Kapitel 6
Alles in mir erstarrte. Als seine Lippen meinen Kopf berührten, wusste ich nicht, wie es um mich stand. Die Gefühle übermannten mich. Freude, Hass, Liebe, Zuversicht. Ich konnte nicht sagen, wie ich mich genau fühlte. Es war wie ein explosiver Cocktail, der sprudelte und überschäumte.
Doch die Fassungslosigkeit über diese kleine Geste saß tief. Mein Blick folgte James, wie er mit Aiden den Raum verließ. Meine Augen suchten Dinas.
Keine Ahnung, was ich von ihr erwartete.
Sie schmunzelte kurz und sah mich dann mit einem wissenden Lächeln an.
Ich verstand noch immer nicht, was die beiden hier zu suchen hatten. Natürlich war mir bewusst, dass Dina Aiden angerufen haben
musste, als ich ihre Sachen holen war. Doch noch hatte ich den Schock nicht überwunden, James so plötzlich wiedergesehen zu haben. Nach all den Monaten und Tagen hatte ich es nicht erwartet. Nicht jetzt. Nicht hier. Ich war verwirrt und mein Körper konnte sich nicht entscheiden, wie er reagieren sollte. In meinem Bauch kribbelte alles und mir war heiß und kalt zugleich. Meine Hände schwitzten und ich war nervös und aufgeregt über seine Geste. Der Rückfall von Dina und jetzt noch die Situation mit James machten mich wirklich verrückt.
Meinen Blick richtete ich wieder auf die Tür, doch sie war geschlossen. Die beiden waren aus meinem Sichtfeld verschwunden, also konnte ich mich wieder beruhigen. Stoßweise atmete ich aus und versuchte, mich zu entspannen.
Dann sah ich wieder zu Dina und sagte:
»Wie geht es dir wirklich? Wirst du klarkommen? Sei ehrlich zu mir«, flüsterte ich leise.
Sie schien jedoch in die Leere zu starren und geistig abwesend zu sein. Alles in ihr arbeitete. Wahrscheinlich musste sie gerade ihre Gedanken sortieren und die neuen Erkenntnisse verdauen. Die Situation erinnerte mich an früher, an das, was wir schon bereits durchgemacht hatten.
Ein kleines Lächeln legte sich auf ihre Lippen, als sie dann meinte:
»Mach dir keine Gedanken. Wir haben das schon mal geschafft. Das werden wir auch jetzt! Gemeinsam sind wir stark.«
Meine kleine Schwester war mehr als das. Alle dachten, dass ich die Starke von uns beiden war, doch das stimmte nicht so ganz. Darina hatte schon so viel erlebt und war noch nie an den Punkt
gekommen, wo sie nicht mehr leben wollte.
Ich dagegen stand schon öfter am Abgrund, häufiger als ich an einer Hand abzählen konnte. Dina zeigte so ein schwermütiges Verhalten nie.
Mein Herz freute sich über ihre Worte und ich lächelte sie warm an. Ich wusste, dass sie mir es leichter machen wollte, und mir deshalb aufbauende Worte zuflüsterte. Wie immer. Genau so war sie nämlich.
Langsam stand ich auf und ging auf das Bett zu. Sie sah krank aus in ihrem weißen Pullover, der hellen Haut und den trüben Augen. Nein – sie WAR krank.
Ich setze mich auf die Bettkante und nahm ihre Hand. »Wir schaffen das, egal was kommt, oder? Ich hoffe, dass diese Behandlungen nicht zu lange dauern und dass du bald wieder zuhause bist.«
Sie sah mich lächelnd an. Zuversicht zeigte sich in ihren Augen.
»Ich hoffe nur, dass wir die Kosten stemmen können, sonst muss ich mir etwas anderes überlegen«, sagte Dina.
Aber das würde sie nicht müssen. Wir würden es schaffen, egal wie
ich das Geld besorgte. Wichtig war nur, dass sie wieder gesund werden würde. Nichts wünschte ich mir mehr, als sie fit und munter zu sehen.
Dann legte ich mich neben sie, zog ihren schmalen Körper an meinen und spürte die Liebe und Zuversicht, die von ihr ausgingen. Ich war froh, dass wir uns beide noch hatten. In dieser Situation, die eigentlich zum Weinen war, konnten wir uns gegenseitig Halt und Trost spenden.
