KINDER
BRAUCHST DU DIE WIRKLICH?
D ieses Thema könnte bei einigen anecken. Weil da das Argument immer lautet, dass es im Leben nicht nur um Finanzen geht.
Dem stimme ich zu. Aber nur in einem Punkt: Seit Jahrzehnten ist unsere Gesellschaft wirtschaftlich strukturiert, um bestimmte familiäre Strukturen zu fördern und von anderen abzuhalten.
In diesem Kapitel ermutige ich dich, darüber nachzudenken, wie persönliche Entscheidungen (zum Beispiel, ob du Kinder haben willst und wenn ja, wie viele) auch ein Thema der wirtschaftlichen Realität unserer Welt ist. Ich fälle hier keinesfalls Urteile – ich analysiere lediglich die Familie als solche und die Zahl der dazugehörigen Menschen aus ökonomischer Sicht.
Kinder haben oder nicht?
Kinder zu haben ist eine altruistische Geste, denn ganz plötzlich widmen wir einen Großteil unserer Zeit einem kleinen Menschen, für den wir eine Menge Entsagungen aushalten.
Wir stellen uns zum ersten Mal in unserem Leben an zweite Stelle und treffen Entscheidungen, die auf den besten Intentionen für das Kleine basieren. Wie hören nicht länger auf unseren Körper, denn der kleine Engel gibt – Tag und Nacht – den Ton an. Und das für einige Jahre.
Aber der Drang zur Reproduktion ist auch ein bisschen egoistisch. Wir träumen davon, dass unser Erbe fortbesteht. Wir wollen eine Erweiterung unserer selbst. Wir wollen unserem Leben Bedeutung verleihen.
Ich kenne Menschen, die nie Kinder hatten, sei es selbst- oder vom Schicksal bestimmt. Andere haben dank Mehrlingsgeburten mehr Kinder als geplant. Du hast nicht unbedingt die völlige Kontrolle darüber, wie viele Kinder du bekommst. Möglicherweise möchtest du eine Familie mit zwei Kindern, aber Mutter Natur hat andere Pläne, sei es ein »ups« bei der Verhütung oder eine Fügung des Schicksals.
Im Gegensatz zur herkömmlichen Meinung hat die Kinderlosigkeit durchaus Vorteile. Ohne die Verantwortung für Kinder bewahrst du deine Freiheit und dein Leben gehört dir. Die Beziehung zu deinem Partner läuft nicht Gefahr, durch die tägliche Plackerei der Kinderbetreuung ausgezehrt zu werden. Du kannst sorglos und unorganisiert sein; in einer kleineren Wohnung leben, impulsiv und spontan sein, deinem Glücksgefühl folgen, worin auch immer das bestehen mag.
Die Familienmünze hat ganz sicher zwei Seiten: mit oder ohne Kinder. Unsere Gesellschaft scheint nur ein Modell wertzuschätzen: Reproduktion. Wenn Eltern kinderlose Paare verurteilen, könnte das dann daran liegen, dass sie ein bisschen neidisch sind?
Marketing und die vierköpfige Familie
Wenn es um die Familie geht, hat unsere Gesellschaft etwas entwickelt, das als »bevorzugter Lebensraum« bezeichnet wird. Wenn du eine Familie gründen willst, ist die vierköpfige Familie das gängige Modell. Seit Beginn der 1980er-Jahre sind zwei oder weniger Nachkommen die Norm bei Familien mit Kindern. 35 Die Wirtschaftswelt beherzigte das und die kommerziellen Angebote passten sich schrittweise der vierköpfigen Familie an. Zum Beispiel:
Dieses Prinzip trifft auch auf den Autokauf zu: Ein Kompaktwagen bietet bequem Platz für vier Personen. Wir vergessen oft, dass es früher durchgehende Sitzreihen vorn und hinten gab, auf denen jeweils drei Personen sitzen konnten. Die Wagenkonstruktion hat sich mit der Zeit der kleineren Familiengröße angepasst .
Wohnraum bevorzugt Kleinfamilien
Das Wohnraumangebot erfüllt nicht die Bedürfnisse von Großfamilien. Streng wirtschaftlich gesprochen ist es schwierig, den Bau von großen Wohnungen mit mehr als drei Badezimmern zu rechtfertigen.
Wieso? Erstens gibt es Nachfrage zu einem bestimmten Preis und die Bauträger bevorzugen es, kleinere Einheiten zu bauen. Sie erzielen mehr Profit, wenn sie kleinere Wohnungen oder Häuser verkaufen, weil der Preis nicht proportional zur Anzahl der Räume ist. Großfamilien sind nicht der Zielmarkt für den Serienbau.
Als Grundregel gilt: Je mehr Einheiten du für ein Grundstück vorgegebener Größe verkaufen kannst, desto mehr Bauträger sind interessiert. Aus einem rein wirtschaftlichen Gesichtspunkt vermieten Hausbesitzer lieber fünf kleine Apartments als drei große, denn das erhöht die Mieteinnahmen und reduziert das Risiko bei Nichtzahlung.
