GELD
BRAUCHST DU DAS WIRKLICH?
W enn man das Thema Finanzen unterrichtet, gibt es nichts Befremdlicheres, als jemanden sagen zu hören: »Geld ist mir egal.« Es ist, als wäre derjenige nachlässig und verschließe die Augen vor der Wahrheit, ganz davon zu schweigen, dass er so zu finanzieller Abhängigkeit verdammt ist. Menschen, die behaupten, Geld sei ihnen nicht wichtig, haben in der Regel kein Vermögen, geben alles aus, was sie haben und setzen auf gut Glück, um über die Runden zu kommen.
Dieselben Leute lieben in der Regel das Buch The Secret , das die Leser dazu ermutigt, ihre Träume durch Visionboards und Wunschdenken zu verwirklichen. Sie haben so sehr von der Großzügigkeit ihnen nahestehender Menschen profitiert (Eltern, Ehepartner etc.), dass sie sich nie Sorgen um ihre Zukunft machen mussten.
Niemand interessiert sich wirklich für Geld, aber viele Menschen beschweren sich, dass sie nicht genug davon hätten. Geld ist uns nicht wichtig, aber wir wollen dennoch mehr verdienen. Geld ist uns egal, vorausgesetzt, wir können die damit finanzierten Freuden genießen. Nein, Geld macht dich nicht glücklich. Bei Weitem nicht. Aber Armut eben auch nicht.
Was heißt es eigentlich, dass Geld einem wichtig ist? Abgesehen von Ebenezer Scrooge verfallen nur wenige ausgeglichene Menschen in Begeisterung, wenn sie es nur sehen, berühren oder zählen, vor allem im digitalen Zeitalter. Im Allgemeinen wird das »Geld wichtig nehmen« abwertend verwendet.
Aber viele Menschen genießen es aus diversen Gründen, ein Vermögen anzuhäufen, für ihre Bedürfnisse zu planen und Ausgaben zu managen. Möglicherweise fürchten sie sich vor finanzieller Unsicherheit. Oder sie wollen, dass es ihren Kindern einmal besser geht als ihnen. Luxus kann anziehend sein, auch wenn er ziemlich oberflächlich wirkt.
Was genau ist Geld eigentlich dem Wesen nach? Vielleicht ist sofort ein Bild vor deinem geistigen Auge aufgetaucht: Münzen oder – vorzugsweise – Scheine (lass uns wenigstens in unserer Fantasie ein bisschen ehrgeizig sein). Aber nein, das ist Geld nicht. Es ist vielmehr ein Handelsinstrument. Genauer gesagt: das Anerkennen einer Schuld.
Wenn du 1.000 Euro in deiner Brieftasche hast, erkennst du die an den Überbringer zu zahlende Schuld an. Wenn du zum Beispiel einem Händler 1.000 Euro zahlst, erkennt dieser an, dass er oder sie dir etwas schuldet, zahlbar in Waren oder Dienstleistungen. Geld anzunehmen bedeutet, die Schulden bei jemandem anzuerkennen, außer es handelt sich um Spenden für wohltätige Zwecke.
Bevor es Geld (oder seine Entsprechung) gab, mussten die Menschen Waren tauschen. Das Problem beim Tauschhandel besteht in seiner Struktur. Wie will man die unterschiedlichen Bedürfnisse zweier Menschen fair in eine Relation setzen? In einer organisierten, bevölkerungsreichen Gesellschaft, in der der physische Raum begrenzt ist, lässt sich das nur schwer organisieren.
Ein ausschließlich auf Tauschen basierendes System wäre das genaue Gegenteil von unserem. Arbeiter würden von weniger hart arbeitenden Menschen ausgenutzt werden. Wie will man gewährleisten, dass jeder seinen fairen Anteil zur Gemeinschaft beiträgt, wenn es ohne Konsequenzen für diejenigen bleibt, die das umgehen?
