Camila saß auf dem Boden und schälte auf dem Mahlstein ein Agavenherz, als sie ein Paar spitze Stiefel vor sich sah. Seit Monaten – vielleicht waren es Monate, in Wirklichkeit hatte sie keine klare Vorstellung, wie lange sie schon in der Indianersiedlung lebte – hatte sie keine anderen Schuhe mehr zu Gesicht bekommen als Mokassins. Sie sah die Stiefel im Gegenlicht, da sich der Himmel bereits blutig verfärbte und die Sonne jeden Moment hinter den Mogollones aufgehen würde. Das Schweigen der anderen Frauen, die ebenfalls eifrig damit beschäftigt waren, Nahrungsvorräte für die harte Zeit im Januar und Februar anzulegen, hätte ihr bereits sagen müssen, dass die Lage ernst war. Über den Stiefeln registrierte sie eine grobe, vor Staub graue Baumwollhose. Sie erinnerte sich, dass dieser Stoff in Chihuahua mezclilla genannt wurde, und die Verkleinerungsform weckte zärtliche Gefühle in ihr – sie mochte die Sprache, in der sie mit fast niemandem mehr sprach. Sie sah den Patronengürtel und den Revolver, die Gürtelschnalle mit dem mexikanischen Adler, den Hosenschlitz, der das schüchterne Glied eines Kreolen verbarg, das karierte Hemd, die Fransenjacke aus Wildleder, den verschlissenen Hut, dessen breite Krempe jedes Unwetter der Welt erlebt zu haben schien. Der Mann hatte einen Strohhalm im Mund, machte ein ernstes Gesicht, hatte sich seit Wochen nicht rasiert. An der Art, wie er die Augen zusammenkniff, konnte sie erkennen, dass er keinesfalls sicher war, ob die vor ihm sitzende Apachin tatsächlich Ezguerras Witwe war, nach der er suchte.

Camila wischte das Messer an ihrem Rock ab und ließ es in den Schoß sinken, ohne den Griff loszulassen. Egal was Sie vorhaben, sagte sie, Sie sollten wissen, dass diese Hündinnen Sie lebendig häuten, bevor Ihr Däumchen auch nur den Hahn des Revolvers berührt.

Der Offizier verschränkte die Hände im Nacken, um zu zeigen, dass er nichts tun würde und sie ihm, wenn sie wollte, mit dem Messer, das sie in der Hand hielt, jederzeit den Bauch aufschlitzen konnte. Er ließ seinen Blick über die anderen Frauen hinter ihr schweifen, die ihn, angespannt wie Tiger, belauerten. Er spuckte den Strohhalm auf den Boden. Ich werde nichts tun, was Sie nicht wollen, Señora, aber erst einmal muss ich wissen, was Sie wollen; Ihre Familie schickt mich. Die Frau kniff die Augen zusammen. Sagen Sie mir erst, wer Sie sind. Der Offizier tippte sich an den Hut. Oberstleutnant José María Zuloaga, zu Ihren Diensten. Und jetzt sagen Sie mir, welche Familie Sie geschickt haben soll, denn die sind alle tot. Ihre Verwandten, antwortete der Oberstleutnant; Ihr Onkel und Ihre Tante in Casas Grandes haben mir von Ihrer Entführung erzählt und mich gebeten, Sie zu suchen.

Camila blickte auf ihren Schoß, fuhr mit dem Finger über die stumpfe Seite der Messerklinge. Und wie haben Sie es lebend bis hierher geschafft?, fragte sie. Der Oberstleutnant bewegte seinen mittlerweile eindrucksvollen Schnurrbart. Weiß der Himmel, antwortete er. Sie sah ihn lange an. Setzen Sie sich, sagte sie schließlich, betrachten Sie sich als unser Freund. Wenn ich mich setze, muss ich die Pistole zurechtrücken, sagte der Oberstleutnant, und wenn ich dort hingreife, werden diese Señoras mich kaltmachen. Sie tun gut daran, vorsichtig zu sein, sagte Camila. Wenn ich Ihnen helfe, nach Chihuahua zurückzukehren, würden Sie mitkommen? Die Frau legte die Hand auf den Bauch. Hier drin strampelt der Sohn des männlichsten Mannes der Welt, und ich will, dass er so wird wie er. Wenn es sein Sohn ist, wird er das ohnehin, erwiderte Zuloaga, aber er kann zivilisiert aufwachsen. Darum soll er Apache werden, damit er zivilisiert aufwächst. Und wenn es ein Mädchen ist? Dann soll es in Frieden groß werden, einem Frieden, der mir nie vergönnt war. Zuloaga löste die Finger, die er noch immer im Nacken verschränkt hatte, strich sich über die bärtigen Wangen und kratzte sich am Mund. Ist es der, den sie Mangas Coloradas nennen? Ganz genau, der Häuptling; wenn Sie schwören, dass Sie nichts Böses im Sinn haben und wieder dahin verschwinden, wo Sie hergekommen sind, und keinem verraten, wo wir sind, mache ich Sie mit ihm bekannt; wenn man Sie mit ihm zusammen sieht, erleben Sie den Abend vielleicht noch. Es ist fast Abend, in zehn Minuten wird es dunkel. Ebendeshalb. Er hat mich herbringen lassen, sagte der Oberstleutnant, hätte er mich umbringen wollen, hätte er das in den Bergen getan. Sind Sie allein hier? Seine Krieger haben gesagt, ich könne einen Mann mitnehmen und mit Ihnen reden und dass wir die Waffen behalten dürfen, wenn wir in friedlicher Absicht kommen. Und wo ist dieser andere Mann? Am Fluss, er wollte nicht mitkommen. Vielleicht war das gar nicht so dumm, sagte Camila. Sie deutete mit dem Kopf auf die Frauen ringsum: Und Sie glauben, diese Schlangen hier nehmen mir diese Geschichte ab? Zuloaga zuckte mit den Achseln. Sagten Sie nicht, Sie sind schon Apachin? Sie presste die Lippen aufeinander. Ich bin Mexikanerin, ich bin die Frau vom Chef, die suchen nur nach einem Grund, mir den Hals umzudrehen und dann mit irgendeiner Geschichte zu kommen. Der Oberstleutnant blähte die Backen auf, stieß die Luft aus und knetete mit den Fingern eines seiner Ohrläppchen. Da sitzen wir im selben Boot, sagte er. Am leisen Rascheln der Röcke und Tücher der anderen Frauen bemerkte er, dass die Sache beim kleinsten Fehltritt böse enden konnte.

Ich werde jetzt aufstehen, sagte Camila, und dann gehen wir schön langsam von hier weg, solange es noch hell ist; diese Weiber sind die Frauen von Kriegern, die ein Problem mit Sonora haben, sie brauchen nicht zu wissen, dass Sie aus Chihuahua sind. Woher wissen Sie, dass ich aus Chihuahua bin? Weil Sie Apache und nicht Apachi sagen. Der Oberstleutnant lachte, sie nicht. Wenn ich aus Sonora wäre, würde ich nicht hier stehen und mit Ihnen reden, sagte er. Da haben Sie wohl recht, erwiderte Camila und fuhr fort: Ich stehe jetzt vorsichtig auf, verstanden? Ja. Sie gehen voran, und ich behalte das Messer in der Hand, damit die Frauen sehen, dass ich Ihnen nicht vertraue. Ist das denn so? Sie sehen anständig aus, aber man kann nie wissen; wir bewegen uns gut sichtbar für sie, während Sie mir sagen, was Sie zu sagen haben, und danach scheren Sie sich zum Teufel, es ist überhaupt ein Wunder, dass Sie es bis hierher geschafft haben. Auch darüber möchte ich mit Ihnen sprechen. Sie kniff die Augen zusammen. Wenn eine von denen in Chihuahua aufgewachsen ist, versteht sie uns. Wirklich? Und legen Sie die Hände lieber wieder in den Nacken wie eben, damit ich aufstehen kann. Er gehorchte. Sie erhob sich, klopfte sich den Rock ab und sagte etwas zu den Frauen. Keine von ihnen wandte sich wieder dem zu, womit sie beschäftigt gewesen war, bevor der Militär aufgetaucht war. Falls Mangas Sie sehen will, sagte Camila, dann fragen Sie ihn bloß nicht nach den Rindern von der Ranch, die ja auch mir gehört haben; hier hat man sie als Mitgift angesehen, und allein ihre Erwähnung würde mich in eine heikle Lage bringen. Hat man sie so schnell verspeist? Ich sagte, Sie sollen nicht darüber sprechen. Verzeihung. Sie entfernten sich ein Stück, nicht in Richtung der Berge, sondern zu einem Teil der Siedlung, wo man ihre Stimmen von den Hütten aus nicht hören konnte, aber klar war, dass sie nicht weggingen. Sie strich sich beim Gehen den Rock glatt, als hätte man sie kurz nach dem Aufwachen in Unterwäsche überrascht, und richtete sich das zu langen Zöpfen geflochtene Haar. Sie haben die Rinder sofort zerlegt, sagte sie. Sie haben das Fleisch getrocknet, in Körben verstaut und in den Bergen versteckt, aber ich weiß nicht, wo; damals hatten sie mich noch nicht als eine der ihren akzeptiert. Auch davon werden Sie mir erzählen müssen. Sind Sie wirklich allein gekommen? Meine Soldaten aus Sonora wurden erschossen, genau wie dieser Schwachkopf, der sich für einen Apachen hielt und deshalb die Hand hob, als sie uns fragten, obwohl er gar nicht aus Sonora kam. Sie sah ihm in die Augen. Er hat Ihnen leidgetan, sagte sie. Der verdammte Mistkerl, aber nicht nur er, auch die anderen. Wer noch? Zwei Yaqui. Was soll’s, die haben sich in die Höhle des Löwen gewagt, sie haben es nicht anders verdient; wo war das? In einem Cañon ganz in der Nähe, weniger als einen Tagesritt entfernt. Der Arroyo del Oso, sagte sie, wenn die beiden sich dorthinein getraut haben, waren sie verrückt. Vielleicht kannten Sie sie ja, sagte er, ich habe sie aus dem Gefängnis von Janos geholt, damit sie mir bei der Suche nach Ihnen helfen. Die Zwillinge? Genau die. Kein Wunder, sie saßen an die zwanzig Jahre im Gefängnis. Nicht ganz, sagte er. Vielleicht sogar länger, sagte sie, glauben Sie mir, wenn sie gewusst hätten, was sie tun, wären sie nicht hergekommen. Offenbar schon. Die beiden müssen schon um die sechzig gewesen sein, meinte sie. Er dachte darüber nach. Ja, gut möglich. Jeder wusste, dass sie im Gefängnis saßen, weil sie verrückt waren, nicht, weil sie Mörder waren, auch wenn sie behaupteten, sie hätten einen Rancher umgebracht. Genau das haben sie mir erzählt. Und dieser andere, der Ihnen so leidtat, war der auch aus Janos? Keine Ahnung, ich weiß nicht mal, wie er richtig hieß, alle haben ihn nur Márquez genannt. Sie sah zu Boden. Er hat getanzt wie ein Engel, fuhr Zuloaga fort, aber der Dummkopf hat geglaubt, er stamme aus Tesorababi, er hat gesagt, als er die Apachen dort kennengelernt hat, ist er neu geboren worden. Keine Ahnung, ich kannte ihn kaum, aber er war wirklich ein guter Mensch. Der Arme.

