Kapitel 5: Die Crack-Kit ist zurück
W
as hast du nur getan, Jenny? Ich kann Adam nicht ansehen, obwohl du mich nur herausfordern und verletzen wolltest und es wahrscheinlich nicht ernst gemeint hast. Du hast die Strafe provoziert und bekommen, was du verdienst.
Ich gebe zu, ich habe mich hinreißen lassen und mich meiner Wut hingegeben, als das Blut deine Haut färbte. Aber ich bereue es nicht. Keine Reue, Jenny. Siehst du denn nicht, was für ein Bastard ich bin? Warum quälst du mich so?
»Auf was für einem Trip bist du? Ihr ganzer Rücken ist zerfetzt!«, brüllt Riley aufgelöst.
Er ist gerade wieder zu uns gestoßen. Es rührt mich nicht, Jenny. Wir wissen alle, zu was ich fähig bin. Und das, was du durch dein provozierendes Verhalten heraufbeschworen hast, ist noch lange nichts im Vergleich zu den vielen anderen Taten.
»Was hast du überhaupt da unten gemacht?«, spreche ich meinen zweiten Gedanken laut aus.
»Scheiße, ich habe mich verlaufen.« Was ich ihm nicht glaube. Er wollte sicher nach dir sehen. Ich weiß leider nicht, wie laut deine hinreißenden Schreie wirklich waren.
»Das ist jetzt nicht wichtig«, unterbricht uns Greg. »Wir müssen schauen, wie wir aus deinem dummen Plan wieder rauskommen.«
»Ja, der ist so richtig schiefgelaufen«, muss ausgerechnet Adam seine Meinung dazu kundtun. »Wo ist dein Vater überhaupt?«
»Er musste einen wichtigen Anruf tätigen.«
»Dann lass uns das ausnutzen und verschwinden.« Riley ist ungewohnt verunsichert und handelt sich von uns allen ungläubige Blicke ein. Schließlich gehören wir nicht zu den Männern, die abhauen oder fliehen.
Dafür sehe ich auch keinen Grund. Und wenn ich dich schon bezahlen lasse, gehe ich nicht, ohne mein Ziel erreicht zu haben, Jenny.
»Sie liegt regungslos in ihrem Blut auf dem Boden! Scheiße, die Nutte ist ihre Mutter. Reicht das nicht, D?« Riley klagt mich an, aber es geht an mir vorbei, Jenny. Da kann er sich so lange durch die Haare fahren, bis sie ihm ausfallen. Wärst du brav gewesen, wäre mein Plan aufgegangen und wir würden uns schon längst auf dem Rückweg befinden. Aber nein, wieder einmal kommst du mir in die
Quere und provozierst mich weiter. Du bist ein Miststück ohne Grenzen, das keiner unter Kontrolle bekommt. Gerade jetzt weiß ich nicht, ob mich das an dir stört oder reizt.
Diesen Gedanken schiebe ich aber beiseite, denn ich muss anderes überdenken. Zum Beispiel, ob ich den Abend trotz deiner Schmerzen nutzen kann. Wenn ich dir das antun muss, darf es nicht umsonst gewesen sein.
Mit einer Hand fahre ich mir durchs Gesicht und versuche im Sekundentakt, deinen verletzten Körper aus meinen Gedanken zu streichen und mir eine Strategie zurechtzulegen, damit wir alle bekommen, was wir wollen.
»Ausnahmsweise gebe ich Riley recht. Ich habe sie nicht gesehen, aber …«, fängt Adam an, was ich gar nicht hören will. »D, ich finde du …« Ein Schuss hallt zu uns herüber und stoppt Adam. Wir sehen uns an und hören einen weiteren. Sofort setzen wir uns in Bewegung. Greg voran suchen wir nach der Quelle der stetigen Schüsse, die durch die Villa schallen.
Als wir näherkommen, hören wir zudem auch Scherben klirren. Wir betreten den Geschäftsraum, wo deine Mutter vor sich hinvegetiert und ich spüre die Kälte.
Und da bist du.
Ich kann nicht fassen, was ich da sehe. Wen ich sehe. Und wie.
Auf dem Thron meines Vaters sitzt du seitlich an die Lehne gelehnt und lässt die Beine über die andere Lehne baumeln, während du die letzte Vase in diesem Raum mit einer 9mm abschießt. In der anderen Hand hältst du eine Crackpfeife und ziehst daran.
Ich packe meine gezogene Knarre weg, als du den Kopf in den
Nacken legst und den Rauch auspustest.
»Kit?«, fragt Trick, der genauso verwundert ist wie wir. Wie zum Teufel bist du aus der Zelle gekommen? Da richtest du den Blick auf uns und dein diabolisches Lächeln jagt durch mich hindurch wie ein Wirbelsturm.
