Im Spar-Wahn

Discount ist in: Kosten senken um jeden Preis

Das alles ist das Ergebnis einer Deregulierung des Arbeitsmarktes. Die Vertreter der reinen neoliberalen Lehre würden hier von Auswüchsen sprechen, die so eigentlich nicht vorgesehen seien. Und tatsächlich hat die Bundesagentur für Arbeit bei der Leiharbeitsfirma Trenkwalder, die in der Regel die Arbeiter für Amazon rekrutierte, Verstöße gegen geltende Gesetze festgestellt. Amazon selbst hat dem Sicherheitsdienst gekündigt, nachdem Vorwürfe gegen dessen Mitarbeiter öffentlich geworden waren.

Das alles ändert jedoch nichts daran, dass mit dem System der Leiharbeit eine Belegschaft zweiter Klasse entstanden ist, eine Reservearmee für Industrie und Handel, und das völlig legal und im Einklang mit geltenden Gesetzen. In der Zeitarbeitsbranche ist es Usus, dass die ausgeliehenen Arbeitskräfte nur die Hälfte des üblichen Lohns erhalten: Die andere Hälfte kassiert der Leiharbeitgeber. So arbeiten in vielen Großunternehmen also Festangestellte neben Leiharbeitern, die für die gleiche Arbeit nur die Hälfte bekommen, und dabei oft sogar noch viel härter arbeiten müssen, weil sie unter Beobachtung stehen und jederzeit ihren Job verlieren können, wenn der Arbeitgeber nicht zufrieden ist mit der Arbeitsleistung.

Noch unsicherer – und vor allem schlechter bezahlt, also billiger – ist die Beschäftigung mit Werkverträgen, die zum Beispiel bei vielen Unternehmen in der Baubranche üblich ist, aber auch in der Lebensmittelbranche, wie wir im Kapitel über die Schlachthöfe erfahren haben. Da existieren dann nicht einmal mehr richtige Arbeitsverträge. Die Folge ist, dass es in solchen Betrieben immer weniger Festangestellte gibt, und ungelernte Arbeiter aus Rumänien im Ruhrgebiet für eine spanische Firma mit griechischem Geschäftsführer arbeiten, die einen Werkvertrag mit einem norddeutschen Fleischkonzern geschlossen hat.

All das lässt sich nur schwer verhindern, wenn man so billig wie möglich produzieren will. Solange die gesetzlichen Möglichkeiten da sind, den Beschäftigten immer weniger zu zahlen, solange werden sie selbstverständlich auch genutzt.

Am deutlichsten sieht man das am Beispiel der großen Discounter, die im Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland seit vielen Jahren einen konstanten Marktanteil von 40 Prozent haben. Und sie stehen ganz sicher nicht für besonders arbeitnehmerfreundliche Unternehmensführung. Im Gegenteil.

Sparen an allen Ecken und Enden – auch an der Arbeit

Das Faszinierende am Thema »Discounter und Arbeitswelt« ist: Seit es diese spezielle Form des Einzelhandels gibt, gibt es auch mit schöner Regelmäßigkeit Berichte darüber, wie Discounter mit ihrem Personal umspringen, wie sie ihre Mitarbeiter schikanieren und ihnen mit fadenscheinigen Begründungen den verdienten Lohn vorenthalten. Wenn es vonseiten der Unternehmensführung dazu überhaupt eine Stellungnahme gibt, dann wird in schöner Regelmäßigkeit darauf verwiesen, dass es sich um »bedauerliche Einzelfälle« und Missgriffe einzelner Filialleiter handle. Seine Beschäftigten mies zu behandeln – das macht sich dann doch schlecht in der Öffentlichkeit, und möglicherweise weigern sich gute Kunden sogar, weiter in Geschäften einzukaufen, wo man Personal nur einstellt und beschäftigt, weil es ganz ohne leider noch nicht geht.