Sie schaute sich um, die Frauen in einiger Entfernung waren wieder mit ihren Agavenherzen beschäftigt, keine achtete auf sie. Ich glaube, wir können uns jetzt setzen, sagte sie und machte es sich mit einer Ungezwungenheit auf dem Boden bequem, die Zuloaga auf den Gedanken brachte, dass sie vielleicht wirklich lieber Apachin als Mexikanerin war. Und was ist mit Ihren Männern aus Chihuahua passiert? Er lächelte gequält. Einer war eine Frau, antwortete er. Elvis, sagte sie wie aus der Pistole geschossen und fügte hinzu: Allmählich werden Sie mir sympathisch. Sie lachte auf. Diese verdammten Yaqui haben sie ganz schön heißgemacht; bestimmt hat Elvis Sie überzeugt, die beiden freizulassen. So ungefähr. Wie, sagten Sie, heißen Sie noch mal? Oberstleutnant Zuloaga. Ist das Ihr Kriegsname? Wie Sie wollen. Es war klug von Ihnen, die Frau mitzunehmen, sie wiegt locker fünf Kerle auf. Ich habe noch nie jemanden so gut schießen sehen, obwohl sie kaum Gelegenheit hatte, es unter Beweis zu stellen. Warum ist sie nicht mitgekommen, damit ich sie begrüßen kann? Sie wollte Márquez begraben, zusammen mit einem anderen jungen Kerl aus Janos, den sie Gringo nennen. Sie zuckte die Schultern. Und dann kommt sie nach? Sobald die Toten begraben sind, wird sie den Weg durch die Schlucht nehmen, den wir gekommen sind, sie haben ihr freies Geleit versprochen, es sei alles in Ordnung, wenn sie direkt nach Janos zurückkehre, hier wollten sie sie nicht bewaffnet haben. Camila nickte. Sie werden heil ankommen. Nach einem längeren Schweigen fragte sie den Oberstleutnant: Und Sie sagen, dass am Fluss ein Cowboy auf Sie wartet? Kein Cowboy, ein junger Rarámuri, mein Bursche. Rarámuri? Tarahumara. Mit denen haben sie hier weniger Probleme, aber lassen Sie sich nicht mit ihm in den Chiricahuas blicken, Cuchillo Negro hasst sie; wo haben Sie ihn gelassen, am Fluss? Ja. Ist er noch sehr jung? Dreizehn, vierzehn, würde ich sagen. Wenn Sie nicht davonkommen, wird er adoptiert, Sie brauchen sich also keine Sorgen zu machen. Er weiß sich zu helfen, erwiderte der Oberstleutnant, Elvis hat ihm das Schießen beigebracht. Sie schaute zum Himmel auf. Dreizehn, sagten Sie? Der Oberstleutnant zuckte mit den Schultern. Ja, ich glaube, sie werden ihn adoptieren, wiederholte sie. Sie denken also, ich komme nicht davon, sagte Zuloaga, nachdem er einen Moment geschwiegen hatte. Ich hänge nur weniger am Leben, in der Hinsicht bin ich schon halbe Apachin. Dann fragte sie: Und Mangas weiß, dass Sie hier sind, um mit mir zu reden? Das habe ich einem jungen Indianer gesagt, den er geschickt hat: dass ich mit Ihnen reden will. Der hat gemeint, ich sei verrückt, aber der Häuptling habe gesagt, Chihuahua ja. Wir sind alle schon lange verrückt, Sie und wir. Sie gehören schon zu den anderen? Meistens. Haben Sie seitdem mit keinem Mexikaner mehr geredet? Nein, hier kommen keine Mexikaner her; wenn die Indianer Handel treiben müssen, machen sie das woanders, mich lassen sie immer hier. Wird man mich umbringen? Ich glaube schon, aber Ihre mutige Aktion hat Mangas gefallen, und wenn er mich fragt, werde ich sagen, dass Sie ein Freund sind und mein Onkel und meine Tante Sie geschickt haben, ich werde bestätigen, dass Sie aus Chihuahua sind, und wenn Sie mit ihm reden, müssen Sie das unbedingt betonen, er weiß von Chihuahua und Sonora und La Nueva México und dass er sich an denen aus Sonora rächen muss, dass das für uns alles ein und dasselbe Land ist, passt ihm nicht. In Ordnung. Hat Márquez übersetzt, als Sie mit den Indianern geredet haben? Nein, der junge Indianer hat etwas Spanisch gesprochen, ein komisches Spanisch, aber Spanisch. Camila grinste. Gokhlayeh, sagte sie, ich habe es ihm beigebracht. Und spricht Ihr Mann Spanisch? Entweder er kann kein Spanisch, oder er tut nur so, aber ich glaube, er spricht es nicht. Der Junge meinte, ich soll einfach herkommen und Sie suchen, Sie würden mich dann zum Häuptling bringen. Sie zuckte mit den Schultern. Dann machen wir es eben so. Wenn Mangas nicht im Krieg ist, ist er ein guter Mensch, und er wird seine Gründe haben, Sie hier zu tolerieren. Sie stand auf. Wir machen Folgendes: Ich stelle Sie ihm in meinem mageren Apache vor, und Sie sagen einfach zu allem Ja, danach lasse ich Sie allein, und er wird jemanden rufen, der Spanisch spricht; es gibt ein paar Indianer, die in den Festungen aufgewachsen sind und als Viehtreiber unten auf den Ranches gearbeitet haben, ehe sie wieder Apachen wurden. Wie, sagten Sie, heißen Sie noch mal? José María Zuloaga. Und Sie sind auch wirklich ein anständiger Kerl, José María Zuloaga?

Helen Howard McMillan starrte auf die durchgebogenen, unebenen und – sogar für einen so bescheidenen Fuß wie den ihren – unmenschlich schmalen Trittbretter der von Maultieren gezogenen Straßenbahn. Ihr Mann, der Anwalt Amyntor Blair McMillan, war an der Haltestelle des Forts Sam Houston in San Antonio, Texas, vor ihr aus dem Wagen gesprungen, um ihr beim Aussteigen behilflich zu sein. Was nicht ganz einfach war mit ihren hohen Stiefeletten und dem in seinem wallenden Kleidchen fast erstickenden Baby auf dem Arm. Sie geriet leicht ins Wanken und streckte die Hand nach dem Haltegriff aus. McMillan fasste sie mit einem Arm um die Taille und nahm mit dem anderen das Baby entgegen. Befreit von dem Kind, schaute sie auf, sodass ihr Mann den ganzen Wandel von einem Lachen zu einem Ausdruck des Missfallens in ihrer Miene beobachten konnte. Sie hatte soeben entdeckt, dass ganz San Antonio dieselbe Idee gehabt hatte, wie man diesen Sonntag verbringen konnte, der sich nach dem Gottesdienst noch so endlos hinzog: sich die eingesperrten Apachen angucken gehen.

Man schrieb das Jahr 1886, es gab noch keine Filme, sodass Ellie ein Vorbild fehlte, um ihrer Enttäuschung einen femininen Ausdruck zu verleihen. Und sie war Texanerin: mager, kräftig, zäh. Sie machte keinen Schmollmund, biss sich nicht auf den Nagel ihres Zeigefingers, während sie die Augenbrauen hochzog, und sie ballte auch nicht die Fäuste oder tat beleidigt. Sie kniff die Augen zusammen und sagte nur: Schweine, was mehr oder weniger der Meinung entsprach, die sie von fast allen Bewohnern San Antonios hatte, und zwar erst recht, wenn man bedachte, dass die McMillans die einzige bedeutende Familie vor den Toren des Forts waren. Dort drängten sich vor allem Saisonarbeiter: weiße, schwarze, chinesische und mexikanische Einwanderer, von denen man nicht wusste, ob sie gerade erst hergekommen waren oder ob sie sich nur erst seit Kurzem in der Öffentlichkeit zu zeigen wagten, aufgewiegelt von den revolutionären Predigten der Methodisten und Quäker, die nach dem Sieg des Nordens im Bürgerkrieg aus New York und Pennsylvania in die Stadt gekommen waren.

McMillan war umgänglicher. Obwohl er aus einer in Alabama verwurzelten Familie stammte, die ihm die Werte der Südstaaten eingeimpft hatte, begriff er, dass die Zeiten sich geändert hatten und die politischen Ansichten des Gegners fast immer nur genau das waren: Ansichten. Hin und wieder sah man ihn sogar einen freundlichen Schwatz mit einem Schwarzen halten, der in einem der Läden oder beim städtischen Reinigungsdienst arbeitete, oder mit einem der Komantschenhäuptlinge, die in die Stadt kamen, um auf irgendeinen Vertrag zu pochen, an den die Behörden sich nicht hielten und dies auch nicht vorhatten. Mit den Mexikanern sah die Sache anders aus – das mit Alamo war unverzeihlich. Zu den alteingesessenen spanischen Familien in der Stadt hatte er jedoch gute Beziehungen. Und nach ein paar Gläsern Whiskey hatte man ihn schon sagen hören, das Essen der Chinesen sei gar nicht so übel.

Wir werden überhaupt nichts sehen, wandte sich Ellie enttäuscht an ihren Mann, während sie mit ausgestreckten Armen, die Handflächen nach oben gedreht, auf die Menschenmenge deutete, und das, obwohl sie noch immer auf den klapprigen Trittbrettern der Straßenbahn stand und hinter ihr eine beachtliche Schlange von Passagieren darauf wartete, dass sie endlich ausstieg. Er überhörte die Klage und hob sie, das Baby immer noch sicher im anderen Arm, hoch. Er setzte sie auf dem Boden ab, nicht mit der Anmut, die seine Nachfahren ebenfalls aus dem Film lernen sollten, sondern schnell und effizient. Er achtete auch nicht darauf, wie sie sich an ihn klammerte, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, denn er war schon damit beschäftigt, dem Baby die Haube aufzusetzen – die widerspenstigen roten Locken standen dem Kleinen in alle Richtungen ab und leuchteten beinahe grell in der sengenden Wüstensonne. Dass die anderen immer noch warteten, interessierte ihn nicht. Er war umgänglich, aber er wusste auch, dass es die gab, die befahlen, und die, die gehorchten.

Er bändigte die letzten Locken des Kindes und sagte zu seiner Frau, sie würden zum Tor gehen. Sie war einfach dort stehen geblieben, wo er sie abgesetzt hatte, und richtete sich die Haube. Geh du, sagte sie, ich warte hier auf dich. Er drehte sich um und sah sie an. Erst jetzt schien er zu bemerken, dass sie im Weg standen. Er zog sie am Arm, und stolpernd folgte sie ihm ein paar Schritte, bevor sie sich von ihm losriss und erklärte, sie werde sich lieber ein schattiges Plätzchen suchen, er solle ihr das Kind geben, sie werde sich nicht unter all diese Leute mischen, nur um ein paar Wilde zu sehen. Stell dich nicht so an, sagte McMillan und fasste sie wieder am Ellbogen, das ist eine einmalige Gelegenheit, ich habe gehört, dass sie in ein Lager in Florida verlegt werden, und zwar für immer.

Sie gingen zum Tor; er mit großen Schritten, ohne sich darum zu kümmern, dass dies für den zarten Hals des Babys, der den kräftigen irischen Schädel tragen musste, unbequem sein könnte, sie gehetzt, die hochhackigen Stiefeletten angewidert in den Schotter setzend, die Unterröcke gerafft, damit das Salzgras nicht daran haften blieb. Aus der Nähe wirkte die Wand aus Menschen, die sich vor dem Gitter drängten, nicht mehr kompakt, sondern es zeigte sich, wie sie wirklich war: undurchdringlich. Männer und Frauen jeder Statur, Herkunft und Farbe schwitzten Seite an Seite, während sie krampfhaft ihre Hüte festhielten, um sie im Gedränge nicht zu verlieren. Auf Höhe der Taillen und Knie schlüpften Massen verzogener Blagen zwischen den Beinen der Erwachsenen hindurch wie flüssige Materie, um als Erstes bei den Gitterstangen zu sein, die die freien Menschen von den Gefangenen trennten. Nicht einmal McMillan mit seiner beträchtlichen Körpergröße konnte sehen, dass die Apachen in vernünftiger Entfernung vom Tor in einer Reihe präsentiert wurden. Doch weil er ein sensibler Mensch war, fiel ihm auf, dass die Menge sich in Anbetracht der Umstände ungewöhnlich respektvoll benahm. Kaum ein Laut drang aus den hinteren Reihen, wo keiner etwas sehen konnte, und vorne herrschte absolute Stille, selbst die Kinder schwiegen. Wenn jemand seiner moralischen Schwäche oder einem lächerlichen Gefühl der Überlegenheit nachgab und sich eine unbedachte Äußerung erlaubte, brachten die anderen ihn zum Schweigen, nicht, weil noch irgendwas passieren könnte, wenn die Disziplin gestört würde – die Chiricahua zur Schau zu stellen war Teil der Demütigung, die die Niederlage für sie bedeutete –, sondern, weil viele der Anwesenden bei den Indianern vielleicht das erkannten, was sie selbst nicht hatten und nie haben würden: Widerstandskraft, Zähigkeit, mondgroße Eier.

Bevor er sich ins Getümmel stürzte, reichte McMillan Ellie das Baby – warf es ihr fast zu – und ließ sie mit einem »Warte hier auf mich« stehen, ohne ihr Zeit zu geben, Fragen zu stellen. Im Vertrauen auf seine imposante Statur und mit der doppelten Autorität seines eleganten Hutes und seiner Stellung als Anwalt gewappnet, ging er los.

Er drängte sich an den Leuten vorbei, machte sich dünn wie eine Katze, bewegte sich seitlich voran – er legte die Hand auf einen verschwitzten Rücken, schob die Person mithilfe seiner meist größeren Masse zur Seite und murmelte dabei Entschuldigungen, als müsste er tatsächlich dringend nach vorne. Schließlich stand er am Gitter und sah die Chiricahua. Sie standen in einer Reihe, etwa dreißig Fuß vom Tor entfernt, und unterhielten sich, ohne zu begreifen, dass sie bereits Erinnerungsstücke aus den wilden Zeiten des amerikanischen Westens waren.

McMillan fand nichts Besonders an ihnen – es waren nur drei Indianer, drei kleine, dunkelhäutige Männer, gekleidet auf eine für die Gegend typische Art. Immer wieder blickten sie neugierig in die Menge, mit Gesichtern, aus denen mehr Ungläubigkeit als Misstrauen oder Angst sprach. Die wahren Gefangenen sind wir, sagte er sich.

McMillan kannte den Namen des Offiziers, der für die Bewachung der Beschuldigten zuständig war, und Captain Lawton hatte ihm am Abend zuvor ausrichten lassen, dass dieser Offizier bei den Kriegern am Tor anzutreffen sei, weshalb der Anwalt laut rief: Lieutenant Parker. Ein leichenblasser Mann mit buschigem Schnurrbart und einer Uniform, die drei Nummern zu groß war für seinen hageren Körper, drehte sich zu ihm um. Ich bin McMillan, schrie der Anwalt, Captain Lawton hat Ihnen Bescheid gesagt, dass ich komme. Der Leutnant, der sich mehr vor den texanischen Besuchern als den Kriegern zu fürchten schien, tippte sich an den Hut und trat ans Gitter. Er reichte ihm nicht die Hand – die Leute am Tor standen so dicht, dass McMillan seine Hand gar nicht hätte ausstrecken können. Der Captain hat mich informiert, dass Sie mit einer Frau und einem Kind kommen, sagte Parker. Sie sind dahinten, antwortete McMillan. Der Leutnant nickte. Holen Sie sie und gehen Sie zum Eingang bei den Reitställen, dort wird man Ihnen öffnen. Der Anwalt hob den Hut, um seine leichte Enttäuschung über den Pragmatismus des Leutnants zu überspielen – er hatte sich ausgemalt, wie die Soldaten das Tor aufstoßen und ein Spalier bilden würden, damit seine Frau und das Kind die wogende Menge durchqueren konnten wie einst die Kinder Israels das Rote Meer.

Vielleicht lag es daran, dass einer der Hauptdarsteller des Dramas auf eine Bitte aus dem Publikum reagiert hatte, jedenfalls fasste sich einer der sich am Gitter Drängenden ein Herz und versuchte, die Aufmerksamkeit der Apachen zu erregen, indem er rief: Gerónimo. Als keiner der Indianer auch nur die geringste Reaktion zeigte, rief er noch einmal lauter. Auch andere überwanden sich und schrien den Namen des Schamanen. Der älteste der Indianer drehte sich um und ließ seinen Blick über die Menge schweifen. McMillan fand nicht, dass der Mann sich wie ein wildes Tier benahm, das man in einen Käfig gesperrt hatte, eher wie ein Fürst im Exil. Er hat noch nicht begriffen, dass er ein Gefangener ist, dachte der Anwalt. Auf dem Weg zu seiner Familie bemerkte er, dass es, seit Gerónimo sein Publikum betrachtete, keiner mehr wagte, seinen Namen zu rufen. Weil es in seinem Rücken geschah, konnte er nicht sehen, dass der Indianer den Mann, der zuerst nach ihm gerufen hatte, ausgemacht hatte und lange fixierte, bevor er ihm leicht zunickte und sich wieder seinen eigenen Angelegenheiten zuwandte.

Gatewood stieg zu seinem Zelt auf der Anhöhe des Cañón de Guadalupe hinauf, wo die Chiricahua ihr Lager aufgeschlagen hatten. Er hatte keine Fanfaren erwartet, aber doch eine kleine Geste der Dankbarkeit. Sein Vorgehen war eigenwillig gewesen, die Größe des feindlichen Heeres hatte sich als winzig erwiesen, und die Operation hatte auf die dramatische Publicity verzichtet, die Tote immer bringen, all das wusste er, doch in seinen Augen war das Kapital seines Triumphes unermesslich: Nach Gerónimos Sturz waren die Vereinigten Staaten endlich ein Land und sämtliche Pässe zwischen dem Atlantik und dem Pazifik offen und sicher.

Die Dinge waren nicht so gelaufen, wie Präsident Cleveland es sich gewünscht hätte, um seine Fraktion im Kongress zu vergrößern, doch wie er so vor dem Sudelheft der Geschichte stand, glaubte der Leutnant, seinem Land und seiner Regierung einen mehr als würdigen Dienst erwiesen zu haben: Er hatte soeben der Tür zu Andrew Jacksons Traum den letzten Riegel vorgeschoben.

Seine Hand schloss sich noch fester um den Knauf seines Gehstocks – die Gelenke taten ihm weh, und seine Rückenmuskeln brannten. Der Aufstieg war unangenehm und würde noch viel schlimmer werden. Er holte tief Luft. Präsident Jacksons Traum, dachte er, war derart unheilvoll gewesen, dass seine Schmähung der einzige Punkt war, in dem Lincoln und Grant ihr Leben lang übereinstimmten, doch die meisten Wähler fanden, das kleine Stückchen des amerikanischen Kontinents, das sie Vereinigte Staaten nannten, solle ihnen allein gehören, und es war seine Aufgabe gewesen, diese Forderung zu erfüllen. Das war keine Kleinigkeit. Und der General, den man beauftragt hatte, ihm für den Sieg zu danken, hatte ihm nicht einmal die Hand gereicht.

Als der Anstieg zum Plateau immer steiler wurde, nahm er den breitkrempigen weißen Hut ab. Er war von oben herabgestiegen, ohne zu bedenken, dass der Rückweg, ohne Pferd, eine einzige Qual würde. Er sah hoch, fächelte sich mit dem Hut Luft zu, stülpte ihn sich wieder über und dachte erneut an Andrew Jackson. Während seiner letzten – langen und eintönigen – Genesung in Virginia hatte er die Tage mit Lesen verbracht. Bekanntlich waren Romane ein Zeitvertreib für Frauen, weshalb er sich gelangweilt durch dicke Wälzer über die Geschichte der Vereinigten Staaten kämpfte, bis er entdeckte, dass sie ab einem gewissen Zeitpunkt auch mit seinem eigenen Leben zu tun hatten.

Jackson hätte nie zu träumen gewagt, dass das aufstrebende Land, das ihn zum Präsidenten gewählt hatte, sich eines Tages bis nach Kalifornien erstrecken würde; erst recht nicht, dass seine Politik, die indigenen Nationen in die Gebiete westlich des Mississippi umzusiedeln, sich in eine Vernichtungsstrategie verwandeln würde. Ihr letztes – zwischen Arizona und dem Norden Mexikos ausgefochtenes – Kapitel war zugleich das letzte von Gatewoods militärischer Laufbahn. Der Leutnant hatte nicht den geringsten Zweifel daran, dass die Gewohnheiten der Nachfahren der Europäer grundsätzlich die überlegeneren waren, doch blind war er nicht: Die Indianer lebten länger, waren geschicktere Reiter und zähere Soldaten, und sie gaben wundervolle Eltern, Kinder und Großeltern ab. Er konnte sich nicht erinnern, jemals einen Apachen gesehen zu haben, der in der Stunde des Kampfes den Mut verloren hätte. Ihre Fähigkeit, sich für das Gemeinwohl zu opfern, war mehr als bewundernswert. Er begriff, dass Jackson den Indian Removal Act, das Gesetz zur Umsiedlung der Indianer, vorgeschlagen und unterzeichnet hatte, weil es ihm am liebsten gewesen wäre, wenn es sie schlicht und einfach nicht gegeben hätte; er hasste sie, verachtete sie, ekelte sich vor ihnen – das Gleiche empfand er für die Mexikaner, Chinesen und Schwarzen. Trotzdem verlieh der Gedanke, seine Karriere sei Teil der bewegten Landesgeschichte, Gatewoods eigenem Leben Bedeutung, ja Tiefe. Er blickte zurück und sah die Zelte, die Fahnen, die Männer in ihren sauberen Uniformen, die noch immer in strenger Formation dastanden. Und gegen wen sollen wir jetzt kämpfen?, fragte er sich.

Er drehte sich wieder zum Berg um. Der Anstieg erschien ihm beinahe senkrecht – er sah nichts anderes als Steine und Gestrüpp, es berührte fast seine Nase. Er konnte nicht ahnen, dass der größten, teuersten und bestausgebildeten Armee der Welt nach der Niederlage der Chiricahua und der Vollendung des Landes zu einer kontinentalen Einheit nichts anderes übrig blieb, als sich in eine Maschinerie zur Besetzung fremder Länder zu verwandeln. Hätte er gewusst, dass das, was folgte, ein als Republik verkleidetes Imperium sein würde, hätte er die Seiten gewechselt, so, wie er es mitunter früher schon getan hatte. Er drehte sich um und betrachtete ein letztes Mal die Formationen. Er konnte es nicht wissen, aber von allen Männern, die auf seinem letzten Feldzug seine Kameraden gewesen waren, war er der Einzige, dessen Schicksal sich bereits erfüllt hatte – die Zukunft hielt nichts mehr für ihn bereit. Die anderen Offiziere, die mit ihm an der Expedition in die Sierra Madre teilgenommen hatten, würden nach Kuba oder auf die Philippinen in den Krieg geschickt werden – eine nie gänzlich geklärte und etwas pathetische Anstrengung, um die letzten traurigen Reste des spanischen Kolonialreiches an sich zu reißen. Er konnte es nicht wissen, doch viele der jungen Rekruten der vierten und fünften Kavallerie würden in die Sierra Madre zurückkehren und Pancho Villa verfolgen oder Offiziere im Ersten Weltkrieg werden und im schlammigen Morast Frankreichs an Kälte oder an der Ruhr sterben.

Sich Gedanken über Präsident Jacksons Traum zu machen half ihm nicht beim Aufstieg, also stellte er sich lieber wieder seine Frau vor, das Knäuel ihrer beider Füße in ihrem Bett in Virginia, in dem er so wenige Nächte verbracht hatte und das für ihn jetzt seine einzige Bestimmung war: sein Ziel und der Ort, an dem er den Tod erwarten würde.

Miles traf in Albuquerque ein und erkannte an der Eile seines Sekretärs, dass sein Schicksal besiegelt war – dieser erwartete ihn bereits am Tor des Forts und kam auf ihn zu, um ihn zu empfangen, noch bevor er vom Pferd gestiegen war. Der Kommandant musste nicht einmal fragen, er wusste sofort, was los war. Das Kriegsministerium?, sagte er. Etwa zwanzig Telegramme, General. Das Weiße Haus? Nur zwei, aber in einem der Telegramme vom Kriegsministerium steht ein unschönes Wort. Welches? Fuck. Miles schnaubte. Zeig her, sagte er. Sie liegen auf Ihrem Schreibtisch. Er saß ab, ohne auf den Korporal zu warten, und eilte zu seinem Büro.

von minister endicott an general miles doppelpunkt beunruhigende nachricht über verhaftung von geronimo erhalten punkt büro des sheriffs von tucson meldet doppelpunkt keine nachricht von offizieren unter ihrem kommando über ankunft der gefangenen eingegangen punkt werden nachricht komma dass der indianer in gewahrsam der armee komma nicht bestätigen komma bis sie uns gedankenstrich schnell gedankenstrich datum mitteilen komma wann übergabe der gefangenen an zivilbehörden geplant punkt

von minister endicott an general miles doppelpunkt wie sie wissen komma hält präsident cleveland es für unerlässlich komma dass sie geronimo und seine begleiter verhaften und vor ein zivilgericht bringen punkt weißes haus wurde bereits über verhaftung des indianers unterrichtet und weiß komma dass kein kontakt zwischen offizieren unter ihrem kommando und büro des sheriffs von tucson stattfand punkt irgendwelche neuigkeiten fragezeichen

von minister endicott an general miles doppelpunkt fragezeichen

von minister endicott an general miles doppelpunkt warum erhalte ich keine antwort aus stützpunkten unter ihrem kommando im gebiet der apacheria fragezeichen wo sind alle fragezeichen erbitte schnell kurze antwort betreffs zukunft der gefangenen punkt präsident ist nervös punkt

von minister endicott an general miles doppelpunkt erfuhr von ihrem sekretär komma dass sie und sämtliche in operation des apachenkrieges verwickelte truppen in diesem moment im skeleton canyon sind komma wo gespräche zwischen ihnen und geronimo stattfinden punkt möchte präsident nicht informieren komma bis diesbezüglich meldung von ihnen erhalten punkt angelegenheit heikel für sie komma prozess wegen befehlsverweigerung möglich punkt sie hatten ausdrückliche und klare befehle komma darin keine forderung nach geronimos kapitulation komma erst recht nicht anführungszeichen gespräche anführungszeichen mit ihm punkt

von vizepräsident thomas a punkt hendricks an general miles doppelpunkt sehr geehrter general miles komma der präsident möchte sich auf diesem weg mit ihnen in verbindung setzen punkt bitte melden sie sich unverzüglich komma sobald sie diese nachricht erhalten haben punkt

von molly hoyt sherman nelson an general miles doppelpunkt soeben kam ein bote vom telegrafenamt mit einem dringenden telegramm vom weißen haus punkt sie fragen komma ob ich wüsste komma wo du bist punkt habe dem vizepräsidenten geantwortet komma du seist in arizona oder new mexico punkt er fragte nach komma ob ich genaueres wüsste komma und ich habe verneint punkt wie du dir denken kannst komma befürchte ich das schlimmste punkt schick mir ein telegramm komma sobald du zurück im fort bist punkt ich bitte dich inständig punkt bin allein mit den kindern und meiner verrückten mutter komma ertrage es nicht länger punkt

von minister endicott an general miles doppelpunkt habe aus verschiedenen quellen erfahren komma dass sie anführungszeichen gespräche anführungszeichen mit indianer geronimo geführt haben oder führen und über eine kapitulation verhandeln komma wozu sie nicht autorisiert sind punkt ich verfüge bereits über mittel komma um prozess wegen befehlsverweigerung anzustrengen punkt präsident ist aufgebracht und ich beschämt punkt

von grover cleveland komma präsident der vereinigten staaten komma an general miles doppelpunkt ich informiere sie darüber komma dass dies das erste mal in zwei jahren als präsident der vereinigten staaten ist komma dass ich mich genötigt sehe komma persönlich das büro des telegrafisten aufzusuchen punkt setzen sie sich umgehend mit uns in verbindung komma bevor sie einen fehler begehen komma den sie noch bereuen könnten punkt

von minister endicott an general miles doppelpunkt where the fuck are you fragezeichen

von minister endicott an general miles doppelpunkt so komma wie dinge stehen komma wäre es das beste für sie komma wenn indianer geronimo sich nicht ergeben und sie bei seiner flucht getötet hat punkt

Als er schließlich das Plateau erreichte, legte Gatewood sein elfenbeinfarbenes Leinenjackett ab. Er ließ sich auf einem Stein nieder. Hinter ihm lag der Paso de Guadalupe. Vor ihm der Höhenzug des Gebirges: die Sierra Chiricahua, und dahinter New Mexico, Texas und der Osten des Landes, in dem sich nie wieder jemand ergeben musste, denn ab jetzt würde alles so sein wie dieser Betrug, den er gerade hinter sich ließ, eine einzige Nation unter den Augen eines einzigen Gottes, alles im Griff der eisernen weißen Hand, wie Präsident Jackson es sich erträumt hatte.

Die Apachen hatten am Abend zuvor kein Lager aufgeschlagen. Sie hatten unter freiem Himmel geschlafen, für den Fall, dass sie fliehen mussten. Wenn General Miles so vertrauenswürdig war, wie sie hofften, und es zu einem Gespräch kam, würden sie Hütten aufstellen. Nachdem Gatewood eine Weile die Berge betrachtet hatte, richtete er den Blick wieder auf die Hochebene. Die Indianer saßen auf dem Boden und warteten, immer noch angespannt, auf Nachrichten von unten. Von seinem Platz aus erschienen ihm die Männer, die in kleinen Grüppchen zusammensaßen und sich unterhielten, wie Steine in der Landschaft. Die einzige Gruppe, die sich von den anderen abhob, waren die Frauen. Sie schürten das Feuer, um etwas zu kochen. Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. Der matte Glanz ihrer Haare, die Kleidung aus Wildleder, die glänzenden Tuniken, verziert mit so abstrakten Schmetterlingen, dass sie kaum noch als solche erkennbar waren. All das würde untergehen, dachte er. Und wofür? Für ein Land, das sich in seinen sämtlichen Regionen gleich bleibt; eine Nation, in der sich nichts ändert, die endlose Mühle dessen, das nur dann als gut erachtet wird, wenn es nicht abweicht. Die verdammte Hölle, sagte er sich: das ewig Gleiche.

