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Es war der dritte Tag, seit Teiwes seinen Dienst wieder aufgenommen hatte. Obwohl sie ihm auf einmal sinnentleert vorkam, machte er seine Arbeit, als wäre nichts passiert. Beantwortete Email-Fragen aus seinem Wahlkreis, telefonierte in Sachen Meinungsbildung mit Kollegen und bastelte an Stellungnahmen für die Presse. Doch das Schnellfeuer von Bildern und Szenen in seinem Kopf, das ihn unaufhörlich attackierte, verhinderte, dass er sich konzentrieren konnte.

Er hatte gedacht, dass sie wieder zusammengefunden hätten. Er und Nadine. Er hatte in ihren Augen gelesen, dass sie ihn noch liebte. Und dann war sie plötzlich wieder weit weg gewesen, als er ihr eröffnet hatte, dass sein Platz jetzt in Berlin wäre. Dass er denjenigen, die versucht hatten, ihn auszulöschen, in keinem Fall den halben Sieg verschaffen wollte, indem er das Feld räumte. Nadine hatte einen hysterischen Ausbruch bekommen. Sie mache das nicht mehr mit. Er solle sich entscheiden. Sie und die Kinder oder sein Beruf und alles, was zum Teufel damit zusammenhing. Und er hatte sich für sie und die Kinder entschieden und war doch nach Berlin gefahren.

Er konnte sicher sein, dass seine Mutter gut auf die Kinder aufpassen würde, solange Nadine herumspann und sich angeblich irgendwo an der Nordsee auf einem »Selbstfindungstrip« befand. Das sagte er sich zum x-ten Mal. Und wenn sie sich nicht wiederfinden würde, blieb ihm nichts übrig, als sich damit abzufinden, dass seine Ehe gescheitert war. Weil er Schuld daran war. Auch das musste er aushalten. Alles war besser, als den Verstand zu verlieren. Gerade ein paar Tage war es her, da war er nur knapp daran vorbeigeschrammt. In seinem Gehörgang steckte immer noch die Stimme: »Nehmen Sie es nicht persönlich, Teiwes ...«

Seine Ohnmacht und Armseligkeit stand ihm wieder vor Augen. Er empfand Wut. Wut, wie er sie nie gekannt hatte. Wut, mit der er ganz allein war. Er wusste, dass er nicht weitermachen konnte ohne die Aussicht, diesem Kerl, der ihn auf einen Haufen Scheiße reduziert, der ihn zum Mörder gemacht hatte, demnächst gegenüberzustehen.

Auch bei dem Gedanken an Zednik schwoll ihm die Halsschlagader an. Doch was blieb ihm anderes übrig, als mit diesem Chaoten zusammenzuarbeiten? Der Polizei fehlte anscheinend jede Vision.

»Und wie soll es Ihrer Meinung nach weitergehen?«, hatte er Zednik in der Lobby des Radisson gefragt.

»Das wird sich finden. Die Hauptsache ist, dass Sie auf Ihrem Platz sitzen und diejenigen nervös machen, die Sie abschießen wollen.«

»Und darauf warten, bis die eine wirksamere Lösung gefunden haben, mich zu entsorgen?«

»Bleiben Sie ruhig, Teiwes! Ich melde mich!« Zednik hatte ihm auf die Schulter geklopft wie einem alten Freund und ihn neben dem künstlichen Korallenriff stehen lassen.

Es ging angeblich um Subventionsbetrug im großen Stil, und Weingartner war im Kanzleramt tätig gewesen. Offenbar waren ihm Informationen in die Hände gefallen, die so brisant waren, dass ihm die Weitergabe das Leben gekostet hatte. Die Weitergabe an Zednik ...

Aber keiner, der noch alle Tassen im Schrank hatte, würde vom Kanzleramt aus nachweislich Betrügereien starten. Und niemand würde dort Informationen lagern, die in Hände gelangen konnten, für die sie nicht bestimmt waren.

