KOCHEN
MUSST DU DAS WIRKLICH?
A
n der beschlagenden Scheibe eines Restaurants klebt ein verblichener Sticker mit dem Slogan: »Na los, meine kleinen Schweinchen, macht euch keine Mühe, Gemüse klein zu schneiden oder durch die Suppe zu rühren. Esst einfach nur. Es ist so einfach. Esst, was ihr wollt, bis eure Geschmacksknospen ausgelaugt sind.«
Tausende Jahre haben wir uns selbst Mahlzeiten zubereitet, um an einem Ort zu enden, an dem die Menschlichkeit kulinarisch gesprochen eher passiv ist. Wie hoch aber ist der Preis des Einfach-nur-Essens? Zu hoch. Ganz zu schweigen von der mangelnden Kontrolle über das, was wir auf dem Teller haben.
Nicht zu kochen, bringt dich ins Armenhaus. Du musst dich fragen, was du mit den fehlzugeteilten Geldmitteln hättest tun können. Bei mir steht von allen kürzungsreifen Punkten des monatlichen Budgets das Auswärtsessen an erster Stelle.
Die Sache ist nur, dass Menschen vom Wesen her gesellig sind – wir treffen gerne andere Menschen in Cafés, genießen einen Tapetenwechsel oder die Entspannung bei der Hintergrundmusik. Es hat seinen Reiz, auswärts und nicht zu Hause zu sein.
Als ich in einem dunklen, wenig einladenden Apartment lebte, entfloh ich ihm ständig. Ich sagte mir, sobald ich ein hübsches Zuhause hätte, würde ich mehr Zeit daheim verbringen. Das war Wunschdenken. Das Alltagsleben zu Hause kann sich vor allem für jemanden im andauernden Homeoffice wie ein Gefängnis anfühlen.
Restaurants
Wenn du ausgehst, musst du viel ausgeben, um gut zu essen. Restaurantbesitzer brauchen eine ausreichende Gewinnspanne, um die Ladenmiete, das Personal, die Steuern, den Strom, die Heizung, Versicherung, Lebensmittel, Reinigung et cetera abzudecken. Außerdem müssen sie sich
selbst ausreichend für die aufgewendeten Stunden entlohnen. Wenn du zu Hause kochst, neutralisierst du einen Großteil der Kosten.
Die mit dem Kochen zu Hause verbundenen Realkosten beinhalten die Lebensmittel, die verbrauchte Energie und deine Zeit (die du mit Geldverdienen hättest verbringen können).
Du musst dir das Auswärtsessen nicht völlig verbieten, aber es ist eine gute Idee, dessen Menge zu beschränken. Du musst bei all dem die Kosten des beauftragten Kochens und den Preis des Vergnügens berücksichtigen.
Aber sei versichert, dass Restaurants aus rein finanzieller Sicht eine schlechte Wahl sind. Speisende generieren für den Restaurantbesitzer einen Bruttoverdienst. Sie zahlen mehr als den Preis des Essens, sie zahlen auch für den Wagen und die Eigentumswohnung des Restaurantbesitzers.
Wenn wir ehrlich zu uns selbst sind, ist das Essen in Restaurants nicht immer gut, es ist teuer, und, langfristig betrachtet, hat es auch einen gesundheitlichen Preis – sowohl für den Einzelnen als auch das Gesundheitssystem. Außerdem erzeugt es einen unfairen Wettbewerb zu dem daheim zubereiteten Essen, wo wir nicht so viel mit Zucker, Salz, Glutamat und anderen fragwürdigen Sachen schummeln. Deren Mahlzeiten mögen leckerer wirken, aber die Geschmacksknospen täuschen dich oft.
Cafés
Mit 18 traf ich in Montréal ein, um in eine WG zu ziehen, die zwar sauber war, aber in einer langweiligen Gegend lag: Parc-Extension.
