Verwirrung stiften und falsche Fährten legen, das ist die Phase, die mir persönlich am besten gefällt, wenn ich einem Kunden helfe, spurlos zu verschwinden.
In der ersten Phase des Verschwindens, der Verfälschung und Löschung persönlicher Daten und Informationen, haben Sie alles, was da draußen Auskunft über Sie gibt, aufgespürt und es vor neugierigen Blicken verborgen. Jetzt werden Sie es noch schwerer machen, Sie zu finden, indem Sie Verwirrung stiften und einen Haufen falscher Fährten für Ihren Verfolger legen. Sie tun dies mit zwei Zielen im Hinterkopf:
Beschäftigen Sie Ihren Jäger damit, am falschen Ort nach Ihnen zu suchen, und sorgen Sie dafür, dass Ihre Akte so dick, frustrierend und teuer zu entwirren wird wie möglich.
In meiner Zeit als Personenfahnder wünschten meine Kollegen und ich uns immer, gerade genug Anhaltspunkte zu entdecken, um unsere Zielpersonen zu finden – nicht mehr und nicht weniger. Bei zu wenigen Hinweisen würde die Spur schnell kalt werden, bei zu vielen würden wir falsche Fährten von echten bald nicht mehr unterscheiden können.
Wenn sich Menschen auf und davon machen, um sich dem Zugriff anderer zu entziehen, begehen sie oft den entscheidenden Fehler, ihre Verfolger nicht zu beschäftigen. Hinterlassen Sie nur eine einzige Spur, ganz gleich wie sehr Sie sich bemüht haben, sie zu verwischen, geben Sie Ihrem Verfolger die Möglichkeit, diese Spur sehr gründlich unter die Lupe zu nehmen. Gönnen Sie ihm diesen Luxus nicht. Versierte Personenfahnder gehören zu den schnellsten und findigsten Leuten, die man sich denken kann – die Chancen stehen also recht gut, dass Ihr Verfolger Sie erwischt.
Ihr »Haken« ist ein kleiner Hinweis, den Sie eigens auslegen, damit der Jäger ihn findet. Er wirkt echt und wird den Schnüffler in freudige Erregung versetzen, sobald er ihn aufspürt. Vielleicht bekunden Sie Interesse an einem Eigenheimkredit oder einer Mietwohnung oder einer Kreditkarte, was dann eine Bonitätsprüfung durch den Anbieter nach sich zieht. Vielleicht tätigen Sie Anrufe von einem Anschluss aus, von dem Sie wissen, dass Ihr Verfolger ihn sehr wahrscheinlich überprüfen wird.
Haken sind ein großartiges Werkzeug für Menschen, die Stalkern und Gewalttätern zum Opfer gefallen sind. Ich arbeitete einmal für eine Kundin namens Vera, deren Ehemann, der Vater ihres Kindes, sie misshandelt und mit dem Tod bedroht hatte. Nun stand er kurz vor dem Ende einer dreijährigen Haftzeit und hatte seine Frau selbst noch aus dem Gefängnis heraus mit anonymen Drohbriefen terrorisiert. Als sein Entlassungsdatum nahte, ließ er keinen Zweifel daran, dass er sie aufsuchen würde, um ihr wehzutun.
Vera besaß das alleinige Sorgerecht für ihr Kind und war nicht gewillt, es so weit kommen zu lassen. Sie wollte um jeden Preis ihre Heimatstadt verlassen, daher nahm sie Kontakt zu mir auf. Nachdem wir an verschiedenen Stellen ihre Daten verfälscht hatten, erarbeiteten wir eine ausgeklügelte, dabei aber realistische falsche Fährte, die ihren Exmann beschäftigen und von ihrer Spur abbringen würde.
Als Erstes schickte ich Vera in eine Kleinstadt im Mittleren Westen, wo sie sich eine Mietwohnung suchte. Wir stellten sicher, dass die Hausverwaltung des Wohnkomplexes – Sincere Realty in Buck, Oklahoma – eine Bonitätsprüfung durchführte, die dann in Veras Kreditauskunft auftauchen würde. Wir vermuteten, dass der Knastbruder einen Detektiv anheuern würde, um Veras Kreditauskunft abzufragen, und wir wussten, dass ihm selbst oder dem beauftragten Schnüffler dieser Prüfvermerk von Sincere Realty auffallen würde. Dieser Prüfvermerk war unser Haken.
Vera und ich wussten, dass sich der Knacki, kaum dass er von der Kreditauskunft erfuhr, in einen Überlandbus setzen und direkt nach Buck fahren würde. Deshalb warfen wir eine Schnur aus: ein ganzes Kuddelmuddel von Hinweisen auf sie an diesem Ort. Wir ließen Vera Strom und Wasser und einen Festnetzanschluss für die neue Wohnung beantragen, die sie in Augenschein nahm – allerdings ohne dort einzuziehen oder ihre Aufträge tatsächlich abzuschließen.