Erst jetzt fiel ihm auf, dass das Telefon klingelte.

»Büro Teiwes.«

»Guten Morgen, Teiwes, lange nichts von Ihnen gehört. Waren Sie krank?«, fragte ihn Minister Schleicher gutgelaunt.

»So ungefähr ...«, antwortete Teiwes.

»Ich wollte Sie in einer wichtigen Angelegenheit sprechen. Wann passt es Ihnen?«

Er kenne eine formidable Sushi Bar. Sein Wagen würde ihn gegen 12.30 Uhr abholen.

Teiwes legte auf.

War das die Aufforderung zum Tanz?

Schleicher ließ sich kaum etwas anmerken, doch Teiwes hatte das Gefühl, dass er ihn nach Spuren der letzten Woche absuchte. Wenn Schleicher etwas damit zu tun hatte, konnte er nur die Absicht verfolgen, ihn wie einen Blindgänger zu entschärfen, bevor er unkontrolliert hochging. Vielleicht hatte er ihn zum Essen eingeladen, um seine äußere und innere Verfassung zu überprüfen, besser gesagt, seine Gefährlichkeit einzuschätzen.

»Der Laden hier hat den besten Fisch, den ich kenne«, sagte Schleicher, ein Glas sanft perlendes Mineralwasser zum Mund führend.

Teiwes hatte nichts übrig für rohen Fisch, egal wie frisch und fein auch immer. Er antwortete nicht, traf Schleicher mit seinem Blick nur direkt zwischen die Augen. Der wich nicht aus, aber seine unverbrüchliche Selbstsicherheit schien für eine Sekunde zu wanken. Ebenso plötzlich verschwand sein überlegenes Lächeln.

»Sie wirken so verändert, Teiwes. Stimmt etwas nicht? Private Probleme?«

Schleicher hatte ihm die Antwort in den Mund gelegt. Aber Teiwes fiel es schwer, taktisch zu denken, vielleicht wollte er auch nicht. Obwohl dieser Mann möglicherweise gar nichts von der ganzen Sache wusste, verspürte er nur das Bedürfnis, ihn am Kragen zu packen, zu portionieren und als Sushi an die Horde versnobter Gäste um sie herum zu verfüttern.

»Sie haben mich bestimmt nicht eingeladen, um mit mir über mein Privatleben zu reden ...«

»Nein, natürlich nicht, entschuldigen Sie … Ich kann mir vorstellen, dass Ihr neues Leben hier in Berlin allerhand Veränderungen mit sich bringt, die nicht immer angenehm sind ...«

Schweigen.

Der Minister stocherte in seinem Salat herum. »Ich habe Ihnen einen Vorschlag zu machen«, sagte er dann, »und ich hoffe, dass Sie ihn annehmen werden.«

»Bis jetzt scheint die Presse noch keinen Schimmer zu haben«, sagte der Mann mit der Brille ins Handy.

»Woher wissen Sie das?«

»Ganz einfach: Bisher ist nichts zu hören und zu lesen.«

»Haben Sie sich schon im näheren Umfeld erkundigt, ob etwas durchgesickert ist?«

»Nicht direkt«, musste der Mann mit der Brille eingestehen.

»Ich habe das Gefühl, Sie nehmen die Sache nicht ernst genug. Fahren Sie Ihre Antennen im Ministerium aus und erkundigen Sie sich bei Ihren Klienten ganz nebenbei über Weingartners Tod. Wir müssen absolut sicher gehen, dass niemand Verdacht schöpft. Wofür bezahle ich Sie?«

Das hatte er schon zu oft gehört. Einmal zu oft.

»Das dürfte wohl klar sein, nur zahlen Sie zu wenig ...«, antwortete er in dreistem Ton ohne nachzudenken.

Schweigen.

