An Gottes langer Leine

Christa Beste, Jahrgang 1949, wohnt in der Nähe von Wien

Ich lebe in der Nähe von Wien – weit weg von meiner Heimat im Bergischen Land. Meine Eltern waren sehr gläubige und gottesfürchtige Menschen und bei uns hing der Neukirchener Kalender an der Wand in Reichweite des Vaters. Er las zu Mittag immer das passende Kalenderblatt vor und betete dann für unser Essen, mit einem vorformulierten Gebet – immer derselbe Ablauf. Weil uns Kindern langweilig war, verdrehte mein Bruder die Augen und ich musste so heftig lachen, dass wir beide für die Andachtszeit vom Tisch entfernt wurden.

Als Kind hatte ich auch mal den Neukirchener Kinderkalender, doch als Jugendliche habe ich dann irgendwann gedacht: Na, der passt jetzt nicht mehr zu dir. Ich hatte erstmal ein schlechtes Gewissen, bis ich dann gesagt habe: „Mama, ich brauch ihn nicht mehr.“

Als Jugendliche und junge Erwachsene wurde mir dieses „fromme Getue“, dieser ritualisierte Ablauf am Mittagstisch immer suspekter und ich dachte oft: „Du wirst in deinem Leben nie wieder diesen Kalender anrühren.“ Ich zog dann zum Studium weg und wollte lange Zeit vom Glauben nichts mehr wissen.

Ich lebte mit meinem Mann in Österreich, bis er für einige Jahre nach Belgien versetzt wurde. Dort sind wir in eine Straße gezogen, in die zur gleichen Zeit eine Familie aus Amerika zurückkam. Die Frau lud mich zum Bibellesen ein, ich bin eigentlich nur ihr zuliebe mitgegangen. Und war dann total baff! Und die Schweizerin, die das geleitet hat, hat uns das „Frühstückstreffen für Frauen“ vorgestellt. Wir sind dann nach Deutschland gefahren, um das Frühstückstreffen besser kennen zu lernen und haben nach einer Rednerin gesucht. Die erste, die wir eingeladen haben, war Irmgard Weth, die ja auch für den Kalender schreibt. Und dann dachte ich: „Aha, Neukirchener Kalender – jawoll, das sagt mir was.“

Ich habe mich dem Glauben wieder angenähert und mal mit, mal ohne Bibelleseplan in der Bibel gelesen, bis mich irgendwann der Neukirchener so angeschaut hat ... und ich dachte: „Naja, vielleicht solltest du es doch noch mal mit dem Neukirchener Kalender probieren.“ Seit ungefähr acht Jahren lese ich ihn jetzt regelmäßig und ich liebe ihn sehr!

Für mich ist das Lesen im Kalender heute das „tägliche Futter“. Ich fange morgens damit an und bitte Gott, dass er mir gute Gedanken gibt und mich verstehen lässt, was er sagen will. Ich lese dann auch immer den ausführlichen angegebenen Bibeltext.

Wenn ich Bibelrunden vorbereite, dann schaue ich nach, ob der Text früher schon einmal in einem Kalender vorkam. Ich habe die Buchform, und wenn ich verreise, dann reiße ich die paar Zettel aus und nehme sie mit. Für mich passt der Kalender einfach!

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Christa Beste

Es war ein weiter Weg wieder zurück – an Gottes langer Leine, wie bei einem Hund, der an der Leine Auslauf bekommt. Nach vielen Jahren ohne diesen Kalender bin ich zum regelmäßigen Lesen zurückgekehrt und finde sehr oft trostvolle und anregende Geschichten, Gedichte, Gebete, die mich weiter begleiten. Auch die Literaturtipps sind gut. Und ich schaue gerne schon samstags nach, was am Sonntag für ein Predigttext dran ist. Heute bin ich sehr dankbar für das Durchhalten meiner Eltern und das Vorbild im Glauben.

Ein Gebet von Maria Otto und Ludger Hohn-Morisch war vor einigen Jahren abgedruckt, das genau das ausdrückt, was mir widerfahren ist: