L
iebe und Hass sind Begriffe, die man nicht erklären, sondern nur fühlen kann.
Seit der ersten Begegnung mit diesem Mistkerl wurden diese zwei Empfindungen zu einer. Ich konnte nie sagen, welche der beiden Empfindungen überwog. Sie waren einfach eins. Weil er es dazu machte.
Er vermischte es zu einem gewaltigen Gefühl, das alles mit sich riss.
Eine explosive Mischung, die jedes lebendige Wesen auf dieser Welt vernichten konnte.
Dabei hielt er den Zünder in der Hand und forderte den Tod heraus, spielte Gott und verdrängte die Tatsache, dass er womöglich selbst dabei draufgehen konnte.
Schweigend, weil mich sein Verhalten und seine vielen Taten
sprachlos machten, hing ich gefesselt da und überließ ihm die Macht. Wie so oft.
Ich konnte noch immer nicht fassen, dass Campino nicht nur meine verschollene Mutter in seinen Fängen hatte, sondern auch, in was für einem widerlichen, halbtoten Zustand sie war. Das Schlimme war, dass Colt, der Mann, der mein Herz in seinen brutalen Fingern hielt, das Gleiche aus mir machen wollte. Wenn er nicht meinen Tod hervorrief, würde ich genauso enden. Als sein gebrochenes Haustier.
Unfassbar.
Wenn ich nur gewusst hätte, dass er der Sohn von Campino war, hätte ich ihn sofort abgeknallt. Ihn niemals so nah an mich herangelassen. Er hatte mich erobert und ich hatte ihm bereits ungefragt verziehen, aber das war selbst für mein Herz zu viel.
Sein Atem glitt in warmen Wellen über meine Haut und seine Hände hielten mich in einem festen Griff. Dennoch schmerzte seine gewohnte Nähe tiefer, als es ein anderer hätte schaffen können. Schlimmer als er es bereits getan hatte.
Er. Sein Vater. Meine Mutter.
Mein Magen zog sich angewidert zusammen und in meiner Kehle brannte bereits die Säure.
»Ich habe dir nicht gesagt, dass du dich ihm unterwerfen sollst.« Sein Missfallen ist mit jedem Wort spürbar. Aber war es nicht das, was er von mir erwartet hatte? Von Anfang an wollte er mich bezwingen, benutzen und alles von mir einfordern, nur um mich dann wehrlos zu machen. Selbst unsere erste Begegnung hatte er entsprechend eingefädelt.
»Wir sind uns sehr ähnlich, Jenny.«
»Nein. Sind wir nicht«, breche auch ich das Schweigen.
»Nicht?«
»Nein, Colt«, sage ich gepresst und atme tief durch, um meine Kraft zu bündeln. »Wenn ich jemanden tot sehen möchte, knall ich ihn ab. Ich spiele nicht über Wochen mit diesem Menschen.« Was teilweise gelogen war. Denn ich wollte seinen Tod, schaffte es nur nicht aus eigener Kraft.
»Wer sagt, dass ich dich tot sehen will?«
»Ich korrigiere mich. Ich brauche niemanden, um an Macht zu gelangen. Ich habe und lebe sie einfach.« Da ich nicht wusste, ob ich ihn damit nur noch mehr provozierte, unterdrückte ich die Schwere der erneut eingetretenen Stille. Vielmehr spürte ich eine ausgesprochene Unruhe in mir. Es war nicht die Angst vor der Qual oder dem Tod. Viele Fragen schossen durch mein Inneres und breiteten einen Schmerz in mir aus, den ich nicht unterdrücken konnte.
Die Frage, ob ich ohne ihn überhaupt noch weitermachen konnte. Ob ich jemals diese intensiven Gefühle für meine Lieblingsdroge abschalten können würde. Ich fragte mich, wo mein Leben vor seiner einnehmenden Wirkung auf mich hin war und ob ich überhaupt eines ohne ihn wollte. Mein Verstand kannte die Antwort. Denn wenn ich überlebte, durfte er es nicht. Bereit dafür war ich nach allem, was passiert war, allerdings noch immer nicht.
Von weitem hörte ich Adam sprechen, der versuchte, Colt dazu zu überreden, den Plan aufzugeben. Ich wollte den Plan gar nicht erst kennen. Denn ich verlor den Mann, für den ich mich entschieden hatte. Für den ich mich immer wieder entschieden hätte, obwohl ich
wusste, was für eine Gefahr von ihm ausging.
Als mir auch noch klar wurde, wie oft er mich verletzt und benutzt hatte, lächelte ich in mich hinein. Anscheinend war ich unbelehrbar und fiel immer wieder auf seine hübsche Hülle und seine ergreifenden Worte sowie seinen Wunderschwanz herein. Und seinen teuflisch guten Mistkerlduft. Dabei hätte ich nie gedacht, dass ich einmal zu einer liebestrunkenen Colt-Süchtigen werden könnte.
