Ich bin erwachsen geworden und liebe es, mein Leben endlich selbst in der Hand zu haben.
HANNA BORCHARDT
Fast vier Wochen war Lea nun schon in Israel. Inzwischen hatte sich eine gewisse Routine in Hannas Tagesablauf eingestellt, und sie brachte all ihre Aufgaben gut unter einen Hut.
Gerade gestern war nun auch noch der Dreh zu Ende gegangen, und heute würde sie sich mit Heinz Suhrfeld in dem von ihm angemieteten Studio treffen, um den Filmschnitt zu besprechen. Bei dieser Gelegenheit wollte sie Heinz davon überzeugen, dass der Film auf Videokassetten vertrieben werden sollte und nicht nur in einem der Schmuddelkinos, die eine völlig andere Klientel anzogen. Denn bei diesem Publikum würde ihr Film höchstwahrscheinlich durchfallen, weil es hier nicht darum ging, dass sich ein Kerl nahm, was er wollte, und die agierenden Frauen nichts als willen- und hirnlose Opfer waren. Sie hatte in den letzten Wochen einiges gelernt und in Erfahrung gebracht, dass die Aufbereitung eines Films für die Videokassette weniger kostenintensiv war als für die Kinoleinwand. Und die Heimvideorekorder verkauften sich extrem gut, vermutlich würde in den nächsten Jahren sogar in den meisten Haushalten einer stehen, wenn sie günstig genug würden. Es war ein Risiko, doch sie glaubte, dass sie mit dieser Art von Vermarktung richtigliegen könnte.
Hanna ging in die Küche und öffnete das Fenster. Der Zigarettengeruch hielt sich beharrlich in der Wohnung, auch wenn Hanna während Leas Abwesenheit weitestgehend darauf verzichtet hatte, hier zu rauchen. Sie fand den abgestandenen Zigarettenmief widerlich, wenngleich sie das zu der Zeit, als Lea noch hier gewesen war, ganz anders empfunden hatte.
Sie hatte gestern Abend zuletzt mit Lea telefoniert, die sich bisher nicht festgelegt hatte, wann sie wieder nach Hause kommen würde. Sie fehlte Hanna, vor allem die Gespräche mit ihr vermisste sie sehr. Das Liebesverhältnis, das sie gehabt hatten, war ihrem Gefühl nach endgültig vorbei und würde auch nicht wieder aufleben, wenn Lea zurückkam. Vielleicht lag es daran, dass Lea zu einer Freundin ihrer Mutter geworden war, was die Sache noch schräger machte als zuvor, wo Lea noch die Geliebte ihres Vaters gewesen war.
Hanna ließ das Fenster offen stehen, ging zur Kaffeemaschine, befüllte sie und schaltete sie ein. Gluckernd nahm das Gerät den Dienst auf, und schon kurz darauf zog der herrliche Duft durch die Küche. Sie sah auf die Uhr, es war gerade Viertel nach sieben. Dafür, dass sie gestern Abend wieder erst gegen eins den Club abgeschlossen und auch in der Nacht nicht wirklich genug Schlaf bekommen hatte, war sie selbst erstaunt, sich so wach und ausgeruht zu fühlen und fast nicht erwarten zu können, was der Tag ihr bringen würde. Sie war vollkommen selbstsicher und glücklich und spürte das erste Mal in ihrem Leben, nichts, aber auch gar nichts ändern zu wollen. Alles sollte bitte einfach so bleiben, wie es war.
»Guten Morgen.« Leonhard lächelte, als er die Küche betrat, auf sie zukam und sie in den Arm nahm. Seine braunen Locken standen wie jeden Morgen wirr vom Kopf ab, was ihn für sie nur noch attraktiver erscheinen ließ.
»Guten Morgen.« Hanna lachte auf, als Leonhard seinen Kopf in ihrem Hals vergrub.
»Du riechst so unglaublich gut«, raunte er und begann ihren Hals zu küssen.
