Kapitel 4: Du sabotierst meinen Plan.
D
ie Tatsache, dass du dich gegen meinen Willen meinem Vater unterworfen hast, macht mich wütend, Jenny. Damit habe ich nicht gerechnet.
Das bist nicht du. Du kämpfst. Also was hat dich dazu veranlasst, meinen Plan so zu sabotieren?
Die Schlinge um deinen Hals und das Ende des Seils um meine rechte Hand zeigen mir das drohende Scheitern des Plans. Das Ziel habe ich vor Augen und zweifle auch nicht daran, es zu erreichen. Nur kann ich den Preis dafür nicht bezahlen. Mein Wille, dich dazu zu bringen, meine Macht anzuerkennen, und dasselbe auch meinem
Vater zu beweisen, beinhaltet nicht deine Demütigung. Dieses Ausmaß war nicht geplant. Du solltest stark und unaufhaltbar neben mir wirken und nicht auf allen vieren neben mir kriechen.
Dieser Anblick macht mich fertig, aber ändern kann ich jetzt auch nichts und meinen Freunden ist unweigerlich aufgefallen, wie schief gerade alles läuft, als sie hinter uns Campino folgen. Abgesehen von Adam kann wahrscheinlich keiner begreifen, was passiert und wieso du neben mir wie ein Hund an der Leine geführt wirst. Nur Adam ist derjenige, der sich an diesem Anblick ergötzt. Wie sehr du damit seine feuchten Träume unterstützt. Wir werden in einen prunkvollen ›Geschäftsraum‹ geführt, bevor du schließlich zu den anderen Frauen gebracht wirst.
Leider weiß ich, was mein Vater vorhat.
Der Raum sieht alles andere als geschäftsmäßig aus. Denn er strotzt vor Macht, die mein Vater nie besitzen wird. Lediglich ein Stuhl, der wie für einen König gemacht an der gegenüberliegenden Wand auf einem Podest steht, befindet sich zusammen mit einigen teuren Vase auf kleinen Säulen in diesem Raum. Mehr Möbel gibt es nicht. Damit er so noch einmal verdeutlichen kann, wo er steht, und sein Gefolge ihn nie in Frage stellt. Was nur eine veranschaulichte Täuschung ist, weil mein Vater noch lange nicht so viel Einfluss besitzt, wie er sich einbildet.
Dennoch ließ er es nicht aus, dir zu zeigen, wer sein neues Hündchen ist. Jenny, ich wusste es nicht. Ich ahnte es noch nicht einmal. Erst, als er den Namen dieser zugedröhnten Nutte, die nun sein Spielzeug ist, nannte, wurde mir klar, dass der Plan dich zerstören könnte.
Mit seinem siegesgewissen Lächeln bleibt mein Vater stehen und dreht sich zu dir um. An ihm vorbei kann ich sie neben dem gigantischen Sessel knien sehen.
Pam Cunningham.
Zugedröhnt und nicht mehr Teil dieser Welt lehnt sie sich nur mit einem Dessous bekleidet und gesenktem Kopf an den Samtstoff. Ja, Jenny, deine Mutter ist übersäht mit Blutergüssen in allen Farben und auch wenn sie den Kopf kraftlos nach unten neigt, ist ihre fahle, eingefallene Haut zu erkennen.
Kaum tritt mein Vater zur Seite, um dir mit einer Handbewegung den Blick auf deine Mutter zu eröffnen, spannt sich deine Muskulatur an. Dass er ausgerechnet deine Mutter dasitzen hat, gibt ihm den Kick. Genauso, wie dich so zu sehen.
Ich kann nicht erahnen, was du denkst und fühlst, weil du immer behauptet hast, dass sie dir nichts bedeutet und du sie schon seit Jahren nicht mehr gesehen hast.
Angespannt musterst du die zerstörte Gestalt ausgiebig. Keiner spricht. Selbst Campino genießt seine inszenierte Vorstellung.
Plötzlich stehst du mit einem Schritt auf, reißt dir die Schlinge über den Kopf und gehst geradewegs zum Podest. Als die bewaffneten Männer dich aufhalten wollen, meldet sich mein Vater.
»Lasst sie! Sie darf sich noch verabschieden.« Dabei klingt er auch noch erfreut, was mich anwidert.
Du aber ignorierst ihn und überwindest die zwei Stufen zu deiner Mutter. Neben ihr stehend siehst du auf einmal so viel größer und stärker aus, als ich dich je wahrgenommen habe. Dein Gesichtsausdruck ist so kalt, während du sie von oben herab genauer
betrachtest.
Als du deine Hand nach ihr ausstreckst, ihr vorsichtig eine fettige Haarsträhne aus dem Gesicht streichst und sie mit schiefgelegtem Kopf betrachtest, spüre ich deine Kälte um einiges stärker.
Jenny, sie ist so zugedröhnt, dass sie dich noch nicht einmal wahrnimmt. Das merkst du auch und mit zwei Fingern unter ihrem Kinn zwingst du sie, dir in die Augen zu sehen. Jenny, ich kann von hier aus ihren leeren Blick sehen. So sehr wünsche ich mir, zu wissen, was du gerade denkst und fühlst. Doch niemals würdest du mir das sagen. Selbst, wenn es mal eine Zeit gegeben hat, wo du das freiwillig getan hättest, habe ich gerade alles verspielt. Denn ich kann es sehen, wie du dich von mir entfernst, als du dich aufrecht zu uns umdrehst und mir genau in die Augen schaust.
Dein Blick trifft meinen und ich wünsche mir, dein Licht zu sein, so wie du es von mir gedacht hast. Gedanklich ringe ich nach den richtigen Worten, die mir nicht einfallen, als ich in deinen Augen den tiefen Schmerz erkenne, den selbst ich nicht heilen kann. Und ich soll in der Hölle verbrennen, für den Augenblick, als eine einzelne Träne über deine Wange rollt.
»D, wir müssen das sofort abbrechen«, rät mir Adam flüsternd. Wir wissen alle, dass es dafür zu spät ist. Ich habe dir bereits mehr angetan, als ich wollte, und dennoch wird es nicht reichen, um wieder gehen zu können. Jenny, das ist erst der Anfang des heutigen Abends. Der Weg in die versprochene Finsternis, gepflastert mit deinem Schmerz. Und das nur, weil ich meine Ziele verfolge, anstatt dich zu schützen. Ich verteufle mich bereits dafür, meine Interessen über dich gestellt zu haben.
Ohne ein weiteres Mal deine Mutter und deren Zustand zu beachten, kommst du auf uns zu, mit diesem leeren, toten Blick, der durch mich hindurchgeht und den ich bereits von dir kenne. Er regt den Selbsthass in mir an. Erneut hast du in wenigen Sekunden eine dicke Mauer zwischen uns gezogen, die ich durchaus verdient habe, aber mich trotzdem schwer schlucken lässt. Du strahlst eine Stärke aus, die mich dazu zwingt, mich von deiner verletzten und zugleich erbarmungslosen Gestalt zu lösen und zu meinen Freunden zu sehen, die genauso wenig wie ich einschätzen können, was du als Nächstes tun wirst. Bei mir angekommen legst du den Kopf schief und lächelst auf eine Art, die das Blut in den Adern gefrieren lässt. Du stellst dich neben mich, um dich dann wieder niederzuknien.
Du kannst nicht sehen, dass ich kurz die Augen schließen und die angestaute Luft aus meiner Lunge lasse.
Nein, du gehörst in dieser Situation nicht auf die Knie neben mir. Dein Platz ist ein anderer. Dennoch lasse ich es zu. Dabei spüre ich die Anspannung in diesem Raum und wie meine Freunde mich missbilligend ansehen. Das haben sie auch nicht gewollt. Wenn ich einen Ausweg kennen würde, Jenny, würde ich dich und uns alle hier rausbringen. Aber es gibt keinen.
Das ungute Gefühl, hervorgerufen davon, dich neben mir herzuführen, nachdem einer der Mitarbeiter erneut die Schlinge um deinen süßen Hals gelegt hat, verlässt mich noch nicht einmal dann, als wir durch die Flure zu den Räumlichkeiten der Frauen gehen. Diese gleichen eher Kerkerzellen aus dem Mittelalter. Ich will dich eigentlich nicht einsperren. Nicht so. Dennoch bin ich bereit, dich mit einem groben Ruck am Arm aufzurichten, nur um dich an den
von der Decke hängenden Manschetten in einer der Zellen zu fesseln. Genauso wie ich verlierst du kein Wort. Du lässt widerstandslos zu, dass ich deine Schuhe ausziehe und du nun auf Zehenspitzen haltsuchend nach den von der Decke hängenden Ketten greifst.
Für einen kurzen Moment verharre ich hinter dir und umschließe deine Taille. Fast verlierst du das Gleichgewicht, als du dagegen ankämpfst.
»Wehr dich nicht«, flüstere ich nah an deinem Ohr und du erstarrst, als wäre ich dein Tod. Vielleicht bin ich es auch. Zumindest kann ich gerade nichts anderes behaupten.
»Gehorche.«