Die nächsten Tage versuchte ich, den Spagat zwischen meinen Jobs und den Besuchen im Krankenhaus zu meistern. Ich kam kaum zum Schlafen oder zum Essen. Jetzt würden wieder unendlich viele Arztkosten auf uns zukommen, also musste ich zusehen, dass ich noch einen weiteren Job fand. Das Austragen der Zeitungen und der Job im Joe’s
brachten einfach zu wenig Geld ein. Selbst das Trinkgeld, das ich noch zusätzlich bekam, machte den Braten nicht fett.
Ich könnte natürlich wieder zu James gehen und fragen, ob er mich erneut einstellen würde, aber das konnte ich einfach nicht. Irgendeine andere Lösung würde es schon geben.
Es klingelte, als ich mich gerade aufmachen wollte, ins Krankenhaus zu fahren, und Casper bellte los. Mit einem unerklärlichen, mulmigen Gefühl ging ich zur Tür und öffnete diese. Dann traute ich meinen Augen kaum, wer
sich hier vor meiner
Tür befand und mich scheißfreundlich anlächelte, als wäre nie etwas gewesen:
Charlie.
Was wollte die denn hier?! Aber bevor meine Gedanken weiter umherrasen konnten, machte dieses fiese Miststück ihren Mund auf und sagte:
»Kaycee. Ich will mit dir reden. Kannst du es jetzt einrichten?«
Nicht mal ein »Hallo«. Nett. Und das nach dieser
ganzen Nummer, denn ich war mir sicher, dass sie gewusst hatte, dass James und ich ein Paar gewesen waren. Oder was auch immer wir gewesen waren. Wir hatten zwar nie darüber gesprochen, aber ich für meinen Teil hatte uns für Liebende gehalten. Tze.
»Was willst du? Mach es kurz«, sagte ich kalt.
»Tja, also … Es geht um James. Ich will, dass du die Finger von ihm lässt und nicht mehr in seine Nähe kommst. Denn er und ich sind füreinander bestimmt und das lasse ich mir sicher nicht noch mal von dir kaputt machen.«
Ich blinzelte, als hätte ich mich verhört, und hoffte inständig, dass ich das hatte. Es war ja nicht so, dass ich die letzten Monate hinter James hergelaufen war. Im Gegenteil – ich war regelrecht vor ihm geflüchtet. Hatte meinen Job geschmissen, war vor seiner heimlichen Spionage geflohen und nun erdreistete sich dieses Miststück wirklich, mich zurechtzuweisen und zu verlangen, dass ich
meine Finger von ihm
lassen sollte?
Unermessliche Wut erfüllte mich heiß und brodelnd. Wie sie da stand in ihrer Designer-Skinny-Jeans und der roten Bluse, den High Heels, die mehr kosteten als mein Monatslohn, der überlegene Blick, die hochgezogene linke Braue und ihr fieses Lächeln. Von außen war sie schön, doch innerlich abstoßend.
»Ist das dein Ernst? Du weißt schon, dass er mein
Freund war, oder? Und jetzt kommst du hierher und sagst so einen Bullshit zu mir?«, donnerte ich.
Meine Augen mussten wahrscheinlich schon Funken sprühen, so wie es sich anfühlte. Ich krallte mich an dem Türblatt fest, sodass meine Knöchel weiß hervortraten, um mich davon abzuhalten, ihr nicht auf der Stelle die Augen auszukratzen.
Charlie schmunzelte leicht.
»Du warst doch nur eine billige Ablenkung für ihn, mehr nicht. Er wollte mich nur eifersüchtig machen und, na ja, denk mal nach. Ich
war schon immer die bessere Partie als du.«
Sie machte mich langsam verdammt wütend. Innerlich kochte ich und war so nah dran, gleich zu explodieren und sie anzuschreien, dass es mir schwerfiel, ihr nicht die Tür vor den Kopf zu schlagen. Wie konnte ich jemals mit der
befreundet gewesen sein?
»Wieso bewegst du deinen Hühnerhintern ausgerechnet jetzt
erst hierher?! James und ich sind seit Monaten
nicht mehr zusammen, aber das solltest du ja wissen, denn ich habe euch zusammen auf dem Schreibtisch erwischt. So hohl kannst nicht mal du sein!«, rief ich aus.
