Dax wusste immer, wenn Lucy in der Nähe war. Er hörte es an dem gleichmäßigen Klacken ihrer High Heels, die sie nie auszog. Er spürte es an dem Kribbeln in seinem Nacken. An einem unruhigen Ziehen in seinem Bauch.
Es war, als würde sie eine Energie ausstrahlen, die ihn automatisch veranlasste, sein Bewusstsein zu schärfen. Eine reine Selbsterhaltungsmaßnahme seines Körpers, da war er sich sicher. Der Lucy-Radar war schlichtweg überlebenswichtig, damit er sich mental auf sie vorbereiten konnte.
Ach, Shit. Er sollte längst nicht mehr hier sein. Es dämmerte bereits und das Training war seit einer Stunde vorbei. Er sollte nicht an Lucys altem Honda lehnen, er sollte auf Austin Fox’ Couch sitzen, ein Bier trinken und mit den anderen darüber fachsimpeln, wer diese Saison ihr gefährlichster Gegner auf dem Eis wurde. Doch er konnte nicht fahren, bevor er nicht mit ihr geredet hatte.
Dax wusste, dass Lucy ihn … na ja, milde gesagt scheiße fand. Ebenso wusste er, dass sie durchaus Anlass dazu hatte. Ihr erstes Treffen war etwas suboptimal verlaufen. Er war nicht stolz darauf, wie er sich verhalten hatte, aber es war nun einmal sein Geburtstag gewesen und … na ja. Es wäre die Pflicht von Leslie oder zumindest Matt gewesen, sie darauf aufmerksam zu machen, dass es an diesem Tag eine unfassbar dumme Idee war, ihm auf den Sack zu gehen.
Aber egal, was für Differenzen sie miteinander hatten, er hatte immer angenommen, dass sie zumindest eine Gemeinsamkeit teilten: Die Gewissheit, dass sie nicht gut zusammenarbeiteten. Die Sicherheit, dass sie die Anwesenheit des anderen in etwa so sehr genossen wie Fußpilz.
Was bedeutete, dass sie auf gar keinen Fall diesem schwachsinnigen Plan zugestimmt hatte, seine Aufpasserin zu spielen. Er war sich zu neunundneunzig Prozent sicher, dass Gray einen Scherz gemacht hatte. Dass er ihm mit der Aussicht, dass Lucy James ihn ab morgen für die nächsten vier Wochen auf Schritt und Tritt verfolgen würde, nur hatte Angst machen wollen.
Dennoch: Er brauchte Gewissheit. Damit er besser schlafen konnte. Also trommelte er gleichmäßig mit den Fingern auf seinen Bizeps, während er Lucy dabei beobachtete, wie sie langen Schrittes und mit wie immer gerecktem Kinn näher kam.
Sie versuchte sich damit größer zu machen, doch es war aussichtslos. Nichts und niemand hätte verbergen können, wie winzig sie war. Sie reichte ihm ohne Schuhe sicherlich kaum bis zur Schulter und selbst mit den Mörderabsätzen musste sie noch zu ihm aufsehen. Trotzdem zeigte sie niemals Angst. Wich niemals zurück. Gab niemals nach.
Ihr Gesicht war nicht sanft in seiner Gegenwart wie bei Matt. Niemals fröhlich und ausgelassen wie bei Gray oder Fox. Es war hart und beeindruckend unnachgiebig. Und wenn er sie wütend machte – eine Disziplin, in der er, wenn er das bescheiden bemerken durfte, exzellent war –, dann verdunkelten sich ihre hellbraunen Augen zu schwarzen Kohlen und ihre roten Haare fingen an zu leuchten.
Es war das Faszinierendste, Gruseligste und Heißeste, was er jemals bei einer Frau beobachtet hatte.
Nein. Schwachsinn. Nicht das Heißeste. Das … Verstörendste. Das war das Wort, das er gesucht hatte.
Sie lief weiter auf ihn zu, den Blick fest auf sein Gesicht gerichtet, die dunkelroten Haare hoch zu einem Pferdeschwanz gebunden, sodass er kaum noch ihre Schultern streifte.
Hatte sie die Haare jemals offen getragen? Er konnte sich nicht erinnern. Er wusste lediglich, dass er sie noch nie in etwas anderem als einem Bleistiftrock, schwarzen High Heels und einer hochgeschlossenen Bluse gesehen hatte. Die Art von hochgeschlossen, die automatisch die Fantasie eines Mannes anfeuerte. Und die Art von Rock, die ihre Kurven nicht verbergen konnte. Er hasste, wie sie sich anzog. Es war Folter. Eine einzige, perfekte Provokation. Aber darin war sie schon von Anfang an gut gewesen. Besser als jeder in der Organisation. Das gesamte Team miteingeschlossen.