Folglich haben Großfamilien weniger Auswahl bei der Miete von Wohnraum. Je größer die Familie ist, desto größer sind die Einschränkungen und desto schwieriger ist die Suche. Natürlich gibt es eine Nachfrage nach großen Apartments, aber ironischerweise können sich solche Unterkünfte eher diejenigen leisten, die weniger oder keine Kinder haben.
Das Risiko einer Trennung der Eltern
Wieso darüber reden, wenn alles gut läuft? Weil es verdammt optimistisch ist, zu hoffen, dass man zusammenbleibt, bis die Kinder sämtliche Impfungen haben, über 18 sind und ihr eigenes Leben leben.
Die Chancen stehen nicht zugunsten von Paaren. Es gibt zu viele Faktoren, die einer Beziehung schaden können: Kinder, persönlicher Frust, Arbeit, Routine, zu bezahlende Rechnungen und so weiter. Wie der Grund auch lauten mag: Oft bleibt nur die Trennung.
Selbst wenn beide Partner es schaffen, ihre Impulse zu kontrollieren und für ihr eigenes Wohlbefinden zu sorgen, so ist niemand immun gegen die Umstände außerhalb unserer Kontrolle. Wird deine Frau dich für einen Kollegen verlassen? Wird eine chronische Krankheit oder ein frühzeitiger Tod zuschlagen? Starker Gegenwind kann das Boot der Beziehung schließlich zum Kentern bringen. Applaus für die Überlebenden, aber die Menschen müssen sich von Anfang an darüber im Klaren sein, dass die Chancen für Paare nicht gut stehen. Häufig wird der Geliebte von heute ( mit den Worten von Elliott Smith und Gotye) zu »jemandem, den ich mal kannte« von morgen.
Die Patchworkfamilie: einfacher für Kleinfamilien
Kleinkinder alleine zu erziehen ist schon an sich finanziell schwierig. Erstens musst du eine Wohnung finden, zweitens profitierst du nicht mehr von den Größenordnungsvorteilen, die Paare genießen, weil du eine Reihe fixer Kosten nun allein tragen musst.
Nachdem die Kernfamilie auseinanderfällt, lernt der Ex-Ehepartner manchmal jemanden in einer ähnlichen Situation kennen und versucht schließlich eine Verbindung in Form einer Patchworkfamilie einzugehen. Dabei gibt es eine Menge zu organisieren: Die Terminpläne der Kinder, Schulen, Sportvereine, Ferien und die Suche nach einem Haus, in dem alle genug Platz hätten. Es ist nicht einfach, dafür zu sorgen, dass das funktioniert, du solltest also darauf vorbereitet sein, zumindest eine Weile als alleinerziehender Elternteil überleben zu können.
Noch ein Kind?
Ich sage es ganz direkt: Diese Welt braucht nicht noch ein menschliches Wesen. Mit den Milliarden Menschen, die wir bereits haben, können einige Teile des Planeten definitiv eine Pause oder die Reduktion der Geburtenzahl gebrauchen.
Wozu also mehr als zwei Kinder in diese Welt setzen? Weil Familie etwas Wunderbares ist? Das stimmt ja auch – die Zusammengehörigkeit, die Familienfeiern, all diese Bilder einer Familienidylle.
Aber Großfamilien sind in der heutigen Welt nicht der Normalzustand; sie sind eine Gegenströmung aus einer Ära, die von größeren Risiken geprägt war. Wie sehr du dich auch um Einfachheit bemühst: mit zwei berufstätigen Elternteilen, zu bezahlenden Rechnungen, Hausarbeit, Badezeiten der Kinder, Mahlzeiten, Aktivitäten und so weiter ähnelt das Leben irgendwann einer langen Folge sich wiederholender Aufgaben, wie Sisyphus mit seinem Felsbrocken.
Die Anzahl unserer Kinder hängt von unserer Fähigkeit ab, Geld für deren Ausbildung beiseitezulegen, sie zu ernähren, mit ihnen in die Ferien zu fahren und so weiter. Jedes weitere Kind erschwert die Fähigkeit des Paares, allen anderen finanzielle Mittel zuzuteilen.
Natürlich gibt es in größeren Familien Größenordnungsvorteile. Aber obschon du ein Paar Hosen vom älteren Bruder an den jüngeren weiterreichen kannst, ist das doch mit einem Ausbildungsabschluss unmöglich. Die Liebe zu deinen Kindern mag grenzenlos sein, deine Ressourcen sind es jedoch nicht.
Aus einer bestimmten Perspektive kann man ein Kind als eine lange Liste von Rechnungen betrachten, die du 18 Jahre lang zahlen musst:
Bist du nach dem Lesen dieses Kapitels ein wenig sprachlos? Es ist schwierig, die Kosten für ein Kind genau abzuschätzen, weil es vollständig davon abhängt, was für ein Leben du ihm bieten möchtest. Stoffwindeln? Gebrauchte Kleidung? Privatschulen? Es lohnt sich der Gedanke im Vorfeld, was jede dieser Entscheidungen kosten wird.
Also – Kinder, brauchst du die wirklich? Du kennst dein Herz und dein Konto. Nein, es ist nicht nur eine Frage des Geldes, aber alles im Leben hat seinen Preis. Deshalb ist die Frage sinnvoll: »Ein Kind, zwei, drei, vier oder mehr – brauchst du die wirklich?«