten Lächeln.
»Nein«, knurrt Sylvian und stellt sich vor mich. »Du hast im Pokern keine Chance gegen uns. Wir gehen.«
»Aber ich habe nichts zu verlieren, oder?«, frage ich ihn und ignoriere das kalte Aufleuchten seiner Augen.
Eine Warnung. Ich soll immer auf ihn hören. Auf ihn und Harper.
Aber hierbei geht es um ein Vermögen. Die Chance darauf, dass ich bis zu meinem Collegeabschluss nie wieder nebenbei arbeiten muss.
»Siehst du?«, fragt Jaxon in die Runde, meint aber Sylvian. »Sie will es doch. Sie will spielen. Ihr fehlten bisher nur die richtigen Gegner, habe ich recht?«
Ich ignoriere seine Worte, gehe an ihm vorbei und setze mich auf den Stuhl, den er mir anbietet. »Lasst uns das schnell hinter uns bringen, ich muss weiterarbeiten.« Ich versuche gar nicht erst, all das Geld zu zählen. Die Chance liegt bei eins zu drei, dass ich das beste Blatt habe und gewinne. Noch nie war ich näher dran, ein Vermögen anzuhäufen.
»Romeo?«
Romeo löst sich aus den Schatten und geht zur Tür.
»Keine Sorge, er springt für dich ein«, sagt Jaxon mit einem beruhigenden Lächeln, das ihn fast freundlich wirken lässt.
»Was soll Derby denken?«, frage ich nervös.
»Dass du etwas zu Hause vergessen hast und in einer Stunde wiederkommst«, entgegnet Jaxon feixend. »Romeo wird alles für dich klären, und Derby ist zu dumm, um Verdacht zu schöpfen.«
»Eine Stunde?!«, frage ich panisch. »Wir spielen eine Runde!«
»Wo bliebe da der Spaß?« Jaxon steht noch immer neben meinem Stuhl und legt eine Handvoll Jetons auf den Platz vor mir. Er stützt sich auf meine Lehne, und sein Körper ist so nah, dass ich die Energie spüre, die schon in der Limousine zwischen uns entstanden ist. »Wenn du keine Jetons mehr hast, hast du verloren.«
Er setzt sich neben mich auf Romeos Platz und nimmt das Geld aus der Mitte. Der riesige Stapel aus Bargeld wandert vor seinen Platz. Demnach muss er die Runde eben gewonnen haben.
»Wer gibt?«, fragt er.
Reece sieht mich gelangweilt an und verteilt die Karten.
Mein erstes Blatt ist schlecht und ich steige sofort aus.
Mein zweites ebenfalls.
Beim dritten Mal habe ich wenigstens ein Paar. Ich gehe mit und beobachte, wie die Kings reagieren. Sylvian sieht aus, als ob er den Tisch am liebsten zertrümmern würde. Er weicht meinem Blick aus, doch seine angespannten Muskeln verraten, dass er nicht glücklich darüber ist, mich dabei zu haben. Reece erwidert schamlos meinen Blick und wirkt überheblich, ganz anders, als ich ihn kennengelernt habe. Als hätte er zwei Gesichter.
Und Jaxon konzentriert sich allein auf seine Karten.
Wäre er kein Arschloch, hätte er mich nicht in einen Wettkampf verwickelt, den ich geflissentlich ignoriere, und wäre er nie auf die Idee gekommen, mich in einem Wald auszusetzen, würde ich es lieben, ihn zu beobachten.
Seine Körperspannung verrät nichts über seine Karten. Er behandelt mich wie eine gleichwertige Spielerin. Mit Respekt, mit Ruhe und Akzeptanz.
Es fällt mir schwer, in einem von ihnen zu lesen, und obwohl mein Blatt von Mal zu Mal besser wird, verliere ich. Enttäuscht sehe ich dabei zu, wie mein letzter Jeton zu Sylvian wandert. Er hat die meisten von meinen erspielt.
Kaum haben wir unsere Karten aufgedeckt, steht er auch schon auf. »Wir gehen«, knurrt er und sieht mich zum ersten Mal seit dem Spielbeginn an.
Ich atme tief durch und gebe mich geschlagen.
»Warte.« Jaxons Lächeln nagelt mich am Stuhl fest. Es ist nicht nur das Geld, das mich auf ihn hören lässt. Ich will ihre Runde einfach nicht verlassen. Auch wenn ich diesen Gedanken niemals zulassen dürfte.
Es sind Arschlöcher, Mable.
Spieler, die über deinen Collegeabschluss Wetten abschließen.
Denen du so viel bedeutest wie ein Staubkorn.
Jaxon beugt sich zu Reece’ und Sylvians Stapel und sammelt die Jetons wieder ein. Er legt sie erneut vor mich und in seinen blauen Augen blitzt es schalkhaft auf. »Noch eine Runde?«
»Der Gewinner bringt sie nach Hause«, erinnert Sylvian Jaxon mit einem drohenden Unterton. »Ich habe gewonnen.«
»Dagegen würde ich niemals etwas einwenden«, säuselt Jaxon und fixiert mich. Sein intensiver Blick auf mir lässt mich erröten. »Aber wir haben nicht vereinbart, wann.«
Meine Augen huschen zu Sylvian, der mich auf derart dunkle Weise ansieht, dass ich beinahe zusammenzucke.
»Wir spielen noch eine Runde, Belle«, schlägt Jaxon verführerisch vor. »Gewinnst du, erhältst du zusätzlich zu dem Gewinn fünfhundert Punkte in der Arena. Dann wirst du Halloween nicht rausfliegen.«
Sylvian setzt sich wieder, noch bevor ich etwas erwidert habe. »Bastard«, murmelt er und greift nach den Karten.
Jaxon lehnt sich zufrieden zurück und Reece wirkt mit jeder Minute genervter.
Nun bin ich noch nervöser. Die Spannung im Raum zwischen den Kings verdichtet sich zu pulsierender Energie. Und ich mitten unter ihnen. Wenn ich vorher mittelmäßig gespielt habe, spiele ich jetzt scheußlich. Unkonzentriert lasse ich meine Gedanken kreisen, achte weder auf das Pokerface der anderen noch auf meines. Viel zu fasziniert bin ich davon, wie Sylvians tätowierte Hände die Karten halten. Oder Jaxons beringte Hand die Karten mischt. Reece, der mich unaufhörlich studiert und mir einerseits das Gefühl gibt, ich wäre unerwünscht, und mich gleichzeitig an das zurückdenken lässt, was wir auf seinem Bett getan haben. Mir wird mit jeder Minute heißer, und ich bekomme gar nicht mit, dass ich gewinne.
Ich decke die Karten auf und bemerke erst in dem Moment, dass ich zwei Paare habe.
»Herzlichen Glückwunsch«, erwidert Jaxon und lächelt schief. »Interessant, Sylvian dabei zuzusehen, wie er alles dafür gibt, dass du gewinnst.«
Ich blicke scheu in Sylvians Gesicht, doch seine Miene bleibt undurchdringbar.
»Nimm das Geld und lass uns gehen.« Dieses Mal steht er nicht auf.
Und auch ich lasse mir Zeit damit, die vielen Dollarscheine zu ordnen. Tausend, zweitausend, dreitausend … Ich habe viertausend Dollar gewonnen. Einfach so.
Fuck.
»Willst du noch eine Chance?«, fragt Jaxon.
Ein Stöhnen von gegenüber und Reece, der seinen Stuhl nach dem Kippeln auf den Boden zurückstößt. »Ich gehe eine rauchen, ihr Penner.« Damit verschwindet er durch eine Seitentür.
Jetzt bin ich mit Sylvian und Jaxon allein. Anstatt dass mich ihre Anwesenheit dazu bringen würde, aufstehen und laufen zu wollen, fühle ich mich auf meinen Stuhl gepinnt. Es ist, als würden die beiden einen Kampf miteinander austragen, von dem ich nichts verstehe. Als wären sie Rivalen und gleichzeitig Verbündete, die sich jederzeit gegen mich stellen können.
»Wir werden jetzt gehen«, raunt Sylvian, während er Jaxon quer über den Tisch fixiert.
»Ich glaube nicht, dass sie gehen will, oder?«, fragt Jaxon selbstgefällig zurück.
»Sie ist nicht dumm. Sie weiß, dass sie nur gewinnt, wenn wir sie gewinnen lassen wollen.«
»Oh, wie im echten Leben, nicht wahr?« Jaxon lässt seine Hände auf dem Tisch Klavier spielen. Er wäre bestimmt ein begnadeter Pianist. »Weitere fünfhundert Punkte, Silvano? Komm schon, dann ist sie ganz sicher an Halloween eine Runde weiter.«
Sylvian verzieht die Lippen. Ein wenig erinnert mich seine Regung an das Zähnefletschen eines Raubtiers.
»Wenn du verlierst, Belle …« Jaxon neigt den Kopf in meine Richtung. Allein sein Blick lässt mich ungeahnt heiß werden. »Darf der Gewinner dich lecken.«
Ich weite die Augen. Hitze wallt in mir auf, löscht jeden klaren Gedanken. Es ist, als hätte Jaxon mit nur einem Satz die Temperatur im Raum um ein Vielfaches hochgedreht. Ich sollte ihn auslachen, ihm sagen, wie wenig ich von seinem perversen Vorschlag halte, aber ich kann nur daran denken, was passieren wird, wenn ich verliere.
Wenn mich Sylvian zwischen meinen Schenkeln küssen würde.
Oder er.
Nichts auf der Welt würde mich diese Chance verstreichen lassen. Die Aussicht darauf, weiteres Geld zu gewinnen? Und im Falle, dass ich verliere, von einem von ihnen oral verwöhnt zu werden? Win-win. Oder?
»Jetzt fragt sie gleich wieder, wo der Haken ist«, sagt Jaxon lachend und neigt den Kopf. »Bist du dabei, Silvano?«
»Ich werde dich bis auf deinen letzten Dollar abfucken, Tyrell«, knurrt Sylvian, und ich frage mich plötzlich, ob sie überhaupt Freunde sind. Woraus besteht die Verbindung der Kings untereinander? Sind sie sich einig? Oder hassen sie sich eigentlich? Ist das einer der Gründe, weshalb sie mit den Stipendiatinnen spielen? Wollen sie es sich untereinander beweisen? Oder lasse ich mich von allem täuschen, und nichts ist, wie es wirklich scheint?
