Ich war immer fasziniert von der Idee des »Pseudozids« – für mich die höchste Kunst des Verschwindens. Natürlich ist es streng verboten und könnte einen in große Schwierigkeiten bringen. Aber ich muss zugeben, glamourös wäre es.
Pseudozide sind ein häufiges Motiv in Literatur und Film – von Romeo und Julia bis zu dem Film Eddie and the Cruisers von 1983 über einen Rockmusiker, der seinen eigenen Tod vortäuscht, nur um zum großen Finale auf die Bühne zurückzukehren. Mein Lieblingsbeispiel ist Earl Hickey aus der Comedy-Serie My Name Is Earl, der seinen Tod vortäuscht, um einer Rockerbraut zu entfliehen. Ich fühle mit ihm.
Als Teenager war ich tief beeindruckt von dem Gerücht, Jim Morrison, der tote Sänger der Doors, sei auf dem Pariser Friedhof Père-Lachaise an seinem eigenen Grab vorbeigegangen. Dann gab es da die Geschichte, dass Elvis Presley in einem schmierigen Imbiss an der Route 66 Hamburger belegte. Selbst Billy the Kid könnte es getan haben: Zwei Männer, Brushy Bill Roberts und John Miller, behaupteten Jahre nach seinem »Tod«, er zu sein. Und keiner von uns, die wir in den 1970er-Jahren Kinder waren, wird jemals D. B. Cooper vergessen, den Mann, der eine Boeing 727 entführte, mit dem Fallschirm aus dem Heck absprang und vielleicht in jener regnerischen Nacht über dem Staat Washington ums Leben kam oder nicht. Neun Jahre später fand ein Junge ein Viertel der Lösegeldsumme halb verrottet in einem Sack an einem Flussufer. War das der Beweis, dass Cooper beim Aufprall umgekommen war, oder war es eine geniale Finte, mit der der einzige Flugzeugentführer der amerikanischen Geschichte, der nicht gefasst wurde, seinen Tod vortäuschte?
Nun, wir werden es niemals erfahren, nehme ich an, aber vier Jahrzehnte nach der Flugzeugentführung schlägt der Fall noch immer unsere Fantasie in Bann. Wussten Sie, dass ein Dorf im Pazifischen Nordwesten der USA bis heute einen »Cooper Day« zu seinen Ehren begeht? Ein Pseudozid scheint ein großartiger Weg zu sein, im Gedächtnis der Menschen zu bleiben, selbst wenn man dafür so tun muss, als wäre man tot.
Ich bin nicht sicher, was ich Ihnen für ein erfolgreich vorgetäuschtes Ableben raten soll. Es ist schwer zu sagen, wie kompliziert es werden könnte, weil die einzigen Leute, von denen wir hören, diejenigen sind, die erwischt wurden. Wer weiß, wie vielen Menschen es geglückt ist?
Ich wünschte, es gäbe eine Geheimgesellschaft, die alle erfolgreichen Scheintoten vereint, geleitet vielleicht von Guy Montag, dem Protagonisten aus Fahrenheit 451, der die verbotene Lust des Lesens entdeckt und vor dem buchfeindlichen Regime zu Gleichgesinnten in die Wälder abtaucht. Was gäbe ich nicht dafür, bei einem ihrer Treffen Mäuschen spielen zu dürfen.
Ein vorgetäuschter Tod ist zweifellos eine riskante Sache. Aber ich liebe es, mir vorzustellen, wie es wäre, wenn man sie durchziehen würde.
Der erste Schritt ist offensichtlich:
Ermitteln Sie, ob Sie irgendwelche Hinweise hinterlassen haben, als Sie Ihr Verschwinden planten.
