SICH AUF DAS SCHEITERN VORBEREITEN
MUSST DU DAS WIRKLICH?
V iele Menschen bauen ihre persönliche Finanzplanung auf einer falschen Prämisse auf: dass immer alles gut laufen wird. Natürlich muss man mit einer positiven Haltung an das Leben herangehen. Und möglicherweise hast du auch Glück. Aber der Kopf ist ein seltsames Wesen: Er kann uns nämlich in unglaubliche Abenteuer führen oder vom Weg abkommen lassen.
Wenn es um persönliche Finanzen geht, musst du dich auf ein Scheitern vorbereiten. Worin scheitern? Das ist die Frage. Scheitern ist persönlich und kommt unterschiedlich intensiv daher. Für manche Menschen wird das Leben einen düsteren Weg einschlagen. Das ist kein Zynismus, sondern reine Statistik.
Heute Entscheidungen für morgen treffen
In unserer Gesellschaft müssen wir langfristige Entscheidungen basierend auf heutigen Informationen treffen. Der Durchschnittsarbeiter schaut auf das Guthaben seines Kontos und gibt entsprechend Geld aus. Er nimmt eine Hypothek auf, zieht in ein Haus und zahlt seine Rechnungen. Solange jeden Monat alles ausgeglichen ist, lächelt er mit der im Sonderangebot gekauften Dose Bier in der Hand.
Dann verändert sich das Leben. Schnell, plötzlich und ohne Vorwarnung.
Unsere Chancen, es im Leben zu vermasseln, sind sowohl hoch als auch unvorhersehbar. Es braucht Jahre, um ein wohlschmeckendes Leben zusammenzubrauen, aber nur einen Moment, um es zu versalzen. Finanziell brauchst du einen gewissen Spielraum, um mit unerwartetem Scheitern umgehen zu können, das direkt hinter der nächsten Ecke lauert.
Innerlich weinen
Jeden Tag kommst du auf der Straße an weinenden Menschen vorbei. Du siehst ihre Tränen nicht, weil sie innerlich weinen. Selbst wenn sie ein Lächeln als Maske tragen, herrscht in ihrem Kopf kein Frieden. Zu viel Schmerz, eine ruinierte Zukunft, eine zu schwere Last, um sie zu tragen, sodass sie gleich nach dem Aufwachen von düsteren Gedanken heimgesucht werden.
Die Menschen um sie herum lächeln zu sehen, vertieft nur ihre Traurigkeit: Die Kluft zwischen dem Glück anderer Menschen und ihrer eigenen Situation ist zu groß. Manchmal betrachten sie einen Balken in ihrem Wohnzimmer und denken, dass ein Strick ihrem Unglück ein Ende setzen würde.
Es gibt Scheitern, von dem man sich nie wieder erholt – es ist so schmerzhaft, dass man es nicht erträgt, sich dem zu stellen. Ein Scheitern, das das tägliche Leben mit der damit verbundenen Schuld absterben lässt.
Schuld ist wie Rost. Anfangs ist es nur ein Fleck. Langsam breitet er sich überall aus, über den Körper, dann die Maschine (der Kopf) und unterbricht die Funktionsfähigkeit. Die Maschine bricht zusammen und kann die alltäglichen Aufgaben nicht mehr durchführen. Alles wird zu einem Berg, den man besteigen muss, und die Moral ist auf dem Tiefpunkt.
Wenn diese Situationen eintreten, ist der Mangel an finanziellen Ressourcen eine Falle, die direkt in den Abgrund führen kann. Du musst dich mit Versicherungen, mit finanziellem Spielraum vor den Problemen des Lebens schützen (siehe »Finanzieller Spielraum« auf S. 9 ) oder ein beträchtliches Kapital haben. Das ermöglicht es dir vielleicht, aus deiner Klemme herauszukommen, statt darin festzustecken.
Was wäre, wenn …
… diese Situation anders verlaufen wäre? Was wäre als Nächstes passiert? Wenn ich mich in dem Moment für die andere Alternative entschieden hätte, das andere ausgesucht hätte?