Reece kommt zurück und schlendert locker auf unseren Tisch zu. Er setzt sich mir wieder gegenüber und strahlt mich an. Alles an ihm scheint verändert, als käme er frisch aus der Dusche. »Immer noch da, Mable? Wollte Sylvian dich nicht längst nach Hause schleifen?«
»Ich musste Sylvian nur einen Anreiz geben, verlieren zu wollen, damit Amabelle Punkte bekommt.« Jaxon teilt die Karten aus.
»Ah«, sagt Reece.
Wir spielen, und ich habe das Gefühl, die Runde zieht sich. Die drei Männer tun Dinge, die ich nicht verstehe. Poker ist nicht mein Spiel, aber ich kenne die Regeln. Ich mag Spiele, bei denen es rein aufs Können und nicht aufs Glück ankommt. Vermutlich kommt es beim Pokern auch mehr aufs Können als auf alles andere an, nur kann ich es nicht.
Die Männer zocken, und ich gewinne manchmal, verliere wieder, ohne zu wissen, was ich tue.
Schließlich habe ich nur noch zwei Jetons und Sylvians Kieferpartie hat sich deutlich verhärtet. Reece gewinnt mehrmals in Folge, aber auch Jaxon streicht immer wieder den Pott ein.
Als ich überlege, ob ich meinen letzten Jeton spielen soll – ich habe einen Drilling –, sehe ich zu Sylvian. Ich glaube mittlerweile, dass er versucht, für mich zu gewinnen. Er nickt leicht. Es ist der winzige Hauch einer Geste, aber ich bemerke sie.
Also gehe ich mit.
Die letzte Karte wird aufgedeckt, und ich kann nichts dagegen tun, dass ich lächeln muss. Wieder ein Blick zu Sylvian und er verdreht die Augen. Da ich einen Vierling, aber keinen Jeton mehr habe, gehe ich mit echtem Geld mit. Sylvian und Reece bleiben im Spiel. Beide beobachten mich genau, und ich überlege, ob ich All In gehen sollte, kurz bevor Reece es tut.
Mit einem weiten Grinsen schiebt er sämtliche Jetons und Dollars, die vor seinem Platz liegen, in die Mitte.
Ich starre ihn an. Wie gut kann seine Hand schon sein, wenn ich einen Vierling habe?
Verunsichert sehe ich auf mein Geld. Wenn ich es einsetze, verliere ich alles, sollte Reece die besseren Karten haben.
Ich kann es nicht tun. Wieder ein Blick zu Sylvian. Er regt sich nicht, aber ich glaube zu verstehen, dass er will, dass ich mitgehe. Vielleicht, weil er dabei zusehen will , wie ich all das Geld verliere? Kann ich ihm vertrauen?
Ich beiße mir auf die Unterlippe und steige aus und Reece lacht zufrieden auf.
»Er hat verdammt noch mal geblufft, Mable«, knurrt Sylvian und greift nach Reece’ Karten, um sie aufzudecken. Reece hat nicht mal ein Paar.
»Und was hatte sie? Den Vierling?«, fragt Reece interessiert.
Ich schäme mich, dass ich auf Reece’ Bluff hereingefallen bin. Es hat nicht viel gefehlt und ich hätte den gesamten Pot und Reece’ gesamtes Geld gewonnen. Bitterkeit legt sich auf meine Zunge.
»Was für ein dummes Spiel«, murmle ich und setze mich enttäuscht zurück.
»Man kann in deinem Gesicht lesen wie in einem offenen Buch, Belle«, erklärt Jaxon freundlich, als hätte er ein echtes Interesse daran, dass ich das Spiel lerne. »Wir alle erraten dein Blatt, bevor du selbst es durchgerechnet hast. Aber du hast ja nicht wirklich verloren, oder?« Seine Stimme erhält einen anzüglichen Tonfall.
Schnell zähle ich, wer von den Männern die meisten Jetons hat.
Reece.
Sein rechter Mundwinkel zuckt und er stößt seinen Stuhl zurück. »Ich gebe dir etwas von meinem Gewinn ab für jedes Mal, wenn du unter meiner Zunge kommst.«
Meine Wangen werden furchtbar heiß, und ich wünschte, ich hätte bei diesem dämlichen Spiel niemals mitgespielt. Kein Alkohol. Kein Opium. Nicht einmal Wut, die mich berauschen könnte. Das, was auf seiner Party geschehen ist, scheint ewig her. Und wir waren allein. Das mit Jaxon in der Limousine ging nicht besonders weit. Und als Sylvian und ich im Wald waren, war es … passierte es weit weg vom Campus und meinem normalen Alltag. Aber hier arbeite ich. Derby könnte jederzeit hereinkommen.
Und mit mir sind drei Männer in einem Raum. Ohne es bewusst zu steuern, beiße ich mir in die Wangen, als ich aufstehe.
Es wird dir gefallen, Mable.