Blicken Sie zurück und überlegen Sie, ob irgendetwas, das Sie in der Vergangenheit getan oder gesagt haben, ein Anhaltspunkt dafür sein könnte, dass Sie für immer verschwinden wollen. Haben Sie im Internet gesurft und nach Mietwohnungen in Neuseeland gesucht? Offenbart Ihr E-Mail-Archiv Nachforschungen über Auslandskonten in Gabun? Vielleicht sind Sie letztes Jahr auf die Fidschi-Inseln gereist, um sich dort zum Verkauf stehende Immobilien anzusehen, und werden vielleicht noch immer wöchentlich per E-Mail über neue Verkäufe auf dem Laufenden gehalten.
Wenn Sie Spuren hinterlassen haben, könnte das Verfolger auf die Fährte Ihres künftigen Lebens bringen. Den eigenen Tod vorzutäuschen ist ein Akt des Verschwindens wie jedes andere Untertauchen, bei dem man sich für alle Eventualitäten wappnen muss, auch für die Möglichkeit, dass Ermittler herausfinden, dass Sie gar nicht tot sind, und daher anfangen, nach Ihnen zu suchen. Für diesen Fall sollten Sie Vorsorge getroffen haben, dass es keine offensichtlichen Spuren von Ihnen gibt, denen die Fahnder folgen könnten.
Schauen Sie sich an, wohin Ihre Spuren führen:
Überprüfen Sie Ihren Browserverlauf, um festzustellen, ob Ihre Vergangenheit mit Ihrer geplanten Zukunft in Verbindung gebracht werden kann.
Sollte dies der Fall sein, ändern Sie Ihren Ausstiegsplan. Durchforsten Sie die Einzelverbindungsnachweise Ihres Festnetz- und Mobilfunkanbieters nach Nummern, die mit Ihrer Zukunft in Verbindung gebracht werden können. Ziehen Sie auf die Seychellen, wenn Sie die Bahamas angerufen haben. Fliegen Sie nach El Salvador, wenn Sie sich telefonisch nach Marrakesch-Flügen erkundigt haben.
Wohin Sie verschwinden möchten, ist wichtig.
Sie werden auffliegen, wenn Sie in Ihrem Land bleiben.
Ein »Pseudozid« ist die Vortäuschung des eigenen Ablebens. Lernen Sie Raymond Roth kennen, einen Amerikaner, der eines Tages beschloss, seinen Tod vorzutäuschen, weil er sein altes Leben über Bord werfen und ein ganz neues beginnen wollte. Ach ja, natürlich nicht ohne ein bisschen Taschengeld von der Lebensversicherung.
An einem wunderschönen Nachmittag fuhren Raymond und sein zweiundzwanzigjähriger Sohn zum Strand, um Sonne, Sand und Wasser zu genießen. Zumindest nahmen die meisten Leute an, dass Vater und Sohn dies vorhätten. Nicht lange darauf legte Raymond seine Kleidung, Brieftasche (bis auf den Führerschein), iPhone (komplett alle Daten gelöscht), seine Brille und alles Übrige auf ein Handtuch, sprang ins kühle Wasser des Atlantiks und ward nicht mehr gesehen.
Der Sohn verständigte seine Stiefmutter, Raymonds Ehefrau, dass sein Vater vom Schwimmen nicht zurückgekehrt sei. Dann rief er die Polizei an, die sofort eine breit angelegte Rettungsaktion in die Wege leitete. Während Behörden, Freunde und Nachbarn verzweifelt nach Raymond suchten und befürchteten, dass er ertrunken war, genoss dieser eine Autofahrt zu einer Wohnung im sonnigen Florida.
Vor seinem Verschwinden hatte Raymond seinem Sohn per E-Mail erklärt, wie er nach der Vortäuschung seines Todes Kontakt zu ihm aufnehmen könne, und obendrein noch ein paar wenig schmeichelhafte Bemerkungen über seine Frau hinzugefügt. Eine Anmerkung: Wenn Sie vorhaben, Ihren eigenen Tod vorzutäuschen, verzichten Sie darauf, anderen Ihre posthume Kontaktadresse zu mailen. Wie blöd kann man sein! Außerdem sollten Sie vielleicht besser keine unfreundlichen Dinge über einen Menschen hinterlassen, dem Sie durch Ihre Tat schweres Leid zugefügt haben. Das könnte sich rächen!