Zuloaga sagte zu Camila: Ich habe mich gestern gefragt, ob ich ein guter Mensch bin. Sie gingen zum Fluss, dem Zentrum von Mangas’ Macht – sein Volk kam aus den Bergen und den steinigen Ebenen, sie waren Dürre, Kiefernwälder und die Prärie gewohnt, doch der Grund, weshalb es sich bei den Gileño um den mächtigsten aller Apachenstämme handelte, war ihre Herrschaft über den Fluss und sein Tal. Sie waren auf der Welt, um ihn zu schützen. Als er ihnen nach dem Einfall der amerikanischen Armee genommen wurde, zerstreuten sie sich, verloren sich, wurden zu Chiricahua wie all die anderen Apachen, die immer weniger Krieger hatten, um allein zu kämpfen. Corredor war am Fluss geblieben, um auf ihn zu warten, und sie waren auf dem Weg zu ihm.

Ich hätte nie gedacht, dass es so etwas in Nuevo México gibt, sagte Zuloaga zu Camila, es sieht aus wie in Sinaloa mit all dem Grün, als gäbe es in der Nähe eine Küste. Sie richtete ihre Zöpfe und sagte: Es liegt an diesem herrlichen Land, dass sie an Altersschwäche sterben können, ohne die Lebensweise der Kreolen erlernen zu müssen; sie leiden nie Hunger und haben immer Pferde.

Während ihres Gesprächs am Abend zuvor hatte Mangas dem Oberstleutnant Unterkunft in einer Hütte angeboten, die sie in aller Eile aufgebaut hatten, und hinzugefügt, er könne so lange bleiben, wie er wolle. Er hatte ihm volle Bewegungsfreiheit garantiert, solange er sich in ihrem Lager aufhalte, und ihn gebeten, seine Waffen abzugeben, da niemand mit einer Pistole am Gürtel im Lager herumlaufe und es seine Krieger nervös machen würde. Mithilfe eines Übersetzers erklärte Mangas ihm, dass er nicht das Sagen habe, dass er nur Vorschläge machen könne und jedes Familienoberhaupt seine eigenen Entscheidungen treffe, dass er empfohlen habe, ihn zu respektieren, da er aus Chihuahua sei, doch wenn er, Zuloaga, Mist baue, dann sei das nicht sein Problem. Und er hatte ihm gesagt, dass Camila, wenn sie wolle, mit ihm nach Janos zurückkehren könne, sie sei seine Frau, nicht seine Sklavin; wenn sie es so wolle, werde er sie gehen lassen, aber erst nachdem sie das Kind in ihrem Bauch zur Welt gebracht habe.

Mit Gut und Böse sollen sich Priester herumschlagen, sagte Zuloaga zu Camila, ich habe keine Ahnung, ob ich ein guter Mensch bin, ich will’s hoffen; ich bin nicht der beste Indianerjäger von Nordmexiko, wie es in der Hauptstadt heißt, ich bin nur der hartnäckigste, denn wenn sie Rechte haben, müssen sie sich auch fügen, finde ich, und ihre Pflichten erfüllen wie alle anderen auch. Ach was, sagte sie, stellen Sie sich nicht dumm. Der Oberstleutnant schob die Finger beider Hände unter den Gürtel. Das diskutieren wir später, sagte er und fuhr fort: Ihr Mann hat gesagt, dass ich in meiner Sturheit und Dummheit einem Gileño gleiche, dass er nicht verstehe, warum wir immer weiter und weiter geritten seien, obwohl Pisago uns aus Angst auf einem sehr langen und schwierigen Umweg hergeführt habe, wir seien entweder sehr mutig oder völlig verrückt, wenn wir als Mexikaner, egal ob aus Chihuahua oder Sonora, das Land von Cuchillo Negro durchquert hätten, und er mich habe holen lassen, weil er neugierig sei und mich habe kennenlernen wollen. Sie betrachtete ihn aus den Augenwinkeln. Sagen Sie in seiner Gegenwart nicht Gileño, sagte sie, sagen Sie Bedonkohe, so heißen sie; das mögen sie lieber, und Ihnen wird es guttun, die Leute bei ihrem richtigen Namen zu nennen. Sie können sich nicht vorstellen, wie mich der Junge, den wir gleich abholen, damit genervt hat.

Und warum sind Sie überhaupt durch Cuchillos Land geritten?, fragte Camila nach einer Weile. Um Pisago zu folgen, er wusste, wo es Wasser gibt. Er rückte sich die Hose und den Gürtel zurecht, inzwischen hatte er sich daran gewöhnt, ohne Pistole herumzulaufen. Ich glaube, alle wussten, was los war, nur ich nicht. Sie nickte: Auch darin gleichen wir uns, hier wussten bestimmt alle, dass Sie kommen, nur ich nicht; Mangas wird Cuchillo gesagt haben, er solle Sie passieren lassen; er will keinen Streit mit Chihuahua, jeder soll die Botschaft vernehmen, dass ich aus freien Stücken hier bin. Zuloaga blieb stehen. Er nahm den Hut ab und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Das hat er mir gestern auch gesagt, als hätte er mich erwartet; das Kind, das Sie erwarten, werde Apache sein, aber etwas von Chihuahua in sich haben, dass er Frieden mit dem Gouverneur schließen wolle und ich die Botschaft überbringen solle. Und sind Sie ein anständiger Mensch, Oberstleutnant José María Zuloaga? Ich werde sein Wort in die Hauptstadt tragen, erwiderte der Militär. Sie lächelte. Und wie hat er Ihnen gefallen? Wer? Mangas. Der Oberstleutnant gehörte zu den Menschen, die durchaus Konversation machen können, aber wortkarg und einsilbig werden, sobald sie das Gefühl haben, ausgefragt zu werden. Gut, sagte er; er ist ein mächtiger Mann; ehrlich gesagt kann ich gut verstehen, warum Sie lieber hierbleiben wollen. Und warum?, fragte sie nach. Der Oberstleutnant schloss ungeduldig die Augen angesichts des Verhörs. Ich weiß nicht, sagte er, so jemanden wie ihn werden Sie in Janos wohl nicht finden, Sie hätten sehr weit gehen müssen für einen Mann mit dieser Ausstrahlung. Sie brach in schallendes Gelächter aus. Dazu müsste ich erst sterben und in den Himmel kommen, sagte sie. Und fuhr fort: Er wirkt so hart, so selbstsicher, wenn er Krieg führt oder über Politik redet, aber privat ist er schamhaft, schüchtern; mit diesem herrlichen Körper, den er hat, könnte er ein Tiger sein, und dabei wirkt er wie ein Kind, das gerade erst seinen Pillermann entdeckt. Jetzt war er es, der lachte, aber nervös. Camila lächelte. Er könnte ein Casanova sein. Wer ist Casanova?, fragte der Oberstleutnant, und sie erwiderte, nicht so wichtig.

Am Nachmittag zuvor hatte Camila ihn, noch immer zwischen Vorsicht und einer Etikette schwankend, von der sie nur eine vage Vorstellung hatte, zu der Hütte geführt, die sie mit ihrem Mann teilte. Mangas hockte draußen auf dem Boden und flickte mit Gokhlayeh einen Sattel. Zuloaga beeindruckte, dass der Häuptling in dieser Haltung mehr oder weniger gleich groß schien wie der Junge. Er grüßte Gokhlayeh, der hochnäsig reagierte, als würde er ihm zum ersten Mal begegnen. Mangas, der jung genug war, um noch nicht vollständig vom Korsett der Förmlichkeit eingeschnürt zu sein – oder sich vielleicht seiner Macht und Stellung so sicher war, dass er kein feierliches Getue nötig hatte –, gab dem Jungen mit der flachen Hand eins auf den Kopf und sagte etwas zu ihm. Camila erklärte, Mangas schimpfe mit ihm und ermahne ihn, gegenüber seinen Gästen nicht unhöflich zu sein. Der Junge erwiderte etwas, und der Häuptling lachte laut. Camila flüsterte: Er hat gesagt, dass Sie sein Gast und nicht der von Mangas sind, weil er es war, der Sie am Arroyo del Oso willkommen geheißen hat. Ja, mit Kugeln, dachte Zuloaga, sagte aber nichts – er wusste, dass er wegen einer Laune des Schicksals hier war und sie ihn gut behandelten, weil sie gerade Lust dazu hatten.

Mangas reichte ihm, noch immer in der Hocke, die Hand. Als Zuloaga sich leicht bückte, um sie zu drücken, fiel ihm auf, wie seltsam die Situation war, doch als der Häuptling sich erhob, begriff er. Obwohl jeder ihm gesagt hatte, Mangas sei groß wie eine Mauer, hatte ihn nichts darauf vorbereiten können, mit eigenen Augen zu sehen, wie dieser sich zu seiner ganzen Größe aufrichtete – der Häuptling schien sein gesamtes Blickfeld einzunehmen. Der Militär trat rasch einen Schritt zurück, teils um die Gestalt des Häuptlings vollständig zu erfassen, teils weil er das Gefühl hatte, dieser hätte sonst nicht genügend Platz, um sich ganz zu aufzurichten. Lassen Sie sich nicht einschüchtern, flüsterte Camila ihm ins Ohr, er sieht aus wie einer von Rodamontes Riesen, aber er ist ein guter Mensch, und er ist ehrlich. Wer ist Rodamonte?, fragte der Oberstleutnant und machte noch einen Schritt zurück. Egal, antwortete sie, ich lasse Sie jetzt mit ihm allein. Sie ging davon. Mangas wirkte entspannt, als stießen hier nicht gerade zwei verfeindete Welten aufeinander. Er lächelte.

Der Häuptling trug ein Hemd und eine Hose aus grobem Wollstoff, ohne jede Verzierung. Er hatte einen Beutel aus Agavenfasern umgehängt. Das lange, matt glänzende schwarze Haar war zu einem Zopf gebunden. Sein gewaltiges Gesicht hatte so scharf geschnittene Züge, dass es beinahe wie geschnitzt aussah. Er hatte etwas von einem Baum: die Haut wie glatt polierte Rinde, die kräftigen Glieder – ein Körper ohne ein einziges Gramm Fett. Er sah den Mexikaner an und deutete auf einen gefällten Stamm, auf den sie sich zum Reden setzen konnten.

Camilas Privatleben interessierte Zuloaga nicht. Er war hier, um sie zu befreien, nicht um zu erfahren, ob Mangas Coloradas daheim in seiner Hütte schüchtern war, deshalb setzte er den Hut wieder auf und ging weiter Richtung Fluss. Mein Bursche ist bestimmt schon nervös, sagte er zu der Frau. Camila ging eine Weile schweigend hinter ihm her, dann sagte sie: Sehen Sie? Die Sache läuft von Anfang an schief, wir verstehen uns nicht; Sie nennen Ihren Lehrling Bursche, als wäre er ein Sklave, hier heißen die Jungen, die mit in den Krieg dürfen, Novizen. Das sind nur Wörter, sagte der Militär. Aber unsere sind besser, entgegnete sie. Unsere? Was soll ich sagen, so ist es nun mal. Dann fragte sie, was er damit gemeint habe, dass Mangas ein mächtiger Mann sei. Zuloaga zögerte. Er ist wie ein König, sagte er, aber ein gut gelaunter König. Camila nickte und sah zu Boden. Wenn Mangas wütend ist, schickt er drei Boten in die Berge, und ein paar Tage später hat er dreihundert berittene Krieger; mit Verlaub, aber die mexikanische Armee bräuchte sechs Monate, um eine solche Truppe aufzustellen, wenn überhaupt; das letzte Mal, dass ich so viele bewaffnete Menschen gesehen habe, wie er sie einfach so für eine Versammlung zusammentrommelt, war in Guadalajara; um Mangas zu besiegen, müsste man schon die Armee aus Mexiko-Stadt schicken, und er weiß nicht mal, was Mexiko-Stadt ist. Sie schwieg einen Moment, starrte zu Boden und fügte hinzu: Er ist wie ein König, genau, wie Sie sagen, und damit hat sich’s; er hat es nicht nötig, sich aufzuspielen.

Kaum hatten sie sich am Nachmittag zuvor hingesetzt, hatte der Oberstleutnant seinen Tabakbeutel aus der Tasche gezogen und dem Häuptling gereicht. Mangas nahm eine sorgfältig geschnitzte Holzpfeife aus dem Beutel, den er über dem Hemd trug, stopfte sie und gab den Tabak zurück, damit der Militär sich seine Zigarette drehen konnte. Während sie schweigend rauchten, kamen zwei weitere Krieger, wesentlich älter als der Häuptling, und setzten sich dazu. Zuloaga reichte ihnen den Tabak, und auch sie stopften sich ihre Pfeifen. Er gab ihnen die Streichhölzer. Einer der beiden sagte etwas. Dabei sah er nicht Zuloaga an, sondern starrte geradeaus, als würde er sich an ein Gespenst wenden. Der Häuptling legte ihm eine Hand auf die Schulter und rief Gokhlayeh.

Der Junge hat übersetzt, erzählte Zuloaga am nächsten Tag Camila, während sie zu der Flussbiegung gingen, an der Corredor ihn erwarten sollte. Er ähnelt nicht so sehr Mangas als den anderen Anführern, mit denen ich gesprochen habe; man sieht, dass er sich gerne amüsiert, aber er ist wie die Alten, er sieht, ohne einen anzuschauen, verstehen Sie, was ich meine? Er trägt einen Sturm in sich. Camila lächelte. Er ist sehr klug, sagte sie, er hat erst spät Kastilisch gelernt. Nennen Sie die Dinge beim Namen, sagte Zuloaga, bei uns heißt es Spanisch.