»Ich weiß genau, worauf du hinauswillst«, gab sie noch immer lachend zurück. »Aber ich weiß auch, dass du in einer Dreiviertelstunde einen Termin in deinem neuen Laden hast.«
»Das schaffen wir noch.« Er liebkoste weiter ihren Hals, was Hanna alles andere als kaltließ.
»O nein«, lehnte sie ab. »Wir trinken jetzt einen Kaffee, machen uns fertig, und dann siehst du zu, dass du in deinen Laden kommst.«
»Du bist ja strenger als meine Eltern«, beschwerte er sich.
»Ich glaube kaum, dass du deine Eltern so zu überzeugen versuchen würdest wie mich.«
Leonhard richtete sich auf. »Da hast du so was von recht.« Er verdrehte die Augen.
Hanna nahm zwei Tassen und schenkte ihnen Kaffee ein. »Wie lange wird das Treffen dauern?«, fragte sie und reichte ihm eine der Tassen.
»Ich weiß nicht genau.« Leonhard nahm einen Schluck. »Wahrscheinlich müssen wir noch den Tischler kommen lassen.« Er verdrehte die Augen. »So, wie diese Idioten die Regale montiert haben, schlägt die Tür genau dagegen, wenn man nicht aufpasst. Wenn dann erst die Weine im Regal sind und jemand ein bisschen Schwung hat.« Er machte eine Handbewegung. »Dann knallen die Flasche der Reihe nach aus den Regalen.«
»Du machst das schon«, meinte Hanna.
»Und was hast du vor?«
»Habe ich doch erzählt, ich treffe mich mit Heinz.«
»Wegen des Filmschnitts, stimmt«, erinnerte sich Leonhard.
»Und danach will ich im Büro meiner Mutter vorbeischauen. Es ist ein Schreiben von dem Hotel drüben gekommen, das ich ihr geben will. Sie fährt morgen über das Wochenende nach Sylt, um sich das Haus einer Freundin anzusehen, für das sie gerade den Umbau plant.«
»Wenn ich rechtzeitig aus dem Laden zurück bin, kann ich ja mitkommen«, bot Leonhard an. »Dann könnte ich deine Mutter mal kennenlernen.«
»Findest du, dass wir uns dafür schon gut genug kennen?«, fragte Hanna.
Leonhards Gesichtsausdruck veränderte sich. »Wir sind doch offen miteinander, oder nicht? Also für mich ist das hier ganz bestimmt keine reine Bettgeschichte oder so was. Das mag ja alles sehr hip sein, von wegen freier Liebe und jeder mit jedem und so. Doch ich habe darauf keine Lust.«
Hanna lag eine leichtfertige Erwiderung auf der Zunge, doch sie schluckte sie hinunter. Es stimmte, was Leonhard sagte. Sie hatten einander keine Bedingungen gestellt, sondern sich lediglich gegenseitig versprochen, offen und ehrlich miteinander sein zu wollen, und zwar auf Hannas Wunsch hin. Das war alles gewesen. Ansonsten verpflichteten sie sich wechselseitig zu nichts, und wenn Leonhard nun vorschlug, ihre Mutter kennenlernen zu wollen, war dies ja im Grunde auch keine große Sache. Doch es wäre das erste Mal, dass sie ihrer Mutter jemanden vorstellte, sodass ihr ein bisschen mulmig dabei war, auch wenn sie nicht hätte sagen können, weshalb.
»Du denkst ziemlich laut«, meinte Leonhard und trank einen Schluck Kaffee. »Entschuldige, wenn ich zu viel auf einmal wollte. Ich hatte nur irgendwie das Gefühl, es würde für uns beide passen.«
»Tut es auch«, antwortete Hanna. »Ich habe meiner Mutter nur noch nie jemanden vorgestellt.«
»Nicht?«
Hanna schüttelte den Kopf.