Dabei geht es sämtlichen Discountern, von Aldi über Lidl bis hin zu Plus und Netto, selbstverständlich nicht nur darum, dem Kunden durch extrem billige Waren beim Sparen zu helfen. Vielmehr sparen diese Unternehmen selbst an allen Ecken und Enden, um einen möglichst hohen Gewinn einzufahren. Nicht umsonst gehörten die Aldi-Brüder Theo und Karl Albrecht über Jahrzehnte hinweg zu den reichsten Deutschen, dicht gefolgt von Lidl-Gründer Dieter Schwarz. Beide Firmen zählen zu den größten Handelsunternehmen der Welt, was den Umsatz angeht. Und das Privatvermögen der Gründerfamilien beträgt laut Fortune-500-Liste jeweils zig Milliarden Dollar. Zu solchem Reichtum gelangt man nicht, wenn man den Wohltäter der Menschheit gibt und seinen Kunden und Mitarbeitern ausschließlich Gutes tun will. Nein, es geht auch darum, selbst mit billigen Waren noch einen guten Schnitt zu machen. Und das erreicht man vor allem dadurch, dass man an allen Ecken und Enden spart: am Einkauf, an der Lagerhaltung, an der Verwaltung, an der Ausstattung der Filialen, an der Werbung und selbstredend natürlich auch am Personal.

Dessen Arbeitszeit ist besonders kostbar, und deshalb achten Discounter sehr darauf, dass sie nicht unnütz vergeudet wird. Man versuche einmal, in einer Aldi- oder Lidl-Filiale eine Angestellte, so man denn eine findet, die gerade etwas Luft hat, zu einem längeren Beratungsgespräch zu überreden. Man wird kaum in begeisterte Mienen blicken, denn für so etwas hat eine Discounter-Mitarbeiterin keine Zeit. Sie ist voll und ganz damit beschäftigt, Regale einzuräumen, Waren nachzufüllen, die Gänge sauber zu halten und tausend andere Dinge zu erledigen, die in so einem Laden nun mal anfallen. Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter haben genaue Vorgaben. Bei Aldi und Lidl ist exakt festgelegt, wie viele Artikel oder Kunden eine Kassiererin oder ein Kassierer in der Stunde schaffen muss. Klappt das nicht und vor allem regelmäßig nicht, dann ist man mit der Kündigung schnell bei der Hand. Bei Lidl gilt: 40 Artikel pro Minute müssen erfasst werden, bei Aldi gelten 90 Kunden in der Stunde als Richtwert. Das ist durchaus zu schaffen, wenn man geübt ist. Ein solches Tempo aber über einen langen Arbeitstag hinweg durchzuhalten, ist eine andere Sache.

Doch rigorose Leistungsvorgaben sind nur das eine. Hinzu kommt auch noch jede Menge unbezahlte Arbeit, weil zum Beispiel vorausgesetzt wird, dass die Beschäftigten morgens früher kommen und alles vorbereiten, bevor die eigentliche Arbeitszeit dann mit dem Öffnen des Ladens beginnt. Und abends, wenn der Laden schließt, muss natürlich noch abgerechnet werden und alles so weit erledigt sein, dass man am nächsten Tag ohne großen Aufwand gleich wieder öffnen kann. Auch das zählt dann meistens nicht mehr zur offiziellen Arbeitszeit. Denn diese endet mit dem Ladenschluss.

Darüber hinaus herrscht bei vielen Discountern unter den Beschäftigten nach wie vor ein Klima der Angst, und man könnte leicht den Eindruck gewinnen: Der Mitarbeiter ist der größte Feind des Unternehmens, weshalb man ihn so gut wie möglich überwachen muss. Zum Skandal wurden diese Praktiken in jüngster Zeit, als bekannt wurde, dass Discounter ihre Mitarbeiter per Video überwachen ließen, und zwar in Bereichen, in denen Kameras nichts zu suchen haben. Angeblich, um einen Schwund an Warenwerten in Form von Diebstahl zu verhindern.

Mit dem gleichen Argument kontrolliert man morgens und abends die Handtaschen der Verkäuferinnen oder setzt gar Privatdetektive auf sie an. Und wenn es ganz dumm läuft, finden die tatsächlich Sachen aus dem Geschäft, die vorher gar nicht in den Taschen waren. Denn Diebstahl ist ein willkommener Kündigungsgrund, und es gibt Mitarbeiter, die sind bei den Discountern nicht wohlgelitten. Zum Beispiel wenn sie widerborstig sind und einen Betriebsrat gründen wollen. Oder wenn sie schon einige Jahre im Unternehmen tätig sind und aufgrund ihrer langen Betriebszugehörigkeit laut Tarifvertrag einen höheren Lohn bekommen müssen. Doch die Logik der Discounter lautet: Älter ist teurer. Deshalb stellt man lieber jemand Jüngeren ein, der nicht so viel kostet.