Sie schüttelte den Kopf und lachte herablassend.
»James wird dich aber nie mehr zurücknehmen, denn ich habe ihn in der Hand! Nicht du, du kleine Schlampe. Ich bin so froh, nichts mehr mit dir zu tun zu haben, denn du bist echt ein Mensch zweiter Klasse, Kaycee.« Sie riss nach dem ersten Satz ein wenig die Augen auf, als sie merkte, was sie da gesagt hatte.
Aha, daher wehte der Wind.
»Womit hast du ihn denn in der Hand?« Misstrauisch schmälerte ich meine Augen.
»Das sage ich dir sicherlich nicht. Aber eins verrate ich dir: Wenn er dich zurücknimmt, bekommt er riesengroße Probleme und wird sich wünschen, dich nie kennengelernt zu haben.«
»Aha. Noch was?«, war meine einzige Antwort.
»Hmpf«, machte sie, bewegte ihren Arm in meine Richtung, als wäre ich ein ekliges Insekt, was sie wegfegen wollte, drehte sich dann um und ging.
Schon früher hatte sie herablassend und zickig reagiert, wenn sie
merkte, dass sie mit etwas nicht durchkam. Aber man bekam eben nicht immer seinen Willen, das musste auch Zickenkönigin Charlie irgendwann lernen.
Ich sah ihr noch hinterher, wie sie in einen mattschwarzen Audi mit getönten Scheiben einstieg und mit quietschenden Reifen davonbrauste.
Ein Mensch zweiter Klasse.
Wieder und wieder hörte ich diese vier Worte in meinem Kopf und es tat weh. Natürlich sollte ich nichts auf die Worte einer solchen Frau geben, dennoch konnte ich mich nicht völlig davor abschirmen.
Erst mal würde ich jetzt meine Schwester besuchen, die mich nicht für ein lästiges Insekt hielt.
Im Krankenhaus angekommen beschlich mich wieder dieses bedrückende Gefühl, das mir das Herz schwer werden ließ. Ich ging zu Dinas Zimmer und klopfte leise an die Tür. Es dauerte einige Sekunden, bis ein: »Herein«, ertönte. Vielleicht hatte Dina gerade geschlafen. Als ich die Zimmertür öffnete, sah ich Zoey an ihrem Bett sitzen und mit ihr reden.
Leise schloss ich die Tür und ging auf die beiden zu.
Zoey und Dina lächelten mich an.
Zuerst drückte ich Zoey kurz an mich, ehe ich auch zu Dina ging und ihr einen Kuss auf die Stirn gab.
»Hey, wie geht's dir heute?« Damit setzte ich mich ans Fußende und öffnete meine Jacke.
»Ganz gut, danke. Was gibt es Neues bei dir, Kay?«, fragte sie lächelnd. Sofort sah ich ihr an, dass heute ein recht guter Tag war.
Ihre Wangen waren nicht so eingefallen wie sonst und ihre Haut hatte ein wenig mehr Farbe.
»Du wirst nicht glauben, wer heute vor unserer Tür stand.« Ein Augenrollen konnte ich nicht unterdrücken.
»Red' schon weiter!«, drängelten Zoey und Dina beide im gleichen Atemzug. Das brachte mich zum Lachen.
»Charlie war heute da und sagt allen Ernstes zu mir, ich solle die Finger von James lassen. Könnt ihr euch das vorstellen?«
Dina zog die Brauen hoch und runzelte die Stirn.
»Diese Bitch! Sie kann es einfach nicht sein lassen ... Ich hoffe, du hast ihr die Meinung gesagt, Kay.«
»Das habe ich! Sie ist echt so eine doofe Kuh, wie konnte ich nur mit der befreundet sein ...« Ich brach ab und schüttelte meinen Kopf über mich selbst.
»Das frage ich mich auch schon lange. Nein warte, schon immer!«, lachte Dina. »Aber schön, dass du sie jetzt los bist.«
Ich nickte, blickte dann zu Zoey. »Wie geht's dir? Was macht dein Bruder?«
»Bei mir ist alles okay. Ich versuche seit einigen Tagen, meine Mutter über meinen Dad auszufragen, doch noch hatte ich keinen Erfolg.« Sie zuckte die Schultern und ließ sie hängen.