Ohne Wissen von Mrs Roth hatte Raymond ihr Haus zum Verkauf angeboten, ihre Bankkonten geplündert und seine Lebensversicherung auf eine halbe Million Dollar erhöht. Raymond musste wohl ein Sack Steine auf den Kopf gefallen sein, denn jede einzelne dieser Handlungen signalisierte laut und deutlich: Achtung: Versicherungsbetrug!
Der scheintote Raymond schaffte es, seine eigene Dummheit sogar noch zu überbieten, indem er seinem Sohn eine Notiz hinterließ, wie er den Verkauf des Hauses abwickeln sollte. Ein brillanter Schachzug, mit dem er ein weiteres Beweisstück lieferte und obendrein seinen Sohn mit in die Sache hineinzog. Als dieser von der Polizei befragt wurde, knickte er rasch ein. Von dem Betrug in Kenntnis gesetzt, war Mrs Roth vor Zorn so außer sich, dass sie ihren Mann in einer Pressemitteilung in der Luft zerriss.
Raymond hat uns eine schnelle Lektion erteilt, wie man nicht verschwinden sollte. Zu seinem Unglück bezahlt er dafür mit einem längeren Gefängnisaufenthalt.
Manch eine oder einer von Ihnen hegt womöglich selbst den geheimen Wunsch, den eigenen Tod vorzutäuschen. Vielleicht sind Sie auf die brillante Idee gekommen, sich in den Rhein oder die Elbe zu stürzen in der Hoffnung, dass alle glauben werden, Sie seien auf den Grund des Flusses gesunken und von den Fischen gefressen worden. Leider ist Wasser der gemeinsame Nenner in den meisten Fällen vorgetäuschter Tode. Viele haben zuvor ihre Lebensversicherung aufgestockt. Wenn Sie das getan haben, schlagen Sie dieses Buch zu und verabreichen Sie sich selbst ein paar gepfefferte Ohrfeigen – jeder weitere Kommentar erübrigt sich!
Was wollen Sie tun, um sich ein neues Leben aufzubauen, sobald Sie im Ausland sind? Ich glaube, man darf getrost sagen:
Sie werden, um das Ding zu drehen, eine neue Identität brauchen.
Und hier wird es kniffelig: Wo und wie verschafft man sich eine neue Identität? Ich persönlich würde versuchen, an die Identität eines Ausländers zu kommen. Ich würde in ein kleines Land reisen, in dem große Armut herrscht, und mit einem Familienvater ein Geschäft vereinbaren: Ich schicke ihm jedes Jahr ein paar Tausend Dollar, dafür darf ich seine persönlichen Daten nutzen.
Ich würde keine Identität von jemandem kaufen, der gefälschte Dokumente anbietet. Falsche Dokumente tragen Identifikationsnummern, und Sie werden wohl kaum wissen, wie Sie diese auf Gültigkeit überprüfen oder sicherstellen können, dass die Nummern korrekt sind. Der Fälscher könnte dieselbe Nummer bei mehreren Pässen benutzt oder zum Beispiel fünfzehn Pässe auf den Namen Marie Mai gedruckt haben. Stellen Sie sich vor, Sie und vierzehn andere Marie Mais wollen an Bord desselben Fluges gehen – höchst unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich.
Ich würde auch keine Identität von jemandem kaufen, der Duplikate anbietet. Sie wissen nicht, ob die Daten noch gültig sind. Sie haben keine Ahnung, ob die Person auf den Papieren tot ist oder lebt und vielleicht gar im Gefängnis sitzt. Außerdem ist Ihre Zeit begrenzt, wenn Sie die Daten eines anderen übernehmen, weil die Dokumente ja irgendwann verlängert werden müssen. Wenn die Person der duplizierten Ausweise stirbt, laufen Sie mit der Identität eines Toten durch die Gegend. Dann haben Sie ein Problem.
Sollte der Verkäufer der Identität verhaftet werden, könnte er Sie außerdem denunzieren. Auch dann wären Sie in der Bredouille. Glauben Sie mir: Der beste Weg ist der, eine »Freundin« oder einen »Freund« in einem Land der Dritten Welt zu suchen und ihr bzw. ihm zu einem deutlich besseren Leben zu verhelfen im Tausch gegen ihre/seine Hilfe bei der Beantragung von gültigen Ausweispapieren.
Was wäre der ideale Zeitpunkt, um ins Reich der Scheintoten zu wechseln? Darauf habe ich keine gute Antwort, aber ich weiß, wann man die Finger davon lassen sollte.
Verknüpfen Sie Ihren »Tod« nicht mit einem natürlichen oder von Menschen gemachten Desaster.
Versicherungsunternehmen und die Strafverfolgungsbehörden haben solche Ereignisse genauestens im Blick.
Ein Mann namens Steven Chin Leung, der in Hawaii wegen eines Passvergehens angeklagt war, gab sich als sein eigener, nicht existenter Bruder aus und behauptete, Steven habe zur Zeit des Anschlags vom 11. September 2001 auf das World Trade Center für den dort ansässigen Finanzdienstleister Cantor Fitzgerald gearbeitet. Steven bekam vier Jahre Haft aufgebrummt. Vergessen Sie diese katastrophale Idee.
Wenn Sie Ihren eigenen Tod vortäuschen wollen, um die Lebensversicherung zu kassieren, benötigen Sie einen Komplizen.
Ihre Lieben müssen in den Plan eingeweiht sein.
Jemand muss da sein, um den Scheck abzuholen. Natürlich ist die Wahrscheinlichkeit umso höher, dass die Sache schiefgeht, je mehr Leute davon wissen.
Offenbar führte ein Ehestreit zum spektakulären Scheitern von John Darwin, vielleicht der berühmteste Pseudo-Tote der jüngsten Geschichte. Darwin, ein Engländer mit Frau und zwei Kindern, paddelte eines Nachmittags 2002 in seinem altgedienten Kanu aufs offene Meer hinaus und kehrte nicht zum Mittagessen zurück. Seine Frau, Anne, verständigte die Behörden, eine Suche wurde eingeleitet, doch John war offenbar zu Fischfutter geworden.
Kurze Zeit darauf meldete sich der wundersam wiederauferstandene John bei seiner Frau und gestand ihr die Wahrheit. Sein Auftauchen hielt sie indes nicht davon ab, ihre Ansprüche gegenüber den Versicherungsgesellschaften geltend zu machen, die sich zusammen auf ein erkleckliches Sümmchen beliefen.
Nachdem er ein Jahr lang in seinem Haus in Deckung gegangen war, verschaffte sich John einen neuen Pass als John Jones – ein kluger Zug in Anbetracht der Tatsache, dass er sich mit diesem Namen nun in einem Meer von Namensvettern verlieren würde. Es war auch clever von ihm, seinen Vornamen zu behalten, statt sich Jimmy, Chris oder Barney zu nennen.
John war ein geschäftiger Toter. Einmal lief er einem alten Freund über den Weg, der von seinem tödlichen Unfall gehört hatte. John bat ihn zu schweigen, was der Freund auch tat. Von den Behörden später zur Rede gestellt, erklärte der Mann, er habe schlicht nicht in die Sache verwickelt werden wollen, nicht einmal durch einen anonymen Anruf. Gott segne ihn.
John fand außerdem eine Geliebte für sich in Kansas. Das war der fatale Fehler Nummer 1., solange seine Frau noch im Spiel war.
Nach einigen Jahren als Globetrotter landete John in Panama, während Anne das eheliche Haus verkaufte. Zusammen erwarben sie eine Eigentumswohnung und ein Anwesen für 350 000 Dollar in Escobal. Sie hatten vor, einen Kanuverleih zu eröffnen. Das war der fatale Fehler Nummer 2. Hätten sie Wie man sich in Luft auflöst gelesen, so hätten sie gewusst, dass man seinen Lebensstil ändern muss, wenn man erfolgreich verschwinden will, denn nach dem Abtauchen werden die Vorlieben, Hobbys und Leidenschaften der Verschwundenen leicht zu verräterischen Indizien ihres unverhofften Weiterlebens.