Wenn du darüber nachdenkst:
80 Jahre Leben sind …
29.220 Tage …
701.280 Stunden …
42.076.800 Minuten …
2.524.608.000 Sekunden.
Es braucht nicht mehr als den Bruchteil einer Sekunde, um den Gang des Lebens zu verändern. Wenn das darauffolgende positiv ist, denkst du nicht weiter darüber nach. Wenn jedoch ein negatives Ereignis dein zukünftiges Glück gefährdet, kann der Verstand das manchmal nicht verkraften. Die Menschen werden dir sagen, dass du dich nur damit arrangieren musst. Sie drängen dich, die dunklere Seite zu akzeptieren, auch wenn du weißt, dass diese Chance eine Reihe von nur teilweise kontrollierbaren Faktoren ist .
Andere werden dir sagen, dass es nur an den Umständen lag. Wenn du darüber nachdenkst, ist schwer zu begreifen, wie wir unbeschadet daraus hervorkommen können. Wir begegnen so vielen Hindernissen auf dem Weg, und es ist wahrscheinlich, dass eines davon unüberwindbar wird.
Die ganze Arbeit, um etwas aufzubauen – für nichts. Die ganze Zeit des Grübelns über morgen, nur um am Ende so zu leben, als wäre immer noch gestern. Das ist die Ironie unseres Lebens, getüpfelt mit falschen Erfolgen und echtem Scheitern (oder echten Erfolgen und falschem Scheitern). Es ist alles eine Frage der Wahrnehmung.
Trotz allem gibt es diesen Moment, diesen Einschub, dieses Komma in unserer Existenz; kombiniert mit Sekunden wird es zu dem schicksalhaften Moment, der den Ton für alles danach bestimmt.
Am Boden sein
In der Nähe meines Hauses gibt es ein Gebäude, das von einer Organisation gemanagt wird, die Menschen hilft, die vom Leben niedergeschlagen wurden und die seitdem nie wieder auf die Beine gekommen sind. Diese Menschen leben von Sozialhilfe und zahlen eine verringerte Miete. Bevor das Leben ihnen einen Schlag versetzte, wohnten sie woanders.
Manchmal denke ich über die Umstände nach, die sie an die Belastungsgrenze brachten. Ich frage mich, ob ich diese Art von Scheitern überleben würde. Könnte ich finanziell nach ein oder zwei Jahren des Scheiterns wieder auf die Beine kommen? Wie sieht mein Finanzplan aus, falls der Schiedsrichter sich zu meinem Rauswurf entscheidet?
Du musst in der Lage sein, diese Fragen zu beantworten. Sei es eine Berufsunfähigkeitsversicherung oder der Verkauf von Eigentum – du brauchst unbedingt eine finanzielle Krücke, um wieder auf die Beine zu kommen.
Trauer: ein täglicher Impfstoff
Trauer ist wie ein Impfstoff: Wir wenden ihn in kleinen Dosen an, bis wir schließlich die ultimative Trauer erleben – und unser eigenes Leben betrauern. Diese Momente des Lebens gehen ziemlich der Reihe nach vorbei: Trauer in der Kindheit, Unschuld, Schule, sorgenfreies Leben, erste Liebe, Familienleben, aktives Leben, die Palette an Möglichkeiten, neue Erfahrungen, Reisen, Gesundheit, dein Verstand, dann dein ganzes Leben. Wenn du plötzlich mit Unglück konfrontiert wirst, musst du bestimmte Sachen betrauern: Perfektion und das Leben, wie du es gekannt hat.
Scheitern und Trauern sind eng miteinander verbunden: Du kannst das eine nicht ohne das andere haben. Die Gesellschaft bereitet dich nicht auf dein Unglück vor, sie treibt die Menschen zum Erfolg an. Wenn also etwas Tragisches passiert, besitzt du nicht immer die Stärke, um damit umzugehen. Du musst dich vor dem Tag schützen, an dem die Eiche dem Sturm nicht länger standhalten kann. Vor dem Tag, an dem dich jemand weinend in Embryohaltung auf dem Boden deiner Dusche findet.
Niemand ist immun gegen Depressionen oder einen sinnlosen Unfall. Musst du dich wirklich aufs Scheitern vorbereiten? Das lässt sich schwer verallgemeinern, weil du möglicherweise keine Kontrolle über deine Reaktion haben wirst.