Da ich mein Geld gut einteilen musste, hatte ich nicht die Option, mir Cafés zu suchen. Das Studienjahr beschränkte sich auf Vorlesungen, Lerneinheiten und Arbeit. Wir lebten zu dritt in einem Apartment mit zwei Schlafzimmern. Eine Faltschiebetür teilte das Wohnzimmer in der Hälfte, um ein drittes Schlafzimmer mit einem Einzelbett zu schaffen.
Wenn ich meine Situation heute mit früher vergleiche, bin ich immer wieder erstaunt darüber, dass sich Studenten über ihre Situation beklagen, während sie die Starbucks & Co. dieser Welt in Beschlag nehmen. Mir ist klar, dass ich hier vereinfache. Ich würde auch nicht behaupten wollen, sie lebten #thegoodlife, aber sie teilen ihre Ressourcen auch nicht bestmöglich zu.
Wenn du an einem freien Tag in ein Café gehst, hast du dich da je gefragt, was all diese Menschen dort eigentlich tun? Offenbar bist du nicht die einzige Person mit einem freien Tag
.
Um die Umgebung aufzunehmen, schreibe ich das hier in einem Café. Neben mir versucht eine Studentin zu lernen. Leider verbringt sie jede zweite Minute auf Social Media. Seit sie hier ist, hat sie ein Panini mit Salat und zwei Tassen Kaffee bestellt. Da ein Kaffee hier zwischen 2 und 5,45 Dollar kostet, ihr Essen 10 Dollar, plus Steuern und meinetwegen auch das niedrigste Trinkgeld, kostet sie ihr Aufenthalt hier mehr als 20 Dollar.
Zu Hause hätte sie die gleiche Mahlzeit für fünf Dollar oder weniger haben können. Diese 15 Dollar Unterschied sind nicht zu verachten. Vor allem, da es eine Nach-Steuer-Ausgabe ist. Studenten mögen zwar wenig Steuern zahlen, aber ihre finanziellen Mittel sind begrenzt.
Schlussfolgerung: Je stabiler deine finanzielle Situation ist, desto höher sind die Kosten, das Kochen zu delegieren; Essen wird mit deinem Nettoverdienst bezahlt. Aber je höher dein Einkommen ist, desto mehr frei verfügbare Mittel stehen dir für den Luxus des Delegierens zur Verfügung.
Drive-ins
Hast du je die Schlange der Autos am örtlichen Fast-Food-Imbiss gesehen, deren Insassen sich schnell einen Kaffee holen wollen? Vielleicht stehst du selbst in der Schlange? Diese Fahrer behaupten, sie hätten zu wenig Zeit, um sich zu Hause einen Kaffee zu kochen.
Ehrlich gesagt ist es die vermutlich einfachste Gewohnheit, sich Kaffee in eine Thermoskanne zu füllen. Ich habe nie verstanden, wie sich Autofahrer über die Benzinpreise aufregen können, aber ihre Bremsen verschleißen, während sie im Drive-in warten. Wenn der Benzinpreis um 10 Cent den Liter steigt, erzeugt das eine öffentliche Debatte. Für einen 50-Liter-Tank bedeutet diese Erhöhung weniger als einen Euro pro Tag. Daheim frühstücken oder dort Kaffee aufbrühen, könnte dies ausgleichen. Der Profit der Ölraffinerien ist eine Beleidigung unserer kollektiven Intelligenz, aber der Profit der Kaffeehändler ist das Ergebnis von geliefertem High-Quality-Service (#Sarkasmus).
Full-Service-Restaurants
Restaurants kosten von Anfang an 30 Prozent zu viel – selbst ohne Berücksichtigung des Bruttoertrags des Inhabers. Mit einer Gesamtsteuerbelastung
zwischen 5 und 15 Prozent sowie einem anständigen Trinkgeld von 15 Prozent wissen die Kunden, dass sie bis zu 30 Prozent zu viel für ihr Essen bezahlen, sobald sie einen Fuß in das Restaurant setzen.