Du drückst die Pfeife der Frau, die neben dir steht, in die Hand. Erst da nehme ich sie wahr. Es ist Mila, nur in einem Dessous gekleidet. Sie ist diejenige, die damals in meine Bar eingebrochen ist und nach ihrer Mutter gesucht hat. Als ich ihr begegnet bin, erkannte ich bereits diese Ähnlichkeit mit dir. Aber als du dich aufrichtest und dich an die Kante des Sessels setzt, ist diese unbestreitbar. Mila ist eindeutig eine Miniausgabe von dir. Ein Zufall? Sicher nicht. An so etwas habe ich noch nie geglaubt.
»Willkommen in meinem Blutrausch«, sagst du in diesem Tonfall, den ich viel zu gut kenne. Wieder stehe ich auf dem Parkplatz der Tankstelle, an dem Abend, als ich dich verkauft habe.
Oh, Jenny, wo hast du das Crack nur her?
»Kommt ruhig näher, ich beiße nicht.« Dein dunkles, bösartiges Lachen dröhnt zu uns, was Greg auch auffällt, der mir ins Ohr flüstert: »Dein Plan hat eine weitere Schwachstelle bekommen.«
Wie recht er doch hat, Jenny. Wie sollen wir an mein Ziel kommen, wenn du fliegst und Blut sehen möchtest?
Aber auch wir haben durch diesen Abend etwas gelernt und treten näher, während wir abschätzen, wie wir dein Crack-Problem umgehend beseitigen können. Nichtsdestotrotz bleiben wir auf der Hut. Du bist leider in dem Zustand unberechenbar. Nur Trick ist es nicht. Ihn scheint es sogar zu amüsieren und er geht zügig auf dich
zu, was sicher ein Fehler ist. Also halte ich ihn auf.
»Was denn, Colt. Hast du etwa Angst?«, forderst du mich gelangweilt heraus. Trick sieht mich auch verwundert an.
»Sollte ich etwas wissen?«, fragt er mich, ohne dich zu beachten.
Aber Greg kommt mir zuvor: »Oh, das willst du nicht wissen, sei nur vorsichtig, wenn sie so ist.«
»So?«
»Auf Crack«, klärt Riley ihn auf.
Also gehen wir langsam weiter auf dich zu und ich erkenne dich kaum wieder. Ich frage mich, wie viel Crack durch deinen Körper jagt, dass deine Augen so dunkel sind und einen Schatten werfen. Anscheinend sind wir so vorsichtig, dass wir dein Interesse verlieren und du mit der Waffe in der Hand deiner Mutter über den Kopf streichelst.
»Was für eine Schande. Sie war mal echt hübsch«, flüsterst du angewidert. Keiner ist sich sicher, was er darauf sagen soll, Jenny.
»Aber hey …« Du richtest deine Aufmerksamkeit wieder auf uns, was schlecht ist, weil ich dich so nicht außer Gefecht setzen kann. »Ich kann euch zumindest Mila vorstellen.« Du nickst zu dem Mädchen mit den lila Haaren.
»Deine Schwester?«, fragt Trick, dem die Ähnlichkeit auch aufgefallen ist.
»Lustig, nicht wahr? Ich wusste nichts von einer Schwester. Aber ich kann die Ähnlichkeit nicht abstreiten.« Du wickelst dir eine Haarsträhne von ihr um den Finger und ich nutze es aus, dass du von dem neuen Familienmitglied abgelenkt bist, und pirsche mich zügiger an dich heran. Doch ausgerechnet mein Vater zerstört meine
Chance, als er ebenfalls den Raum betritt und dich wieder in die Gegenwart zurückholt.
»Was für ein Familientreffen. Ist das nicht schön?«
Du hebst nur eine Braue, wie du es immer tust, und legst den Kopf schief, weil dir bewusst ist, dass es nicht seine einzigen Worte bleiben werden.
»Ach, Kit, wenn ich dich auch noch ficke, habe ich alle Cunningham-Ladys gehabt.«
Ich sehe dich schon dem Blutrausch verfallen, stattdessen lachst du auf, als hätte mein Vater den besten Witz erzählt, den du je gehört hast.
»Andere planen ihre Rache mit Waffen, Folter und fließendem Blut. Aber der ach so große Campino, der einen Thron für seinen mickrigen Schwanz braucht, plant seine mit Viagra.« Erneut lachst du herzlich auf, dass ich mir selbst ein Schmunzeln verkneifen muss. »Hat dir eigentlich schon jemand gesagt, was für eine Lachnummer du als Verbrecher bist? Selbst die Kleinkriminellen haben mehr Waffen auf Lager. Weißt du, wie lange ich gebraucht habe?«
»Weißt du denn …«
»Dass du wegen des vielen Viagras, keinen Platz und kein Geld für richtige Waffen hast?«, unterbrichst du meinen Vater amüsiert, was ihn noch wütender macht.
