Erschütternde Neuigkeiten

E ine halbe Stunde später fuhren der Kommissar und Dr. Berger auf dem Parkplatz der Wiesbadener Polizei vor. Der Pathologe suchte sich eine freie Parkbucht und stellte seinen geliebten Mercedes vorsichtig ab. Kießling grummelte vor sich hin, weil Dr. Berger nicht eine der ersten, vorderen Parkplätze genommen hatte. Diese waren ihm allerdings zu eng und er wollte seinem teuren Gefährt den größtmöglichen Platz gönnen. Der Kommissar vermied es, dies wieder sarkastisch zu kommentieren. Er wusste, irgendwann saß er wieder am Steuer und der Doktor auf seiner Rückbank, außerdem streiften seine Gedanken um deutlich wichtigere Fakten.

Schnellen Schrittes betraten die beiden das Gebäude und eilten zum Büro, wo Ella bereits auf sie wartete. Ohne eine Begrüßung ging Kießling gleich in die Vollen und strotzte nur so vor Motivation durch die neuen Erkenntnisse.

»Ok Ella. Lass uns gleich loslegen. Was konntest du bereits rausfinden?«, fragte Kießling wie aus der Pistole geschossen. Dabei rannte er wie ein aufgescheuchtes Huhn im Zimmer herum, gestikulierte wild mit den Händen und gab die Kurzfassung der neuesten Informationen preis. Dabei bemerkte er gar nicht, dass seine Assistentin wie angewurzelt hinter dem Schreibtisch stand und ihm stillschweigend mit dem Kopf folgte. Dabei hielt sie ein Foto in der Hand.

Nach einer knappen Minute seines Wortfeuers bekam der Kommissar mit, dass Ella anscheinend gar nicht bei der Sache war und nur darauf wartete, dass er endlich still war und Luft holte. Kießling blieb stehen, hob die Hände in Schulterhöhe und fragte: »Ella? Hörst du mir überhaupt zu?«

Die Polizistin zögerte noch einen Moment und hielt ihrem Chef dann das Foto hin. Kießling betrachtete es flüchtig. Ein junges Pärchen war darauf zu sehen. Dr. Berger kam dazu und warf ebenfalls einen Blick auf die Fotografie.

»Wer ist das?«, fragte der Pathologe.

Kießling fügte an: »Und was hat das mit unserem Fall zu tun?«

Ella schnappte sich wieder das Bild und hielt es demonstrativ vor sich.

»Das sind Merle und Hendrik van Fraisaen, ein Geschwisterpaar. Die Kinder von Richard van Fraisaen. Sie sind verschwunden.«

Kießling und Dr. Berger bekamen große Augen vor Verwunderung. Erst stellten sie eine eindeutige Verbindung von Anton Gerber zu Richard van Fraisaen fest und jetzt waren dessen Kinder nicht mehr auffindbar.

Kießling fragte nach: »Wann ist das passiert?«

Ella antwortete: »Vor Kurzem. Die Nachricht hat uns allerdings gerade eben erst erreicht. Wir standen mit den niederländischen Kollegen wegen der Identifizierung von Richard van Fraisaen in Kontakt. Als wir mitteilten, dass dieser unser Mordopfer ist, gaben die Kollegen an, dass die Kinder nach einer Feier spurlos verschwanden.«

»Wie kommst du darauf, dass ein Verbrechen vorliegt? Vielleicht machen die sich nur irgendwo ein flottes Wochenende«, argumentierte Kießling, da kein Beweis vorlag, dass hier etwas Ungewöhnliches vorging.

Ella erklärte: »Ihr Fahrzeug wurde einige Kilometer von der Feier entfernt verlassen in einem Waldstück gefunden. Ausweispapiere, Geld – alles zurückgelassen. Das Fahrzeug stand offen und anscheinend gab es Reifenspuren von einem anderen, größeren Fahrzeug. Eventuell ein Transporter.«

»Hört sich alles sehr dubios an, wenn wir davon ausgehen, dass deren Vater zur ungefähr gleichen Zeit oder etwas früher am Oestricher Kran aufgeknüpft wurde«, kombinierte der Kommissar.

»Wie geht’s jetzt weiter?«, fragte Dr. Berger in die Runde.

Kießling war ratlos. Diese neue Entwicklung hatte er nicht erwartet. Wie passten die verschwundenen Kinder jetzt ins Bild? Er nahm Ella wieder die Fotografie aus der Hand, starrte darauf und lief nachdenklich im Raum hin und her. Dr. Berger und Ella folgten dem Kommissar mit ihren Blicken und versuchten, ebenfalls einen Ansatz für das weitere Vorgehen zu finden. Ruckartig blieb Kießling stehen.

»Ok. Wir können uns jetzt nicht an den Kindern aufhalten. Wir wissen schließlich noch gar nicht, ob die beiden überhaupt entführt, verschwunden, ermordet oder was auch immer sind.«

»Na hoffentlich am Leben und unversehrt«, unterbrach Ella ihn.

Kießling führte weiter aus: »Ja natürlich, das hoffe ich selbstverständlich auch, aber wir wissen bis jetzt noch nichts. Zudem sind die ja in den Niederlanden verschwunden?«

Der Kommissar blickte seine Assistentin bei dem Satz fragend an.

»Ja, so ist es«, antwortete die Polizistin.

»Dann überlassen wir den Kollegen vor Ort erst mal die weiteren Ermittlungen zu dem Geschwisterpaar. Wir konzentrieren uns hier auf Anton Gerber. Wir müssen noch mehr über ihn erfahren. Sollte er unser Mann sein, warum hat er seinen Chef gemeuchelt? Gab es Probleme, ging es um Geld? Was steckt hinter dieser Verbindung?«

Ella und Dr. Berger lauschten aufmerksam Kießlings Ausführungen. Nachdem dieser fertig war, klatschte er in die Hände und gab den Startschuss für die intensiveren Nachforschungen zu dem Raubein von Winkel.