Arbeitnehmerrechte kosten generell Geld. Weshalb sie bei Discountern auf wenig Verständnis stoßen. Betriebsräte sind nicht gern gesehen – man nimmt sie hin, wenn es sich nicht vermeiden lässt, wie beispielsweise nach der deutschen Wiedervereinigung, als die großen Discounter Aldi und Lidl in die neuen Bundesländer expandierten und dort zum Teil bestehende Geschäfte und volkseigene Betriebe im Lebensmittelbereich mit bestehenden Betriebsräten übernahmen. Im Prinzip aber ist der Betriebsrat als solcher für den Discounter ein Ding des Teufels, auch wenn man das natürlich nie so sagen würde. Und deshalb setzt ein Discounter stets alles daran, einen Betriebsrat zu verhindern.

Betriebsräte sind beim Discounter unerwünscht

Gehen entsprechende Maßnahmen, wenn sie denn bekannt werden, wieder einmal nur auf das Konto übereifriger Filialleiter? Sicher nicht. Denn wo man auch hinsieht, die Bilder gleichen sich, und die Maßnahmen haben Methode. Überraschend oft werden Beschäftigte, die einen Betriebsrat gründen wollen, fristlos gekündigt, man hat angeblich Diebesgut in ihren Taschen gefunden oder andere Gründe entdeckt, die eine sofortige Entlassung scheinbar rechtfertigen.

Ist die Einberufung einer Versammlung zur Wahl eines Betriebsrates jedoch einmal geglückt, was den Kandidaten den Status vorübergehender Unkündbarkeit verleiht, greift man zu anderen Mitteln. Filialleiter oder andere leitende Angestellte bitten dann schon mal ihre Mitarbeiter zum persönlichen Gespräch in ihr Büro und reden ihnen eindringlich ins Gewissen. Und hilft das alles nichts, dann kandidieren Führungspersonen oder deren engste Vertraute bei der Wahlversammlung schon mal selber für den Betriebsrat. Nur wenige haben dann die Courage, gegen ihren Chef anzutreten oder gegen ihn zu stimmen.

Dabei wären gerade bei Aldi, Lidl und Co. handlungsfähige Betriebsräte dringend nötig. Denn Sparen an den Arbeitskosten bedeutet natürlich vor allem: Sparen am Arbeitnehmer und an allen Kosten, die er verursacht. Und Betriebsräte kosten nicht nur Arbeitsstunden und bei entsprechender Betriebsgröße auch Ausstattung für Büros und dergleichen, sondern sie sind auch dazu da, die Rechte der Mitarbeiter zu wahren. Was bedeutet: keine unbezahlten Überstunden, Einhaltung der Arbeitszeitordnung, Durchsetzung sozialer Leistungen, Verhinderung ungerechtfertigter Kündigungen.

Merkwürdigerweise haben all die kleinen und großen Skandale den Discountern nur wenig geschadet. Vermutlich nehmen die Verbraucher solche Auswüchse einfach billigend in Kauf – man weiß eben, dass Billig-Preise auch ihre Nachteile haben. Es gibt nur wenige Unternehmen, denen die meisten Deutschen vertrauensvoll unterstellen, dass sie nichts auf Kosten ihrer Mitarbeiter tun.

Wenn ein freundliches Möbelhaus unfreundlich wird

IKEA wäre am ehesten so ein Unternehmen. Die schwedische Möbelmarke ist die erfolgreichste der Welt, mit fast 350 Filialen in 41 Ländern. Das Bücherregal Billy ist ihr bestes Stück, 45 Millionen Mal hat IKEA es schon verkauft. Der Möbelkatalog des Konzerns erscheint in einer Auflage von 212 Millionen Exemplaren, und Jahr für Jahr stellt IKEA 50 Millionen Inbusschlüssel her, wichtigstes Werkzeug und Markenzeichen des Möbelhauses. Es gab schon Werbespots, deren Soundtrack fast nur aus dem Quietschen bestand, das entsteht, wenn man mit diesem Inbusschlüssel eine Schraube eindreht. Und jeder wusste: Das kann nur IKEA sein.