Ganz sicher.
Es ist kein Verlust. Du kannst nichts verlieren. Absolut nichts.
Ich gehe um den Tisch herum und bleibe vor Reece stehen. Meine Finger sind schwitzig geworden und ich fühle mich im Vergleich zu seinem hinreißenden Äußeren unzulänglich und klein.
»Entspann dich, Belle.« Jaxon ist dicht neben mich getreten, eine Hand an meiner Schulter, die zärtlich auf meinem Nacken spielt. »Du weißt doch schon, dass es dir gefallen wird, oder?«
Verunsichert drehe ich mich zu Sylvian um, der mit erstarrter Miene dasitzt und wirkt, als wäre er kurz davor, zu explodieren.
»Mach dir keine Gedanken um ihn«, raunt Jaxon leise. »Sylvian wird jede einzelne Sekunde von dem genießen, was gleich passiert.«
Das kann ich mir nicht vorstellen, aber ich tue es auch nicht für ihn. Ich tue es, weil ich neugierig bin. Weil Reece schon einmal bewiesen hat, wie talentiert er mit seiner Zunge ist.
Er schiebt seinen Stuhl vor mich und öffnet den Knopf meiner Jeans.
Allein seine Finger auf meiner Haut und Jaxons Hand, die durch meinen Nacken streicht, lassen mich zischend einatmen.
Langsam zieht er meine Jeans nach unten. Wie ein Liebhaber, gefühlvoll und behutsam. Nur dass wir nicht allein sind. Dass wir beobachtet werden. Dass es eine Spielschuld ist, die ich begleiche.
Ich schlüpfe aus meiner Jeans und er fasst nach meinem Slip. Mein Atem rauscht dahin, als seine Finger zärtlich über meine Hüfte tanzen. Tiefer und tiefer schiebt er den Stoff, bis über meine Knie hinaus. Auch aus dem Slip schlüpfe ich und er rückt noch näher.
Ich schließe die Augen, als ein Stromschlag von seiner Zunge ausgehend meinen Körper durchfährt. Er taucht zwischen meine Schamlippen ein und meine Beine beginnen zu zittern.
Jaxons körperliche Präsenz und das Wissen, dass Sylvian uns beobachtet, lässt meine Erregung mit einem Mal übermäßig werden. Reece’ Zunge taucht tiefer und stößt gefühlvoll gegen meine Perle.
Ich seufze und lasse mich in Jaxons Griff fallen, der meinen Nacken stützt. Sinnlich öffne ich die Lippen, weil ich fast schon erwarte, dass er mich küsst.
Reece atmet scharf den Duft meiner Scham ein und presst seine Zunge noch tiefer. Dann packt er mich plötzlich, greift fest in meinen Po und stemmt mich auf den Pokertisch. Wieder zieht er seinen Stuhl heran und spreizt meine Beine.
Meine Augenlider flimmern und dann sehe ich sie. Sie beide. Reece vor meinem Schoß und Jaxon, der mich beobachtet.
Ich kann gar nicht sagen, wie sehr ich mich danach sehne, dass Jaxon mehr von mir berührt. Während Reece seine Zunge tief durch mich hindurchgleiten lässt, will ich Jaxon gleichermaßen spüren. Ich würde alles tun, nur um ihm näher zu sein.
Und gleichzeitig halte ich mich zurück. Ich darf ihn nicht gewinnen lassen, ihm das Gefühl geben, ich könnte jemals vergessen, was für ein riesiges Arschloch er ist. Reece leckt mich immer gezielter, und bevor ich überhaupt darüber nachdenken kann, dass es passiert, spüre ich die Welle in mir.
Jaxon umfasst fest meinen Nacken, als ich komme. Viel zu schnell und bedingungslos. Ich stöhne auf und zucke dann zusammen, als Reece Abstand nimmt. Meinen Orgasmus mehr oder weniger unterbricht.
Fast hätte ich nach ihm getreten, weil das unbefriedigte Pochen in meiner Klit schlimmer als alle Wut ist, die ich je für die Kings empfunden habe.
Reece’ Augen strahlen, und er wirkt ganz wie der Mann, den ich bei meiner Einführungsveranstaltung zum ersten Mal gesehen habe. Locker, gelöst und wahnsinnig fürsorglich.
»Mach die Augen zu«, raunt er. Ich starre ihn an. Das kann er nicht verlangen. Ich kann nicht noch mehr Kontrolle abgeben.
»Hör auf ihn, Dole«, murmelt Jaxon und legt mir seine Hand aufs Gesicht. Das Gefühl seiner Finger entspannt mich und ich lasse es zu.
Für ein paar quälende Sekunden geschieht nichts. Ich höre nur meinen lauten Atem, spüre, dass jemand sich bewegt. Angst paart sich mit Scham. Was tue ich hier eigentlich?
Erleichterung durchströmt mich, als ich Reece wieder zwischen meinen Schenkeln spüre. Er schiebt seinen Stuhl noch näher heran, spreizt meine Beine weiter und schiebt seine Zunge tief in meinen Spalt, als hätte er sich nie unterbrochen.