»Ich bin also ein zertifizierter PR-Albtraum, der die Marketing-Engel zum Weinen bringt?«, begrüßte er sie trocken und stieß sich vom Auto ab. Den Blick auf ihre bereits jetzt funkelnden Augen gerichtet, damit er nicht dazu hingerissen wurde, mit ihm ihren Körper hinabzuwandern, so wie er es jedes Mal tun wollte, wenn er sie sah.
»Oh, ich wurde noch nie von einem berühmten Eishockeyspieler zitiert«, erwiderte sie gespielt aufgeregt und blieb einen halben Meter vor ihm stehen. »Welch eine Ehre.«
Er schnaubte, bevor er im Plauderton fragte: »Nur so aus Interesse: Bist du in diesem Szenario einer dieser Engel? Denn einen Dämon als Boten Gottes zu verkaufen, finde ich selbst für deine Verhältnisse etwas blasphemisch.«
Sie hob belustigt eine Augenbraue. »Also erstens: Ich bin überrascht, dass du das Wort kennst. Gerade, wenn man bedenkt, wie viele Pucks und Fäuste du schon gegen den Kopf bekommen hast. Zweitens: Der Tag, an dem ich wegen eines Mannes weine, wird niemals kommen. Und drittens: Was tust du hier? Müsstest du nicht deinen letzten Tag in Freiheit genießen, bevor dir morgen dein Marketing-Engel die Ketten anlegt?« Sie deutete mit beiden Daumen auf sich.
Sein Magen verkrampfte sich und er spürte, wie ihm das Blut aus dem Gesicht floss. Das konnte nicht ihr Ernst sein. »Du hast zugestimmt?«, fuhr er sie an, denn bei Gott, er konnte sich nicht zurückhalten. »Bist du geistesgestört? Wir können nicht vier Wochen lang aufeinanderhocken! Das überleben wir nicht.«
Zu seiner Überraschung sah er, wie ihre Mundwinkel zuckten.
»Weißt du, genau das habe ich auch gesagt«, bemerkte sie. »Aber Leslie schien der Meinung, dass ich die perfekte und einzige Kandidatin für den Job bin, also …«
Er lachte trocken auf und seine Hände verkrampften sich um seinen Bizeps. »Es ist absolut unnötig, mir eine persönliche PR-Beraterin an die Seite zu stellen.«
Lucy runzelte die Stirn und neigte den Kopf. »Ist es das, was Gray dir gesagt hat? Mir wurde vermittelt, dass ich deine Babysitterin bin.«
Dax’ Kiefer knackte und sein Zwerchfell zog sich vor Wut zusammen. Gott, sie genoss das hier, oder? »Du wirst Leslie sagen, dass du diese Aufgabe unmöglich annehmen kannst«, sagte er gefährlich leise und trat einen Schritt vor, sodass er nun über ihr aufragte. Sodass er ihr so nah war, dass er die Wärme spürte, die von ihrem Körper ausging. »Du wirst ihr klarmachen, dass es nicht dein Job ist, mir nachzustellen – und wenn du es doch tust, werde ich zur Polizei gehen und dich als verdammte Stalkerin anzeigen.«
Er sah sie schlucken, dennoch wich sie nicht vor ihm zurück. Sie blinzelte nicht einmal. Natürlich nicht. Denn sie hatte verdammte Nerven aus Stahl. Sie ließ sich nie von ihm einschüchtern. Das war unfassbar entnervend.