Obwohl Adam und mittlerweile auch Riley und Greg auf die lebendige, gutaussehende Droge intensiv einwirkten, es half nicht. Denn er schickte sie raus, damit er sich mir und wahrscheinlich meinen baldigen und durch ihn ausgelösten Qualen widmen konnte. Sie befolgten seinen Befehl und nach wenigen Sekunden war ich allein mit ihm und meinem Ende.
Kaum fiel die Metalltür ins Schloss, strichen seine Finger meine Wirbelsäule entlang. Da das Kleid rückenfrei war, schützte mich kein Stoff vor seiner warmen Berührung. Ein Schauer erschütterte mich und ich konnte dieses Gefühl nicht einordnen. Angst oder Verlangen?
»Erzähl mir von allen Transaktionen in Detroit«, begann der heiße Mistkerl, als er sich von mir entfernte. Müde von den Geschäften, die mein Leben waren, ließ ich den Kopf nach vorne hängen und schwieg.
»Du zählst alles detailliert auf und du wirst mir dabei helfen, sie nacheinander zu übernehmen.«
Darauf blieb ich weiterhin stumm und als einige Minuten verstrichen, hörte ich Metall aneinander reiben. Dieses Geräusch ging nicht von den Manschetten an meinen Handgelenken aus und
ich schaute auf. Doch ich starrte nur auf die gemauerte Wand mir gegenüber.
»Wie viel hältst du aus, bis du mir zustimmst und C davon überzeugst, mir alles zu überschreiben?« Die Metallgeräusche wurden lauter und ich erkannte, dass es eine schwere Kette sein musste, die Colt mit Sicherheit in der Hand hielt. Schon wusste ich, was mich erwartete. Dennoch schnaubte ich amüsiert. »Töte mich, foltere mich, aber geh mir verdammt nochmal nicht auf …«
Der brüllende Schmerz als die Kette auf meinen Rücken prallte, verdrängte nicht nur jedes weitere Wort, sondern auch jegliche Luft. Der Schock erstickte jeden Ton. Nur mein Körper schrie. Ich konnte nicht einatmen, nicht denken und hielt mich krampfhaft an den Metallschlingen der Fesseln fest.
Es dauerte gefühlte Minuten, bis der Schmerz an meiner Muskulatur und meinen Knochen nachließ und meine Lungen sich mit Sauerstoff füllen konnten.
»Also?«
»Fick …« Erneut ein unbeschreiblicher Schmerz, der mich unterbrach. Meine Kiefer pressten sich zusammen und jeder Muskel spannte sich an, um dieses Gefühl zu verdrängen. Schritte näherten sich mir und ich zuckte, als sein Atem erneut meine Haut berührte.
»Du musst auf mich hören und mir vertrauen, Jenny«, flüsterte er. Doch das würde er niemals von mir bekommen. Mit aller Kraft hob ich den Kopf und sah den Grund für sein Flüstern. Dennoch war es zu spät, ihm noch mehr von mir zu geben. Also lächelte ich, als könnte er es sehen und hauchte gequält:
»Schick Adam. Ich stehe auf Fickverhöre.«
»Was?« Seine Finger packten meinen Nacken und zogen mich nach hinten, sodass ich gezwungen war, ihn anzusehen. Obwohl er mir wehtat, war es nichts im Vergleich zu den Schlägen mit der Kette. Also lächelte ich ihn amüsiert an.
»Bist du etwa böse, dass dein Freund sich so gut anfühlt?« Nicht nur seine Finger verschwanden, lösten sich von mir, als hätte er sich verbrannt. Denn ich hörte die Kette zu Boden fallen. Ich konnte spüren, wie wütend er war, als er sich erneut von mir entfernte.
»Was wird das hier, Jenny?«, dröhnte seine Stimme dunkel und heiser. Dabei fragte er die Falsche. Es war seine Show. Ich war nur seine dumme, naive Darstellerin. Sein schlecht zusammengebauter Golem.
»Was willst du von mir hören? Denkst du, du bist der Einzige mit einem geilen Schwanz?« Vielleicht war es fatal, seine Eifersucht auszulösen, aber das war meine einzige Waffe, die ich gegen ihn hatte. Sein Zorn beherrschte den Raum und die Luft zwischen uns. Ein dumpfer Knall und mir wurde bewusst, wie stark ich ihn damit reizte. Jeden Schlag, den er wütend gegen die Wand setzte, spürte ich wie eine Vibration. Sie gingen so schnell, laut und spürbar, dass ich nicht mitzählen konnte. Bis schließlich die Tür aufsprang und die Stimme von Campino durch die kleine, knapp beleuchtete Folterkammer schallte: »Lässt du dich etwa von der Schlampe provozieren? Hier.«
Colt erwiderte nichts und Campino verschwand wieder. Es vergingen einige Minuten, in denen wir schwiegen. Aber das schwere Atmen von Colt konnte ich hören.