»Okay, wenn das so ist. Dann warte ich so lange, bis du mich offiziell darum bittest.«
»Und wenn ich das nicht tue?«, fragte Hanna.
»Na ja, irgendwann …«, meinte er.
Sie sah ihn an und schüttelte langsam den Kopf. »Ganz ehrlich, Leo, ich mag dich total. Und ich verbringe gern Zeit dir. Doch ich kann mir so ein Beziehungsding einfach nicht vorstellen.«
»Wir sind ja auch noch ganz am Anfang«, stellte er fest.
»Ne, Leo, wirklich. Ich will das nicht. Die Ehe meiner Eltern war die Hölle. So eine richtig kranke Scheiße war das. So was kommt für mich auf gar keinen Fall infrage.«
»Hey, hey.« Leonhard nahm sie in den Arm. »Nicht jeder ist so ein Scheißkerl wie dein Alter«, wandte er ein. »Ich meine, wenn auch nur die Hälfte von dem stimmt, was du mir über ihn erzählt hast, dann …« Er schüttelte den Kopf und ließ den Satz unvollendet.
»Glaub mir, es stimmt alles, was ich dir über ihn erzählt habe. Und das waren nur die Dinge, die ich selbst mitbekommen habe.«
»Aber so ist doch nicht jeder Mann. Ich bitte dich.«
»Im Ernst, Leo«, sagte sie nun und fasste seine Hände, sodass sie sich direkt gegenüberstanden. »Wenn du eine Beziehung willst, dann bist du bei mir total falsch. Ich finde dich super, und wir haben echt Spaß. Und ich schätze auch die Gespräche mit dir«, fügte sie noch hinzu. »Aber mehr wird daraus nie werden.«
»Okay, das war deutlich«, sagte er.
»Und jetzt?«, fragte sie.
»Na ja«, er zuckte die Achseln. »Ich habe ja wohl keine Wahl.«
»Doch, hast du. Du kannst gehen und dir eine suchen, die so mit dir zusammen sein will, wie du es dir wünscht.«
Leonhard strich zärtlich eine Strähne, die ihr in die Stirn gefallen war, beiseite.
»Du bist so klug, aber du hast noch nicht begriffen, dass es mir nicht darum geht, mit irgendeiner Frau eine Beziehung zu führen oder irgendjemanden fest an mich zu binden.« Er küsste sie zärtlich. »Ich will dich, Hanna. Und zwar genau so, wie du bist. Und wenn das bedeutet, dass ich mein Leben lang hier versteckt werde und niemals deine Mutter oder auch deinen Bruder kennenlerne, muss ich das wohl hinnehmen.«
»Denkst du denn, dass du das kannst?«
Er sah ihr einen Moment lang tief in die Augen, dann nickte er. »Das kriege ich hin.«
Hanna hob sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn. Er zog sie an sich, erwiderte den Kuss und umschlang sie noch fester. Immer leidenschaftlicher küssten sie sich, bis Hanna ihn entschieden von sich schob.
»Du musst noch immer um acht im Laden sein«, mahnte sie und gab ihm dann einen kurzen letzten Kuss auf den Mund. »Aber heute Abend«, sie schmiegte sich an ihn. »Da haben wir genug Zeit für alles, worauf wir Lust haben.« Sie drückte ihn weg, als er sie bereits wieder küssen wollte, und schob ihn in Richtung Tür. »Und jetzt raus hier!«
Leonhard rollte die Augen. »Jawohl, Frau General.« Damit ging er hinaus, und Hanna wusch, nachdem sie den letzten Schluck Kaffee getrunken hatte, kurz die Tassen ab. Dann schaltete sie die Kaffeemaschine aus, in deren Kanne sich noch ein kleiner Rest befand, schloss das Küchenfenster und verließ die Küche, um sich ebenfalls zurechtzumachen. Schließlich war auch heute wieder ein wichtiger Tag, und sie konnte den Termin mit Heinz Suhrfeld kaum erwarten, wollte sie diesen doch unbedingt von ihrer Idee mit den Videokassetten überzeugen.
