Wenn Sie felsenfest entschlossen sind, sich in sozialen Netzwerken oder der Blogosphäre zu tummeln, wünsche ich Ihnen viel Glück. Ich persönlich halte es für eine schreckliche Idee und würde niemals wollen, dass andere Leute so viel von meinen Angelegenheiten erfahren.
Zugegeben, ich bin ein bisschen paranoid. Viele Leute können sich einfach nicht von Facebook, Twitter und Blogspot fernhalten, manch einer muss sogar in sozialen Medien unterwegs sein, weil sein Lebensunterhalt davon abhängt. Vielleicht sind Sie Marketing-Experte oder geben einen Rundbrief heraus oder sind Organisator einer Gruppe, müssen also Ihre Kunden, Leser oder Mitglieder leicht erreichen können. Womöglich möchten Sie Portale wie Facebook im Auge behalten, um zu erfahren, ob über Sie geredet wird. Vielleicht führen Sie ein öffentliches Leben und machen sich keine Sorgen, dass irgendjemand weiß, wo Sie wohnen oder wer Ihre Freunde sind. Was immer Ihre Gründe für Ihre Internetpräsenz sind, kann es dennoch sein, dass Sie anderen keine unnötigen Angriffsflächen bieten möchten.
Als positiv denkender Mensch werde ich auf die hellen Seiten des sozialen Netzwerkens blicken und zeigen, wie Sie es so sicher wie möglich gestalten können. Wie sagt Facebook: »Es ist kompliziert« – aber es ist machbar.
Ich habe gelernt, wie man aus sozialen Netzwerken verschwindet, weil man mich dafür bezahlt hat. Zuvor hatte ich das für unmöglich gehalten, weil es mir öfter, als ich zählen kann, gelungen war, Zielpersonen aufgrund ihrer Netzaktivitäten zu lokalisieren. Einmal gab uns eine Frau, die den Verdacht hegte, dass ihr Ehemann sie betrog, eine Liste seiner Lieblingsspitznamen, und binnen einer Stunde fanden wir ihn unter einem davon auf einer Dating-Webseite. Unzählige Male rief ich unter einem Vorwand bei Freunden und Familienmitgliedern von Zielpersonen an, unter Nummern, die ich auf Facebook gefunden hatte. Ich habe die Standardphrasen noch im Kopf: »Guten Tag, Pat Brown von UPS, wir haben hier ein Paket mit Wasserschaden für Sie. Der Absender liest sich wie Stefan … Stefano … Stephen? Wann sind Sie anzutreffen, um den Empfang zu quittieren? 15 Uhr? Danke, und noch eine Sache: Wir haben eine Benachrichtigung über eine Paketbeschädigung an Sie versandt und eine geht an den Absender, allerdings haben wir hier keine Adresse. Können Sie uns damit aushelfen?« Die meisten Menschen helfen gern.
Franks Regeln für das Netz
Ja, ich bin ziemlich skeptisch, was die Chancen eines Nutzers angeht, in sozialen Medien seine Privatsphäre zu schützen. Aber dann fand ich in meinem Posteingang eine E-Mail von jemandem, der einen religiösen Rundbrief ins Leben rufen wollte. Der Bursche war ein intelligenter, erfolgreicher Geschäftsmann, der nicht wollte, dass seine Religion seinem Arbeitsleben ins Gehege kam. Daher benötigte er Hilfe bei der Gründung einer Netzgemeinde, die in keiner Weise mit seinem Klarnamen verbunden war. Er wollte diese Community auf Facebook und MySpace etablieren, aber er konnte es nicht persönlich tun.
Seine religiösen Überzeugungen waren nicht nach meinem Geschmack, aber er war kein Hassprediger, und ich bin ein Verfechter der Redefreiheit. Also übernahm ich den Job.
Die erste Aufgabe meines Kunden bestand darin, bei kostenlosen Anbietern aus aller Welt mehrere E-Mail-Adressen zu schaffen. Dazu nutzte er ein Internetcafé; allerdings bin ich mit den Jahren zu der Überzeugung gelangt, dass ein Laptop an einem öffentlich zugänglichen WLAN-Hotspot sicherer ist als ein Internetcafé. Man weiß nie, wer einem durch das Auge einer Überwachungskamera im Innenraum zuschaut oder ob jemand den Rechner, an dem man sitzt, mit einer Spionagesoftware versehen hat, die alle Eingaben aufzeichnet. Wenn Sie also wirklich anonym im Netz unterwegs sein möchten, ist öffentliches WLAN der beste Weg.
