23.20 Uhr
Mit blinder Wut steuerte er den Wagen durch die engen Straßen der Nordstadt, die ihn immer wieder an die Straßenschluchten in San Francisco erinnerten. Die Karre musste verschwinden, soviel stand fest. Sie hatten ihn geblitzt, als er in zu hohem Tempo die Stadtgrenze passiert hatte. Das hätte einfach nicht geschehen dürfen, hämmerte es immer wieder durch seinen Kopf. Spontan fiel ihm das Parkhaus am Karlsplatz ein. Von dort aus würde er mit einem der Linienbusse, die hier zu jeder Tag- und Nachtzeit anhielten, weiterkommen können.
Er überlegte, ob es sinnvoll war, den Wagen in der Tiefgarage für eine Zeit lang zu verstecken. Die Karre gehörte ihm nicht, also würde man ihn nicht zwangsläufig mit der Geschichte in Verbindung bringen. Es war ihm freigestellt, mitten in der Nacht mit dem Auto zu fahren, das tat er sonst schließlich auch. Das Radarfoto war im Kasten, er hätte einfach vorsichtiger sein sollen. Solange er bezahlte, würde es nicht zu einer Anhörung kommen. Kein Hahn würde nach ihm krähen. Eigentlich lief doch alles nach Plan.
Außerdem wusste er nicht, ob der Riesenwagen in das enge Parkhaus passte. Also verzichtete er auf unnötigen Aktionismus und steuerte die verfallene Gegend am Wupperufer an. Den Wagen parkte er in einer verlassenen Nebenstraße. Unbeobachtet erreichte er das düstere Gemäuer der alten Fabrik und blickte an der Fassade empor. Hier hatte er sein erstes Opfer gefunden. Sie hatte ihm gehört, und sie hatte ihm vorzüglich gemundet. Lange Zeit hatte er das Ritual vorbereitet. Fast bedauerte er es ein wenig, dass er sich nun einen anderen Wirkungsort suchen musste. Doch es war einfach zu gefährlich, den alten Kasten noch länger zu seinem Domizil zu machen. Dort würden sie seine Verfolgung aufnehmen und ihn zur Strecke bringen.
Er lächelte genießerisch, als er sich an den Geschmack ihres warmen, zuckenden Fleisches erinnerte, und leckte sich über die Lippen, als er an ihr Blut dachte.
Er wollte mehr.
Doch er würde bei Null anfangen müssen, darüber war er sich im Klaren. Hier würden noch in dieser Nacht alle Spuren verschwinden, denn nur so war er sicher, dass er sein Treiben ungehindert fortführen konnte. Es gab genug Frauen, die sich ihm hingaben. Und es war ein Kinderspiel, sie für seine Sache zu gewinnen. Doch das nächste Mal durfte es nicht mehr in der alten Fabrik geschehen. Der Aufwand, den er für sein Ritual betrieb, war hoch. Er durfte kein Risiko eingehen.
Er betrat das leerstehende Gebäude und marschierte die Stufen in das obere Stockwerk empor. Ich werde um eine weitere körperliche Betätigung heute Nacht wohl nicht herumkommen, dachte er, als er die Räume des Schreckens erreichte und sich an sein Werk machte. Ein teuflisches Werk.