Im Dezember 2007 flog John zurück nach Großbritannien in der Absicht, seinen Sohn zu besuchen, spazierte aber in ein Londoner Polizeirevier, wo er behauptete, keine Erinnerung
Vielen Dank, John Darwin
Ich habe John Darwin zwar bislang noch nicht kennengelernt, trotzdem möchte ich ihm von ganzem Herzen danken. Als seine Geschichte in den Nachrichten kam, wurde ich von den Medien in Großbritannien und einigen anderen Ländern förmlich bestürmt, was meine Firma an die Spitze jener Unternehmen katapultierte, die für den Schutz der Privatsphäre ihrer Kunden kämpfen und bei Bedarf für ihr unauffälliges Verschwinden sorgen. Der Witz ist: Zwanzig Jahre meines Lebens hatte ich damit verbracht, von Iowa bis Helsinki Leute zu jagen, doch dafür hatte sich niemand interessiert. Dann kommt so ein harmloser Brite daher, täuscht seinen Tod vor, und bumm, schon stehe ich im Rampenlicht. John, wenn Sie dies hier jemals lesen: Herzlichen Dank!
Etwa ein Jahr nach Johns Verurteilung schrieb ich ihm einen Brief, in dem ich mich vorstellte, ihm von meiner Tätigkeit berichtete und ihn fragte, ob ich ihn im Gefängnis einmal besuchen dürfe. Einen Monat später rief ein Bursche mit einem britischen Akzent von einer Nummer in Florida an. Der Herr stellte sich vor und erzählte mir, er sei Johns Zellengenosse gewesen und dieser habe ihn gebeten, Kontakt zu mir aufzunehmen. Er bot mir die Rechte an John Darwins Lebensgeschichte an, für 250 000 Dollar. Ich fragte ihn, ob er mit John einen Vertrag habe. Er erwiderte, das habe er – geschrieben auf eine Serviette.
Ich sagte ihm, er solle Leine ziehen. Aber bevor er mich in Ruhe ließ, rief er noch einmal an und behauptete, er könne echte britische Pässe beschaffen. Ich legte auf und hörte nie wieder von ihm.
daran zu haben, wo er die vorangegangenen Jahre gewesen war. Ich vermute, er wollte aus seiner Ehe und der Situation in Panama aussteigen, und irgendein schlecht funktionierender Teil seines Gehirns hatte ihm eingeflüstert, dass ihm das auf diese Weise gelingen könne. Anne war froh über die Rückkehr ihres Ehemanns. Dann tippte jemand »John«, »Anne« und »Panama« in die Suchmaske von Google und stieß auf ein Foto des glücklichen Paars auf der Webseite ihres Wohnkomplexes in dem mittelamerikanischen Land.
Am Ende war John doch kein Held des vorgetäuschten Ablebens, sondern nur ein dummer Gauner.
Immerhin: Es war ein fast vollkommenes Verbrechen, ein beinahe perfekt vorgetäuschter Tod. Gerüchten zufolge hatte das Paar Eheprobleme. Ich nehme, dass es Anne nichts ausgemacht hatte, gemeinsam mit ihrem Mann einen schweren Betrug zu begehen, aber eine Freundin in Kansas mit ihm zu teilen, das kam für sie nicht infrage.
Ich hoffe, Johns Fehler sind für Sie offenkundig. Was für ein Trottel spaziert in eine Polizeiwache und behauptet, seit fünfeinhalb Jahren unter Amnesie zu leiden, nachdem er erst drei Monate zuvor mit seiner Frau nach Panama gezogen ist? Das betrügerische Ehepaar wurde zu je sechs Jahren in einem Gefängnis Ihrer Majestät verurteilt.
