KINDERPARTYS
BRAUCHST DU DIE WIRKLICH?
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artin und Isabelle sind total gestresst. Planen sie ihre Hochzeit? Nein, heute ist der Geburtstag ihres Sohns Victor und sie erwarten 24 seiner Freunde – oder so.
Das Paar hat alles geplant: Hüpfburg angemietet, einen Zauberer für 13:00 Uhr bestellt, einen »Beutesack« für jeden Gast zum Mitnehmen vorbereitet, einen Trainer für das Fußballspiel am Nachmittag angeheuert. Sie sind also bereit!
Um 11:45 Uhr wird das Sushi geliefert und die Wassertemperatur im Pool beträgt 26 Grad Celsius. Der glutenfreie Kuchen wurde von einem vegetarischen Bäcker zubereitet, der nur Bio-Mehl verarbeitet. Victors Party muss perfekt werden, denn sein Freund Gabriel hatte Akrobaten und die Kinder waren begeistert.
Dieser fiktive Fall gibt einen Einblick in den Wahnsinn, den Hüpfburgen in Kindergeburtstage bringen. Noch schlimmer wird es, wenn dein Kind mit dem Kind eines reichen Unternehmers befreundet ist. Die Partyplaner reiben sich freudig die Hände.
Eines Tages richtete einer meiner Freunde aus einem Vorort von Montréal für seine Tochter und deren Freundinnen eine Party aus. Beim Abholen fragte die Mutter eines Mädchens meinen Freund: »Meine Tochter hat großen Spaß gehabt. Was habt ihr gemacht?«
»Wir haben Verstecken gespielt«, antwortete er.
Mein Freund hatte sich selbst um die Kinder gekümmert: keine Hüpfburg, kein Zauberer, kein Showmaster. Er hat die Kinder selbst bespaßt – anscheinend inzwischen unüblich.
Welche größere Freude gibt es für Kinder, als für sie da zu sein und sich für sie zu interessieren? Ich kann mich nicht erinnern, bei irgendetwas mehr Spaß gehabt zu haben, als mit meinem Vater zu spielen oder wenn er zu einem meiner Fußballspiele mitkam.
Geburtstagspartys von Kindern, Partys von Erwachsenen, Empfänge und andere Gelegenheiten erzeugen ein (falsches) Gefühl von Stolz,
dass wir nämlich unseren Gästen mehr geben, wenn wir es in Wahrheit übertreiben. Schon beginnen die Vergleiche: Wenn die Nachbarn Foie Gras servieren, kannst du sie nicht zu Hot Dogs einladen.
Unser Freund hat letztes Mal eine Flasche Wein für 30 Euro mitgebracht, also können wir ihm keinen Wein für 18 Euro die Flasche anbieten. All das dient dazu, eine Blase der gesteigerten Geldausgabe, der Mengen und Bedürfnisse zu erzeugen, und wir bleiben stecken in einem Kreislauf unperfekten Relativismus.
Von Partyplanern organisierte Kindergeburtstage: Brauchst du das wirklich? Nein. Du brauchst lediglich ein bisschen Zeit und die ist kostbar. Du kannst sie nicht akkumulieren oder eine Rendite in Minuten daraus generieren. Sie ist begrenzt, endlich. Ist deine Zeit nicht das größtmögliche Geschenk? Davon abgesehen: Wenn du Hunderte von Euro in die Geburtstagsparty deines Kindes steckst, aber nicht für seine Ausbildung sparst, hast du das Ziel verfehlt.