IKEA ist aber auch bekannt für seine Unternehmenskultur, die als vorbildlich gilt. Es gibt interne Broschüren, in denen die Rede davon ist, dass IKEA »einen wertvollen Beitrag zum Demokratisierungsprozess leisten« wolle und sich »vorrangig sozial« verstehe. Den Erfolg des Möbelhändlers, so der Spiegel Ende 2012 in einer Titelgeschichte, »hat damit zu tun, dass IKEA den simplen Instinkt des Konsumenten anspricht, möglichst billig einzukaufen, zugleich aber viel Mühe darauf verwendet, ihm das Gefühl zu geben, ein prima Mensch unter lauter prima Menschen zu sein«.73 Zugleich aber sei der Erfolg auch das Ergebnis einer Unternehmensführung, »die dem kleinen Preis und dem großen Absatz im Zweifel so gut wie alles unterordnet«.

Zum Beispiel das Steuernzahlen. IKEA, das »unmögliche Möbelhaus« aus Schweden, das noch immer mehr oder weniger der Familie des Firmengründers Ingvar Kamprad gehört, ist eine äußerst komplizierte und verschachtelte Konstruktion aus Stiftungen und Auslandstöchtern, die es dem Unternehmen ermöglicht, so wenig Steuern wie möglich zu zahlen. Es gibt Stiftungen in den Niederlanden und in Liechtenstein, Investmentgesellschaften auf den Niederländischen Antillen und Untergesellschaften, die in Luxemburg oder Dänemark Geschäfte für die Töchter in anderen Staaten tätigen, weil das ziemlich viel Geld spart. Man spricht von 20 Tochtergesellschaften, die wiederum 20 Subgesellschaften unter sich haben, aus denen wieder Töchter hervorgehen. Das Netz aus Holdings, Firmen und Geldtransfergesellschaften ist kaum zu durchschauen; angeblich kann IKEA damit pro Jahr rund 150 Millionen Euro Steuern sparen, wie der schwedische Journalist und IKEA-Experte Stellan Björk sagt. Insgesamt arbeiten mehr als 131 000 Menschen für IKEA, der Konzernumsatz wird auf 27,5 Milliarden US-Dollar geschätzt.

In Deutschland, wo, statistisch betrachtet, jeder Einwohner pro Jahr knapp 70 Euro bei IKEA lässt, mehr als in jedem anderen Möbelhaus, zahlt IKEA dank vielfältiger Konstrukte nur etwa 20 Prozent Steuern. Die Gewerkschaft ver.di prangert das seit Jahren an. »Betriebswirtschaftlich ist das rational, volkswirtschaftlich ist es schädlich, und moralisch-ethisch ist es asozial«, kommentierte ver.di-Chefökonom Dierk Hirschel diese Steuermoral 2011 im ZDF-Magazin »Frontal 21«.

All diese Steuertricks sind jedoch legal. So vergibt die niederländische IKEA-Muttergesellschaft zum Beispiel riesige Kredite an die deutschen Töchter: Die Schuldzinsen aber sind in Deutschland steuerlich absetzbar. Außerdem sind deutsche IKEA-Töchter an vielen osteuropäischen Möbelhäusern beteiligt und können den dortigen Investitionsaufwand steuerlich geltend machen. Keine ungewöhnlichen Tricks. Aber IKEA, so Hirschel schon 2010 zur Süddeutschen Zeitung, nutze »auf aggressive Art und Weise die Steuertricks. Das ist wirklich optimiert.«

Die Gewerkschaft ist vielleicht auch deshalb nicht so besonders gut auf IKEA zu sprechen, weil es in Deutschland mehr als 30 Jahre gedauert hat, bis sich das Möbelhaus in die Tarifbindung begab. Das war erst 2010 der Fall. Der Konzern hatte vorher offenbar eine recht flexible Politik verfolgt: Verstöße gegen das Arbeitsrecht gab es zwar gelegentlich, aber man kam den Gewerkschaften dann auch wieder entgegen, schließlich hatte man einen Ruf zu verlieren.