Wir nahmen an, dass der Vorbestrafte einen Detektiv beauftragen würde, die Nummer von Veras Wohnung zu ermitteln. Wenn ein professioneller Schnüffler auf Veras Spur war, würde er einen unvollständigen Antrag auf einen Festnetzanschluss für ihre neue »Adresse« entdecken – möglicherweise auch einen vollständigen Antrag, falls unterdessen ein neuer Mieter in die Wohnung eingezogen war. Er wäre verwirrt: Hatte Vera die Wohnung nun doch nicht genommen, oder zog sie mit jemandem zusammen? Er würde hinfahren und es überprüfen müssen, was den Knasti noch mehr Geld und Zeit kosten würde.
Die Telefongesellschaft, bei der Vera den Anschluss bestellte, fragte nach ihrem Beschäftigungsverhältnis und einer Kontaktnummer. Wir suchten ein großes Unternehmen mit Sitz in der Gegend und nutzten es als Adresse ihres Arbeitsplatzes. Dann gaben wir als Kontaktnummer einen Anschluss derselben Firma an – aber an einem anderen Standort des Unternehmens in einer anderen Stadt. Wir hofften, dass ihr Ex und sein trotteliger Schnüffler glauben würden, dass sie an einen anderen Ort versetzt worden war, und dort würde wieder eine neue Suche beginnen müssen und wieder in eine Sackgasse laufen.
Das Team Knasti konnte in ganz Oklahoma hinter jedem Baum nach Hinweisen auf Vera suchen, es würde sie niemals finden. Wenn ihre Verfolger ihren Namen bei keinem Versorgungsunternehmen fänden, würden sie es vielleicht bei den Telefongesellschaften, dem Kabelfernsehanbieter und örtlichen Lebensmittelgeschäften versuchen. Jede dieser Suchen würde viel Zeit in Anspruch nehmen und Geld kosten, bis sich die Rechnung der Detektei auf Hunderte, wenn nicht Tausende von Dollar belief.
Bevor sich Vera zu ihrem neuen, geheimen Aufenthaltsort aus dem Staub machte, eröffneten wir ein Girokonto in einer zufällig ausgewählten Bank. Vera rief diese Bank – und obendrein noch eine Reihe anderer Geldinstitute – von ihrem alten Telefon und dem ihrer Mutter an. Dann bat sie das Kreditinstitut um eine Debitkarte, die ich an eine Partnerin von mir weitergab, die damit durchs ganze Land reiste. Bald kaufte »Vera« kreuz und quer auf dem nordamerikanischen Kontinent ein, in St. Louis, Montreal, Seattle und so weiter.
Das war unser Senkblei: eine derart ins Kraut schießende Spur, dass ein Privatdetektiv Jahre brauche würde, um ihr auf den Grund zu gehen. Wenn es Team Knasti gelänge, an eine der beiden Anruflisten heranzukommen, würde es die Rufnummern von Banken entdecken und annehmen, eine heiße Spur zu Veras Kontobewegungen entdeckt zu haben. Vielleicht würde eine Privatdetektivin die Banken anrufen und sich des streng verbotenen Tricks bedienen, sich als Vera auszugeben. Sie würde bei einem der Institute ein aktives Konto entdecken und höchst befriedigt denken: »Bingo, jetzt haben wir sie!«
Dann würde Sie sich unter einem Vorwand Bankauszüge verschaffen und das Folgende entdecken:
Geldautomat St. Louis, MO, $ 20,00
Geldautomat Chicago, IL, $ 30,00
Geldautomat Las Vegas, NV, $ 10,00
Geldautomat Toronto, ONT, $ 20,00
Geldautomat Montreal, QC, $ 40,00
Geldautomat Seattle, WA, $ 10,00.
Sie würde denken: Um Himmels willen, diese Frau reist ja wie wild durchs ganze Land! Womöglich würde sie in einigen der Städte ein paar vorsichtige Recherchen beginnen und noch mehr Zeit und Geld vergeuden. Selbst wenn dem Knastbruder grenzenlose Ressourcen zur Verfügung stünden, wäre die Detektivin an diesem Punkt womöglich schon derart frustriert, dass sie freiwillig aufgäbe.
Wenn Sie Ihr Leben in Gefahr wähnen, werden Sie vielleicht mit sorgenschwerem Herzen den bitteren Entschluss fassen, aus Ihrem alten Leben zu verschwinden. Ein wenig Befriedigung werden Sie aber vielleicht doch finden, wenn ein Plan wie dieser aufgeht. Vera ist bis heute in Sicherheit, und wir genießen es ohne falsche Scham, diesem kriminellen Schweinehund von Exmann den Mittelfinger gezeigt zu haben.