Ich keuche und kralle mich am Tisch fest. Doch Jaxon zieht mich plötzlich zurück. Seinem Druck folgend bette ich mich auf die Tischplatte, Reece richtet sich auf. Er hält meine Schenkel in der Hand, leckt mich wild und stimuliert mit der Zunge meine Klit, während ich hemmungslos stöhne.
Ich drehe den Kopf und sehe Sylvian dasitzen. Seine Miene ist dunkel, und ich zucke zusammen, als sein Blick mich trifft. Er hasst mich. Er hasst mich, weil ich all das zulasse, es genieße, verdorben bin und nicht auf ihn gehört habe. Mir wird klar, dass ich mich auch hassen sollte.
Jedem kann ich verfallen. Nur nicht ihnen.
»Es tut mir leid«, wispere ich und er reißt die Augen auf.
»Gefällt es dir nicht?«, fragt er leise.
»Doch, aber …«
Sylvian schüttelt den Kopf, warnend, und ich verstumme.
»Was?«, fragt Jaxon laut, der neben dem Tisch steht und mir lüstern zugesehen hat. »Wofür hat sie sich gerade bei dir entschuldigt, Sy?«
Die Stimmung zwischen den Männern verändert sich und Reece nimmt seinen Kopf leicht zurück.
»Wofür hat sich Amabelle entschuldigt?«, fragt Jaxon kühl über meinen Kopf hinweg. Auch Sylvian hat sich aufgerichtet, starrt jetzt ebenfalls auf mich hinunter. Dann ist da noch Reece. Er seufzt tief, bevor er mir einen Kuss auf die Scham haucht und sich ebenfalls erhebt.
»Dole«, sagt er ruhig und ich sehe ihn an. »Lass dich nicht in ihr Spiel verwickeln. Wir haben Spaß. Nichts weiter. Und du kannst jedem von uns vertrauen, jedem einzelnen von uns , dass wir nie etwas tun würden, was du nicht willst.« Er überlegt kurz. »Zumindest nicht, solange du nackt bist und es um Sex geht.«
»Bullshit«, knurrt Sylvian und macht einen Schritt auf Reece zu.
Jaxon streckt den Arm aus. »Sylvian, gibt es irgendetwas, das du uns sagen willst?«
Sylvians Nasenflügel blähen sich auf, weil er so gepresst atmet. »Ich bringe sie jetzt nach Hause.«
»Nein.« Jaxons Stimme ist scharf. »Du wirst dich hinsetzen. Und du wirst zusehen. Amabelle hat eine Wettschuld zu erfüllen. Wenn du es nicht genießen kannst, was ich mir nicht vorstellen kann, denn dann hättest du Crescent längst umgelegt, halt einfach die Klappe und warte ab.«
Ich will vom Tisch rutschen, doch sofort schnellen mehrere Hände vor.
Reece hält mit einem süffisanten Lächeln meine Schenkel fest und Jaxon drückt auf meine Schulter.
»Was ist im Wald wirklich vorgefallen?« Jaxons Stimme ist ein Peitschenhieb.
Sylvian mahlt mit dem Kiefer. »Wäre etwas passiert, wüsstest du es, oder?«
»Du lügst. Ich kenne dein verdammtes Pokerface. Warum stellst du sie über mich, mein Freund?«, fragt Jaxon leise. »Warum lügst du ausgerechnet mich an, um sie zu beschützen?« Irritiert sehe ich zu Sylvian. Obwohl ich weiß, dass sie über mich reden, als wäre ich wertlos, spüre ich die Spannung in der Luft. Hat Sylvian sich meinetwegen gegen Jaxon gestellt? »Warum vertraust du mir nicht mehr?«
»Ich vertraue dir!«, zischt Sylvian, und seine Wut schlägt mir entgegen, obwohl sie an Jaxon gerichtet ist. »Ich vertraue mir nicht, du verdammter Bastard. Wann wirst du endlich verstehen, dass ich nicht in die verdammten Fußstapfen meines Vaters treten will, nur weil das für dich so gut zu funktionieren scheint?!«
»Lass meinen Vater aus dem Spiel.«
»Hey, Jungs, Mable ist immer noch anwesend«, schaltet Reece sich locker ein. Sie halten mich weiterhin fest, und es bringt nichts, wenn ich mich in ihren Griffen winde. Selbst Jaxon, der sich offenkundig auf Sylvian konzentriert, drückt meine Schultern weiter spielend auf den Pokertisch.
»Du bist wie er, Jax«, raunt Sylvian. »Du magst sie, behandelst sie aber wie jemand, der sie hasst. Genau wie dein Vater.«
In Jaxons Augen tritt ein verzweifelter Sturm aus Emotionen. Ich will fast eine Hand nach ihm ausstrecken, um ihm Trost zu spenden, bis mir wieder einfällt, dass er mich halb nackt auf einem Pokertisch gefangen hält.
»Ich habe mich verändert«, fügt Sylvian an. »Versuch du es auch mal. Sonst wird das Spiel nie enden.«
Das Spiel? Warum müssen sich diese Typen immer so kryptisch ausdrücken?
Verzweifelt blicke ich zwischen ihren Gesichtern hin und her. Jaxons Miene ist die erste, die sich klärt.