»Es ist süß, dass du versuchst mir Angst zu machen«, bemerkte sie in zuckrig-freundlichem Tonfall. »Aber immer wenn dein Kopf so rot ist wie jetzt, erinnerst du mich an eine Ampel … und es ist sehr schwer, sich vor Ampeln zu fürchten. Und nur fürs Protokoll: Ich bin genauso unglücklich über die Lage wie du.«
Irritiert schüttelte er den Kopf. »Warum hast du dann zugestimmt?«
»Ich hatte keine Wahl!«, rief sie entgeistert. »Du kennst Leslie, oder?«
Ja. Es hatte seinen Grund, dass die Hawks sie nur der Drache nannten. »Okay. Zusammengefasst: Ich will nicht, dass du mir hinterherrennst, und du willst mir nicht hinterherrennen.«
»Jap.« Sie nickte. »Und die Lösung ist einfach: Hör auf, Scheiße zu bauen.«
Das sagte sie so leicht. Aber meistens fand die Scheiße ihn von ganz allein. »Klar«, meinte er dennoch und wippte auf seine Hacken zurück. »Mach ich.«
Misstrauisch verengte sie die Augen. »Und wieso glaube ich dir nicht?«
»Gute Menschenkenntnis?«
Sie seufzte. »Leslie verlässt sich auf mich. Der Job ist mir wichtig. Also werde ich tun, was ich tun muss, Dax.«
»Und wieso hört sich das wie eine Drohung an?«
»Gute Menschenkenntnis?«
Er schnaubte, doch ärgerlicherweise zuckten auch seine Mundwinkel. Die Verräter. »Okay, pass auf«, sagte er im Plauderton und hob abwehrend die Hände. Es wurde Zeit, den Kurs zu wechseln. Er kannte Lucy besser, als ihm lieb war. Wenn Leslie ihr eine Aufgabe gegeben hatte, würde sie sie gewissenhaft erledigen. Egal, was sie dafür tun musste. »Ich versteh es. Wirklich. Du lebst für deinen Job. Ich lebe für meinen Job. Wir beide können es nicht leiden, wenn uns reingeredet wird oder uns ein nerviger Zwerg das Leben schwer macht, aber …«
»Ah, Dax, du musst dich selbst wirklich nicht als Zwerg bezeichnen. Du magst keine emotionale Größe haben, aber zumindest körperlich bist du schon der Hockey-Standard«, warf sie ein.
»Aber …«, fuhr er unbeirrt fort. »Wenn wir lebend durch die nächsten Wochen kommen wollen, sollten wir vielleicht … Regeln aufstellen.« Er konnte die Katastrophe nicht verhindern, aber er konnte sie abschwächen.
»Regeln?«, echote sie skeptisch und nun war sie es, die ihre Arme verschränkte. »Was für Regeln?«
»Regeln, die es uns beiden erleichtern, unseren Job zu machen und nicht wahnsinnig zu werden«, stellte er klar. Letzteres war dabei das Wichtigere. »Drei Stück.« Sonst verlor er selbst die Übersicht. »Und für jede Regel, die ich aufstelle, darfst du ebenfalls eine aufstellen. Ein fairer Deal.«
Lucys Augen waren noch immer misstrauisch verengt, doch langsam nickte sie. »Gib mir ein Beispiel.«
Er fuhr sich durch die Haare, während er kurz darüber nachdachte, was ihm wohl am meisten auf die Nerven gehen würde. Die Antwort war nicht schwer zu finden.
»Okay, meine erste Regel zum Beispiel wäre: Was ich mit wem in meinem Hotelzimmer, im Flugzeug oder im Bus mache, ist meine Sache«, erklärte er knapp. »Ich habe wirklich keinen Bock darauf, dass du mir, während wir auf Auswärtsspielen sind, jede Sekunde in den Nacken atmest. Ich muss mich so entspannen können, wie ich es für richtig halte. Sonst spiele ich scheiße und das will niemand.«
Sie schürzte nachdenklich die Lippen und tippte sich mit dem Zeigefinger gegen das Kinn. »Also, eigentlich hat Leslie mir aufgetragen, dich vollkommen vom Trinken, Daten und allgemeinen Rumvögeln abzuhalten, aber … ich schätze, das ist fair.«
Zur Hölle, sie war wirklich der einzige PR-Mensch, den er kannte, der so leger das Wort rumvögeln in den Mund nahm. Normalerweise waren die sehr penibel, was ihre Wortwahl betraf.
»Ja«, fügte sie nach einer Weile hinzu. »Im Flugzeug und Bus sind ohnehin keine Fotografen und wenn du, was das Hotelzimmer angeht, diskret bist und es wirklich kein Journalist mitbekommt, sollten wir kein Problem bekommen. Wenn doch …« Sie zog eine Grimasse und sah ihn fast entschuldigend an. Fast. »Na, dann muss ich dich leider aktiv davon abhalten und das wird hässlich werden.«
Es war keine Drohung. Es war ein Versprechen. Und Shit, er glaubte ihr. Auch wenn er zugegebenermaßen gern sehen würde, wie sie es versuchte.
»Gut, dann darfst du deine erste Regel aufstellen«, meinte er und nickte ihr zu.
»Du musst aufhören, mich Luna zu nennen«, sagte sie wie aus der Pistole geschossen.