Es ist eine Sache, die Strafverfolgungsbehörden und die Medien einmal zum Narren zu halten, aber sie ein zweites Mal an der Nase herumführen zu wollen ist schiere Dummheit. Wenn Sie Ihren Tod erfolgreich vortäuschen, bleiben Sie tot!
Im Gefolge der globalen Finanzkrise war Darwin geradezu ein Trendsetter und wurde zum Vorläufer etlicher Möchtegern-Toter. Jeder Topmanager, dessen Flucht ins Ausland spektakulär scheiterte, lehrt uns eine weitere Lektion, wie man seinen eigenen Tod besser nicht fingiert.
Der Star in meiner Sammlung der Unrühmlichen dürfte wohl Marc Schrenker sein, Vorstandschef irgendeines windigen Finanzunternehmens, dem ein Berg von Vorladungen und Klageschriften der Bundesbehörden ins Haus schneite. Marc wusste, dass er geliefert war. Er beschloss, mit seinem Privatflugzeug loszufliegen, einen Notruf abzusetzen, auf Autopilot zu stellen und mit seinem Fallschirm abzuspringen.
Was für eine gewissenlose Tat, er hätte damit Dutzende von Menschen töten können!
Seinen eigenen Tod vorzutäuschen ist verboten. Besonders verwerflich ist es aber, dabei das Leben anderer in Gefahr zu bringen.
Nachdem der Schwindler sicher auf dem Boden gelandet war, trampte er zu einem Polizeirevier und behauptete, einen Kanu-Unfall gehabt zu haben. Was für eine Ironie. Die Polizei war so freundlich, ihn zu einem örtlichen Motel zu bringen, wo er die Nacht verbringen konnte. Am nächsten Morgen stahl sich Marc Schrenker davon und ging zu Fuß zu einem gemieteten Lagerraum, wo er sein Motorrad und andere Utensilien gebunkert hatte.
Er fuhr übers Land und suchte Zuflucht auf einem Campingplatz in Quincy, Florida. Den Leuten erzählte er, dass er und seine Freunde auf einer Geländetour seien. Marc zahlte in bar und besorgte sich ein Zelt, Feuerholz, das Passwort für den Internetzugang und einen Sixpack Budweiser.
An jenem Abend schickte er einem Freund eine E-Mail (oh, Mann!), in der er beichtete, dass der fingierte Flugzeugabsturz ein Fehler gewesen sei, er sich aber zu sehr schäme, um sich zu stellen. Wenn sein Freund diese Nachricht lese, fügte er hinzu, sei er schon nicht mehr.
Am nächsten Tag war er in Polizeigewahrsam. Der Eigentümer des Zeltplatzes hatte Verdacht geschöpft, als Marc nicht abreiste. Er ging zu dessen Zelt und entdeckte einen großen Blutfleck. Zufällig fragte die Polizei kurz darauf bei verschiedenen Geschäftsleuten der Gegend an, ob ihnen kürzlich irgendetwas Ungewöhnliches aufgefallen sei, woraufhin der Zeltplatzeigner den Blutfleck meldete. Die Polizei durchkämmte den Zeltplatz und das umliegende Gelände und fand den Flüchtigen: Er hatte mehrere Schnitte an den Handgelenken und eine beträchtliche Menge Blut verloren. Er wurde in ein Krankenhaus geflogen.
Eine weitere Lektion für Möchtegern-Tote:
Täuschen Sie keinen Tod vor, wenn das in Ihnen den Wunsch nährt, tatsächlich Selbstmord zu begehen!
Wegen Gefährdung der Flugsicherheit und vorsätzlicher Herbeiführung eines Flugzeugabsturzes erwarteten Marc nun Anklagen der Bundesstaaten Florida, Alabama und Indiana sowie der Bundesflugaufsicht und womöglich auch noch des US-Küstenschutzes. Warum hatte er sich nicht einfach von einem anderen Piloten in ein Land ausfliegen lassen, das keine Straftäter ausliefert, statt sein Flugzeug zerschellen zu lassen? Ein Land wie etwa Nigeria hätte ihn mit seinen Millionen schon willkommen geheißen. Ich glaube, Schrenker hatte irgendwelche psychischen Probleme.