Eine andere Vorgehensweise ist die Selbstversorgung. Aber das wirft ein weiteres Problem auf: In einer so dermaßen dicht besiedelten Gesellschaft wie unserer kann nicht jeder sein Stück Land haben, das er bestellt. Die Suche nach Effizienz und Diversifizierung haben der Etablierung der modernen Gesellschaft geholfen. Diese Organisation sorgt dafür, dass Individuen sich auf einen bestimmten Bereich konzentrieren und Größenvorteile – also Kosteneinsparungen durch Menge – generieren. Geld erlaubt auch das Herausschieben einer Bedürfniserfüllung: Du kannst konsumieren, wann du es willst, denn Geld wird bekanntlich nicht schlecht. Statt das Feld zu bearbeiten und regelmäßig die Früchte zu ernten, kannst du am Montag in einem Büroturm arbeiten und das verdiente Geld drei Wochen später ausgeben; folglich den Austausch von Geld über die Zeit verschieben.
Geld: eine Tatsache im Lebe n
Geld gibt dir Flexibilität in der Gesellschaft. Kapitalismus ist ein unperfektes System, aber es legt die Regeln fest in dem von uns gespielten Spiel. Du kannst mit den Regeln übereinstimmen oder nicht, aber du bist nichtsdestotrotz Teil des Systems. Um in einer kapitalistischen Gesellschaft zu leben, musst du die Regeln des Geldes lernen. Genau das ist Geld: ein Werkzeug im Spiel des Lebens.
Okay, bereit, aus der Reihe zu tanzen? Mal sehen, wie autark du bist.
Und was ist das? Ein Foto von dir in Paris? Okay, Reisen nach Übersee gehören also zum Wesentlichen.
Mir gefällt, was du anhast. Wo hast du es gekauft?
Ich mag deine Wohnung. Ist bestimmt nicht preiswert hier.
Geld ist dir also immer noch egal?
Ach, du beziehst ein Gehalt? Nur um das Wesentliche abzudecken.
Jetzt habe ich es verstanden.
Du willst dieses Jahr ein neues Auto kaufen? Natürlich. Deines ist ja auch schon acht Jahre alt.
Ich weiß, ist nicht leicht hinzubekommen. Bei all dem Zeug, das man braucht.
Du willst, dass ich dir 500 Euro leihe? Wieso? Steckst du in finanziellen Schwierigkeiten?
Ah, verstehe. Geld ist dir nicht wichtig. Es ist also logisch, dass du so unorganisiert bist. Du hast recht – die Welt ist ungerecht, kapitalistisch und materialistisch. All diese Arbeitsjahre, und das ist alles, was du dafür bekommst, häh? Carpe diem! Lebe ruhig weiter von einem Gehalt zum nächsten.
Natürlich wird das Geld bei der Geburt nicht gleichmäßig verteilt. Blutsverwandtschaft bestimmt dein Ausgangsvermögen, so wie bei einem König und seiner Familie. Menschen reichen Vermögen an die nächste Generation weiter, wie wenig es auch sein mag. Erbe ist vermutlich das ökonomische Konzept, das die größte Verzerrung zwischen der finanziellen Situation einer Person und ihrem »Wert« erzeugt. Die Natur gibt uns ein bestimmtes Kapital und das Erbe ist eine weitere Diskriminierungsquelle.
In Anbetracht all dessen, kannst du da wirklich sagen: »Geld interessiert mich nicht«? Nein: Wir alle brauchen Geld für Miete, Kleidung, Essen, Reisen und was auch immer sonst. Geld ist ein Werkzeug zum Werttransfer, das es den Menschen ermöglicht, sich auf das eigentlich Gewollte zu konzentrieren, und das abzugeben, was sie nicht selbst tun wollen. Ich kann mich zum Beispiel zu Überstunden entscheiden, damit ich es mir leisten kann, dass mein Haus geputzt wird und ich es nicht selbst tun muss.
Mit Schicksalsschlägen umgehen können
Wenn du nicht zufällig eine Kristallkugel hast, kannst du nicht leben, als wäre morgen dein letzter Tag auf dieser Erde. Du kannst aber auch nicht so leben, als würdest du 115 Jahre alt werden. Aber zwischen diesen beiden Extremen liegt das Risiko, Pech zu haben, seine Autonomie zu verlieren, psychische Belastungen oder chronische Erkrankungen zu erleiden.
