SCHULDEN
BRAUCHST DU DIE WIRKLICH?
I
ch muss etwas gestehen: Ich habe Schulden. Ich kann dich förmlich sagen hören: »Echt jetzt? Du?!«
Wieso? Hast du denn keine? Schulden sind nichts Schlimmes. Ein Zugang zu einem Kredit kann nützlich sein: Es ermöglicht dir, zu investieren und Liquidität zeitlich zu verschieben. Schulden lassen dich wirtschaftlich aktiv werden, und Sachen wie ein Haus, Land oder Firmenanteile erwerben.
Die Definition von »finanziell verantwortlich« lautet nicht, bar für ein Haus oder Firmenanteile zu bezahlen. Wenn du dich jedoch verschuldest, um ein neues Auto zu kaufen, neue Kleidung oder das neueste iPad, dann bist du auf dem Holzweg. Schulden können sinnvoll sein, insbesondere zum Vermögensaufbau. Das ist der richtige Weg. Das Problem ist also nicht das Wort
Schulden
, sondern vielmehr der Grund für diese Schulden.
Investitionsschulden
Wir wissen, dass wir nur zum Investieren Schulden machen sollten. Was ist also eine Investition? Etwas, das eine Rendite erbringt.
Wenn dein Freund dir erzählt, dass er in neue Ledersitze für seinen Honda Civic investiert hat, so ist das keine Investition. Es sei denn, sein maßgeschneiderter Honda Civic wird zum Museumsstück für zukünftige anthropologische Studien der menschlichen Spezies (aus der Ära der Intimduschen), wird er nie eine Wertsteigerung erfahren.
Ist ein Haus eine Investition? Das steht zur Debatte. Aber eines ist sicher: Ein Heim ist einer der wenigen Wege, um geborene Geldausgeber zum Sparen zu zwingen
.
Fremdkapitalaufnahme
Sich zu verschulden, um Fremdkapital aufzunehmen, ist eine gute Idee, falls – und nur dann – die Investitionsrendite höher ist als die Kosten der Schulden.
Wenn du zum Beispiel ein Mehrfamilienhaus mit fünf Wohnungen kaufst, das jährlich vier Prozent Rendite einbringt und du der Bank drei Prozent an Kreditzinsen zahlst, hast du einen positiven Fremdkapitaleffekt. Du machst Geld mit dem Geld anderer Leute.
Fremdkapitalaufnahme ist ein grundlegendes Finanzprinzip.
Wenn das so einfach ist, warum nimmt dann nicht jeder Fremdkapital auf? Wieso verschuldet sich nicht jeder, um eine Rendite zu generieren? Weil zur Investition auf Sachkenntnis gestützte Vermutungen nötig sind.
Für einen zu hohen Preis erworbene Anteile können in ein Fiasko führen (Nortel – klingelt da was bei dir?
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). Bevor du den Sprung wagst, muss deine Analyse nahelegen, dass die Rendite die Leihkosten übersteigt.
Falls du Anteile kaufst, kann die Rendite in Form von großen Kapitalgewinnen in fünf, sechs oder zehn Jahren eintreten. In der Zwischenzeit musst du die Schulden zurückzahlen (Kapital und Zinsen). Du verdienst nichts, während du die Schulden abzahlst, was bedeutet, dass sich nicht jeder diese Vorgehensweise leisten kann.
Wenn es um Immobilieninvestitionen geht, kann auf dem Papier alles viel besser aussehen, sich jedoch ändern, wenn die Investoren mit der harten Realität konfrontiert werden: steigende Zinsen, unpünktlich zahlende Mieter, oder gravierende bauliche Probleme und ein Prozess wegen verborgener Mängel, der an Gerichts- und Anwaltskosten teurer werden kann als das, was daran verdient wird. Es ist einfach, das kaputte Dach, das eigentlich erneuert werden muss, nicht einzubeziehen, ebenso wie alternde Ziegelfugen oder undichte Rohre. Und das ist erst der Anfang der Liste.
Immobilieninvestoren neigen im Grunde dazu, viel zu viel für Gebäude zu bezahlen, weil sie die notwendigen Renovierungsarbeiten unterschätzen. Nicht die Investition in Immobilien ist also das Problem, sondern der für das Gebäude gezahlte Preis.
Sich für Investitionen zu verschulden, gibt dir keine Lizenz zum Gelddrucken.
Du musst den bezahlten Preis einschätzen, die Kosten der Schulden und deine Fähigkeit, die Barauslagen
aufbringen zu können.
Auf Kredit kaufen?
Ohne allzu streng zu sein, kannst du dich in Bezug auf Schulden an eine persönliche Regel halten.
Wenn zum Beispiel dein Auto kurz vor der Abwrackprämie steht, du jedoch keine Zeit oder Gelegenheit hattest, das Geld für ein neues zusammenzubekommen: Verschuldest du dich dann für ein paar Monate, während du das zusätzliche Geld generierst, um den Wagen zu bezahlen? Wieso nicht?
Meine persönliche Regel sieht so aus: Wenn ich einen Gebrauchtwagen nicht innerhalb von zwölf Monaten nach Kaufdatum vollständig bezahlen kann, habe ich möglicherweise nicht das Geld für diesen Kauf.
Also entscheide ich mich für günstigere Optionen: ein preiswerteres Modell oder eine andere Möglichkeit, um das Problem zu lösen.
Du kannst dir einen gewissen finanziellen Spielraum gestatten, wenn es um einen Verbraucherkredit geht. Die Gefahr besteht darin, dass es zu einem automatischen Verhalten beim Geldausgeben wird: In dem Moment wirst du zum Sklaven deiner Zahlungen. Die Zwölf-Monats-Regel bietet ein bisschen Flexibilität.