Heinz tippte mit dem Finger gegen seine Stirn. »Das ist doch Blödsinn. Da kriegen wir doch die Produktionskosten nie wieder rein.«
»Wenn die Filme breit genug angeboten werden, schon«, hielt Hanna dagegen. »Ich sage ja gar nicht, dass der Film nicht im Kino laufen soll, doch dann vielleicht in einer anderen Fassung.«
»Wie meinst du das denn nun wieder?«
»Ich meine es so, dass im Kino die Originalversion gern genauso laufen kann. Doch ich bin ziemlich sicher, dass es nicht das ist, was die, die dorthin gehen, sehen wollen. Und die Kosten sind durch die Anpassung des Films auf Leinwand auch höher. Aber gut.«
»Hanna, mach mich nicht wahnsinnig«, stöhnte er. »Ich kapier nicht, worauf du hinauswillst. Also mal Klartext jetzt.«
»Okay«, antwortete sie und deutete auf die Leinwand, auf der ihr Film mit den noch vorhandenen Szenenklappen lief. »Guck mal«, forderte sie Heinz auf, der seinem Kollegen Ilja, der für den Schnitt zuständig war, einen vielsagenden, genervten Blick zuwarf.
»Die Szene da läuft jetzt erst mal eben durch, sie nähern sich an, es dauert, bis was passiert. Fürs Kino kann man hier einiges kürzen, weil die Besucher da wollen, dass es schnell zur Sache geht.«
»Ja. Und?«
»Für diejenigen, die sich den Film zu Hause über ihren Videorekorder ansehen, brauchen wir aber etwas anderes. Du musst dir das mal vorstellen. Du sitzt gemütlich mit deiner Frau auf dem Sofa, sie hat was Nettes an …«
»Lass meine Frau da raus. Die ist kein gutes Beispiel«, wehrte Heinz ab, worauf Hanna seufzte.
»Okay, also nicht deine Frau, sonst irgendeine Frau. Und zwar eine, der du gern ans Höschen möchtest«, sagte sie salopp. »Ihr sitzt also auf dem Sofa, und der Film dort läuft. Was denkst du?«
»Keine Ahnung. Was soll ich denken?«
»Gut, du denkst also nicht«, stellte Hanna süffisant fest. »Aber die Frau neben dir. Was hält sie davon?«
»Bin ich Hellseher, oder was?«
»Ach, komm schon Heinz, du könntest dir wenigstens ein bisschen Mühe geben.«
»Ich glaub, ich weiß, worauf du hinauswillst«, mischte sich nun Ilja ein. »Also, ich spiele mit. Ich sitze mit meiner Süßen auf dem Sofa«, sagte er.
»Danke, Ilja.« Hanna verbeugte sich und warf dann Heinz einen mahnenden Blick zu.
»Also die eben geschilderte Situation«, begann Hanna nun. »Wenn ich mich in die Frau auf dem Sofa hineinversetze«, erklärte sie, »könnte ich mir vorstellen, dass ich mich womöglich nicht besonders wohlfühlen würde. Selbst wenn mein Freund und ich darüber gesprochen haben sollten, was bei den meisten jungen Paaren eher unwahrscheinlich ist, finde ich die Sache doch peinlich, oder?« Sie deutete auf die Leinwand. »Ich soll irgendwelchen Leuten dabei zusehen, wie sie Sex haben. Und auch wenn ich neugierig bin, will ich das ja meinem Freund gegenüber nicht zeigen.«
»Und nun kommt die Erklärung, wie wir die Mädchen auf dem Sofa dazu kriegen, sich unsere Filme anzusehen«, mutmaßte Heinz.
»Allerdings«, antwortete Hanna.
»Ich bin gespannt«, brachte Ilja sich ein.