Ich griff ihre Hand und drückte sie.
»Ich hoffe, sie sagt es dir bald. Es ist dein Recht, es zu erfahren.«
Zoey nickte und blickte auf ihre Knie. Ihr Bruder Tyler hatte einen anderen Dad als sie. Seiner kümmerte sich ab und an um ihn. Doch von Zoeys Vater fehlte jede Spur. Es tat mir so leid für sie.
Wir unterhielten uns noch einige Zeit ausgelassen, dann sah ich auf
meine Uhr und verabschiedete mich. Leider blieb mir nicht viel Zeit für meinen Besuch im Krankenhaus, da ich zwischen meinen Jobs sehr eingespannt war und zudem noch den Hund versorgen musste. Zumindest fühlte ich mich jetzt erleichtert. Darina von Charlie zu erzählen, hatte gutgetan und mir geholfen, den Schock zu überwinden.
Ich kam gerade vom Krankenhaus heim, als ich eine Limousine vor unserem Haus parken sah.
Ich stellte meinen eigenen Wagen in die Auffahrt und stieg aus.
In dem Moment öffnete sich auch die Tür des anderen Autos und Avery Torres kam zum Vorschein.
Erstaunt hob ich meine Brauen. Damit hatte ich nicht gerechnet, aber umso mehr freute ich mich, James’ Mutter zu sehen.
Ich ging auf sie zu, ein wenig unsicher, was sie wohl hier wollte. Aber als ich das Lachen in ihrem Gesicht sah, wusste ich, dass es nur gute Absichten sein konnten. Avery war einfach ein liebenswerter und netter Mensch.
Ich kam vor ihr zum Stehen und drückte mich fest an sie. Sie roch frisch, blumig und nach Liebe. Wie eine Mama eben roch, auch wenn es nicht meine eigene war.
Avery erwiderte meine Geste und zog mich eng an sich. Vor allem in dieser Situation genoss ich diesen Moment von Zuneigung und Trost.
»Was verschlägt dich hierher? Ich bin froh, dich zu sehen. Es ist lange her«, sagte ich zu ihr.
»Ja, das stimmt. Aber du hast dich nicht blicken lassen, also
musste ich mich auf den Weg nach Queens Creek machen. Keine Sorge, ich habe es einfach mit einem Besuch an Franks Grab verbunden«, murmelte sie an meinem Haar und drückte mir einen dicken Kuss auf die Wange.
Sie schob mich eine Armlänge weg und blickte mir in die Augen.
»Schön siehst du aus. Nur ein wenig zu traurig für meinen Geschmack und zu dünn.« Sie deutete mit ihrem Kinn auf meinen inzwischen 10 Kilo leichteren Körper.
Ich zuckte nur die Schultern und lächelte müde. Was hätte ich sagen sollen? Dass vor allem ihr Sohn an meinem momentanen Zustand schuld war? Und natürlich die Krankheit meiner Schwester.
»Mach dir keine Sorgen, diese Phase geht auch wieder vorüber«, sagte ich. Wieso sie Frank hier in Queens Creek hatte beerdigen lassen und nicht in Phoenix, war mir bis heute ein Rätsel, aber vielleicht hatte sie es so leichter, wenn sie wusste, dass ihr Ex-Mann nicht mehr allzu dicht bei ihr war. Denn Frank Torres hatte Avery zeit seines Lebens genug Leid beschert.
Tja. Wie der Vater so der Sohn,
dachte ich bitter.
»Wollen wir reingehen und einen Tee trinken? Dann können wir ein wenig reden«, schlug ich ihr vor.
»Das ist eine tolle Idee, meine Süße.«
Wir betraten das Haus, wo Casper mich und Avery stürmisch begrüßte und aufgeregt fiepte. Der Hund war gleich Feuer und Flamme für Avery, was meine Brust mit einer angenehmen Wärme füllte.
Ich machte uns einen heißen Früchtetee, der nach Beeren und Karamell schmeckte. Wir setzten uns zusammen an den Tisch und
ließen die Ruhe auf uns wirken.