Er konnte sich nur schwer ein Lächeln verkneifen. »Na ja«, erwiderte er gedehnt. »Es ist schließlich dein gottgegebener Name, also …«
»Okay, die Verhandlung ist somit beendet«, stellte sie tonlos fest und wollte sich an ihm vorbei zu ihrem Auto drängen.
Er musste lachen. »Okay, okay. Lucy , warte!« Er streckte hastig die Hand aus, fischte nach ihrem Handgelenk und zog sie zurück. Es fühlte sich absurd zart und zerbrechlich zwischen seinen rauen Fingern an. Manchmal vergaß er, dass er sie schrecklich leicht verletzen könnte, obwohl sie stärker war als die meisten Menschen, die er kannte.
Die Wärme ihrer Haut ging auf seine über, während der Geruch nach Zitrone und etwas anderem, Süßen in seine Nase drang …
Hastig ließ er sie los. Kein Körperkontakt. Das sollte auch eine Regel sein. Aber das könnte die falsche Botschaft vermitteln.
»Lucy«, wiederholte er laut, damit sie wusste, dass er es ernst meinte. »Sorry. Natürlich kann ich aufhören, dich Luna zu nennen.«
»Schön«, sagte sie feindselig und rieb sich über das Handgelenk, an dem er sie eben noch gehalten hatte. Hatte er ihr wehgetan? Oder wollte sie nur seine Berührung wegwischen? »Wenn wir schon mal dabei sind, kann ich dir auch direkt meinen Punkt zwei nennen, er ist nämlich themenverwandt.«
Er hob die Augenbrauen. »Was denn?«
»Du musst mich vor den anderen Spielern mit Respekt behandeln.« Ihr Kinn glitt noch eine Spur höher. »Du wirst mich vor ihnen nicht mehr bloßstellen, nicht meine Autorität untergraben, mir keine dummen Sprüche drücken. Wenn das Team oder irgendwer von der Organisation dabei ist, wirst du jede Gemeinheit, die dir im Kopf herumschwirrt, einfach vergessen.«
»Mhm«, machte er und rieb sich den Nacken. Er schätzte, es war ein fairer Wunsch ihrerseits … aber gleichzeitig war es auch sehr schade. Denn es machte eine Menge Spaß, ihre Wangen dazu zu bringen, Feuer zu fangen. Und zu sehen, wie Lucy peinlich berührt den Mund öffnete, sich über die vollen Lippen leckte und ihn wortlos wieder schloss, hatte auch etwas für sich. Nichtsdestotrotz nickte er. »Kein Problem.«
Ihre Miene verdüsterte sich. »Wenn es kein Problem ist, warum kannst du dich dann sonst nie zurückhalten?«
Er grinste. »Aus demselben Grund, aus dem du es nicht kannst: Weil es zu verdammt witzig ist.«
Ihre Wangen liefen rosa an und sie wandte hastig das Gesicht ab.
Jap, er hatte recht. Ihr machte es auch Spaß, ihn vorzuführen. »Schön, schön«, meinte sie nach einer Weile, ihre Miene wieder die Professionalität selbst. »Was ist dein zweiter Punkt?«
»Meine Schwester.«
»Was ist mit ihr?«
»Wenn ich mit Anna Zeit verbringe, bist du in einem Radius von zehn Meilen nicht zu finden.«
Unzufrieden zog sie die Brauen tiefer ins Gesicht. »Aber du kannst dich auch zusammen mit deiner Schwester betrinken, Frauen aufreißen und randalieren.«
Er schnaubte laut und seine Schultern spannten sich an. Für was für ein Arschloch hielt sie ihn eigentlich? Ihm war nicht viel im Leben wichtig. Aber Eishockey und Anna waren es. Selbst Lucy sollte wissen, dass er kein ganz so großer Bastard war.
»Weißt du, wie meine Schwester aussieht, Lun…« Er räusperte sich. »Lucy?«
Verdutzt öffnete sie den Mund. »Ähm, nein.«
»Eben«, antwortete er abgehackt. »Und woran liegt das? Weil ich sie niemals in meinen verdammten Pressezirkus mit reinziehen würde.«
Sie nickte langsam. »Verstehe. Okay. Wenn du mit deiner Schwester zusammen bist, lass ich dich in Frieden.«
»Wunderbar.« Erleichtert atmete er aus. »Mein letzter Punkt: Jack West.«
»Ja, der Name ist mir bekannt. Warum bekommt er eine eigene Regel?« Interessiert sah sie ihn an.
