Vergnügt pfiff Linnea durch die Zähne, als sich Cassy wieder aus dem Staub gemacht hatte – vermutlich sogar auf den Heimweg, oder besser gesagt, auf dem Weg zu Mr. Lawson. Die Beziehung der Beiden war inzwischen ein running gag in Hollywood. Dass sich die offizielle Freundin eines Studiobosses weigerte, Rollen in Produktionen anzunehmen, in denen er finanziell mitmischte, war eine derart heftige Antithese zum Hollywood Klischee, dass man ihr direkt dankbar sein musste.
Aber egal, sie hatte diese eigentlich sterbenslangweilige Hollywood Party, dieses Pflichtprogramm für Crew & Bosse, mit einem produktiven Meeting verbinden können – und zwei erstklassigen Long Island Ice Tea, deren Alkohol gerade seine Wirkung zeigte. Nein, sie war nicht betrunken, aber durchaus beschwipst, angetrunken, sehr locker drauf. Und das verstärkte ihre gute Laune noch mehr. Nichts und niemand konnte ihr jetzt noch den Abend verderben, und...
„Linnea? Hast du ein paar Minuten für mich?“
Wieder wurde sie angesprochen, doch diesmal erkannte sie bereits an der Stimme, um wen es sich handelte. Deisler, der Boss. Ihr Boss. Und auch wenn er sich immer betont jovial gab, darauf bestand, mit Vornamen angesprochen zu werden, gab sie sich keinen Illusionen hin: Er konnte knallhart, und manchmal sogar ein richtiges Arschloch sein, wenn dies notwendig war. Oder er dachte, dass es notwendig wäre. Sie setzte ihr freundlichstes, gewinnendes Lächeln auf.
„Natürlich, George! Was kann ich für dich tun?“
Er holte erstmal tief Luft und wich der Frage aus.
„Also, nochmal im Namen aller Stakeholder herzlichen Glückwünsch zu allem hier. Unsere erfolgreichte Produktion im aktuellen Geschäftsjahr, zwei Seasons Verlängerung und meine Vögelchen zwitschern dass wir noch zwei oder drei Emmys mehr einfahren können. Gute Arbeit, und ich hoffe die Gehaltserhöhung spiegelt unsere Wertschätzung entsprechend wieder.“
Diese Formulierung ließ Linneas Alarmglocken läuten. Und zwar alle, auf maximaler Lautstärke. Ihr Lächeln fror ein wenig ein, und sie wusste selbst, dass ihr Blick nun ein lauernder war.
„Danke, und ja, überaus großzügig. Also, George, raus mit der Sprache! Werde ich versetzt? An irgendein Kamikazeprojekt verfrachtet, um die Kohlen aus dem Feuer zu holen?“
Er riss überrascht die Augen auf und hob abwehrend die Hände.
„Um Gottes Willen, nein! Durch & Goose ist dein Baby, und niemand wird es dir jemals wegnehmen. Wie ist die Zusammenarbeit mit dem LAPD?“
Linnea schluckte.
„Ganz gut, würde ich mal sagen. Martinez fehlt natürlich die Feinfühligkeit und das Fachwissen rund um kritische Aspekte unserer Arbeit, aber als Polizist weiß er, was er tut.“
Jeder Idiot hätte hier zwischen den Zeilen gelesen – oder besser gesagt gehört! – und verstanden, dass die Botschaft eigentlich lautete „Martinez hat uns Zeit und Geld gekostet“. Nun, Deisler war offenbar nicht jeder Idiot. Oder er hörte sehr selektiv nur das, was er hören wollte.
Beigeistert klatschte er in die Hände.
„Ausgezeichnet! Ich brauche dir ja nicht erklären, dass unser Killer-USP die Authentizität ist. Klar, die Cops sind Schauspieler, die Fälle von kreativen Drehbuchautoren geschrieben, aber das Geschehen ist so echt und realistisch wie nie zvor in einer Krimiserie. Das siehst du doch auch so, oder?“
Natürlich tat sie das. Aber genau das konnten sie auch durch Recherche oder ein paar Ex-Cops als bezahlten Beratern erreichen, das LAPD war nur ein zusätzlicher PR Gag dafür. Und ihr gefiel ganz und gar nicht, in welche Richtung sich das Gespräch nun entwickelte.
„Also, ich hatte gerade eine sehr anregende Unterhaltung mit dem Detective, und er hat mir einige Vorschläge und Ideen geliefert, die wirklich hervorragend sind. Und sein Gesicht ist sehr marketingaffin. Also, wir dürfen ihn natürlich nicht formal anstellen und bezahlen, und er will auf Biegen und Brechen Cop bleiben, aber ich denke, es wird Zeit, ihn zumindest in der Credit Roll entsprechend aufzuwerten. Er braucht einen neuen Titel, Consultat ist einfach zu billig.“
Linnea wurde kurz schwarz vor Augen, und sie ging im Kopf alle Möglichkeiten durch, beginnend mit den harmlosesten.
„Assistant Director? Oder offiziell Ersatz für unseren nervösen Regiekünstler? 2nd Unit Producer?“
George schüttelte energisch den Kopf.
„Nein, das können wir der Presse und dem Publikum nicht als sexy verkaufen. Ich dachte da eher an Executive Producer...“
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