Er hatte die Zügel losgelassen, eine imaginäre Wand durchstoßen. Das war nicht eingeplant. Auch wenn er diesen Satz in seiner Vorstellung schon tausendmal gesagt hatte. Er war von sich selbst überrascht, hielt den Atem an. Lauschte in das Handy hinein, bestenfalls in Erwartung einer knallharten Retourkutsche. Doch etwas Ähnliches blieb aus.

»Wir können darüber reden«, knurrte dagegen die Stimme des Anderen wie die eines Hundes, der nicht beißen darf. »Bringen Sie Ruhe in die Angelegenheit, und wir können darüber reden. Was ist mit Zednik?«

»Die Jungs haben seine Wohnung unter ständiger Beobachtung, aber bisher ist er nicht aufgetaucht. Außerdem müssen sie aufpassen. Die vom BKA observieren das Haus rund um die Uhr, offenbar wegen Teiwes, sind bei jedem Schritt, den er tut, hinter ihm her.«

»Das war wohl die größte Pleite, die Sie sich bisher geleistet haben ...«

»Keiner konnte voraussehen, dass sie Teiwes in letzter Minute aus dem Loch ziehen würden. Dem habe ich nur noch Stunden gegeben.«

»Offenbar eine Fehleinschätzung! Sie können nur hoffen, dass er wirklich niemanden erkannt hat. Zu Ihrem Glück kann man davon ausgehen, dass er den Dummkopf aus der Ukraine, den er erschlagen hat, unmöglich kannte. Ich frage mich allerdings, was Teiwes vorhat. Wird halbtot aus einem stinkenden Käfig befreit und erscheint wenige Tage später wieder im Reichstag, als wäre nichts passiert. Da geht was vor! Das sagt mir mein Instinkt!«

»Ich denke, Teiwes ist genug gewarnt. Der weiß, dass wir ernst machen, wenn es drauf ankommt. Der will nur brav seinen Dienst schieben und versucht sich herauszuhalten.«

»Ich hoffe, dass Sie Recht haben. Die letzte Vorstellung muss unter allen Umständen noch über die Bühne gehen, hören Sie? Und Zednik muss weg! So schnell wie möglich und ohne die geringste Spur zu hinterlassen.«

Der Mann mit der Brille klappte sein Handy zu. Der überhebliche Ton kotzte ihn an. Aber der richtige Zeitpunkt, ihn endgültig abzustellen, war noch nicht gekommen.

Zednik befand sich gegenüber einer Postfiliale in Zehlendorf in einem Kneipenbistro, in dem er gegen 10 Uhr morgens der einzige Gast war. Vor ihm, auf dem abgenutzten Holztisch, ein viertel volles Glas, eine Flasche trockener Weißer und ein Packen Briefe, darunter ein brauner Umschlag, die Ausbeute aus seinem Postfach. Die schlecht leserliche Aufschrift mit den verzerrten Buchstaben erkannte er nicht sofort. Doch als er ihn aufriss, wurde ihm klar, dass es das Vermächtnis von Axel Weingartner war. Ein Brief und ein Fax. Zednik plättete beides mit der Handkante und schenkte sich Wein nach, bevor er die krakelige Schrift des Briefes zu entziffern versuchte.

Grüß dich, Helm,

mein Verhalten bei unserem letzten Treffen in der Gruft muss dir einigermaßen unverständlich vorgekommen sein, und jetzt wunderst du dich bestimmt, dass du von mir einen Brief bekommst. Doch auf diese Weise kann ich dir wenigstens einiges in der richtigen Reihenfolge erklären. Außerdem hast du dann etwas Schriftliches von mir. Bitte nur verwenden, wenn es sich absolut nicht vermeiden lässt!

Wie du weißt, hat es angefangen, als ich das Fax – Absender eine gewisse NEPA Bau Fi – ins Ministerium bekommen habe und nicht zuordnen konnte. Du kannst es dir jetzt genau ansehen. Ich wollte es eigentlich schreddern, um es endlich loszuwerden, aber dann habe ich mir gedacht, dass es bis jetzt der einzige Beweis ist ...