»Du hast recht«, sagt er schließlich nach ein paar weiteren Sekunden Stille und lässt mich los. »Wenn sie gehen will, soll sie gehen.«
»Nein«, knurrt Reece. Seine Stimme, wenn er seinen Willen durchsetzen will, ist genauso animalisch wie die der anderen Kings. Er packt mich und senkt seinen Mund wieder auf meinen Schritt. Ich werfe ungewollt meinen Kopf zurück, bäume mich auf, als er zu seiner Zunge, die gezielt an meiner Perle saugt, auch zwei Finger in mich schiebt.
Natürlich bin ich nass.
Wie könnte ich es auch nicht sein?
Ich bin so feucht und willig, dass es mich nicht wundern würde, wenn mein Körper sich jedem von ihnen hingeben würde.
Meine Hände versuchen Halt zu finden, um Reece’ Stimulation körperlich etwas entgegensetzen zu können, und vergraben sich in den Dollarscheinen und Jetons auf dem Tisch. Ich liege auf Geld gebettet. Werde von einem der schönsten Männer der Welt geleckt.
So etwas kann mir nur am College passieren.
Nur in Kingston.
»Siehst du, Sylvian? Ihr gefällt es. Du kannst nicht wirklich sagen, dass du ihr das nehmen willst.«
Ich reiße die Augen auf, sehe erst in Jaxons, dann in Sylvians Gesicht, die mich beide mit purer Gier in den Mienen betrachten. Mein Atem stockt, als mir bewusst wird, wie verdorben all das ist, was gerade geschieht. Wie begehrt ich mich fühle, weil sie mich betrachten, als wäre ich das wirklich.
Begehrenswert.
Reece spreizt meine Beine noch weiter, verteilt die süßesten Zungenstriche auf meiner pulsierenden Perle und ich spüre die Erlösung in mir aufbranden wie eine Welle der ungebändigten Lust.
»Sieh mich an!«
Sofort gehorche ich und sehe auf in Jaxons Augen. Lasse mich von seinem stechenden Blick infiltrieren, mich gefangen nehmen, so lange, bis mein Körper der Spannung erliegt. Meine Lider schließen sich von selbst, ich greife blind nach links, umfasse eine Hand – es muss Sylvians sein –, kralle mich daran fest und stöhne laut.
In diesen wenigen Sekunden. Die sich wie eine Ewigkeit anfühlen. Gebe ich mich einfach hin. Lasse all die dunkle Lust zu, die ich schon immer empfunden habe, und seitdem ich die Kings kenne, erst recht. Es scheint, als wäre alles wahr geworden. Meine heimlichsten Träume, meine wildesten Fantasien.
Der Orgasmus treibt mich davon, während Reece mich stürmisch mit seiner Zunge fickt, alles von mir leckt, was ich ihm gebe, und dann atme ich nur noch.
Sehe an die Decke.
Spüre diese Hand in meiner.
Und ich möchte nicht, dass es endet.
Niemals.
Ein Stuhl, der sich über den Boden bewegt, und ich komme langsam zu mir. Die beiden Kings haben Abstand genommen, nur Sylvian sitzt noch neben mir, weil ich ihn weiterhin festhalte. Reece und Jaxon murmeln etwas, sehen mich an, als wäre ich ihnen fremd.
Schnell schließe ich meine Beine, rutsche vom Tisch und hebe meine Hose auf.
Während ich mich anziehe, spüre ich sie alle auf mir. Die einzelnen Blicke.
Was denken sie nun über mich? Dass ich eine Schlampe bin, weil ich meiner Lust nachgegeben habe? Oder dass ich es nur für eine Wettschuld tat?
Ich bin mir sicher, es ist etwas Fieses, und ich spüre den Wunsch in mir aufkommen, so schnell wie möglich verschwinden zu können.
»Belle.«
Schüchtern drehe ich den Kopf in Jaxons Richtung. Mein Zopf hat sich gelöst und meine langen Haare fallen mir ins Gesicht. Reece sieht aus, als hätte ich ihn vollends geschockt, und ich traue mich nicht, ihn direkt anzusehen.
»Du musst nicht gehen.«
Ich schlucke hart.
»Wir könnten noch eine Weile spielen«, sagt Jaxon freundlich. »Spaß haben. Ich kann dir Poker beibringen.«
Sylvian stößt seinen Stuhl zurück und stellt sich mir in den Weg. »Wir gehen. Endgültig.«
Jaxon lacht, und ich bin froh, dass Sylvian mir eine Flucht ermöglicht. Das Geld, das ich gewonnen habe, stecke ich ein und wende mich ab.
»Denk dran, Belle. Wenn du dir die nächsten fünfhundert Punkte sichern willst«, ruft Jaxon mir hinterher, »wir sind jeden Donnerstagabend hier.«
Ich beiße mir auf die Zunge, lasse zu, dass Sylvian mich packt, und werde von ihm nach draußen geschleift.