In einem Spitzenrestaurant musst du eine höhere Gewinnspanne je Gedeck kalkulieren. Mit Einnahmen, die hauptsächlich von Donnerstag- bis Samstagabend getätigt werden, braucht man eine große Gewinnspanne, um kostendeckend zu arbeiten und noch etwas zu verdienen. Ein Teller Pasta mit Tomaten-Sahne-Soße, der vor Steuern 15 Euro kostet, kann zu Hause für nur 3 Euro selbst gekocht werden. Je mehr sich das Restaurant auf Menge stützt, desto geringer ist die Gewinnspanne je Teller; je mehr das Restaurant sich auf Differenzierung stützt (schicke Einrichtung, Platz zwischen den Tischen, raffinierte Gerichte und so weiter), desto höher ist die Gewinnspanne je Gedeck.
Wie hoch wären die Kosten für ein Dinner für 150 Euro im Restaurant, wenn man es zu Hause zubereiten würde? Vorsichtig geschätzt etwa die Hälfte. Und das ist nur eine von vielen Mahlzeiten.
Kochsendungen im Fernsehen, Küchenrenovierungen sowie Wettkämpfe zwischen Profiköchen und Amateuren sind beliebter denn je. Dabei haben wir vermutlich noch nie so wenig gekocht wie heute, während die Zahl der Restaurants wächst.
Es amüsiert mich, wenn Lieferanten mit Essen an Türen von Häusern klingeln, in die Küchen zu 50.000 Euro und mehr eingebaut wurden. Meinem Großvater Anatole würden die Haare zu Berge stehen. An Freitagabenden ging er zum Lebensmittelladen und kaufte die reduzierten Waren, bei denen das Haltbarkeitsdatum bald ablaufen würde.
Food-Courts
Die Food-Courts
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von früher haben sich deutlich verändert. In Einkaufszentren breiten sich die Fast-Food-Ketten aus. Diese Art von Restaurant löscht für gewöhnlich den Nährwert der zu uns genommenen Lebensmittel aus, stattdessen haben sie Salz, Zucker, Fett und Stärke im Angebot.
In Food-Courts sieht es so aus, als gäbe es einen Wettbewerb, aber tatsächlich gehören viele der Franchise-Banner zur selben Gruppe. Nehmen wir mal die MTY Group, die an der Toronto Stock Exchange
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gelistet ist. Dabei handelt es sich um das Mutterschiff wohlbekannter Marken, wie Cultures, KimChi, Thai Express, Tandori, Muffin Plus, Tiki-Ming, Mucho Burrito,
Vie & Nam, Café Dépôt, Sushi Shop, Franx Supreme, Valentine, Tutti Frutti und Madisons. Anders ausgedrückt ist oftmals alles, was in einem Food-Court angeboten wird, vom Anbieter ein- und derselben Gruppe.
Wenn du im Food-Court 10 Euro für ein Essen bezahlst, bekommen das Einkaufszentrum, der Franchisenehmer und der Franchisegeber ihren Anteil. Von daher ist es ökonomisch unrealistisch, zu glauben, dass das Essen vor dir irgendeinen Nährwert hat. Bei 10 Euro bekommst du das, wofür du bezahlst, also fast nichts.
Als ich 1996 bei McDonald’s arbeitete, erzählte mir der Inhaber, dass der Becher fast genauso viel kostet wie die darin enthaltene Flüssigkeit: ein paar Cents. Deshalb konnte er sich das kostenloses Nachfüllen leisten.
Die Idee der Fast-Food-Menüs ist eine ungewöhnliche Marketingstrategie. Wenn du nur ein Sandwich kaufst, kostet es praktisch so viel wie ein Menü. Für einen kleinen Aufpreis bekommst du zu deinem Sandwich den Becher mit »flüssigem Zucker« und die »kartoffelfreien Pommes«. Aber dieser kleine Aufpreis summiert sich für den Händler, wenn er bei jeder Bestellung dazukommt.
Mit oder ohne Steuern?
Verkaufssteuern sind ein spezieller Bereich der Steuern. Es ist ein komplexes Thema mit vielen Ausnahmen. Aber als Konsument ist es gut, eine andere Perspektive auf den Konsum zu haben. So gibt es einen ermäßigten Steuersatz bei Grundnahrungsmitteln.