Dann fing sie an, zu reden:
»Ach, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Ich war so froh, dass James endlich jemanden hatte, doch dann warst du weg. Ihr wart so perfekt zusammen, Kaycee. Aber glaub mir, ich verstehe, dass du gegangen bist. James liebt dich allerdings nach wie vor, das wollte ich dir noch mal sagen.«
Ich nickte leicht, da ich nicht wusste, was ich sonst antworten sollte. Es war komisch für mich, dass sich das Thema wieder um ihn drehte, doch es fühlte sich im Moment nicht falsch oder schlecht für mich an.
»Ich weiß nicht, was er dir gesagt hat, aber James ist für mich momentan kein Thema mehr. Meine kleine Schwester hat einen Rückfall und ich kann und will jetzt nichts vor sie stellen. Vor allem nicht nach dem, was James mir angetan hat.«
Sie riss geschockt die Augen auf, denn sie wusste, dass Darina Krebs gehabt hatte. Daher war ihr nun auch klar, was ein Rückfall
hier bedeutete.
»Das tut mir so leid. Kann ich etwas tun, um euch zu helfen?«
Ich schüttelte lächelnd den Kopf.
»Nein, ich danke dir. Darina und ich kriegen das schon hin. Das müssen wir!«
Avery sah mich eindringlich an. Ihr Blick musterte mein Gesicht intensiv.
»Kaycee, du siehst sehr müde aus. Du musst für euren Unterhalt und die Klinikkosten allein aufkommen. Sag mir – wie viele Jobs hast du?«
Ich schluckte ertappt und wich ihrem Blick aus.
»Momentan zwei.«
»Momentan?«
»Ja, ich suche noch nach einem dritten, aber mach dir keine Sorgen, Avery! Es ist gar nicht so schlimm, wie es sich anhört!« Ich wedelte sofort beschwichtigend mit meinen Händen, damit sie gar nicht erst auf irgendwelche Gedanken kam.
»Aber Kaycee! Du wirst dich zu Tode arbeiten! Bitte lass mich euch helfen!« Das Entsetzen und die Sorge standen in Averys weit aufgerissenen Augen geschrieben.
Ich schluckte hart und sah auf meine Hände.
»Das kommt gar nicht in Frage, Avery. Ich kann das nicht annehmen«, wehrte ich entschlossen ab. »Ich würde mich immer schuldig fühlen und könnte es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren.«
Sie atmete tief ein und nickte leicht mit dem Kopf.
»Ich verstehe. Dann arbeite für mich, Kaycee. Ich könnte eine Haushaltshilfe, die auch für mich einkaufen geht und sich mit mir beschäftigt, gut gebrauchen. Zwar ist Marie, meine Krankenschwester, da, aber derzeit muss sie all diese Sachen über ihre Anstellung hinaus tun.«
Sie lächelte mich freundlich an und an ihrer rechten Wange erschien ein Grübchen, genau wie bei James.
Ich war gerade so überrascht, dass ich nicht mehr wusste, was ich sagen sollte. Es wäre so eine Erleichterung, für Avery zu arbeiten, aber ich wusste auch, dass sie das nur anbot, um mir zu helfen.
Ich sagte nichts und wartete ab, denn sie setzte erneut zum
Sprechen an:
»Ich weiß, was du denkst, aber es stimmt, ich wollte wirklich jemanden einstellen und dich kenne ich schon, Kaycee. Wie du weißt, fällt mir der Kontakt zu fremden Menschen nicht leicht, und von daher wäre es für uns alle die perfekte Lösung, oder nicht?«
Sie zuckte unschuldig mit den Schultern und nippte an ihrer Tasse, die noch zur Hälfte gefüllt war.
Ich dachte einige Zeit darüber nach und ließ ihre Worte auf mich wirken. Natürlich würde es einige meiner Probleme lösen und ich müsste mich nicht mehr um einen dritten Job kümmern, allerdings könnte ich James dann noch schlechter aus dem Weg gehen als jetzt. Wobei er sicherlich ohnehin oft im Krankenhaus auftauchen würde, um Dina zu besuchen. Von daher spielte es wahrscheinlich kaum noch eine große Rolle.
Ich sah auf und Avery in die Augen.
Der Blick, mit dem sie meinen erwiderte, zeigte Liebe und Zuversicht. Er räumte auch meine letzten Zweifel beiseite. Also würde ich bald wieder für einen Torres arbeiten, aber dieses Mal für Avery, und ich würde sicher eine angenehme und schöne Zeit mit ihr haben.