Dann kauften mein Kunde und ich einige Prepaid-Kreditkarten zur Bezahlung aller Dienstleister und sonstigen Ausgaben, die mit diesem Unternehmen verbunden sein würden: eine Druckerei und Vertriebsfirmen für seinen Rundbrief, Telefonanschluss, Faxnummer, Briefkasten und Webhosting. Der Kunde wollte in der Lage sein, mit Lesern am Telefon zu chatten und Briefe zu schreiben und zu empfangen, aber er wollte nicht, dass sie ahnten, wo er wohnte. Dank JConnect und privaten Anbietern von Mietbriefkästen war das zum Glück überhaupt kein Problem.
Wir suchten und mieteten mehrere Briefkästen in der Karibik, jeder in einem anderen Land. Einer dieser Briefkästen diente als sein Hauptpostfach, die Anbieter der anderen beiden leiteten gegen Gebühr die dort eingehende Post an diese Adresse weiter. Wir richteten eine kostenlose Rufnummer und eine Faxnummer bei JConnect ein, wobei wir für jede Nummer eine andere E-Mail-Adresse und Prepaid-Kreditkarte benutzten. Dann erwarben wir bei einem beliebten Anbieter einen Domain-Namen mit deutscher Landeskennung. Auch die JConnect-Nummern, die wir besorgten, und die E-Mail-Adresse, über die er offiziell ansprechbar sein würde, sahen deutsch aus. Es ist genauso einfach, von den USA aus eine deutsche Telefonnummer oder E-Mail-Adresse zu besorgen, wie umgekehrt eine amerikanische aus Deutschland.
Wir schickten die deutsche E-Mail-Adresse und Telefonnummer zu einem Drucker in Tennessee, der sehr erfreut darüber war, diesen religiösen Rundbrief für Mrs und Mr Hans und Gretchen Lugner aus Deutschland drucken zu dürfen. Dann suchten wir kleine Vertriebsfirmen in den gesamten Vereinigten Staaten, die bereit waren, die frohe Botschaft im Namen der »Lugners« zu vertreiben. Nun konnten wir schon fast mit dem Druck beginnen.
Aber zuerst musste Frank Ahearns Marketing-Team etwas Aufmerksamkeit für den Rundbrief erzeugen. Ich fuhr zur Fifth Avenue, suchte mir mit meinem Laptop einige öffentliche WLAN-Hotspots und legte etwa ein Dutzend E-Mail-Adressen an. Innerhalb einer Stunde hatte ich auf Facebook und MySpace Seiten für etwa fünfzehn verschiedene Jesus-Freaks angelegt, und siehe da: Sie alle waren begeistert vom Rundbrief meines Kunden. Diese »Leute« verbreiteten die Kunde des Rundbriefs auch in verschiedenen religiösen Blogs und Foren. Plötzlich hatte mein Kunde eine Anhängerschaft.
Ich richtete eine Facebook-Seite für Hans und Gretchen Lugner ein und schuf eine Fanseite für ihren Rundbrief, auf der all ihre treuen Leser (d. h. Frank, Frank, Frank etc.) bewundernde Kommentare posteten. Dann – ein weiterer Grund, warum ich wahrscheinlich in die Hölle kommen werde – fand ich auf einer zufällig ausgewählten Familienwebseite einen Haufen Fotos, lud sie alle herunter und postete sie auf der Facebook-Seite der Lugners. Hey, so was passiert eben, wenn man seine Fotos online stellt: Leute wie ich klauen sie.
Echte Menschen (oder zumindest Netzerscheinungen, die wie echte Menschen wirkten) stießen schließlich auf meine Links und Kommentare. Sie kommentierten ihrerseits die Facebook-Seite von Hans und Gretchen und die hübschen Familienfotos und folgten von dort aus meinem Link zum Rundbrief. Ich benutzte ein Suchmaschinen-Optimierungsprogramm, Trellian SubmitWolf, um das Googeln des Rundbriefs so leicht wie möglich zu machen, und binnen weniger Monate hatte mein Kunde eine gut gedeihende Webseite, die völlig losgelöst war von seinem Namen und seinen persönlichen Daten.
Zähneknirschend gebe ich zu, dass es tatsächlich möglich ist, was mein Kunde wollte: eine Internetpräsenz aufzubauen und in sozialen Netzwerken Geschäfte zu machen, ohne sich persönlich allzu sehr in Gefahr zu bringen. Aber Sie müssen dabei sehr vorsichtig zu Werke gehen.