Wenn diese Nahrungsmittel jedoch für den Verzehr erhitzt werden, sind sie rein technisch gesehen steuerpflichtig. Wenn sie dagegen verpackt sind und in den Gefrierschrank kommen, sind sie nicht steuerpflichtig, weil man sie zu Hause aufwärmen muss (das Steuerwesen kann ziemlich undurchsichtig sein).
Wenn man in Kanada einen Karton Milch im Laden an der Ecke kauft, ist dieser nicht steuerpflichtig, wenn man ihn jedoch am Verkaufsautomaten zieht, möglicherweise schon. Wenn man eine einzelne Pastete kauft, gibt es Verkaufssteuer, wenn man jedoch sechs kauft, dann ist das eine andere Geschichte und sie sind nicht steuerpflichtig. Sie schmecken alle gleich, aber die Größe der Packung beeinflusst
den Preis.
Wenn du also zum Bäcker gehst, ist es folglich besser, sechs statt fünf Croissants zu kaufen. Aber wer interessiert sich wirklich für die Verkaufssteuer, die in seiner Erwerbung enthalten ist? Niemand.
Mengen
Um Profit zu machen, häufen die Köche in Restaurants gern Stärke auf die Teller. Das ist billiger. Zu Hause würdest du vermutlich weniger essen. In Restaurants achtest du nicht so darauf, dass du von den teureren Lebensmitteln weniger auf deinem Teller hast.
Wenn du zum Beispiel bei Sushi das Protein vom Rest trennen würdest, fiele dir auf, dass sich auf deinem Teller mit fünf Sushis, die dich 7 Euro kosten, nur eine geringe Menge davon befindet. Wichtig ist dabei auch der Gedanke, dass du zu Hause von den Vorteilen der Größenordnung profitierst: Du kannst vier Portionen zubereiten, isst aber nur eine sofort. Du servierst vernünftigere Portionen und fühlst dich nicht schlecht, wenn du die Reste in den Kühlschrank stellst, um sie während deiner nächsten Mahlzeiten zu essen.
Zeit
Für die meisten Mahlzeiten erfordert das Kochen gar nicht so viel Zeit, jedoch ein bisschen Planung. Das ist der Punkt, an dem oft alles scheitert. Wegen unserer vollen Zeitpläne vernachlässigen wir die Planung. Und dann sind wir plötzlich hungrig und wissen nicht, was wir uns kochen sollen. Und schwupps greifen wir zum Telefon und bestellen Brathähnchen, Pommes frites, braune Soße und Krautsalat beim Lieferservice. Wir geben Trinkgeld für ein Essen, das matschig ist vom Kondenswasser und dem Temperaturschock. Nach dem Essen fühlen wir uns vollgestopft, sagen uns, dass wir unsere Gewohnheiten ändern müssen – bis zum nächsten Mal.
Kochen ist die Beschäftigung, die wir als Letztes an andere vergeben sollten. Ich betrachte es als meine Achillesverse. Es ist der Bereich, in dem ich mehr tun sollte, um auf meine Worte Taten folgen zu lassen.
GRATISTIPPS!
Veranstalte Tomatensoße-Partys! Keine Zeit zum Kochen? Es macht dir keinen Spaß? Das ist verständlich, aber mit Wein und ein paar Freunden kann es wirklich Spaß machen. Bereite an einem Samstag zusammen mit ein paar Freunden Soße zu und esst sie dann gemeinsam mit Nudeln. Anschließend kann jeder etwas von den Resten mit nach Hause nehmen und in den Kühlschrank stellen oder einfrieren.
Es ist wichtig, Gemüse zu essen, aber das kann teuer sein. Achte auf Sonderangebote bei Tiefkühlprodukten und auf die Auszeichnungen. Je nach Jahreszeit können die lokal geernteten Sorten günstiger sein als die importierten. Spare Geld und rette den Planeten!
Für dich selbst zu kochen, setzt die Kontrolle von Timing, Menge, Qualität, Nährwert des Essens voraus. Also, wirtschaftlich gesehen brauchst du es wirklich. Jetzt musst du nur noch entscheiden, wer den Abwasch macht …