»Was ist mit Derby?«
»Romeo wird es erklären.«
»Wie kann Romeo etwas zu meinem Job sagen?«
Sylvian bugsiert mich durch die Seitentür, hinter der der Parkplatz liegt. Mir ist nie aufgefallen, dass das Crowns doppelt so groß ist wie der Schankraum. »Derby ist ein Angestellter wie du. Wem gehört die Bar wohl wirklich?«
Ich starre ihn an. Dann blicke ich zurück auf das verschlungene C im Logo des Crowns . Darunter, klein und unscheinbar, befindet sich ein Alpha-Zeichen. »Die Bar gehört der Alpha-Rex-Verbindung?«
Sylvian antwortet nicht. Er lässt mich erst los, als wir vor einem schwarzen Wagen angekommen sind. Der Aston Martin wirkt fast zu schlicht, um zu einem Kingston-Studenten zu gehören.
»Steig ein.«
Ich gehorche und wünschte, ich könne die paar Minuten einfach zu Fuß laufen. Aber das war nicht der Deal meines Wetteinsatzes, richtig?
Sylvian fährt langsamer als das letzte Mal, aber er wirkt dafür ein ganzes Stück angespannter. Da seine Reaktion etwas mit irgendwelchen Absprachen unter den Kings zu tun zu haben scheint, über die ich sowieso nie den Überblick bekommen werde, hake ich nicht nach.
Soll er sich doch aufregen.
Mir alles egal.
Ich will in mein Bett. Ich will nach Hause. Ich will nicht mehr daran denken müssen, wie himmlisch es zwischen ihnen war. Und dass ich zu viel zugelassen habe. Viel zu viel. Vor allem zu viele Gefühle.
»Warum er?« Sylvian spricht gepresst. Seine Nackenmuskeln arbeiten, und eigentlich fühle ich mich wohler, wenn wir schweigen, bevor er noch vor unterdrückter Wut das Lenkrad verreißt.
»Hm?«, frage ich abwesend.
»Reece«, knurrt er. »Was ist er für dich? Er behandelt dich wie Dreck. Fickt jeden Tag eine andere. Und sein vorgegaukelter Charme ist zum Kotzen.«
Ich verschränke die Arme vor der Brust. Ist Sylvian eifersüchtig? »Wenigstens hat er mir bisher noch nicht gedroht, mein Blut abgeleckt oder mich in einem Wald ausgesetzt. Mich dort gevögelt, mich dann wie Luft behandelt, mich dazu gebracht, meine Freundin anzulügen, und hey, er hat auch aus meinem Unialltag keine Arena gemacht.«
Sylvian schlägt wütend eine Faust aufs Lenkrad. Sein Atem ist laut, und ich habe Angst, dass er einen Unfall baut, wenn ich etwas Falsches sage, also schwöre ich mir, die Klappe zu halten. »Ich habe ja auch nie gesagt, dass Jaxon und ich besser sind. Die fucking Arena war eine Idee von mir, damit du relativ einfach gewinnen kannst. Wenn du nur jede Woche eine Hausarbeit schreiben würdest …«
»Dann was?«, wage ich zu fragen. »Dann hätte ich noch immer nicht genügend Punkte, um gegen Rachel und Lien zu bestehen, die den halben Campus vögeln!«
Sein Atem ist laut wie der eines hungernden Wolfes. »Ich habe dir gesagt, dass du dich fernhalten sollst. Und was tust du?! Du lässt dich von Crescent lecken, als wäre er nicht fucking Reece Crescent und eines der größten Assholes, die ich kenne!«
»Tut mir leid, wenn du ein Problem damit hast, mich zu teilen!«, rufe ich wütend zurück und er bremst ab.
Mitten auf der Straße hält er und sieht mich an. In dem Dschungel seiner Augen finde ich viel, aber keine Eifersucht. »Du checkst es einfach nicht.«
Ich balle die Fäuste. »Hör auf, von oben herab mit mir zu reden.«
Sylvian umschließt mit der einen Hand das Lenkrad, mit der anderen meine Lehne, um mich offen ansehen zu können. Seine Miene ist unergründlich. Wunderschön, düster und unergründlich. »Ich habe kein Problem damit, dich zu teilen. Wie kommst du überhaupt darauf? Ich hätte dich gerade quer über den Billardtisch ficken können, egal wie nass deine Pussy von Crescents Lippen auch gewesen wäre. Und genau das ist das Problem. Denn keine, die jemals mit uns zusammen war, ist heute noch … hat jemals wieder … Du weißt nicht, was du dir damit antust.« Er stockt gequält. »Spiel einfach verdammt noch mal mit«, zischt er. »Weißt du, wie riskant es für mich war, Jaxon davon zu überzeugen, die verschissenen Regeln anzupassen? Ich habe alles riskiert, um dich zu beschützen. Mein eigenes Studium steht auf dem Spiel. Und du hörst im Gegenzug nicht auf, deinen Körper als Einsatz beim Pokern zu verhökern, als wärst du eine billige Hure?!«
»Ich bin keine Hure, nur weil ich Spaß habe!«, schreie ich ihn an.