»Erzähl mir etwas über den Heroinhandel.«
Darauf erwiderte ich nur ein Schnauben.
»Dir müsste doch klar sein, dass du keine Chance gegen mich hast.« Seine Stimme wurde schneidender, dennoch antworte ich nicht.
»Du gehörst mir, schon vergessen?« Seinen dämlichen Besitzanspruch konnte er sich in den Auspuff stopfen, also machte ich ein amüsiertes Geräusch. Knurrend nahm er das zur Kenntnis. Seine Wut wurde greifbar, weshalb ich noch einen drauflegte.
»Vielleicht rede ich ja, wenn du mir Adam schickst.« Wieder knurrte er etwas Unverständliches und ich machte weiter.
»Was denn, Colt? Denkst du etwa, ich habe das zwischen uns ernst gemeint?« Meine Worte bereute ich sofort, als ein anderer Schmerz, als würde sich meine Haut von mir lösen, durch meinen Körper drang. Laut schreiend zogen sich die Muskeln qualvoll zusammen. Ich erkannte meine eigene schmerzerfüllte Stimme nicht mehr. Mir wurde bewusst, dass Colt von Campino eine Peitsche bekommen hatte, die nun auf mich einschlug.
Doch meine Gedanken verließen mich sofort wieder. Denn der nächste Hieb traf mich und schleuderte meinen Verstand in weite Ferne.
»Hör auf damit!«
»Die Wahrheit zu sagen?«, keuchte ich schwach.
»Du machst immer weiter, Jenny!«, brüllte er, als mich die Peitsche wieder traf. Ich konnte mich auf nichts mehr konzentrieren.
»Du willst Adam?«, dröhnte er zeitgleich mit der Folter, die durch mein Fleisch schnitt. Ich konnte mich nicht in die Dunkelheit flüchten. Zu schmerzhaft setzte mir Colts Eifersucht zu. Die Stärke,
die mich ausmachte, verlor sich mit jedem weiteren Schlag, den ich schreiend und stöhnend quittierte. Das Leben, wie ich es kannte, verschwand und wurde bedeutungslos.
»Merkst du nicht, dass du gefangen bist?« Hieb.
»Glaubst du wirklich, du kommst davon, so oft, wie du die Hand gegen mich gehoben hast?« Hieb. Tränen des Schmerzes sammelten sich in meinen Augen. Krampfhaft versuchte ich mit zusammengebissenen Zähnen, dieses tödliche Brennen und das Gefühl, wie mir das Fleisch von den Knochen gezogen wurde, zu ertragen.
»Du wehrst dich noch immer gegen mich.« Hieb.
»Du provozierst mich bis aufs Blut.« Hieb.
»Und versuchst, mir immer wieder zu entkommen!«, brüllte er und schlug härter zu, wenn das überhaupt noch möglich war. »Dabei hattest du nie eine Chance!«
Seine Wut malträtierte unaufhörlich meinen Körper und ich fand keine Kraft mehr, dieser Qual standzuhalten.
»Hetzt deine Männer auf uns und forderst einen Krieg heraus, den du nicht gewinnen kannst?!«, brüllte er sich in Rage. Nach unzähligen Hieben gaben meine Muskeln nach und ich hing mehr oder weniger leblos in den Fesseln. Selbst die Last an den Handgelenken, die mein Gewicht allein zu tragen schienen, verlor sich in Colts Zorn. Nur noch leicht wimmernd und mit geschlossen Augen gestand ich mir ein, dass er gewonnen hat. Er entschied über Leben und Tod. Nur seine Gnade ließ mich überleben. Mit dieser Erkenntnis war der Tod süßer als das Leben.
»Und du verlogenes Miststück willst nach allem, was wir haben,
meinen besten Freund ficken?« Zorn. Eifersucht. Mein dummes, loses Mundwerk.
Nach einer kaum auszuhaltenden, langen Zeit und vielen schmerzhaften Spuren auf meinem Rücken, fiel die Peitsche zu Boden und eine Stille, die mich sanft wiegte, breitete sich aus.
Bis zu dem Moment, als mich seine Hand auf den Wunden verbrannte.
»Du weißt gar nicht, wie gut dir rot steht.« Allein seine Anwesenheit brachte mich zum Zittern, aber der Schmerz verdrängte jede Erwiderung. Jedes Wort. Jeden verdammten Gedanken.
Alles war nur noch Rauch. Kraftlos hing ich da und versuchte, so wenig wie möglich zu atmen, weil selbst dieser lebenswichtige Reflex zu einer brutalen Pein wurde.
Immer wieder glitten seine Finger über die vielen Schnitte.