Ganz gleich, wie quälend es für Sie ist, alle Brücken hinter sich abzubrechen und aus Ihrem bisherigen Leben abzutauchen, Sie finden hoffentlich genügend Abstand, um die kreative Finesse zu genießen, mit der Sie Ihren Verfolger durch ein Knäuel falscher Fährten schier zur Verzweiflung getrieben haben. Tatsächlich kann es richtig Spaß machen, seine Verfolger an der Nase herumzuführen, wie das Beispiel von Louie zeigt.
Als ich Louie kennenlernte, erinnerte er mich an eine pummelige, dauerfluchende Version des stets qualmenden Colonels aus der Fernsehserie A-Team. Er stammte aus Brooklyn und nuckelte an einer langen kubanischen Zigarre, als er in mein Büro kam. Er erzählte mir, dass er ein Vermögen mit dem Betrieb von Hotdog- und anderen Imbisswagen gemacht habe, sein widerlicher Sohn ihm aber nun sein Geld abspenstig machen wolle. Der Sohn war ein auf Schadenersatzklagen spezialisierter Winkeladvokat, der versuchte, die Vormundschaft über seinen Vater zu erlangen, um sich an dessen Hotdog-Dollars zu bereichern.
Louie war nicht gewillt, es so weit kommen zu lassen. Er war Witwer und etwas älteren Datums, aber alles andere als senil oder unfähig, sich um seine Angelegenheiten zu kümmern. Er wollte seinen Sohn loswerden und wusste, dass die beste Lösung wäre, einfach spurlos zu verschwinden: ab in die Karibik, wo er unter blauem Himmel sein Vermögen und ein kaltes Corona genießen konnte. Als Erstes suchte ich mir eine Escort-Dame in Miami und erklärte ihr, dass ich einen Kunden habe, der ihr eine Wohnung mieten und ihr alle Unterhaltskosten bezahlen wolle. Die Dame sagte nur allzu gern zu. Dann mietete ich in Louies Namen eine Wohnung in einem Gebäude mit einem Portier und bestellte für ihn einen Kabelfernsehanschluss, Strom, Wasser und einen Festnetzanschluss. Kurz darauf richtete sich die Escort-Dame dort häuslich ein.
Ein paar Wochen später entspannte sich Louie an einem karibischen Strand, während wir unsere Desinformationskampagne begannen. Ich ließ eine Servicemappe für den Umzug nach Miami an Louies alten Wohnort schicken, mit allen wichtigen Informationen, die ein Neubürger der Stadt benötigt. Bewusst hatten wir darauf verzichtet, einen Nachsendeantrag zu stellen. Wir wussten, dass der Sohn die Post des Vaters durchstöberte und in Miami nach ihm suchen würde.
Wir nahmen an, dass Louies Sohn einen Privatdetektiv anheuern würde. Ich wusste, dass meine Kollegen als Erstes die lokalen Versorgungsunternehmen kontaktieren würden. In kürzester Zeit konnte ein Privatdetektiv auf diese Weise Louies Adresse und Telefonnummer herausbekommen, unter einem schlichten Vorwand wie: »Hallo, mein Name ist Louie Hotdog. Es könnte sein, dass ich Ihnen noch Geld von meiner letzten Rechnung schulde. Könnten Sie wohl bitte kurz nachsehen?«
Der Detektiv würde diese Kontaktinformation an Louies Sohn weiterleiten, und wenn er die Nummer anriefe, würde Louies schroffe Stimme vom Band erklingen mit der Bitte, eine Nachricht zu hinterlassen. Natürlich würden seine Anrufe unbeantwortet bleiben, er würde schließlich die Geduld verlieren und einen Privatdetektiv in der Gegend beauftragen, die Wohnung aufzusuchen.
Und wissen Sie was? Unsere Vorhersagen trafen tatsächlich genau ins Schwarze. Der Sohn heuerte wirklich einen Schnüffler an, der sich vor dem Gebäude postierte und es überwachte. Er sah Louie nie kommen oder gehen. Schließlich ging er zum Portier und zückte ein Foto von Louie, aber der Portier erklärte, dass er diese Person noch nie im Gebäude gesehen habe. Er beharrte darauf, dass Louie dort nicht wohne.
Louie und ich vermuteten, dass der Privatdetektiv dem Portier ein paar Scheine zusteckte und auf diese Weise erfuhr, dass die Escort-Dame in Louies Wohnung lebte. Als der Detektiv sie befragte, war sie so freundlich, ihm zu verraten, dass Louie schlicht ein großzügiger Kunde war, der sie unterstützte, und gab ihm eine Kontaktnummer.