Er dreht den Kopf wieder nach vorn, fährt an und konzentriert sich auf die Straße. »Du verstehst das nicht.« Seine Stimme ist nun wesentlich ruhiger. »Ich habe nie gesagt, dass du eine bist. Ich würde dir das alles abnehmen, wärst du eine. Wärst du gerissen, kaltherzig, billig und einzig auf dein Ziel aus. Aber du versuchst so zu tun, als könntest du Sex ohne … Gefühle haben. Dabei ist das einfach nicht dein Ding. Sag mir, wenn ich falschliege: Hast du auch nur ein einziges Mal darüber nachgedacht, wie es wäre, wenn Reece ganz dir gehören würde? Oder Jax? Oder ich
Ich beiße mir auf die Unterlippe und sehe zur anderen Seite des Fensters hinaus.
»Eine kluge Frau würde so etwas nicht denken. Sie würde, sobald sie so etwas denkt, aufhören. Du musst aufhören, Mable.«
»Ich weiß nicht wie!«, stoße ich aus und wünschte, ich hätte ihm damit nicht mein Innerstes offenbart. Es ist falsch, den Kings zu zeigen, wie sehr sie meine Gedanken bereits infiltriert haben, oder? Falsch und dumm.
Sylvians Knöchel treten weiß hervor, so hart hat er die Fäuste ums Lenkrad geschlossen. Als er vor meinem Wohnheim hält und mit aussteigt, bekomme ich Panik.
»Ich kann allein laufen! Was ist, wenn Harper uns sieht?«, frage ich flüsternd, als er mir die Tür öffnet.
»Was geht es mich an, was sie denkt.« Er öffnet mir die Tür und geht neben mir her.
»Sie ist meine Freundin, Sylvian.«
»Du verhältst dich nicht wie eine.«
Ich bleibe stehen und starre ihn an. Was er sagt, tut weh, aber er hat recht. Ich habe das alles selbst provoziert. Ich habe zugelassen, dass um Oralsex mit mir gezockt wird, weil ich es bei jedem von ihnen genossen hätte.
Sylvian geht unbeirrt weiter und ich laufe ihm gezwungenermaßen hinterher.
Kaum habe ich meine Zimmertür aufgeschlossen, schiebt er mich hindurch. Er schaltet das Licht ein, lässt die Rollläden herunter und baut sich vor mir auf.
»Letzte Warnung.«
Ich stemme die Hände in die Hüften. »Ja, ich halte mich von Reece und Jaxon fern, schon klar! Nur leider kannst du nicht über mich bestimmen, und ich bin in der Lage, meine eigenen Entscheidungen zu treffen.«
Er lacht kalt. »Das bezweifle ich stark. Wenn ich noch einmal mitbekomme, wie einer der Kings zwischen deine Beine sinkt …«
»Ja, was dann?«, unterbreche ich ihn herausfordernd.
Er sieht mich an, die Augen dunkel wie die Nacht, und hüllt uns in Schweigen.
Dann tritt er auf mich zu. Ohne Vorwarnung legt er seine Hände um meinen Hals und zieht mich an sich. Seine Zunge schiebt sich zwischen meine Lippen und er verschlingt meinen Mund.
An diesem Kuss ist alles wild und rau und typisch er, und ich vergesse für einen Moment, was war. Alles, was er gesagt hat, und lasse den Sturm aus Gefühlen zu.
Er drängt mich gegen die Tür. Hart komme ich mit dem Kopf auf dem Holz auf. Seine Hände gleiten fordernd unter mein Shirt und er küsst mich drängend und ausgehungert wie ein Tier.
Seine Gürtelschnalle löst sich, vielleicht finden meine Hände sehnsuchtsvoll unter seine Jacke. Ich würde ihn so gerne spüren. Ihn so gerne haben. Alles vergessen, was uns je im Weg stehen könnte, vor allem unseren Streit oder dass er mich nach unserem Sex wochenlang ignoriert hat.
Aber ich kann nicht.
»Nein«, keuche ich und schiebe ihn von mir.
Er lässt seine Hände sinken und sieht mich noch stürmischer an als zuvor. Als wäre er gar nicht in der Lage, aufzuhören, und täte es nur, weil er neugierig ist, was ich sage. Als würde er mich notfalls zwingen. Da ist keine Wärme mehr. Kein Gefühl.
Nur noch raue Dominanz und bedrohliche Dunkelheit.
»Ich kann das Harper nicht antun«, murmle ich und trete zur Seite. Mit einer Hand öffne ich den Knauf meiner Tür. »Danke fürs Nach-Hause-Bringen. Gute Nacht.«
Er gibt einen Laut von sich, der mit viel Fantasie ein Lachen sein könnte. »Sobald sie erfährt, dass ich dich auch nur nackt gesehen habe, wird eure ›Freundschaft‹ für immer vorbei sein. Gute Nacht, Amabelle.« Er greift nach der Türklinke und zieht sie donnernd hinter sich zu.
Amabelle. Aus seinem Mund klingt mein Name streng und emotionslos. So, wie mein Vater mich gerufen hat. Zumindest glaube ich das. Ein Vater, an den ich mich kaum erinnere. Vielleicht ist es besser, dass es bisher nie einen Mann in meinem Leben gab. Ob Freund, Partner oder Vater.
Ich kann absolut nicht mit ihnen umgehen.