Noch ein Beispiel: Im September erwartest du eine größere Zahlung, aber im Juni entsteht ein »Bedarf« aufgrund einer Kaufmöglichkeit. Wenn du das zu erwartende Einkommen mit den Ausgaben in Übereinstimmung bringen kannst, bewegst du dich innerhalb der Zwölf-Monats-Regel. Das ist kein allgemeines Gesetz, sondern eine persönliche Faustregel. Im Grunde akzeptiere ich manchmal die Notwendigkeit, für etwas zu bezahlen, bevor das entsprechende Einkommen da ist, aber nie länger als ein Jahr im Voraus.
Wenn ich Anzeigen für Sofas sehe, die man mit 19,95 Euro monatlich über zwei Jahre abzahlen kann, denke ich, dass ich mich eher auf ein gebrauchtes Sofa als auf diesen Handel einlassen würde. Das ist kein Hexenwerk: Verantwortungsbewusstes Geldausgeben bedeutet, dass du etwas nur dann neu kaufst, wenn du das Geld dafür im Vorfeld zusammengespart hast.
Wieso dich zum Sklaven von Bezahlungen machen? Wenn du vor der Ausgabe nicht sparen kannst, zeigt das nicht, dass du über deine Mittel lebst?
Mir ist klar, dass das belehrend klingt. Aber wenn du immer weiter zunimmst, kommst du irgendwann dahinter, dass du etwas tun musst, um wieder abzunehmen. Wieso lässt du also deine Schulden wachsen, bis du mit dem Rücken zur Wand stehst – anders ausgedrückt, die krankhafte Fettsucht der Schulden –, bevor du reagierst? Bei persönlichen Finanzen ist die Bankrotterklärung wie eine
Magenband-OP.
Das Ziel: positives Nettovermögen
Die Logik hinter Schulden ist simpel. Du musst dich fragen, ob mehr Schulden dein Reinvermögen letztlich vergrößern oder verringern. Ziel ist das Vermögenswachstum: Kapital minus Verbindlichkeiten. So lange du ein positives Nettovermögen hast, wirst du zurechtkommen.
Nehmen wir ein konkretes Beispiel. Du besitzt ein Haus im Wert von 300.000 Euro und eine Hypothek von 200.000 Euro. Dein positives Nettovermögen beträgt also 100.000 Euro. Im Fall eines Schicksalsschlags, der dazu führt, dass du deine Hypothekenraten nicht mehr zahlen kannst und dein Haus verkaufen musst, kannst du also etliche Zehntausende Euro für einen Neuanfang in der Tasche haben.
Das Problem ist das Umschulden. Viele Menschen zapfen das Kapital ihres Hauses an, um Schulden zu bezahlen. Das ist in Ordnung, wenn sie ihre Schulden konsolidieren, denn ein Haus bietet die preisgünstigsten langfristen Finanzierungskosten.
Aber wiederholtes Umschulden kann langfristig nicht aufrechterhalten werden; die Immobilie hat nicht zwangsläufig an Wert zugenommen, wenn du eine erneute Finanzspritze benötigst. Im besten Fall solltest du eine weitere Hypothek aufnehmen, um den Wert des Hauses zu erhalten oder zu verbessern, zum Beispiel durch einen Balkonbau oder größere Renovierungsarbeiten.
Der Realität von Schulden
Ich gebe dir einen kostenlosen Tipp: Du darfst dich NUR für Investitionen verschulden
. Wenn du folgende Frage mit nein beantwortest: »Könnte ich das auch bar bezahlen?«, musst du in den Gebrauchtwarenladen gehen, um das zu erwerben, was du dir ohne Finanzierung nicht leisten kannst.
Wenn ich Leute sagen höre: »Ja, aber eine Finanzierung mit 0,9 Prozent im Monat ist quasi kostenlos«, erwidere ich: »Das bedeutet lediglich, dass die Finanzierungskosten in den Preis eingeflossen sind.« Eine Rate von 0,9 Prozent im Monat ist lediglich ein Tätscheln des Kunden. Es ist so, als würdest du jemandem mit Übergewicht sagen: »Diese kleine schwarze Zahl verleiht dir eine schlanke Taille.« Ein Geschäft kann mit diesem Zinssatz nicht finanziert werden und warum sollte jemand freiwillig auf Rendite verzichten? Geschäfte sind keine Wohltätigkeitsorganisationen
!
Schulden und Beziehungen
Dieses Thema kann zu Hause hitzige Diskussionen entfachen. Disziplin ist toll, aber deiner besseren Hälfte widerstrebt möglicherweise die Vorstellung von verantwortungsbewusstem Umgang mit Geld.
Eines Tages schrieb mir eine Frau über ihre Verzweiflung, weil ihr Mann so viel Geld ausgäbe. Was tust du, wenn ein Partner für zwei spart, während der andere ein großes Schuldenloch gräbt? Wenn jedes vernünftige Gespräch zu strikten Weigerungen führt, verlässt du das sinkende Schiff oder beendest du deine Zeit als ertrinkender Kapitän im Ruderhaus?
Du könntest argumentieren, dass die Liebe über finanziellen Überlegungen steht. Das ist schön, aber wird das, was als für den Moment akzeptable Schulden angesehen wird, diese Liebe am Ende zerstören?
Die Pflege deiner Beziehung beginnt mit vernünftigem Management der gemeinsamen Finanzen. Das mag berechnend wirken, aber ein vernünftiges Management der Haushaltsschulden hat seine Vorteile.
Schulden: Brauchst du die wirklich? Zum Investieren ja, aber nicht zum Ausgeben. Möglicherweise sagst du: »Ja, aber jeder verschuldet sich für Ausgaben. Warum sollte ich das also nicht tun?« Muss ich diese Frage wirklich beantworten?