Es war die Nummer eines Anschlusses mitten in Florida. Als der Sohn dort anrief, klingelte es lange, dann hörte er seine eigene Stimme auf dem Anrufbeantworter. Wir hatten die Telefongesellschaft veranlasst, auf einem ländlichen Grundstück einen provisorischen Anschluss zu legen, und nutzten eine Anrufweiterleitung, die zum Festnetzanschluss des Sohnes führte. Jeder, der »Louies« Telefonnummer wählte, wurde so zum Haus des Sohnes auf Long Island umgeleitet.
Haken, Schnur und was für ein wuchtiges Senkblei! Der Sohn war bedient und gab die Suche auf.
Verwirrung zu stiften und falsche Fährten zu legen kann einem Verfolgten Genugtuung verschaffen. Aber aus dieser Geschichte kann man noch andere Lehren ziehen. Vielleicht sind Sie in einer völlig anderen Lage als Louie, aber wenn Sie so erfolgreich von der Bildfläche verschwinden wollen wie er, müssen Sie einige derselben Prinzipien befolgen:
Knausern Sie nicht. Was ist wichtiger, Ihr Geld oder der Schutz Ihrer Privatsphäre?
Louie war bereit, sich den ausgefeilten Plan zur Irreführung seines Sohnes einiges kosten zu lassen. Sie haben vielleicht kein Geld, um eine Wohnung zu mieten und eine Escort-Dame anzuheuern, aber unternehmen Sie, was immer Sie sich leisten können. Eröffnen Sie ein kleines Girokonto, und geben Sie die Servicekarte einer Freundin, die viel auf Reisen ist. Fliegen Sie in eine beliebige Stadt, um sich Wohnungen anzusehen, und treffen Sie sich mit Maklern, die dann Ihre Bonität überprüfen. Führen Sie ein paar Ferngespräche mit Banken und Arbeitgebern in einer anderen Stadt.
Seien Sie kreativ.
Louies Plan hatte Verve – an den Ihren sollten Sie mit ebensolchem Elan herangehen. Vielleicht möchten Sie eine falsche Spur nach London oder Berlin legen. Nehmen Sie sich viel Zeit, um sich die klügste Vorgehensweise zu überlegen, die ein Verfolger wählen könnte, um Sie aufzuspüren. Dann gehen Sie los und legen Ihre Fährten. Stellen Sie es sich wie ein kleines Performance-Kunstwerk vor, in das Sie einen nichts ahnenden Akteur hineinstolpern lassen.
Sie mögen Klatschgeschichten? Bestellen Sie Die Bunte als Abo zu einer Berliner Wohnung, die Sie zuvor sorgfältig ausgesucht haben. (Die Bewohner freuen sich vielleicht.) Sie sind Obstfanatiker? Bestellen Sie auf der Webseite meinObstkorb eine Kiste Früchte und lassen Sie diese an ein beliebiges Büro der Stadt liefern. Machen Sie eine Tour durch die Babelsberger Studios und schicken Sie die Fotos an Ihre alte Adresse. Besuchen Sie das BMW-Motorradwerk und tragen Sie sich ins Gästebuch ein. Je härter ein Personenfahnder für einen Hinweis auf Ihren Aufenthaltsort arbeiten muss, desto überzeugter wird er sein, sich auf der richtigen Fährte zu befinden. Verfolger, die solche Hinweise entdecken, aalen sich im Bewusstsein ihrer eigenen Schläue.
Die Rufweiterleitung ist Ihr bester Helfer.
Mit nichts lässt sich ein Gespinst von Täuschungen schneller erzeugen als mit einem Labyrinth von Telefonnummern – und falls es ein Verfolger schafft, sich durch das Gewirr zu kämpfen, gibt es keine bessere Methode, um ihm zuzurufen: »Lass mich, verdammt noch mal, in Ruhe!« Louies »Kontaktnummer« führte zum Anrufbeantworter des Sohnes – ein klares Signal an den Sohn und seinen Privatdetektiv, dass wir die Oberhand hatten. Eine andere Person hätte vielleicht die Anrufe eines Verfolgers an ein Frauenhaus oder eine Polizeiwache weitergeleitet. Das wird jeden Kriminellen, dem seine Freiheit lieb ist, vor der Jagd auf Sie abschrecken.
Die Rufweiterleitung ist ein großartiges Werkzeug, und wenn Sie Ihre Täuschungsmanöver abschließen und sich bereit machen zum Abtauchen, werden Ihnen eine Menge weiterer Mittel beim spurlosen Verschwinden behilflich sein. Bevor wir uns also Phase drei des Untertauchens zuwenden – dem Neuanfang –, möchte ich Sie bis an die Zähne mit allem bewaffnen, was Sie für einen sauberen Abflug benötigen.