EINE KRAWATTE
BRAUCHST DU DIE WIRKLICH?
J
emand muss es ja sagen: Krawatten sind albern. Ob du nun 10, 40, 80 oder 120 Dollar für eine zahlst, ihre Rolle ist bestenfalls dubios. Krawatten werden aus Konformismus getragen oder damit man »professionell« aussieht.
In Wahrheit sind Krawatten nur hängende Stoffstücke. Ein Pfeil, der auf das Zentrum des männlichen Universums deutet: seinen Penis. Aber für sein kostbarstes Kapital, seinen Kopf, sind sie äußerst unbequem. Wie die weiße Halsbinde des Anwalts gehören sie zu einem Dresscode, der vor langer Zeit eingeführt und aus Konvention fortgesetzt wurde. Wir müssen es endlich von den Dächern rufen: »Genug ist genug!«
Als ich eines Tages den Stapel Stoffpfeile sah, der auf meine Hosen zeigte und im Schrank verstaubte, schnappte ich mir die meisten der über Jahre gesammelten Exemplare und spendete sie der Heilsarmee.
Natürlich sind Männer bereit, Krawatten zu bestimmten gesellschaftlichen Anlässen wie Hochzeiten, Unternehmensveranstaltungen und Preisverleihungen zu tragen. Aber selbst dann tun wir es nur widerstrebend. Mal ehrlich, wer läuft schon gern mit einer Schlinge um den Hals herum?
Sei es ein einfacher, ein doppelter oder ein Windsor – Knoten bleibt Knoten. Jedem, der das hinbekommt, sollte ein Pfadfinderabzeichen verliehen werden.
Sind Krawatten notwendig?
Krawatten sind wie ein String in der Hinternritze: Sie mögen gut aussehen, sind aber unbequem.
(Ich stelle nur eine Hypothese auf, um einen Vergleich zu haben. Um das zu bestätigen, müsste ich eine Umfrage bei Frauen durchführen.) Der Beweis besteht darin, dass Krawatte tragende Männer sie bei der erstbesten Gelegenheit lockern oder ausziehen. Sie schnürt die Luft ab, erdrückt einen, erschwert das Atmen. Der Hemdkragen schreit nach Luft und der obere Knopf sagt: »Willst du mich wirklich zu machen?
«
Krawatten sind Korsetts für Männer.
Aber sie verbessern in keiner Weise die Figur eines Mannes. Tatsächlich kann dieser geschlossene obere Knopf die überschüssige Haut aus dem Kragen quillen lassen.
Als ich bei McDonald’s gearbeitet habe, mussten die Köche ihre Krawatten ständig aus dem Weg schaffen, indem sie sie über die Schulter warfen. Es ist in Ordnung, professionell wirken zu wollen, aber wenn deine Krawatte dauernd im Senf und Hamburgerfett hängt, ist das nicht nur unhygienisch, sondern einfach ekelhaft.
Krawatten wurden eindeutig für den antiseptischen Arbeitsplatz geschaffen. Wenn sich deine Krawatte in einem laufenden Motor verfängt, ist die Strangulation garantiert. Eine Krawatte um deinen Hals schreit deinem Angreifer zu: »Nun, mach schon, erdrossle mich!« Wie das Kopfüberhängen ist eine Krawatte praktisch ein Zeichen der Knechtschaft des durchschnittlichen Arbeiters. Es ist eine Metapher für die Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehung, bei der der Mächtigere der beiden sagt: »Ich habe dich an der Kehle.«
Eine kurze Geschichte der Mode
Modezyklen führen Krawatten endgültig ad absurdum. Sobald du eine Auswahl breiter Krawatten hast, kommen die schmalen wieder in Mode. Wenn du schmale hast, erleben die mittelbreiten ein Comeback. Kräftige Farben? Im darauffolgenden Jahr sind es Pastelltöne und Grau.
In dem einen Jahr sind Kontraste angesagt, im nächsten muss alles Ton in Ton sein. Nach ein paar Jahren findet sich der Berufstätige, der etwas auf sich hält, mit einer Sammlung von Stoffstücken wieder, die alle nur eines gemeinsam haben: Sie sind völlig nutzlos, auch wenn ein paar Stücke in dieser Sammlung jeden Modegeck neidisch machen würden.
Ständig deine Krawattenauswahl zu aktualisieren ist so, als würde man den Kamin mit 100-Euro-Scheinen anzünden: Es ist eine unkluge Investition. Ein unterschätzter Aspekt der Krawatte ist ihre Diskriminierung. Ohne dass sie es wissen, leiden Männer mit kurzen Hälsen unter dem von der Krawatte erzeugten Erscheinungsbild: Als hätte ihnen jemand mit einem Holzhammer auf den Kopf geschlagen, wie in einem Schlag-den-Maulwurf-Spiel. Wieso befreien wir sie nicht von ihrer Erstickungsgefahr? Warum lassen wir ihre Hälse nicht die Sonne sehen
?
Manche werden nun sagen: »Ja, aber es ist wie Schmuck. Es verbessert dein Erscheinungsbild.« Obwohl aber die Krawatte eine akzeptierte Konvention ist, hinkt der Vergleich, da eine schöne Kette nicht das Wohlbefinden des Halses beeinträchtigt.
Ich würde gern wissen, was wir durch das Krawattetragen gewinnen. Als die legere Berufskleidung aufkam, flogen die Krawatten aus dem Fenster. Wir müssen dem Unbequemen im Namen der Produktivität den Kampf ansagen.
Ich möchte das Recht einfordern, ohne Krawatte professionell auszusehen. Ich möchte frei sein von diesem geknoteten Unsinn. Ich möchte das Recht einfordern, kein Krawattenbudget zu brauchen.
Meine Herren, was wäre, wenn wir alle unisono fragen würden: »Krawatten: Brauchen wir die wirklich?« Befreien wir uns von der Krawatte! Warum nicht ein ganzes Jahr ohne Krawatte verbringen und das dadurch gesparte Geld für etwas anderes ausgeben? Denn 200 Euro für Vergnügen schlägt 200 Euro für Strangulation.