Unglück ereilt einen unvermittelt. Die Akzeptanz dessen fällt schwer. Deshalb hört man die Menschen auch Sätze sagen wie: »Ich genieße mein Leben lieber, solange ich kann und gebe alles jetzt aus.«
Dieses Argument mag in gewisser Hinsicht zutreffen, aber in anderer ist es sinnentleert. Solange du zur Arbeit fähig bist, kannst du Geld verdienen. Aber wenn dich ein großes Problem ereilt und du nicht länger unabhängig bist, brauchst du Ressourcen. Es ist mir ein Rätsel, wie man bereit dafür sein kann, 30 Jahre in Armut zu leben, weil man in jungen Jahren zu faul war.
Also, Geld, brauchst du das wirklich? In der westlichen Welt lautet die Antwort ja. Und wie viel du brauchst, hängt von zwei simplen Faktoren ab:
  1. der Einkommensspalte, die sowohl Aufwand als auch eine Steigerung des Einkommens beinhaltet, was jedoch nicht immer deiner Kontrolle unterliegt; und
  2. der Ausgabenspalte, die abhängig von deinem Lebensstil schwankt.
Kümmere dich um deine Finanzen
Dies ist das ultimative Ziel dieses Buchs. Ich versuche nicht, in all die technischen Aspekte der persönlichen Finanzen einzusteigen. Ich versuche dir zu zeigen, dass finanzielle Transaktionen zwar eine Tatsache des Lebens sind, wir jedoch das Konsumentendogma hinterfragen können. Ich plädiere hier keineswegs dafür, dass du wie ein Mönch leben sollst. Aber man muss entscheidende Budgetpunkte und wichtige finanzielle Gewohnheiten, die man als Erwachsener annehmen muss, überdenken.
Ohne viel Ahnung von Finanzen zu haben, kannst du Politiker, Arzt, Anwalt oder Zahnarzt werden. Geld und die Systeme, die es regieren, sind große Lücken in unserer Ausbildung. Verantwortungsbewusstes Geldausgeben und Finanzmanagement sind im Keller der Wissenshierarchie angesiedelt.
Dienstleistern und Verkäufern zu vertrauen, dass sie deine Bedürfnisse erkennen, ist so, als würdest du den großen bösen Wolf bitten, dich sicher durch den Wald zu führen, oder einen Kosmetikhersteller fragen, ob dir ein wenig Rouge stehen würde. Unternehmen nutzen unterschiedliche Strategien zur Beeinflussung dessen, was wir für unsere »Grundbedürfnisse« halten. Im Angesicht all dieser Einflüsse sind wir längst nicht so taff und pragmatisch, wie wir gerne denken.
Die wahre Frage, die du stellen musst, lautet nicht: »Brauche ich wirklich Geld?« oder »Wie viel Geld brauche ich?« Die wahre Frage lautet vielmehr: »Welches Geld gebe ich grundlos aus? Wie viel Zeit meines Lebens habe ich mit Arbeit verschwendet, um nutzloses Zeug bezahlen zu können?«
Wenn du in Bezug auf Arbeitsstunden oder nicht genommene Urlaubstage über deine Besitztümer nachdenkst, wirst du alles aus einer neuen, greifbaren Perspektive sehen. Was versäume ich, um mir diese Sache kaufen zu können? Nein, ich gehe nicht zwei Wochen arbeiten, nur um mir diesen Mantel leisten zu können. Und zwei Tage Arbeit, um abends zum Essen ausgehen zu können? Hmm, ich repariere lieber das, was ich habe, statt für ein neues Gerät Überstunden zu machen. Wenn sich für Geld interessieren bedeutet:
…, dann ist mir Geld wichtig.
Hey, ich nehme unbezahlten Urlaub, um einen kleinen Roadtrip zu machen. Kommst du mit? Wie jetzt, du kannst nicht mit, weil du pleite bist? Oh, sicher, Rechnungen bezahlen müssen …
Ist gar nicht so einfach, sich keine Gedanken über Geld zu machen, oder? Ich weiß, es ist irgendwie unhöflich und vulgär, über Geld zu reden … aber das musst du!