»Weil ich nicht will, dass du ihn dafür benutzt, mein Image aufzubessern. Ich will nicht mit ihm essen gehen, damit die Presse denkt, wir freunden uns an. Ich will auf Partys nicht mit ihm für Fotos posieren. Ich werde keine Frage bei einem Interview beantworten, in der sein Name vorkommt. Ich werde ihn nicht umarmen, ich werde nicht so tun, als wäre ich von seinem spielerischen Talent oder gar seiner Persönlichkeit begeistert. Egal, was du auch vorhast, um mich wie einen Engel erscheinen zu lassen: Er wird kein Teil deiner Pläne sein.«
Er erkannte an ihrem missmutigen Gesichtsausdruck, dass sie ebendies vorgehabt hatte.
»Also«, sagte sie langsam und holte tief Luft. »Ich will ganz ehrlich sein: Das könnte zum Problem werden. Allem voran aus dem Grund, dass Leslie dich morgen um zehn bei der Pressekonferenz erwartet, bei der sein Transfer zu den Hawks verkündet wird. Jack West wird auch anwesend sein, es werden definitiv Fotos von euch gemacht werden und ich würde darauf wetten, dass von dir erwartet wird, dass du zumindest so etwas sagst wie: Ich habe ihn schon immer als würdigen Gegner respektiert. Zumindest davor kann ich dich unmöglich schützen.«
Fuck.
Stöhnend rieb er sich mit beiden Händen übers Gesicht. Damit hätte er rechnen müssen. Natürlich würde sich die Presse darum reißen, sie gemeinsam auf ein Bild zu bekommen. Natürlich würde jede Sportsendung innerhalb der nächsten Wochen dieselbe Frage stellen: Können Devil und Saint auf dem Eis zusammenarbeiten? Wird es der Mannschaft schaden oder ihr zugutekommen, dass der Besitzer der Hawks diesen umstrittenen Kauf gemacht hat?
»Aber …«, sprach Lucy hastig weiter. »Du musst kein Einzelinterview geben, wenn du nicht willst. Und die Konferenz dauert maximal zehn Minuten – und …« Sie seufzte schwer. »Wenn du möchtest, kann ich nur eine einzige Frage in deine Richtung dirigieren und den Rest abschmettern oder an Gray oder eben Jack West selbst weitergeben.«
Das würde nicht reichen. So wie drei Monate nicht gereicht hatten, um sich auf den Tag morgen vorzubereiten.
Aber es war nicht Lucys Schuld. Ausnahmsweise. Ihr Angebot war sogar fast schon … nett. Obwohl es ihm sehr widerstrebte, dieses Wort in Zusammenhang mit ihrem Namen zu nennen.
»Schön«, knirschte er widerwillig. Irgendwann musste er ihn wiedersehen. Ihm die Hand zu geben, würde er hinbekommen. »Aber danach: Nichts mehr mit Jack West im Titel.«
Lucy blickte ihm neugierig ins Gesicht. »Er geht dir wirklich unter die Haut, oder?«, stellte sie einige Sekunden später überrascht fest.
»Nein«, log er. »Er ist nur ein Arschloch, das ist alles.«
Sie glaubte ihm nicht, doch sie war freundlich genug, das Thema fallen zu lassen. »Abgemacht. Kein Jack West. Dafür wirst du aber ein Kinderkrankenhaus mehr besuchen müssen.«
»Jaja, was auch immer«, sagte er ungeduldig. »Also, was ist deine letzte Regel?« Erwartungsvoll sah er sie an.
»Ach ja, richtig …« Sie räusperte sich und kämmte mit den Fingern ihren Pferdeschwanz. »Also, ich werde mich die nächsten Wochen um ein paar … Privatangelegenheiten kümmern müssen«, sagte sie schließlich zögerlich. »Termine wahrnehmen müssen, die ich nicht absagen oder verschieben kann. Und …« Sie stockte und eine sachte Röte kroch ihren Hals hinauf. »Na ja, es ist nicht wirklich eine Regel, vielleicht ist es viel eher eine Bitte …« Sichtlich unangenehm berührt rang sie die Hände, bevor sie tief durchatmete. »Also: Bitte stell keinen Blödsinn an, während ich nicht dabei bin, um ihn wieder geradezubiegen, ja? Denn du hast recht, meine Arbeit ist mein Leben. Aber manchmal kann ich … manchmal muss ich andere Prioritäten setzen und es wäre toll, wenn du das nicht gegen mich verwenden würdest.«
Die Unsicherheit in ihren großen, braunen Augen war so präsent, dass Dax überrascht den Mund öffnete. Die Schärfe in ihrer Stimme war verschwunden. Ebenso wie die Härte in ihrem Gesicht. Dort blieb nichts als rohe Emotion zurück. War das Angst? Oder Hoffnung? Er konnte es nicht genau sagen.