Doch die ersten gepeinigten Tränen verließen meine Augenwinkel erst, als er sich vor mich stellte, mein Gesicht am Kinn hochdrückte und ich in den tiefschwarzen Augen sein Verlangen sah. Obwohl mein Mund sich öffnete, um Widerspruch leisten zu wollen, und innerlich gegen seine Begierde ankämpfte, die ich einmal genauso liebte, wie ich sie nun hasste, verließ kein hörbarer Laut meine Lippen. Die Kraftlosigkeit zwang mich in den Abgrund. Während er mich in die Finsternis zog, von der er mir versprochen hatte, dass er mich dort hinbrachte, schob er mein Kleid nach oben, um den Slip auf die Seite zu schieben.
Die Erkenntnis, dass ihn genau das auch noch anmachte, traf mich noch tiefer als die brutalen Hiebe seiner Wut. Als sein Körper meinen
berührte, ignorierte er meine Tränen und öffnete seinen Gürtel sowie seine Hose.
»Du willst ein Fickverhör? Du willst Adam? Weißt du was, meine Schöne? Du kriegst mich!« Schlagartig wurde mir erneut bewusst, dass er sich alles von mir nehmen konnte und er dafür keine Erlaubnis benötigte.
»Nicht«, bat ich heiser, als er mich an der Taille aufrecht an sich schob und mein Bein anwinkelte. Dass er mich gehört hatte, wusste ich. Dennoch drang er in mich ein, obwohl ich nicht bereit für ihn war. Die Bürde der Vergangenheit zog mich in das Elend, genau wie der Mann, den ich liebte.
Mit jedem Stoß, der sich einmal so gut angefühlt hatte, schickte er mich nun an den Ort, an dem er mich haben wollte. Der, den er mir versprochen hatte. Der, an den dem das Licht mich nicht mehr erreichen konnte, so sehr ich mich auch danach sehnte.
Dieser Ort war hier in seinen Armen. Er war die Finsternis.
Er beförderte mich in diese Schlucht, an deren Kante ich tänzelte, seit er mich zu einer Süchtigen gemacht hatte. Die Kraftlosigkeit zwang mich dichter an seinen Körper, womit er mich in den Fesseln stützte. Das war kein Rausch mehr, sondern eine einzige, große Demütigung, die nie mehr aufhörte.
Deswegen flehte ich nicht um Gnade. Denn es hatte keinen Sinn. Ich hatte wirklich verloren. Selbst die Dunkelheit in mir flüchtete vor seiner Macht und ich war allein. Mit all dem Schmerz.
»Ich brauche es so sehr, Jenny«, stöhnte er stockend. Die kalte Reibung zwischen meinen Beinen, seine quälenden Hände an mir und die Nähe zu ihm, die mich erdrückte, brachten nicht nur meinen
Körper zum Beben, nein, mein Inneres krümmte sich regelrecht vor Schmerz. Er zerbrach meinen Willen in tausend Teile genauso wie die Zuneigung, die ich für diesen Mann empfunden hatte. Niemals hätte ich gedacht, dass ich mich in seinen Armen so fühlen könnte.
Er zog mich fester an seinen Körper. Mit einer Hand in meinem Nacken und eine am unteren Rücken gab er mich nicht mehr frei und ich wurde zu einem Nichts, als er sich in mir ergoss.
»Ich hasse dich, Jenny.« Seine Worte waren nicht mehr von Bedeutung. Es berührte mich nicht, weil er alles, was wir hatten, zerstörte und es war ihm scheißegal.
Schließlich löste er sich nicht nur von mir, sondern auch die Manschetten. Immerhin fing er mich auf und legte mich auf den Boden, anstatt mich einfach erniedrigt und verletzt stürzen zu lassen. Aber selbst das änderte nichts mehr.
Vorsichtig zog ich die Beine an, obwohl die Wunden dadurch nur noch schmerzhafter wurden, und umschloss meine Körpermitte.
Eigentlich wäre ich davon ausgegangen, dass er mich genauso liegen ließ und mich meinen Geistern überließ. Das tat er auch. Aber bevor er den Raum verließ, nachdem er alles bekommen hatte, abgesehen von meiner Zustimmung, Detroit zu übernehmen und meinen Körper benutzen zu dürfen, spritzte er mir etwas in den Oberarm. Ich dachte wirklich, dass er mir zumindest die Schmerzen nehmen würde. Doch nach einiger Zeit, als er schon längst den Raum verlassen hatte, spürte ich den Umfang seiner Wut und Eifersucht noch stärker als zuvor. Zitternd nahm ich nicht einmal die Temperatur wahr, erkannte die Räumlichkeiten nicht und selbst der Unterschied zwischen hell und dunkel erlosch in der tiefen Schlucht,
in der ich mich nun befand.