Camila nahm die bissige Bemerkung gelassen hin. Der Junge mag Schießereien, fuhr sie fort, er darf auf alle Feldzüge mit, und er kann es immer kaum erwarten, sein Hemd auszuziehen und zu kämpfen; er ist Mangas’ Patenkind und Enkel eines der mutigsten Häuptlinge, die es je gab. Alle rechnen damit, dass er eines Tages befehlen wird, aber noch ist er jung. Und begeistert fuhr sie fort: Wenn die Krieger beschließen aufzubrechen und die älteren Jungen sich vor ihnen aufspielen, um als Gehilfen mit in den Kampf ziehen zu dürfen, sattelt Gokhlayeh ihnen bereits schweigend die Pferde und kümmert sich um den Proviant, damit sie ihn auswählen; wenn er so weitermacht, wird er mit vierzehn ein Krieger sein, so wie Cuchillo Negro. Sie kennen Cuchillo Negro? Er gehört gewissermaßen zur Familie.

Camila blieb stehen. Gokhlayeh ist Mangas und mein Liebling, er ist ein Puma, ich bin sicher, dass er uns genau in diesem Moment belauert und so nah ist, dass er hören kann, was wir reden. Sie lachte. Also Vorsicht, was Sie sagen. Der Oberstleutnant sah sich um. Er bückte sich nach einem Stein von beachtlicher Größe und warf ihn ins Gestrüpp. Sie hörten einen dumpfen Schlag, der anders klang, als wenn der Stein auf dem Boden gelandet wäre. Er kommt gleich raus, sagte Zuloaga, ich hab ihn erwischt.

Gokhlayeh streckte den Kopf aus dem Gestrüpp. Auf seinem Rücken klebten ein paar Zweige, und er hatte sich die Haut mit Schlamm eingerieben. Er fand es nicht besonders lustig, dass Camila – die irgendetwas zwischen Stiefmutter und älterer Schwester für ihn war – ihn verraten und der Militär ihn entdeckt hatte. Er sah sie mit derselben finsteren Miene an, mit der er tags zuvor wiederholt hatte, was die Alten, voller Klagen über das Verhalten von Sonora und den ungerechten Krieg, der sie nicht zur Ruhe kommen ließ, gesagt hatten. Hör auf, uns auszuspionieren, rief Camila ihm zu, und komm lieber her, um dich mit uns zu unterhalten; wir werden dir einen anderen Novizen vorstellen. Gokhlayeh drehte sich um und ging in Richtung des Lagers davon. Mit einer Autorität, die aus der Zeit stammen musste, in der sie als Lehrerin durch die Klassenzimmer von Tepic geschritten war, schrie sie ihm nach: Gerónimo! Der Junge blieb stehen. Gerónimo?, fragte Zuloaga überrascht. Gerónimo ist der Schutzheilige der Übersetzer, und ich weiß, dass der Junge diesen Namen wählen wird, sobald er sich als Krieger einen Namen aussuchen darf. Gerónimo, rief sie noch einmal, komm auf der Stelle her, das ist ein Befehl.

Miles raufte sich den Bart, nachdem er den Stapel Telegramme durchgesehen hatte, in der Reihenfolge, in der sie eingegangen waren. Sein Assistent stand ein paar Meter vor seinem Schreibtisch, zerknautschte seine Mütze in den Händen und starrte ihn ängstlich an. Miles sah ihm in die Augen und schnaubte vor Wut. Er stand auf und trat an den Sekretär. Er nahm eine Whiskeyflasche und nur einziges Glas aus dem Fach, obwohl darin mehrere Gläser bereitstanden, schenkte sich eine beachtliche Dosis ein und kippte sie hinunter. Anschließend schenkte er sich nach, diesmal eine vernünftigere Menge, und ging gemächlich zu seinem Schreibtisch zurück. Er zog eine Schublade auf und nahm seine Pfeife, Streichhölzer und eine Dose mit Tabak aus South Carolina heraus, dessen Duft, kaum hatte er den Deckel geöffnet, das ganze Zimmer erfüllte. Erst als er die Pfeife mit einer für ein so kümmerliches und wehrloses Objekt lächerlichen Vehemenz stopfte, wandte er sich wieder seinem Untergebenen zu. Ohne ihn richtig anzusehen, murmelte er: Sie haben Minister Endicott geschrieben und waren nicht einmal Manns genug, Ihr Telegramm auf den Stapel zu legen, ist das korrekt? Ich habe es nicht dazugelegt, weil die Nachricht für mich persönlich bestimmt war, General, aber wenn Sie wollen, hole ich es. Nicht nötig, erwiderte sein Vorgesetzter, seien Sie so nett und begeben Sie sich direkt zu den Zellen, ohne mit jemandem ein Wort zu wechseln, und sperren Sie sich selbst ein; wenn die Militärpolizei Sie fragt, sagen Sie, die sollen zu mir kommen und dass Sie in Einzelhaft sind. Dürfte ich erfahren, warum?, fragte der Assistent. Sie haben dem Kriegsminister gesagt, wo ich war. Er ist mein Vorgesetzter, General. Miles hob den Kopf, und erst da begriff der junge Mann das ganze Ausmaß seiner Wut. Ich bin ebenfalls Ihr Vorgesetzter, sagte der General, und hier halten wir zusammen; verschwinden Sie und begeben Sie sich in Arrest; wenn Sie auf dem Weg zur Zelle auch nur ein einziges Mal den Mund aufmachen, und sei es, um nach einem Glas Wasser zu fragen, bringe ich Sie vors Kriegsgericht und lasse Sie erschießen. Als der General das sagte, waren seine Augen so schmal und sein Kiefer so zusammengepresst, dass der Sekretär begriff, dass dies keine Übertreibung war. Er salutierte entschlossen, setzte sich die Mütze auf, schlug die Stiefelabsätze zusammen und verließ das Büro.

Der General sprang auf und eilte zur Tür, um ihm hinterherzubrüllen, dass er ihm vorher noch den Heliografisten schicken und diesem ausrichten solle, er dürfe ebenfalls mit niemandem sprechen. Zurück in seinem Büro, fuhr er sich mit der Hand übers Gesicht, zog an der Pfeife und milderte das Kratzen des Tabaks im Rachen mit einem weiteren Schluck Whiskey. Er blieb mitten im Zimmer stehen, betrachtete seine Stiefelspitzen und fing an, einen weiteren imaginären Brief zu verfassen. Liebe Molly, wie hätte ich denn so etwas tun können? Diese tapferen Menschen dem Sheriff von Tucson ausliefern? Diesem Schwachkopf, der nie auf einem Schlachtfeld stand und hübsch herausgeputzt zur Kirche geht, nachdem er zum Spaß ein paar Schwarze und Mexikaner gehängt hat? Er hatte nicht mal den Mut, seine Beschwerde an mich persönlich zu richten, bevor er nach Washington gegangen ist, um sich dort auszuheulen. Vielleicht habe ich unter allen aktiven Mitgliedern der Streitkräfte die meisten Wilden sterben sehen, die meisten Angriffe befohlen, am häufigsten das Feuer eröffnet, aber das war im Krieg gegen Feinde, die jederzeit das Gleiche mit uns gemacht hätten. Ich stimme auch nicht mit Gatewood überein, ich bin nicht der Meinung, dass man die Apachen behandeln sollte, als wären sie ein Opernensemble, das die Nation mit ihrer Kultur bereichert, aber was hätte ich tun sollen? Wirst Du mich weiter lieben, wenn Du erfährst, dass es aus ist mit meiner Karriere, dass wir nie nach Washington ziehen werden? Oder die Kinder? Die Zeitungen werden darüber berichten.

Draußen sattelten die Korporale die Pferde ab, um sie nach dem anstrengenden Ritt zu füttern und zu striegeln. Die Soldaten, die mit ihm im Skeleton Canyon gewesen waren, hatten sich bereits zerstreut. Er trank einen Schluck Whiskey, suchte die Streichhölzer auf seinem Schreibtisch und zündete sich erneut die Pfeife an, diesmal mit genügend Ruhe und Methode, sodass die Glut nicht sofort wieder ausging. Er versuchte sich weiter an seinem Brief: Vielleicht ist mein Magen empfindlich geworden von dem vielen mexikanischen Essen, das hier auf den Tisch kommt, oder ich habe meine Quote an Toten bereits erfüllt, aber seit ich aufs Pferd gestiegen bin, um Gerónimo zu treffen, wusste ich, dass ich ihn nicht opfern würde, dass dieser Trunkenbold Lawton recht hatte: Egal was der Präsident uns befohlen hat, wir haben immer noch unsere Ehre. Die Indianer nach Tucson zu bringen hätte mir schlaflose Nächte beschert. Er nahm einen Schluck Whiskey. Wir werden in Massachusetts bleiben, meine Liebste, die Kinder werden auf die Universität gehen müssen, wenn sie im öffentlichen Dienst Karriere machen wollen, denn in West Point wird man sie verspotten, weil sie meinen Namen tragen. Er trat ans Fenster, presste sich Daumen und Zeigefinger der rechten Hand gegen die Schläfen und lehnte die Stirn an die kalte Scheibe. Wirst Du weiter die anmutigste Frau auf jedem Empfang sein, wo Dein Mann Gegenstand des Spottes ist? Wird die bescheidene Zukunft, die uns erwartet, den Glanz Deiner Perlen trüben? Mit geschlossenen Augen sog er den Rauch ein.

Er stand noch immer bedrückt am Fenster, als er die Bürotür knarren hörte. Sie wollten mich sprechen?, fragte der Heliografist. Der General drehte sich um. Sein Gesicht war so gezeichnet, dass es einer verschrumpelten Aubergine glich. Wir haben es vermasselt, sagte er. Der Ingenieur zog die Augenbrauen hoch. General?, fragte er. Miles strich sich mit der Hand über den Bart, holte Luft und fragte, ob er es gewesen sei, der die Informationen über seinen Aufenthalt zusammengestellt habe. Niemand außer meinem Sekretär wusste, dass ich zum Skeleton Canyon reiten würde, sagte er, niemand wusste davon, weder in diesem noch in sonst einem Fort, und zwar genau deshalb, damit nicht passiert, was passiert ist. Der Ingenieur schloss die Augen. Das war auch meine Schuld, sagte er, ohne ihn anzusehen; ich habe alle Regimenter gebeten, Paradeuniform zu tragen, wenn Sie beim Canyon eintreffen; ich wusste nicht, dass es sich um ein Geheimnis handelt. Ich habe Ihren Sekretär gefragt, und er hat es bestätigt. Der General kratzte sich am Kopf. Gehen Sie an Ihr Gerät zurück, sagte er, und benachrichtigen Sie alle Kommandanten der Gegend, dass jede Meldung ans Kriegsministerium bis auf Weiteres ausschließlich über mein Büro erfolgt – er dachte, dieses »bis auf Weiteres« wäre nur von kurzer Dauer, dass man ihn sofort entlassen würde, sobald er sich in der Hauptstadt meldete. Sagen Sie allen, wer ohne meine Einwilligung eine Nachricht nach Washington schickt, landet wegen Befehlsverweigerung vor dem Kriegsgericht. Der Ingenieur legte die Hand an die Schläfe und sagte: Jawohl, Sir, was den General amüsierte. Notieren Sie die Uhrzeiten, zu denen die einzelnen Kommandanturen den Erhalt meiner Nachricht bestätigen, fuhr der General fort, und wenn Sie damit fertig sind, bringen Sie die Liste persönlich ins Büro des Telegrafisten, ohne mit jemandem darüber zu reden. Das könnte eine Weile dauern, sagte der Ingenieur. Meine Angelegenheit auch, erwiderte der General, wenn ich Glück habe. Der Mann schloss die Tür hinter sich, und Miles nahm einen weiteren kräftigen Zug von seiner Pfeife und trank den Whiskey aus. Er schloss die Augen, wischte sich über den Schnurrbart und stand auf, um sich nachzuschenken. Stell Dir vor, Molly, formulierte er weiter, obwohl er wusste, dass er auch diesen Brief nie schreiben würde: Meine Kinder Anwälte, Ingenieure wie dieser arme Kerl hier. Es wäre besser gewesen, wenn Du mir Mädchen geschenkt hättest. Er krempelte sich die Ärmel hoch und machte sich auf den Weg zum Büro des Telegrafisten.

McMillan stellte fest, dass Ellie sich mit dem Gedanken abgefunden zu haben schien, so lange zu warten, bis sie an der Reihe waren, sich die Gefangenen anzusehen. Sie konnte dickköpfig sein, eine wahre Kratzbürste, besaß aber auch diese typisch amerikanische, zugleich reizende und unausstehliche Tugend der Begeisterungsfähigkeit. Ihr Mann nahm das Kind auf den Arm, genauso, wie sie es erwartet hatte, doch statt sie aufzufordern, mit ihm nach vorn zu kommen, sagte er: Wir gehen zu den Pferdeställen. Sie sah ihn ungläubig an. Ich will sie aber sehen, murrte sie. Ich muss zu den Ställen, beharrte er, und damit ihre Freude noch größer wäre, sobald sie entdeckte, dass sie die einzige Frau aus ganz San Antonio war, die die Wilden aus der Nähe und ohne trennendes Gitter zu Gesicht bekommen würde, fügte er hinzu: Ich hab dir doch gesagt, dass es mit meiner Arbeit zu tun hat. Sie rührte sich nicht von der Stelle. Amyntor Blair, es ist nicht fair, dass du sie sehen konntest und ich nicht. Es ist zu voll, erwiderte er, das kann gefährlich werden. Nicht gefährlicher als die Tiere auf der Ranch meines Vaters, entgegnete sie und marschierte los, um sich ins Getümmel zu stürzen. Der Anwalt ließ sie gehen. Er dachte, die Menschenmasse sei so dicht, dass sie ohnehin im Nu aufgeben würde. Er setzte sich mit dem Baby unter eine weiße Esche – sie schien den Jungen die ganze Zeit auf dem Arm gehabt zu haben, der arme Kleine war schweißgebadet.