Es steht keine Anrede drauf, keine Unterschrift. Ein Fax zwischen Eingeweihten. Die Zahlen sind meiner Meinung nach Provisionsabrechnungen. Darüber haben wir schon geredet. Offenbar war es fehlgeleitet. Das kommt ja bekanntlich öfter vor. Ich habe zuerst bis einschließlich zum Chef herumgefragt, ob jemand ein Fax erwartet. Aber Fehlanzeige. Dann habe ich einfach so getan, als hätte ich es nie erhalten.

Ich habe dir immer gesagt, dass ich niemandem außerhalb des Ministeriums davon erzählt habe. Das stimmt nicht. Ich hatte dieses blöde Ding schon vergessen, da hab ich es als Lachnummer gegenüber einer harmlosen Figur erwähnt. Demel heißt der Mann, taucht regelmäßig im Kanzleramt auf und macht Schleicher Höflichkeitsbesuche, um die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Wirtschaft zu stärken. Die übliche Lobbyarbeit. Wenn Schleicher ihn aus Termingründen versetzt, geht Demel einfach zwei Türen weiter, kommt in mein Büro und wir quatschen eine Runde beim Kaffee. Was eben so anfällt. Manchmal, wenn ich nichts Besseres zu tun habe, stehen wir auch abends zusammen am Tresen und trinken ein Gläschen. Jeder muss sehen, wie er zurechtkommt. Der eine ist Beamter, der andere Lobbyist, was soll`s. Er hat auch nie versucht, interne Informationen aus mir herauszuholen. Ein Mann, mit dem man einfach gut reden kann, hab ich gedacht, jetzt bin ich mir da nicht mehr so sicher. Einmal waren wir bei dem Thema Korruption und was in Südeuropa so ablaufen würde. Da fiel mir das Fax wieder ein und dass man schneller in etwas verwickelt werden kann, als man glaubt. Ein einziges fehlgeleitetes Fax kann den Weltuntergang bedeuten, übertrieb Demel noch. Ich hab ihm erzählt, dass mir erst neulich so ein Irrläufer in die Hände gefallen wäre und ich es irgendwo noch hätte. Wir haben weiter gebechert. Irgendwann fragte er mich, was genau drin stand, und ich machte ein paar Andeutungen, war natürlich der Meinung, dass er genauso wenig damit anfangen konnte wie ich. Bin noch weiter gegangen und habe gesponnen, dass vielleicht ein Korruptionsskandal dahinterstecken könnte, vielleicht die ganze Bundesregierung verseucht ist … wir haben beide gelacht. Seitdem habe ich nichts mehr von ihm gehört.

Am nächsten Tag, als ich nach dem Dienst nach Hause kam, hatte ich das Gefühl, dass sich jemand in meiner Wohnung umgesehen hatte. Sie war nicht verwüstet, aber im Wohnzimmer fiel mir sofort ins Auge, dass ein paar Bücher herausgezogen und nicht wieder auf Stoß zurückgeschoben worden waren. Das mache ich nie ...

Dann glaubte ich, verfolgt zu werden, wenn ich das Haus verließ. Hatte bloß nicht die mindeste Vorstellung warum. Ich habe einfach nicht kapiert, dass diese Vorgänge mit dem Fax zu tun haben könnten.

Das war in der Zeit, als ich dir von meiner Schwester erzählt habe, ihrer Ehe und den Geschäften ihres Mannes. Dass sie durch ihre Neugierde möglicherweise in Gefahr geraten ist, weil die Geschäfte der Familie ziemlich dubios scheinen und es sich dabei vielleicht sogar um Millionenbetrügereien handelt.

Das Fax lag immer noch in meinem Büro. Es geriet mir wieder in die Finger, als ich einen Stapel Werbematerial der Deutschland Energie ausgemistet habe, klebte an der Innenseite eines Prospektes. Ich habe es mir dann noch einmal genauer angesehen. Unter dem leicht verschmierten Logo der NEPA Bau Fi stand es klein, fast unleserlich: Ein Unternehmen der Stefanidis Inc.