Man muss sich nicht so dumm anstellen wie Marc Schrenker, um bei der Vortäuschung des eigenen Todes zu scheitern. Wer ins Reich der Pseudo-Toten wechseln will, sollte in jedem Detail überzeugen – noch mehr als bei jeder anderen Art des spurlosen Verschwindens. Denken Sie daran:
Schon die geringste Merkwürdigkeit in Ihrer Geschichte kann Sie auffliegen lassen.
John Stonehouse, einst Mitglied des britischen Parlaments, wusste das nur zu gut. Man stelle sich vor: ein Politiker, der sich in Luft auflösen will. Würde ihm doch nur manch anderer unserer Politiker nacheifern!
Im November 1974 ließ Stonehouse seine Kleidung an einem Strand in Miami zurück. Man nahm an, dass er ertrunken war, doch in Wirklichkeit war er zu seiner Geliebten nach Australien unterwegs. Um sich dort einzurichten, ließ er sich Geld unter einem Namen überweisen und zahlte es unter einem anderen Namen ein, was die Aufmerksamkeit einer neugierigen Bankkassiererin erweckte. Sie meldete die Auffälligkeit den Behörden, die beschlossen, die Umtriebe des mysteriösen Briten unter die Lupe zu nehmen.
Die Polizei hegte den Verdacht, dass es sich bei dem Verdächtigen um Lord Lucan handeln könnte, der nach der Ermordung des Kindermädchens der Familie kurz zuvor aus dem Vereinigten Königreich geflohen war. Glück für die Behörden, das nenne ich Duselfaktor! Stonehouse war auf dem besten Weg, ein schönes neues Leben mit seiner jungen Gespielin zu beginnen, da ließ ein anderer Fall, der nichts mit ihm zu tun hatte, seinen Traum vom Paradies zerplatzen.
Am Weihnachtsabend, etwas über einen Monat nach seiner großartigen Flucht aus Miami, kam Stonehouse in Untersuchungshaft. Er wurde zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt, von denen er vier absaß. Hinterher heiratete er seine Geliebte, schrieb mehrere Romane und wurde zu einer lokalen Berühmtheit.
Was Lord Lucan angeht, er wurde, wie die Protagonistin der Kindersendung Jagd um die Welt: Schnappt Carmen Sandiego!, an vielen Orten der Welt gesichtet. Mit dem einzigen Unterschied, dass der gute Lord noch immer auf der Flucht ist.
Leute, die ihren Tod vortäuschen wollen, möchten wie Lord Lucan sein und sich erfolgreich in Luft auflösen. Einige, wie Patrick McDermott, sind diesem Ziel verlockend nahe gekommen. McDermott, lange Zeit der Liebhaber der Sängerin Olivia Newton-John, verschwand im Jahr 2005 auf einem gecharterten Angelausflug. All seine Sachen blieben in seiner Kabine auf dem Boot zurück. McDermott steckte zu dieser Zeit in finanziellen Schwierigkeiten.
Aber wie oben schon erwähnt stellte das Ermittlungsteam der NBC-Kriminaldoku Dateline eine Webseite ins Netz, um Patrick zu suchen, und bemerkte dann erstaunt, dass die Seite viele Besuche aus dem mexikanischen Puerto Vallarta erhielt. Das Team schnüffelte in der Gegend ein wenig herum und spürte über ein Dutzend Zeugen auf, die behaupteten, Patrick gesehen zu haben.
Als die Detektive ihrer Zielperson immer näher auf die Pelle rückten, ließ Patrick ihnen durch einen »Vertreter« die Nachricht zukommen, sie möchten ihn in Ruhe lassen. Schließlich fanden sie heraus, dass er unter dem Namen Patrick Kim als Besatzungsmitglied einer Jacht arbeitete.
Pech gehabt.