Kaum hockten sie im Schatten, setzte McMillan sich das Kind auf die Beine, damit es etwas frische Luft bekam, ohne sich schmutzig zu machen. Die Haube klebte ihm am Kopf. McMillan dachte, dass ein Schopf wie dieser es nicht verdiente, in Baumwolle und Leinen gefangen zu sein, und nahm ihm die Haube ab. Als er merkte, dass der Kleine sich weiter unwohl zu fühlen schien, zog er ihm auch den Unterrock und anschließend das Kleidchen selbst aus – sie waren schon in der Kirche gewesen und hatten nicht die Absicht, die Großeltern zu besuchen, er konnte ihn also in Windeln lassen. Er nahm den Hut ab und fächelte seinem Sohn damit Luft zu, dann ließ er ihn schließlich doch auf dem Boden herumkrabbeln, auch wenn er sich dabei schmutzig machte. Viele Jahre später, als er bereits ein in ganz Texas angesehener, gefürchteter und beliebter Richter war, sollte der Mann, der einmal dieses Baby war, erzählen, dass er den vernünftigen Teil seines harten Charakters diesen liberalen Gesten seines Vaters verdanke. Komantschengesten, nannte er sie. Im Schatten und in der kühlen Brise entfalteten sich die Locken des Kindes wieder zu voller Pracht.

Ellie kehrte mit verzerrtem Gesicht zurück. Hast du sie gesehen?, fragte McMillan, der den Anstrengungen seiner Frau keine Beachtung geschenkt hatte. Unmöglich, antwortete sie mit einem Seufzen, das der Unhöflichkeit der Leute, die ihr ihrer Meinung nach hätten Platz machen müssen, oder auch der schon beachtlichen Schmutzschicht auf dem nackten Körper des Kindes gelten mochte. Das sind bloß ein paar Indianer, bemerkte der Anwalt; kommst du mit zu den Ställen? Sie betrachtete das Kind und nahm die eigene Haube ab. Gut, dass du ihn ausgezogen hast, sagte sie. Er stand auf, und sie meinte, sie würde lieber hierbleiben und auf die Straßenbahn warten, um nach Hause zu fahren und das Baby zu baden. Jetzt war er es, der ein beleidigtes Gesicht machte. Es ist Sonntag, sagte er, und ich möchte, dass du Lawton kennenlernst, er ist ein Kriegsheld. Sie verzog den Mund. Und woher kennst du den?, fragte sie. Ich kenne ihn nicht, deshalb sind wir ja hier: um ihn kennenzulernen; er ist ein lebendes Fossil, der letzte Offizier, der den letzten Indianerkrieg gewann. Sie nickte. Also gut, gehen wir, sagte sie und nahm das Kind auf den Arm.

an minister william c punkt endicott von general nelson miles doppelpunkt herr minister komma es bereitet mir große Sorgen komma auf meinem schreibtisch einen stapel von gedankenstrich nicht immer freundlichen gedankenstrich telegrammen von ihnen vorzufinden punkt ich komme von einer wichtigen expedition zur mexikanischen grenze komma wo ich mich davon überzeugt habe komma dass der indianer geronimo und alle rebellen unter seinem kommando von captain elpenor ware lawton verhaftet wurden und sich auf amerikanischem territorium befinden punkt ich habe diese pflicht aus reinem diensteifer erfüllt doppelpunkt lawton steht unter meinem befehl komma aber wie sie wissen komma erhielt er ohne meine vermittlung befehle von ihnen oder einem ihrer abgesandten punkt ich wurde lediglich darüber informiert punkt ich glaube komma wenn eine mission von anfang an die befehlskette missachtet komma endet sie in einem kommunikativen desaster wie diesem punkt wie sie sich denken können komma kann ich nicht viel mehr machen komma als zu überprüfen komma ob der captain seine arbeit macht komma da seine befehle weder von mir kamen noch mein büro passiert haben punkt meine rolle ist etwas unbequem doppelpunkt ich kann einen untergebenen nicht fragen komma wie meine befehle lauten punkt ich appelliere an ihr verständnis in dieser angelegenheit punkt eine andere komma noch ernstere situation komma von der ich nur eine ahnung habe und bezüglich der ich ihre bestätigung und verschwiegenheit erbitte komma beunruhigt mich jedoch noch mehr doppelpunkt der ton ihrer mitteilungen lässt mich vermuten komma dass ich weiter ein opfer der üblen nachrede auf den washingtoner fluren bin und komma schlimmer noch komma dass diese üble nachrede einen meiner nächsten untergebenen erreicht hat komma der sie offenbar angelogen hat komma indem er dem kriegsministerium ungenaue informationen geschickt hat komma weil er von einem funktionär niederen ranges in der hauptstadt und offenbar auch von zweifelhaften zivilen behörden in tucson unter druck gesetzt wurde punkt herr minister komma ich bin nicht da komma um empfehlungen zu geben komma sondern um befehle zu befolgen komma was ich voll und ganz tue komma wenn sie unmissverständlich und an mich gerichtet sind und nicht an meine untergebenen komma aber erlauben sie mir komma sie daran zu erinnern komma dass die von den politikern und journalisten in arizona und new mexico verbreiteten informationen von anfang an falsch dargestellt wurden punkt wie sie wissen komma empfinden die bewohner dieser territorien ein tiefes misstrauen gegenüber der armee komma ebenso wie gegenüber allen institutionen der föderalen regierung punkt hassen diese die steuerbehörde etwa nicht fragezeichen verbreiten sie etwa nicht ständig gerüchte über angebliche verschwörungen des bildungsministeriums zur ausrottung des christentums in den vor kurzem besetzten gebieten fragezeichen über eine angebliche sympathie des handelsministeriums für die mexikaner fragezeichen die einzige erklärung komma die ich für dieses chaos an mitteilungen komma in dem wir uns befinden komma habe komma abgesehen von dem bereits erwähnten strukturellen problem komma dass ich die befehle meines captains weder selbst gebe noch wörtlich kenne komma da sie direkt aus washington kommen komma ist komma dass irgendein rangniedriger offizier im kriegsministerium komma der etwas für die antiföderale einstellung dieser gebiete übrig hat komma einen weg gefunden hat komma den bösartigen gerüchten in ihrem büro gehör zu verschaffen komma die ich hier täglich bekämpfe komma von denen ich ihnen bereits erzählt habe und die sie bestimmt auch über meine vorgänger auf diesem posten gehört haben punkt aber hier bin ich komma bereit komma die fragen des herrn präsidenten zu beantworten komma und versichere ihnen komma dass die verhafteten apachen sich in föderaler verwahrung und in den vereinigten staaten von amerika befinden punkt

Gatewood stieß einen Pfiff aus, und die Frauen, die gerade dabei waren, Tamales mit Yuccablüten zuzubereiten, drehten sich nach ihm um. Auf Apache bat er darum, ihm beim Aufstehen behilflich zu sein. Wie immer lachten sie ihn kräftig aus, bevor Ocesola, eine von Häuptling Chihuahuas Töchtern, sich erhob, um ihm zu helfen. Sie reichte ihm beide Hände, damit er den Hintern von dem steinernen Sitz hochbekam.

Gatewood ging es schon so lange so schlecht, dass alle Chiricahua wussten, wie man ihm aufhalf: Als Erstes musste man ihn an beiden Armen hochziehen, und wenn er sich von seinem Sitz gelöst hatte, musste man die Füße fest gegen den Boden stemmen, um ihn mit dem Oberkörper abzufangen. Als Nächstes hob der Leutnant die Arme und hielt sich an den Schultern seines Gegenübers fest, während er Stück für Stück die Beine streckte, ein Hohlkreuz machte und sein Brustbein nach oben drückte. Sobald seine Haltung als einigermaßen aufrecht bezeichnet werden konnte, musste der Helfende mit aller Kraft seinen Rücken auf Höhe der Lenden umklammern, und auf den Moment warten, in dem die langsame Streckung seiner Wirbelsäule ein leises Knacken in den Knochen, Bändern und den mageren Überresten seiner Lendenmuskeln verursachte. Dieses Geräusch war mit so großen Schmerzen verbunden, dass es fast immer etwas auslöste, das für Außenstehende wie eine kurze Ohnmacht aussah und das er als einen mit Halluzinationen verbundenen Zustand unterschiedlicher Dauer erlebte. War die Person, die ihm beim Aufstehen half, eine Frau, war das alltägliche Ritual besonders komisch – die Apachen waren zwar kräftig, meist jedoch ziemlich klein und gedrungen, während er lang und dünn war.

Der Leutnant betrachtete Ocesolas Hände, die sie ihm bereitwillig entgegenstreckte, und reichte ihr die eigenen. In Erwartung des ersten Rucks, presste er die Zähne aufeinander. Bevor sie ihn zu sich heranzog, sagte sie auf Spanisch: Usen gab dir die Macht, beschissen dran zu sein. Dann zog sie. Er hatte das Gefühl, als würde sein Rücken von einer Lanze durchbohrt und seine Wirbelsäule in zwei Hälften gebrochen. Er schloss die Augen und sah Sterne. Er spürte, dass er wie ein nasser Sack auf die Schultern der Frau sank, die, noch immer aus vollem Halse lachend, mit aller Kraft seine Taille umfasste. Er hatte kein Gefühl mehr in den Beinen. Er vermochte noch zu denken, dass der wahre Schmerz erst folgte, bevor er sich dazu durchrang, sich auf ihre Schultern zu stützen, während sie zupackte, um zu lockern, was sich in seinem Rücken verhärtet hatte. Sein Hirn erlosch wie eine Kerze und erwachte erst wieder, als Ocesola das tat, was die Indianer für den lustigsten Teil der ganzen Prozedur hielten: ihm mit einer Haarsträhne über die Nasenlöcher zu streichen, damit er nach Luft schnappend wieder zu sich kam.

Bevor der alltägliche Schmerz zurückkehrte, hatte Gatewood ein paar Sekunden – die ihm mal länger, mal kürzer vorkamen –, in denen sein Körper wieder der alte war, frei von der Folter in seinem Rücken und seinen Gelenken. In diesem Augenblick der Klarheit und Freude fühlte er sich förmlich durchdrungen von dem Duft, den die Haare seiner Helferin verströmten, einem Geruch, der ihm so vertraut war, denn es war der aller Apachen: nach glimmender Asche und Gamsleder, nach Schweiß und trockener, an Steinen haftender Erde, nach gepökeltem Fleisch und Blütenpollen.

Er hielt die Augen geschlossen – wenn ihm die Beine nicht wehtaten, war er nicht sicher, überhaupt welche zu haben, aber vor allem, um die Höhlen seines olfaktorischen Gedächtnisses zum Museum eines Geruchs zu machen, der aus der Welt verschwinden würde, sobald die Verhandlungen dort unten beendet wären und man die Chiricahua in einen Zug Richtung Soldatenduschen, Soldatenessen und legerer Kleidung stecken würde, fern ihrer Pferde und Lagerfeuer.

Jeder weiß, dachte er, dass das Einzige, von dem ein Mann sich nicht erholt, wenn eine Frau ihn verlässt, die Abwesenheit ihres Geruchs ist. Er drückte erneut Ocesolas Schultern. Wenn er nach Virginia zurückkehrte, sobald sie ihn wegen seiner Krankheit entlassen hätten, würde er längst wieder nach Schmorfleisch und Hühnerstall riechen wie der Rest des Landes. Er holte noch einmal tief Luft und ließ sie los. Weißt du, wo Naiche ist?, fragte er die Frau auf Apache. Der Schmerz kehrte langsam zurück, um sein Reich zu beanspruchen. Sie deutete auf eine Gruppe von Kriegern, die sich in einiger Entfernung auf dem Boden ausgestreckt hatten. Dahinten, antwortete sie auf Spanisch, es sei denn, er ist sich vor Lachen bepissen gegangen, während du vor Liebe in meinen Armen gestorben bist.