»Was genau meinst du?«, fragte er tonlos.
»Ich muss ab und zu …« Sie brach ab und schüttelte den Kopf. »Es ist egal, was ich muss. Ich werde dir Bescheid geben, wenn ich nicht erreichbar bin, und in dieser Zeit wäre es toll, wenn du dich einfach unauffällig verhalten könntest. Oder mir zumindest eine Nachricht schreibst, wenn du das Gefühl hast, unbedingt ausgehen zu müssen. Damit ich … andere Arrangements treffen kann.«
Neugierig beugte er sich vor. Lucy war einiges, aber eigentlich nie geheimnisvoll. »Was für eine Privatangelegenheit ist das?«
Sie sah ihn nicht an. Stattdessen schaute sie an ihm vorbei zu ihrem Auto.
Er stutzte. Es passte nicht zu ihr, seinem Blick auszuweichen. Es ließ sie … verletzlich wirken. Etwas, das Lucy kategorisch nie bereit war, vor ihm zu zeigen.
»Es ist, wie das Wort schon verspricht, privat«, sagte sie mit Nachdruck in der Stimme. »Aber es ist wichtig für mich und … ja. Wenn ich dir schreibe, ich sei nicht erreichbar, lass dich einfach nicht innerhalb der nächsten Stunden mit zwei Brünetten am Arm und einer Pepsi in der Hand ablichten.«
Er verengte die Augen. Das Ganze gefiel ihm nicht. Dass sie es als Bitte tarnte. Ihm preisgab, dass ihr etwas anderes wichtiger war als ihr Job. Ihm ging auf, dass er sie schlichtweg nie als Person mit … nun, einem Leben außerhalb der Organisation wahrgenommen hatte. Aber natürlich hatte sie eins. Er hatte nur rein gar keine Ahnung davon, wie es aussah. Vielleicht würde er Matt deswegen mal fragen müssen, um …
Nein . Lächerlich. Es interessierte ihn gar nicht.
»Gut«, sagte er knapp. »Krieg ich hin.«
»Schön.« Sie sah sichtlich erleichtert aus. »Das war dann alles, oder?«
»Ich weiß nicht … brauchst du nicht noch meine private Handynummer, um mir diese sagenumwobenen Warnungen zu schicken?«
Sie winkte ab. »Nein, die hab ich.«
»Ernsthaft?«, rutschte es ihm heraus. Seine Privatnummer hatten nur eine Handvoll Leute. Nicht einmal alle Spieler der Hawks besaßen sie.
»Jop. Natürlich«, sagte sie fröhlich und Dax war fast erleichtert, dass sie zu ihrem süffisanten, unverletzlichen Ich zurückgekehrt war. »Ich hab deine Schuhgröße, die meisten Namen der Frauen, mit denen du schon geschlafen hast, und sogar einen Schlüssel zu deinem Loft. Ich bin also komplett ausgestattet.«
Er schnaubte laut. Einen Schlüssel zu seinem Loft, sicher.
»Okay, dann schreib mir eine Nachricht, damit ich deine habe und … dich darüber informieren kann, wenn ich ausgehen will.« Die Worte schmeckten so bitter auf seiner Zunge, dass er das Gesicht verziehen musste. Shit, das war lächerlich. Er brauchte jetzt ernsthaft eine Erlaubnis dafür, einen trinken zu gehen?!
Als hätte Lucy seine Gedanken gelesen, sagte sie im nächsten Augenblick: »Am besten verzichtest du heute schon darauf, zu trinken. Wenn die Saison losgeht, lebst du ja ohnehin meistens abstinent, aber es wäre nett, wenn du morgen auf den Fotos mit Jack West nicht aussiehst, als hättest du in einem Bierfass geschlafen.«
»Klar. Keine Party für mich«, sagte er trocken, hob die Hand und wandte ihr den Rücken zu.
Klasse. Die nächsten vier Wochen würde er eine Babysitterin und Jack im Nacken haben. Also tat er das einzig Vernünftige, das er jetzt noch tun konnte: Er fuhr zu Fox, um sich ein letztes Mal so richtig die Kante zu geben.
Denn Alkohol war keine Lösung – aber verdammt noch mal, er half!