»Machen wir uns nichts vor Campino, du bist einfach nur alt und so widerlich, dass selbst eine Kneifzange sich angewidert übergibt, wenn sie dich berühren muss. Also verständlich, dass du so creepy drauf bist.«
Das macht ihn noch zorniger, sodass er seine Knarre zieht und ich
meine gleich mit. Aber du lachst nur, während ich den Lauf auf ihn richte. Nur bekommt er das nicht mit, weil seine Wut die Aufmerksamkeit nur auf dich lenkt. Jenny, sein Gesicht verwandelt sich in dieses gehässige Monster, das er mir vererbt hat und sein Lauf richtet sich auf deine Mutter.
»Ernsthaft, Campino?«, fragst du mit erhobener Braue, als auch dir das bewusst wird.
»Jeder weiß, dass du nicht an deinem Leben hängst, Kit. Und wie schön es doch ist, erst alle Frauen deiner Familie zu ficken und dann zu töten. Dich miteingeschlossen.«
Ich wollte gerade abdrücken, als du mir zuvorkommst und deiner Mutter in den Kopf schießt.
Fuck! Ich kann nicht glauben, was du da tust. Mila schreit auf und reißt an deinem Arm: »Was hast du getan?«, während du dir das Blut aus dem Gesicht wischst und die Blutpfütze um den Leichnam deiner Mutter herum auf dem Marmorboden größer wird. Du hingegen ziehst Mila unbeeindruckt und gefühlsarm auf den Schoß und hältst ihr die Knarre an die Schläfe. Jenny, dein Crackhirn versaut dir gerade die Psyche. Ohne dass du es merkst, verwandelst du dein Leben in die Hölle. Nüchtern wirst du diesen Schmerz nicht ertragen können.
Doch gerade scheint dir alles egal zu sein und du lächelst so diabolisch, dass die Wüste gefriert und mein Vater dich schockiert ansieht.
»Und jeder weiß, dass ich nur eine Familie kenne. Diese Menschen bedeuten mir nichts.«
Die Knarre in der Hand meines Vaters beginnt zu zittern und ich
frage mich, wo seine ganzen Mitarbeiter sind, warum sie nicht schon längst hier sind. Aber selbst diesen kurzen Gedanken stoppst du, als ein weiterer Schuss ertönt.
Überrascht stelle ich fest, dass nicht Mila tot von deinem Schoss fällt, sondern mein Vater mit einer Schusswunde auf dem Boden liegt. Du hast die Schocksekunden genutzt. Ganz mein Mädchen.
Erleichtert, dass du dir dein Leben nicht versaut hast, packe ich die Knarre wieder weg und lege den Kopf in den Nacken, um tief durchzuatmen. Eine Person in deinem Leben reicht, die dich in die Finsternis entführt. Und das bin ich und werde es immer sein. Niemals solltest du dich selbst, und vor allem nicht allein, dorthin begeben.
»Bist du völlig irre?«, schreit Mila auf und ich sehe zu dir, wie du sie amüsiert vom Schoß schiebst und dich aufrichtest.
»Nein, Mila. Wie kommst du darauf?«
»Hallo?«, schreit sie hysterisch. »Du hast Mum getötet und eine Waffe auf mich gerichtet!«
»Mum? Bist du irre? Die Tote …« Du zeigst auf die Leiche deiner Mutter. »War vor vielen Jahren mal eine Frau. Eine Cracknutte, die auch Heroin spritzte, weiß der Teufel, was noch. Aber wolltest du sie etwa so am Leben lassen?«
»Sie hätte clean werden können!«
»Dafür ist sie zu zerstört, Mila«, erklärst du sanft. »Wenn du glaubst, dass sie deine Mutter ist, muss ich dich enttäuschen. Vielleicht hast du recht. Aber das, was du siehst, ist nur noch ihre verkommene Hülle. Pam gibt es schon seit Jahren nicht mehr. Und selbst wenn du versucht hättest, sie zu retten, willst du wirklich, dass
sie sich mit klarem Verstand damit auseinandersetzt, was sie alles gemacht und was man ihr angetan hat?«
Oh, Jenny. Wer hätte gedacht, dass du in deinem Crackzustand so klar denken kannst und wie recht du dabei hast. Jenny, deine Mutter war viel zu sediert, um sich selbst je das Leben nehmen zu können, und besser du hast es beendet als ein anderer auf eine schlimmere Art.
Mila versteht zwar die Belehrung, steht dennoch vollkommen unter Schock. Vielleicht ist das der Grund, warum Riley sich in Bewegung setzt und somit deine Aufmerksamkeit auf sich zieht.
»Ach, stimmt. Ich muss mich ja noch um euch kümmern.« So schnell verschwindet jegliche Sanftheit aus deiner Stimme und die gnadenlose Kit kommt zum Vorschein. Riley bleibt noch vor dem Treppenabsatz stehen und weicht sicherheitshalber wieder zurück, was du mit einem Lächeln bestätigst und ins Magazin schaust.
»Fünf Kugeln, perfekt.«
Ich brauche eindeutig ein Ablenkungsmanöver. Wo im Namen Gottes sind Campinos Männer?