Flexibilität bedeutet für IKEA aber auch Leiharbeit. Darauf griff IKEA in Deutschland immer wieder zurück – in der Regel, wenn es Auftragsspitzen gab, laut Gewerkschaft aber auch bei der ganz normalen Personalplanung. Zeitweise seien in manchen Filialen 20 bis 30 Prozent der gesamten Arbeitsstunden von Leiharbeitern geleistet worden, die oft nur Stundenlöhne zwischen sechs und acht Euro bekamen und ihr Gehalt mittels Hartz IV aufstocken mussten. Die Firmenleitung widerspricht dem. Weniger als drei Prozent der Arbeitsstunden würden in deutschen Filialen von Leiharbeitern geleistet, sagt das Unternehmen.

Stattdessen steigt die Quote der Teilzeitjobs bei IKEA, weil dafür geringere Sozialabgaben fällig sind. Laut Gewerkschaft strebt das Unternehmen eine Teilzeitquote von mehr als 50 Prozent an. Dafür hat man auch nur drei Prozent Auszubildende, in anderen Handelsunternehmen sind es bis zu zwölf Prozent.

IKEA hat aber vor allem ein Glaubwürdigkeitsproblem, was die Produktion und die Arbeitsbedingungen im Ausland angeht. Seit bekannt wurde, dass der Konzern viele Jahre lang auch in der DDR produzieren ließ, ist man hellhörig geworden. Insgesamt wurden in 66 volkseigenen Betrieben Möbel und Möbelbestandteile für IKEA gefertigt. Und spätestens seit 1981 wusste der Möbelkonzern, dass auf Anweisung der Staatsführung an einzelnen Produktionsstandorten auch politische Gefangene als Zwangsarbeiter schuften mussten.

So etwas könne man heute ausschließen, sagt IKEA. Dennoch gibt es genug Fragwürdiges, was die Arbeitsbedingungen bei den Zulieferern angeht. In Bangladesch und Thailand hapert es bei Bezahlung und Arbeitszeiten. 2005 wurden elf Fälle von Kinderarbeit in Südasien und China bekannt. Die Nichtregierungsorganisation China Labor Watch hat in einem Report unter anderem erhebliche Überstunden ohne entsprechende Bezahlung, fehlende Unfallversicherungen und schlecht gesicherte Arbeitsplätze sowie verbale und körperliche Belästigungen moniert. Es gab Arbeitsrechtsverletzungen in türkischen Textilfabriken, die für IKEA produzieren. Gelegentlich werden auch Betriebsratswahlen torpediert, etwa 2008 in den USA und vor allem auch in der Türkei. Dort wird IKEA im Franchiseverfahren betrieben; die Schweden sagen deshalb, der Franchisepartner trage die Verantwortung für schlechte Bezahlung, lange Arbeitszeiten und fehlende soziale Absicherung. Die Gewerkschaften wollen sich damit allerdings nicht zufriedengeben. Sie haben Anfang 2012 die IKEA Global Union Alliance gegründet, einen Zusammenschluss von 20 Gewerkschaften aus 14 Ländern, die einheitliche Standards für alle Standorte erreichen wollen, an denen IKEA vertreten ist.

Was Nachhaltigkeit angeht, ist IKEA ebenfalls nicht über jeden Zweifel erhaben. Greenpeace bemängelt den ungeheuren Verbrauch von Palmöl als Rohstoff für die Hunderte Millionen von Kerzen, die bei IKEA als Beiwerk verkauft werden. Die fast 15 Millionen Kubikmeter Holz, die IKEA für seine Möbel jährlich verbraucht, stammen vermutlich auch nicht alle aus nachhaltiger Forstwirtschaft, sondern teils aus Urwäldern und aus illegalem Holzeinschlag, wie die Organisation Rettet den Regenwald kritisiert. Zumindest kann IKEA die einwandfreie Herkunft nicht lückenlos nachweisen. Dafür hat der Konzern seit 2011 mit Steve Howard einen Nachhaltigkeitsmanager, der zuvor beim Weltwirtschaftsforum für den Klimawandel zuständig war und für den World Wildlife Fund einen Standard für nachhaltige Forstwirtschaft entwickelt hat. Howard sagt, das Unternehmen habe inzwischen die Zahl seiner Zulieferer auf 1 100 verringert, arbeite mit 80 eigenen Auditoren zusammen und habe sich von 70 Zulieferern bereits getrennt, weil diese sich nicht an die Regeln gehalten hätten.

Es ist also gar nicht so leicht, munter zu sparen, billig zu bleiben und dennoch irgendwie die Welt zu retten.