Dieses Fax ist also eine falsch abgeschickte Mitteilung des Stefanidis Clans, der offenbar mit dem Kanzleramt in Verbindung steht. Ich habe mit Elke telefoniert und sie darauf angesprochen. Aber sie hat plötzlich so getan, als hätte sie nie mit mir über Patriks Geschäfte geredet. Stritt alles ab, und natürlich hatte sie nicht die geringste Ahnung, wie das Fax in mein Büro kommen konnte. Seitdem habe ich das Gefühl, dass sie in Gefahr ist.

Ich habe eine Höllenangst, Helm. Ich stecke in einer Sache, mit der ich absolut nichts zu tun haben will und die Dimensionen anzunehmen scheint, die mir unheimlich sind. Zu viel für meine brave Beamtenseele.

Ich glaube, dass du das sogar verstehst. Deshalb schicke ich dir das verdammte Fax. Mach damit, was du willst! Und halte mich aus der Sache raus. Wenn du den Fall gelöst hast, gebe ich eine Flasche Champagner Brut aus, vielleicht auch zwei ...

Ich mache mir allerdings große Sorgen um Elke. Ich werde wieder versuchen, mit ihr Kontakt aufzunehmen. Vielleicht kann ich sie unter einem Vorwand zurück nach Deutschland holen.

Bis bald

Axel

Wenn du das versucht hast, hat es dich vielleicht das Leben gekostet, dachte Zednik. Er inhalierte noch etwas von dem Weißen, bevor er sich die Briefe in die breite Innentasche seiner Lederjacke stopfte und an den Tresen ging, um zu zahlen. Beim Hinausgehen folgte ihm das quälende Gefühl, wieder jemandem etwas schuldig zu sein.

Auf dem Weg ins Büro ging Teiwes wieder Schleichers Offerte durch den Kopf.

»Es wird demnächst ein Posten frei, der nur an Personen mit größter Loyalität zum Kanzler und dem inneren Zirkel vergeben werden kann«, hatte Schleicher in der Sushi Bar zu ihm gesagt und eine kurze Spannungspause inszeniert, »die Position des Parlamentarischen Geschäftsführers unserer Partei.«

Schön und gut, aber was hatte das mit ihm zu tun?

»Ich habe an Sie dabei gedacht, Teiwes.«

Die mit rohem Lachs beladene Gabel war nur wenige Zentimeter vor seinem geöffneten Mund eingerastet. Der Chip, den ihm sein Braunschweiger Mentor Frank ins Hirn implantiert und den er schon für inaktiv gehalten hatte, sendete plötzlich Alarm an alle Synapsen. Zugreifen! Nur wer oben sitzt, hat die Zügel in der Hand!

Aber die Geschwindigkeit, mit der Schleicher ihn auf der Rechnung hatte, konnte einem mehr als verdächtig vorkommen. Das Fernsehinterview war erst zwei Wochen her. Und seitdem hatte sich die Welt für ihn zwar vollkommen verändert, doch von einem Anwachsen seiner politischen Verdienste konnte eher weniger die Rede sein.

»Und warum haben Sie an mich dabei gedacht?«

»Sie müssen nicht so bescheiden sein, Teiwes. Immerhin haben Sie sich in Braunschweig schon Verdienste erworben. Wir brauchen einen jungen, talentierten Mann, der weiß, worauf es ankommt, wo er hingehört und der für die anderen ein Vorbild ist. Und Sie brauchen sich für den Anfang keine Sorgen zu machen. Ich bin immer in Ihrer Nähe ...«

Das klang plausibel, und beinahe hätte er ohne weitere Bedenken angenommen. Doch etwas in ihm ließ das nicht so einfach zu.