»Ihr kennt doch die Aufklärungsfilme von Kolle, richtig?«
»Das Wunder der Liebe? So was lockt heute nun wirklich niemanden mehr hinter dem Sofa vor«, entgegnete Heinz.
»Stimmt. Und deshalb machen wir ja auch diese Art von Filmen, bei denen es einerseits zur Sache geht, andererseits aber die Frauen auch Lust bekommen sollen«, erklärte Hanna.
»Und? Kommst du heute noch zum Punkt, oder sollen wir weiter raten?«, fragte Heinz genervt.
»Ganz einfach«, meinte Hanna. »Wir unterlegen das Ganze mit einer Stimme. Es gibt also einen Sprecher, der den Paaren alles erklärt, bis es zur Sache geht.«
»Was ist denn daran zu erklären?«, fragte Heinz und deutete nun seinerseits auf die Leinwand. »Spricht doch für sich, was da läuft.«
Der Film zeigte gerade eine Szene, bei der Charlotta, oder eben Heidi, wie sie sich im Film nannte, sich rücklings auf den Schoß ihres Partners setzte und sich sodann rhythmisch bewegte.
»Okay, gucken wir mal eben ein bisschen zu«, forderte Hanna, worauf Heinz und Ilja auf die Leinwand blickten.
Nach einer Weile sagte Hanna: »Gut. Das dürfte reichen. Und nun lass das Band mal zurücklaufen bis kurz vor der Stelle, die wir eben gesehen haben«, bat Hanna nun, worauf Ilja ein paar Knöpfe betätigte und so das Band rückwärtslaufen ließ.
»Ich sage jetzt ein paar Sätze, und wenn ich dir das Zeichen gebe, lässt du den Film wieder weiterlaufen, in Ordnung?«, bat sie Ilja.
»Geht klar.«
»Gut.« Hanna räusperte sich. »In der Sexualität gibt es viele Spielarten, und es ist eine spannende Erfahrungsreise, sich gemeinsam mit dem Partner auszuprobieren und so nach und nach immer besser zu verstehen, was die eigenen Wünsche und natürlich auch die des Partners beziehungsweise der Partnerin sind. Hierbei gibt es kein Richtig oder Falsch. Befragungen von jungen Frauen im Alter von zwanzig bis neunundzwanzig Jahren haben ergeben«, sie hob den Arm als Zeichen für Ilja, »dass gerade Stellungen wie rücklings auf dem Partner zu sitzen ein besonders tiefes Eindringen möglich macht, sodass die Frau dabei oftmals noch stärkere Lust empfinden kann. Was zu früheren Zeiten mal verpönt gewesen sein mag, entspricht dem heutigen Zeitgeist moderner Paare, die aufgeschlossen und mit Freude ihre Sexualität ausleben und so ein glücklicheres Leben führen können, als ihre Eltern und Großeltern es noch getan haben.«
Hanna brach ab und sah Heinz und Ilja an.
»Wisst ihr jetzt, was ich meine?«
Heinz sah sie überrascht an und warf dann einen kurzen Blick zu Ilja, der ihm zunickte.
»Mensch, Hanna, du hast wirklich recht!«, brachte Heinz anerkennend hervor. »Durch dieses Erklären gibst du den Leuten das Gefühl, dass hier keine Schweinerei abläuft, für die sie sich schämen müssten, sondern dass sie modern und zeitgemäß sind.«
»Ich habe ja eben nur improvisiert und das gesagt, was mir als Erstes dazu einfiel«, wiegelte Hanna ab. »Aber ich glaube wirklich, dass wir so die Filme aus der Schmuddelecke holen und damit eine weit größere Zuschauergruppe erreichen können, die Spaß daran hat und bei der vor allem die Gewalt an Frauen keine Rolle spielt.« Hanna musste sich zügeln, das Thema nicht zu vertiefen, hatte sie doch das Gefühl, dass Heinz ihr dann nicht mehr zuhören würde.