Corredor und Gokhlayeh redeten nicht miteinander. Irgendetwas war mit den beiden los. Der Rarámuri dankte Camila für die Einladung in die Siedlung und sagte, er würde lieber bei den Pferden bleiben. Er sagte es trocken, endgültig, und sah Zuloaga dabei so ernst in die Augen, dass der ihm nicht zu widersprechen wagte. Gokhlayeh sprach weiterhin kein Wort; er zerplatzte schier vor Neid und Wut, seit er entdeckt hatte, dass der Novize, von dem man ihm erzählt hatte, genauso alt war wie er, aber schon zwei Pistolen am Gürtel trug und ein gutes Gewehr auf seinem Pferd dabeihatte. Der Oberstleutnant, der älter war und das Land und den Charakter seiner Bewohner kannte, begriff, dass es Dinge gab, die über seinen Horizont hinausgingen. Er beharrte nicht darauf, dass Corredor mit ihm zu den Hütten zurückkehrte.

von general nelson miles an minister endicott doppelpunkt nein komma herr minister komma ich weiche ihren fragen nicht aus komma vielleicht war meine letzte nachricht etwas lang und die antwort auf ihre frage aufgrund meiner verwirrung missverständlich punkt die apachen befinden sich in sicherem gewahrsam der föderalen armee und auf amerikanischem boden komma in diesem moment irgendwo am apache pass zwischen douglas und fort bowie punkt wie sie wissen komma sind sie in begleitung ihrer frauen komma kinder und alten punkt

von general nelson miles an vizepräsident thomas hendricks doppelpunkt herr vizepräsident komma es ist mir eine ehre komma sie und herrn präsident grover cleveland persönlich darüber zu informieren komma dass die rebellen sich in föderalem gewahrsam und auf amerikanischem gebiet befinden punkt ich war persönlich anwesend komma um mich davon zu überzeugen komma dass sie nach einer reihe von konfliktreichen begegnungen mit der mexikanischen armee und den mexikanischen zivilbehörden die grenze überquert haben punkt unsere jungs haben hervorragende arbeit geleistet doppelpunkt sie sind vollständig und in guter verfassung heimgekehrt komma mit allen indianern komma die sie laut befehl festnehmen sollten punkt trotz der zahlreichen provokationen komma die sie von ihren mexikanischen komma stets weniger professionellen und zu betrug und lüge neigenden kontrahenten erdulden mussten komma haben die unsrigen während ihrer pflichterfüllung einen internationalen konflikt vermieden punkt ich gratuliere komma unsere ehrenwerten föderalen institutionen funktionieren noch immer wie ein uhrwerk punkt

von general nelson miles an minister endicott doppelpunkt ich weiß nicht komma wovon leutnant gatewood spricht punkt auch nicht komma welche angeblichen verträge über eine kapitulation der apachen er meint punkt ich kann keine vereinbarungen mit den indianern treffen punkt diese befugnis hat nur der präsident oder der kongress punkt ich bin nur ein general punkt ich unterzeichne keine friedensverträge punkt

von general nelson miles an vizepräsident thomas hendricks doppelpunkt herr vizepräsident komma es freut mich ungemein komma dass herr präsident cleveland bei ihnen ist komma während wir kommunizieren punkt richten sie ihm bitte meine ergebensten grüße aus punkt hier im südwesten bemühen wir uns täglich darum komma die souveränität und sicherheit der vereinigten staaten zu gewährleisten komma ganz zu schweigen von der in diesen regionen so heftig kritisierten würde der föderalen regierung komma dabei haben wir nicht immer das gefühl komma in washington erhört zu werden punkt sie können sich nicht vorstellen komma welche freude es meinen jungs bereiten wird komma zu wissen komma dass wir über einen oberbefehlshaber verfügen komma der sich persönlich um sie sorgt punkt zur frage des herrn präsidenten doppelpunkt die antwort lautet nein komma wir schließen keine verträge mit den indianern punkt diese befugnis hat nur die föderale regierung komma ebenso wenig kann ich befehlen komma einen feind standrechtlich zu erschießen komma der sich dem militär ergibt komma um sich den zivilbehörden zu stellen punkt es wäre eine straftat und ein verbrechen gegen die menschlichkeit punkt die justiz ist eine rein zivile komma lokale angelegenheit punkt erst recht komma wenn man bedenkt komma wie wichtig dem herrn präsidenten der respekt vor dem gesetz ist punkt unsere jungs waren südlich der grenze punkt sie haben ihr leben riskiert punkt sie haben ihre mission unter strikter beachtung der gesetze erfüllt punkt alles andere ist aufgabe anderer behörden punkt

von general nelson miles an vizepräsident thomas hendricks doppelpunkt nein komma herr vizepräsident komma ich weiß nicht komma wo sie jetzt sind punkt ich bin in die kommandantur von new mexico zurückgekehrt komma sobald ich mich davon überzeugt hatte komma dass die apachen in unserer obhut und auf amerikanischem boden sind punkt während ich den jungs gratulierte komma wurde ich darüber informiert komma dass sie meine anwesenheit im telegrafenbüro verlangten komma weshalb ich meine männer beruhigt verließ komma da ich weiß komma dass captain elpenor ware lawton seine befehle ohne meine vermittlung direkt vom kriegsminister erhält punkt

von general nelson miles an präsident grover cleveland doppelpunkt herr präsident komma geronimo und seine leute befinden sich im gebiet von arizona punkt unser auftrag lautete komma ihn zu verhaften komma und wir haben ihn gewissenhaft erfüllt punkt über sie zu richten ist aufgabe der staatlichen zivilbehörden punkt bis zu dem moment komma in dem ich meine jungs verließ komma hatte der sheriff von tucson sich nicht mit ihnen in verbindung gesetzt punkt captain elpenor ware lawton wollte weiter nach norden komma in richtung fort bowie komma da die nähe zu mexiko die apachen beunruhigte punkt doch darüber kann sie der kriegsminister besser unterrichten punkt bei allem komma was mit geronimos verhaftung zu tun hat komma war er es komma der captain lawton die befehle erteilte und dabei meine autorität vollständig überging punkt ich kann nur voller stolz bestätigen komma dass meine jungs die befehle von minister endicott gewissenhaft befolgt haben komma ohne verluste zu verursachen punkt ich habe den gefangenen geronimo mit eigenen augen gesehen punkt ich gratuliere ihnen punkt

von general nelson miles an minister endicott doppelpunkt herr minister komma sie werden keine antwort von den forts erhalten punkt nach der rückkehr von meiner mission komma deren ziel es war komma mich davon zu überzeugen komma dass unsere jungs heroisch ihre pflicht erfüllt haben komma befolgte ich das notfallprotokoll komma das laut der handbücher und statuten dann gilt komma wenn die kommunikation zwischen dem oberbefehlshaber und den kommandanten im feld vom feind abgehört wird komma was der fall war punkt sämtliche mitteilungen der sich momentan im einsatz befindlichen offiziere unter meinem kommando werden so lange über mein büro gehen komma bis neue befehle erfolgen punkt ich hoffe komma sie sind einer meinung mit mir komma dass dies die korrekte vorgehensweise ist komma da uns jemand komma vielleicht aus meinen eigenen reihen komma verraten hat punkt ich habe bereits eine untersuchung in die wege geleitet und werde den verantwortlichen wegen verbreitung von falschmeldungen vor ein kriegsgericht stellen punkt

von general nelson miles an minister endicott doppelpunkt herr minister komma wie kommen sie darauf komma ich könnte denken komma das kriegsministerium sei der feind fragezeichen oder die zivilen behörden von arizona komma deren verteidigung meine pflicht ist fragezeichen das problem sind die lokalen zeitungen komma die wegen privater geschäfte nicht immer im interesse der allgemeinheit handeln punkt sie waren es komma die mein büro infiltriert haben punkt natürlich hatte die übertreibung keinen erfolg punkt nicht umsonst habe ich mich für die waffen und nicht die buchstaben entschieden punkt ich glaube komma damit habe ich ihre fragen korrekt beantwortet punkt die chiricahua apachen stehen unter unserer aufsicht punkt ich habe keine befugnis komma abkommen mit den rebellen zu schließen punkt wenn sie sich captain lawton ergeben haben komma konnten meine jungs nicht auf sie schießen komma ohne zu riskieren komma vor ein kriegsgericht gestellt zu werden punkt wie sie wissen komma haben wir einen gesetzestreuen präsidenten punkt wir können das gesetz nicht einfach missachten komma wie wir es vielleicht in den früheren indianerkriegen getan haben punkt und die presse setzt uns in einer weise zu komma wie sie es meiner erinnerung nach bei den dutzenden schlachten gegen die indianer der great plains im norden nicht tat komma an denen ich komma immer im dienst des vaterlandes und am ende siegreich komma teilgenommen habe punkt meine jungs sind soldaten komma herr minister komma keine mörder punkt jede andeutung komma die dies infrage stellt komma ist in höchstem maße schädlich für die institution der föderalen streitkräfte und beleidigt mich zutiefst punkt hoffen wir komma dass die zivilbehörden von arizona ihre arbeit machen komma wir haben die unsrige gemacht komma übrigens unter sehr schwierigen bedingungen komma die ich nicht anders als heroisch bezeichnen kann punkt seit wir die gebiete des südwestens eingegliedert haben komma war der apachenkrieg eine offene wunde unserer republik komma und captain lawton hat sie geschlossen punkt als veteran der indianerkriege und kommandant der föderalen armee macht es mich sehr traurig komma dass man an seinen diensten zweifelt punkt und nein komma ich weiß nicht komma wer dieser leutnant gatewood ist komma von dem ihnen weiß gott wer erzählt hat komma er treibe sich mit der vierten kavallerie in der sierra madre herum punkt

an vizepräsident hendricks doppelpunkt sie sind auf dem weg punkt ich kann nur per heliograf mit ihnen kontakt aufnehmen komma was etwas dauern kann in bergigen regionen wie jener komma in der sie sich befinden punkt jede nachricht muss über wesentlich mehr stationen erfolgen als an der ostküste punkt ich habe soeben versucht komma kontakt mit captain lawton aufzunehmen punkt sobald ich neuigkeiten für sie habe komma antworte ich ihnen auf diesem weg punkt bitte richten sie dem herrn präsidenten aus komma falls er nicht mehr bei ihnen ist komma er soll die hoffnung nicht aufgeben komma es ist ein schwieriger und mühseliger prozess in diesen bergen komma aber ich habe alles unter kontrolle punkt

Miles legte die Stirn auf den Arbeitstisch des Telegrafisten und stieß einen langen Seufzer aus. Er hob den Kopf und sagte mit geschlossenen Augen: Zumindest haben wir die Sache wieder in der Hand. Er lächelte.

Der Techniker war erschöpft und angespannt. Weil er sich auf den Telegrammwechsel mit Washington konzentriert hatte, hatten sich in der Zwischenzeit die Nachrichten von den lokalen Forts angehäuft. Er fragte den General, ob sie sie beantworten sollten. Gleich, erwiderte dieser, sie würden jetzt erst mal eine Pause machen. Bei allem Respekt, sagte der Techniker, aber darf ich Ihnen vorschlagen, Ihrer Frau eine kurze Mitteilung zu machen, dass Sie wohlbehalten von Ihrer Mission zurückgekehrt sind? Ich will mich nicht in Ihre Angelegenheiten einmischen, fuhr er fort, aber sie ist wahrscheinlich sehr besorgt. Natürlich, sagte der General, sofort. Und lehnte sich zurück. Dann stand er auf, nahm seinen Stuhl, lehnte ihn schräg gegen die Wand und machte es sich darauf bequem. Er faltete die Hände über dem Bauch, leckte sich die Lippen und saugte die Wangen ein. Alarmiert von den deutlichen Anzeichen einer sich anbahnenden Siesta, fragte der Telegrafist, ob er nicht den Heliografisten holen lassen solle. Der General schüttelte mit gespitzten Lippen den Kopf, schloss die Augen und murmelte: Wir müssen Lawton Zeit geben. Eine Sekunde später war er eingenickt.

Die Siesta des Generals erstreckte sich über einen Zeitraum, den der Telegrafist schlichtweg besorgniserregend fand. Der Heliografist unterbrach sie erst, als ihm sämtliche Forts bestätigt hatten, dass alle Mitteilungen, die ihre Dienststellen verließen, dem Oberbefehlshaber der Region zugestellt würden. Er reichte dem General die Liste, nachdem er ihn sanft an der Schulter wach gerüttelt hatte. Miles studierte die Liste, wobei er ab und zu ein Schnauben ausstieß und immer wieder die Brille absetzte, um sich die Augen zu reiben, vielleicht um zu bekunden, dass er sich gerne noch etwas länger ausgeruht hätte.

Als er damit fertig war, sah er dem Heliografisten in die Augen und fragte, ob das alle seien. Alle, bestätigte der Ingenieur. Gut, sagte der General und schlug sich mit den Handflächen auf die Oberschenkel, wodurch sein Stuhl wieder in die Vertikale zurückkippte. Wie kein anderer kannte er das geheime Wesen der Bürosiesta. Einen Moment lang glitt der kühle Hauch des Kummers über sein Gesicht. Er blickte zum Fenster und fragte, wie lange es noch hell sei. Etwa anderthalb Stunden. Wo war Lawton, als Sie sich das letzte Mal mit ihm in Verbindung gesetzt haben? Immer noch am Apache Pass. Gehen Sie an Ihr Gerät zurück und teilen Sie ihm mit, er solle sich auf der Stelle nach Osten begeben. Der Heliografist zog Notizheft und Stift aus der Gesäßtasche seiner Uniformhose. Er soll über Ánimas nach Texas reiten, damit ihn keiner aufhalten kann, er soll den Heliografen gut verstauen und erst auspacken, wenn er in El Paso ist. Er soll mit der gesamten Truppe und den Apachen in Lordsburg den Zug nehmen. Schreiben Sie mit? Jawohl, Sir. Sagen Sie Lawton, er kann nicht in Lordsburg lagern, weil dort eine Abteilung stationiert ist, er soll sein Lager auf dem Hügel bei der Shakespeare-Ranch aufschlagen und Wachen aufstellen, um dort auf den Zug zu warten, sie sollen im Dunkeln einsteigen, damit sie niemand sieht. Er soll kein Telegramm annehmen; wenn man ihn findet und ihm eins aushändigt, soll er die Hände verstecken. Wenn er in El Paso ist, soll er den Zug anhalten, um eine Nachricht an den Sheriff der Stadt zu schicken und ihm mitzuteilen, dass er mit den indianischen Gefangenen auf texanischem Boden ist, und anschließend soll er mir sofort ein Telegramm mit folgendem Wortlaut senden: General Miles, ich habe Ihre Nachricht gerade erst erhalten, da man mit den Apachen querfeldein reitet und wir unterwegs, nach einem Aufenthalt auf der Shakespeare-Ranch, den Zug genommen haben; niemand hat mich über Ihre Mitteilungen unterrichtet. Wir befinden uns in El Paso, außerhalb der Gerichtsbarkeit der Behörden von Arizona und New Mexico, die sich nie bei uns gemeldet haben. Wir nehmen den Zug nach San Antonio. Ich erwarte Ihre Befehle am nächsten oder einem der folgenden Bahnhöfe.