»Danke für Ihr Angebot«, erwiderte er fast so trocken wie die Kompositionen aus Fisch und Reis auf seinem Teller schmeckten, »ich werde es mir überlegen.«

»Aber nicht zu lange«, gab Schleicher prompt zu verstehen, und dass er nicht die Absicht habe, ihn auf Knien zu bitten, den Job anzunehmen.

Auf der Fahrt von der Sushi Bar zurück ins Abgeordnetenhaus stellten sich Teiwes weiter die beiden Fragen, warum er und warum jetzt, auf die Schleicher ihm die überzeugenden Antworten schuldig geblieben war. Konnte das ein Manöver sein, um ihn ruhig zu stellen, ihn zu kaufen? Als Alternative, weil man es nicht geschafft hatte, ihn zu beseitigen. Ohne Zweifel hätte er sich dann den Posten verdient. Schließlich hatte er nicht weniger als sein Leben dafür aufs Spielg gesetzt. Aber gleichzeitig wäre er zur Puppe auf einer Bühne geworden. Zur Marionette in einem makabren Spiel.

Tissy Lohmann hob den Kopf, als er das Vorzimmer betrat. »Sie sind heute gefragt wie verrückt«, sagte sie und warf ihm einen erwartungsvollen Blick zu.

»Stimmt was nicht?«, fragte er.

»Nein, alles in Ordnung ...«, sagte sie und errötete leicht, während sie mit der Hand an einer Haarsträhne über dem rechten Ohr zupfte.

»Der Chef der Deutschland Energie will Sie persönlich sprechen«, folgte dann, geschäftsmäßig nüchtern, während das mädchenhafte Lächeln aus ihrem Gesicht verschwand.

»Soso. Und was stimmt nicht mit Ihnen

»Nichts!«, antwortete Tissy Lohmann, ohne es zu schaffen, den leicht beleidigten Unterton ganz zu unterdrücken.

Bevor er die Tür zu seinem Arbeitszimmer hinter sich zuzog, drehte sich Teiwes noch einmal um. »Ach, übrigens … nicht übel!«

Im letzten Augenblick war ihm ihre neue Frisur aufgefallen.

»Wir können den Mord an Weingartner nicht länger unter der Decke halten«, sagte Denker, »sonst kommen wir nicht weiter. Wir müssen auch die Mitarbeiter im Ministerium befragen, selbst auf die Gefahr hin, dass morgen alles in der Presse steht.«

Die Zeit war abgelaufen. Er konnte es nicht länger riskieren, die Ermittlungen auf halber Kraft zu fahren. Er hatte gewartet, wie Zednik geraten hatte, aber wenn er weiter zögerte, hielt er am Ende die Arschkarte. Wenn sie nicht schnell genug waren, konnten weitere Morde folgen, und er, Denker, hatte augenblicklich weder eine genaue Vorstellung vom Kreis der Täter noch von dem der möglichen Opfer.

»Die Spurensicherung hat nichts feststellen können. Außer Weingartners Fingerabdrücken, Haaren und Spucke haben sie in seiner Bude nichts gefunden. Der Weg ist da zu Ende«, bestätigte Kleinschmidt. Er warf einen Blick durch das Fenster von Denkers Büro auf die Ansammlung von meerblau gestreiften Dienstwagen im Hof des Präsidiums. »In Griechenland soll immer noch Sommer sein ...«, sagte er.

»Wir werden die Kollegen in Saloniki verständigen«, spielte Denker plötzlich den energiegeladenen Cop, der sich von niemandem daran hindern lässt, sich für die Gerechtigkeit einzusetzen, noch nicht einmal von der Aussicht, mit griechischen Kollegen zusammenarbeiten zu müssen. »Die sollen seine Schwester, diese Elke Stefanidis, befragen, wann sie ihren Bruder zuletzt gesehen hat und ob ihr etwas an ihm aufgefallen ist und so weiter, das Übliche eben. Wir werden uns zwischenzeitlich im Kanzleramt umsehen.«