»Wirklich, Hanna, Hut ab!«, lobte nun auch Ilja. »Wir zeigen die Bilder, die die Leute sehen wollen, und lassen es aber eher nach was Harmlosem, Modernem aussehen. Das ist echt mal ein ganz neuer Ansatz.«
»Eigentlich nicht, weil die Aufklärungsfilme von früher auch genau das gemacht haben. Nur haben sie eben keinen echten Sex gezeigt, und wenn doch, dann nicht so, wie wir ihn hier liefern«, meinte Hanna und sah Heinz an. »Also, was denkst du, Heinz? Bist du bereit, es zu riskieren und zwei Versionen zu drehen?«
Hanna war der festen Überzeugung, dass – sollte der Film auf Kassette verfügbar sein – er sich ohnehin viel besser verkaufte als die Kinoversion und diese dadurch schnell obsolet werden würde, doch da Heinz so auf seinen Leinwandstreifen bestand, sollte er ruhig einen bekommen.
»Du hast mich überzeugt«, stimmte er zu. »Ja, so machen wir’s.«
»In Ordnung. Und um dir zu beweisen, wie sehr ich an die Sache glaube, verzichte ich auf das Honorar, das wir für mich vereinbart haben, und will lieber einen Teil des Gewinns.«
»Einen Teil des Gewinns?«, echote Heinz. »Das war aber vorher nicht ausgemacht.«
»Dass ich auf mein Honorar verzichte auch nicht. Überleg es dir. Du kannst eigentlich nur gewinnen.«
»Ne. Stimmt ja nicht. Wenn die Dinger einschlagen, muss ich dir mehr bezahlen.«
»Wenn die Dinger einschlagen, wirst du froh sein, dass ich dir auch in Zukunft die Filme mache und nicht zur Konkurrenz abwandere«, hielt Hanna dagegen.
»Du bist ganz schön durchtrieben«, lachte Heinz.
»Geschäftstüchtig, würde ich es eher nennen.«
Heinz wiegte den Kopf. Dann streckte er ihr die Hand entgegen. »Einverstanden. Aber dafür schreibst du noch die Texte, mit denen die Filme unterlegt werden sollen.«
»Okay«, stimmte Hanna zu und schlug ein. »Lass uns in dein Büro gehen und das schriftlich festhalten.«
»Du traust mir wohl nicht?«
»Doch, Heinz, aber darüber, was man mündlich vereinbart hat, kann man später zwei Meinungen haben. Über das, was schwarz auf weiß geschrieben steht, nicht.«
Heinz grinste breit. »Tja«, sagte er dann zu Ilja und legte diesem die Hand auf die Schulter, »dann würde ich sagen, fang du schon mal mit dem Schnitt an. Wie es aussieht, habe ich eine neue Geschäftspartnerin.«
»Geht klar, Chef«, stimmte Ilja zu. »Glückwunsch, Hanna«, sagte Ilja dann noch an sie gewandt. »Hast du gut gemacht.«
Sie wusste nicht, ob er den Film, ihre neue Idee oder die Vereinbarung mit Heinz meinte. Doch das war ihr auch nicht wichtig. Als sie hier hereingekommen war, hatte sie noch nicht genau gewusst, wie es ihr gelingen sollte, Heinz zu überzeugen. Sie hatte improvisiert und all das verworfen, was sie eigentlich als Argumente hatte vorbringen wollen, genau wie sie auch den Text quasi beim Reden entwickelt hatte. Vor allem aber hatte sie, bevor sie es ausgesprochen hatte, zu keiner Zeit vorher daran gedacht, Heinz auf eine Beteiligung anzusprechen. Doch jetzt war sie mehr als zufrieden, hatte sie doch offenbar ein gewisses Talent, sich mit dem, was sie wollte, durchzusetzen.
»Na dann, nach dir, Partnerin«, sagte Heinz nun und deutete zur Tür.
»Klingt gar nicht schlecht«, gab Hanna zurück. »Ich glaube, daran könnte ich mich gewöhnen.«