Der General hob den Kopf und sah dem Heliografisten in die Augen. Haben Sie das notiert? Ja. Den genauen Wortlaut? Ja. Sobald Sie die Nachricht geschickt haben und Lawton Ihnen geantwortet hat, kommen Sie zurück und geben mir das Blatt, auf dem Sie mitgeschrieben haben. Jawohl, Sir. Vergewissern Sie sich, dass Lawton persönlich anwesend ist, wenn unsere Nachricht eingeht, und dass sie mündlich wiederholt wird, während Sie sie übermitteln, dass weder er noch irgendeiner der Heliografisten der anderen Stationen sie mitschreibt. Dass jeder, der das macht, verhaftet und entlassen wird.

Es war keine schlechte Entscheidung, unsere Zelte in den Peñascosas am Morgen abzubrechen. Die Abreise war ein Fest aus Chaos und Stress, aber letzten Endes ein Fest. Alle wirbelten herum, suchten ihre Sachen zusammen, packten, putzten. In der ganzen Hektik, klar Schiff zu machen und rechtzeitig am Flughafen zu sein, merkten wir kaum, dass die Uhr bereits gnadenlos tickte und unsere Trennung unmittelbar bevorstand.

Bereits um halb acht saßen wir im Auto, das Gepäck in den Kofferraum gequetscht, und brachen in Richtung Tucson auf, damit mein Ältester spätestens um halb elf einchecken konnte.

So aufregend die letzte Nacht und nervenaufreibend die Abreise gewesen war, so lang und anstrengend wurde die Fahrt nach Tucson. Der Plan war, erst zum Flughafen und dann weiter nach Norden zu fahren, zum San-Carlos-Reservat. Gerónimo hatte den Großteil seines Erwachsenenlebens dort verbracht. Nach diesem letzten Halt auf unserer Reise entlang des Lebensweges des Schamanen würden wir nach Nordosten schwenken und den oberen Teil New Mexicos diagonal Richtung Colorado, Kansas und so weiter durchschneiden, um in langen Etappen nach New York und zu unserem gewohnten Leben zurückzukehren.

Anfangs ließen die Kinder nicht locker und redeten auf ihren Bruder ein, er solle zumindest bis nach San Carlos bei uns bleiben. Er hörte ihnen geduldig, verständnisvoll zu, so wie immer, wenn sie etwas von ihm wollten, blieb aber unnachgiebig – er hatte ein wichtiges Treffen mit den Kommilitonen, mit denen er einen Dokumentarfilm drehte und bei dem er Regie führte. Im Rückspiegel sah ich die Bewunderung in den Augen der Kleinen aufleuchten, weil ihr Bruder etwas machte, was ein so kompliziertes Substantiv verdiente. Auch ich versuchte, ihn zu überreden: Er könne das Treffen verschieben und in ein paar Tagen von Denver aus fliegen, wo wir ein neues Ticket für ihn kaufen würden. Mir gegenüber war er kategorischer: Das ist zu spät, Papa, sagte er, und ich dachte an Nana, der gesagt hatte, dass es nie zu spät sei, solange sich noch ein Chiricahua auf den Beinen halten könne. Aber es war kein Einziger mehr übrig.

Miles gönnte sich eine zweite kurze Siesta, kaum ein paar Minuten. Als der Heliografist ihn mit der Nachricht weckte, Captain Lawton sei über Ánimas unterwegs zur Shakespeare-Ranch, diktierte er eine neue Mitteilung per Telegraf, die zuerst an den Präsidenten, dann an den Vizepräsidenten und schließlich an den Kriegsminister gehen sollte, obwohl er wusste, dass alle drei sich am selben Ort aufhielten:

captain lawton ist in den bergen punkt ich habe alle gerichtsbezirke in meinem zuständigkeitsbereich und sogar die grenzposten des gebiets unter meinem befehl benachrichtigt punkt wenn sie an einem militärposten halten komma um die pferde zu verpflegen oder rast zu machen komma wird er sofort antworten punkt ich gehe jedoch davon aus komma dass sie die nacht unter freiem himmel verbringen komma da sie mit den apachen unterwegs sind punkt in dem fall werden wir erst morgen komma wenn sie einen bahnhof erreichen komma nachricht erhalten punkt

Er erhob sich schwerfällig von seinem Stuhl und fragte: Wie spät ist es in Washington? Neun Uhr, antwortete der Telegrafist. Gut, sagte Miles, gab dem Heliografisten ein Zeichen, ihn zu begleiten, und ging zur Tür. Auf dem Flur bat er ihn um seine Notizen. Der Ingenieur riss ein paar Seiten aus seinem Notizbuch und reichte sie ihm. Miles las sie. Was für eine Sauklaue, sagte er, während er die Seiten zerknüllte. Er steckte sie sich in den Mund, kaute und schluckte. Anschließend verließen sie den Flügel mit den Dienstzimmern, durchquerten drei Gänge und zwei Innenhöfe und betraten schließlich den Zellentrakt der Militärpolizei.

Der General erkundigte sich nach dem Zustand seines Sekretärs. Er ist in Einzelhaft, sagte der wachhabende Sergeant. Der General nickte. Kann ich ihn sehen?, fragte er. Die drei gingen zu den Zellen mit Eisentüren und kleinen Sichtluken, die in dieser Gegend gewöhnlich benutzt wurden, um Indianer und Mexikaner zu bestrafen, nie jedoch Weiße und erst recht keine Offiziere.

Der Sergeant schloss die Tür auf. Der Sekretär lag auf einer Metallpritsche ohne Matratze. Er stand auf, nahm eine stramme Haltung ein und salutierte wortlos. Hat er den Mund aufgemacht?, fragte der General den Sergeant. Nur um mich darüber zu informieren, dass ich ihn in eine Einzelzelle sperren soll. Sonst nichts? Der Militärpolizist dachte einen Moment nach. Er hat um etwas Wasser gebeten, sagte er. Der General kratzte sich an der Nase, schüttelte dramatisch den Kopf. Knebeln Sie ihn, sagte er, und ketten Sie ihn in einer der Latrinen an, ich brauche diese Zelle. Er deutete auf den Heliografisten. Den sperren Sie hier ein, befahl er. Wenn er ein Wort sagt oder etwas an die Wand schreibt oder was auch immer, geben Sie mir Bescheid, und er wird auch bestraft. Jawohl, Sir. Keiner der beiden Gefangenen protestierte.

Der General holte eine Decke und einen Nachttopf aus seiner Stube. Dann ging er zur Waffenkammer, um nach zwei Handschellen und einer Kette zu fragen. Er kehrte ins Büro des Telegrafisten zurück und kettete ihn an seinen Stuhl, ohne dass dieser Widerstand leistete. Er stellte ihm den Nachttopf unter den Sitz, falls er pinkeln musste, und ließ seinen Händen genügend Spielraum, um sich die Hose herunterzuziehen. Er legte ihm die Decke um die Schultern. Wir werden schön leise hierbleiben, bis Lawton in Texas ist, sagte er und legte ihm fast zärtlich eine Hand auf die Schulter, wenn Sie scheißen müssen, verkneifen Sie es sich. Ja, Sir, sagte der Techniker und fügte hinzu: Wollen Sie nicht erst noch Ihrer Frau schreiben? Miles zog ein Taschentuch aus der Uniformjacke, schüttelte den Kopf mit einer Traurigkeit, die aufrichtig wirkte, und knebelte ihn. Er tätschelte ihm wieder die Schulter, sah auf die Uhr. Ruhen Sie sich aus, der Captain wird nicht vor vier Uhr morgens in El Paso sein, sagte er und ging zu seiner Stube. Auf dem Weg verfasste er in Gedanken einen weiteren Brief an seine Frau. Liebe Molly, dachte er, vielleicht sind wir noch einmal davongekommen.

Ellie und Amyntor Blair McMillan legten einen langen, schweißtreibenden Fußmarsch zurück. Die Außenmauer des Quadrangle, der sie komplett folgten, kam ihnen unter der spätsommerlichen Sonne wesentlich länger vor, als sie tatsächlich war. Obwohl die Wanderung im Grunde angenehm war, führte sie doch unter schattigen Eschen an einem Kanal entlang. McMillan hatte sich das Kind auf die Schultern gesetzt, damit ihm nicht so heiß wurde, und ihm seinen Hut übergestülpt, was es zum Lachen gebracht und die restliche Zeit abgelenkt hatte.

Am Tor bei den Pferdeställen stellten sie fest, dass sie auch dort nicht allein waren – ein Dutzend Journalisten mit Notizbüchern, Fotoapparaten, kleinen, fast krempenlosen Hüten wartete darauf, dass jemand sie erhörte. Ein alter Soldat von niederem Rang bewachte von innen das verschlossene Tor. Sein Blick war auf einen Horizont oberhalb der gelangweilten Gesichter der Reporter gerichtet.

McMillan trat an das Gitter und erklärte dem Soldaten so diskret wie möglich, dass er der Anwalt von Captain Lawton sei und Leutnant Parker ihm gesagt habe, er solle sich hier melden. Der Soldat tippte sich an den Hut und zog einen Schlüsselbund aus der Tasche seiner Drillichhose. Die Art, wie er in der Hosentasche wühlte, den Schlüsselbund ausschüttelte und den richtigen Schlüssel auswählte, um ihn ins Schloss zu stecken, verriet, warum aus ihm nie mehr geworden war als ein einfacher Gefreiter. Amyntor Blair drehte sich mit dem Kind auf den Schultern zu seiner Frau um, um ihr mit einer Geste zu bedeuten, dass sie herkommen solle. Einer der Journalisten fragte Ellie, was sie hier täten, und sie antwortete voller naivem Stolz, ihr Mann sei der Anwalt des Helden, der Gerónimo bezwungen habe. Sofort scharten sie sich um sie, um McMillan Dinge zu fragen, die er selbst nicht ganz begriff, denn in Wahrheit hatte er lediglich an einem Sonntag die Zeit totgeschlagen, bevor er von dem heiklen Fall seines Klienten erfuhr: Stimmte es, dass man den Captain vor ein Kriegsgericht stellen würde, wenn er an die Ostküste zurückkehrte? Wusste er etwas über einen möglichen Abschied von General Miles? Was dachte sein Klient darüber, dass man ihn nicht ausgezeichnet hatte? Hatte er vor, Gerónimo den Behörden in Tucson auszuliefern, oder wollte er, dass er in föderaler Obhut blieb? Der Anwalt begriff, warum der Gesandte des Captains so hartnäckig darauf beharrt hatte, dass er am Sonntag und in Begleitung seiner Familie kam. Er sagte, wie sie sehen könnten, mache er einen Höflichkeitsbesuch mit seiner Frau und seinem Sohn, er bitte sie, den Tag des Herrn zu respektieren und sie durchzulassen. Mit einem Arm hielt er die Journalisten zurück, damit seine Frau durch das halb offene Tor gehen konnte, dann zwängte er sich selbst hindurch.

Der Gefreite schloss das Gitter hinter ihnen, als existierten die Journalisten gar nicht. McMillan wandte sich nicht um, obwohl sie ihm immer noch Fragen zuriefen, und betrat hinter seiner Frau und mit dem – unter dem Fedora wahrscheinlich schon eingenickten – Kind auf den Schultern den Stall. Der Soldat holte sie ein und fragte, ob Lawton gesagt habe, wo sie sich treffen wollten, damit er sie dorthin begleiten könne. Er hat nichts Genaues gesagt, antwortete der Anwalt, er meinte nur, wenn ich wolle, dass er mich Gerónimo vorstelle, solle ich heute kommen.

Ellie, die ein paar Schritte vorausgegangen war, blieb stehen und drehte sich nach ihrem Mann um. Du hast nichts davon gesagt, dass man uns den Indianern vorstellen würde, sagte sie. Das sollte eine Überraschung sein, erwiderte er lächelnd. Sie schüttelte den Kopf. Das ist was anderes, als sie durchs Gitter zu sehen, erst recht mit dem Kind; er ist ein Bandit, ein Mörder. McMillan warf dem Soldaten einen Blick zu, der unbeteiligt ins Innere der Ställe starrte. Es kann nichts passieren, antwortete McMillan seiner Frau, sie sind gefangen, unbewaffnet, von Soldaten bewacht. Und wenn doch? Wie viele Kinder hat Gerónimo in Arizona umgebracht? In Sonora? Liest du keine Zeitung? McMillan las keine Zeitung. Er wandte sich erneut an den Soldaten. Diesmal erregte er seine Aufmerksamkeit, zuerst mit einem Räuspern, dann, indem er ihn direkt mit seinem Rang ansprach. Wie gefährlich sind die Gefangenen?, fragte er, als der Mann ihn endlich zur Kenntnis nahm. Die tun nichts, sagte der Gefreite, aber was weiß ich, ich bin von hier, ich musste gegen die Komantschen kämpfen, ich würde nicht allein mit einem von ihnen in einem Raum sein wollen, nicht einmal tot. Ellie zog die Augenbrauen hoch. Wenn er tot wäre oder Sie? Er. McMillan kratzte sich an der Nase und sagte: Wenn Gerónimo in der Stadt ist, und das unbewaffnet, werde ich mir nicht die Gelegenheit entgehen lassen, ihn kennenzulernen.

Es war deutlich, dass er dem nichts mehr hinzuzufügen hatte und, egal was geschah, weitergehen würde. Du kannst gerne hierbleiben, sagte er, aber der Junge und ich werden gehen, er wird es später einmal seinen Kindern erzählen und die ihren Kindern.

Er hatte recht: Der Urenkel dieses Jungen hat mir die Geschichte erzählt, die ich hier erzähle.

Ellie gab nach. In Ordnung, sagte sie, aber nur, wenn der Captain dir versichert, dass nichts passieren kann. McMillan wandte sich an den Gefreiten: Wir gehen zu Lawtons Büro, richtig? Der Gefreite zuckte die Achseln. Der Captain steht spät auf, sagte er, und ich glaube, die Herren, die aus Washington gekommen sind, werden ihn noch mal befragen. Er nahm die Mütze ab und fuhr sich mit der Hand durch das schüttere, verschwitzte Haar, bevor er hinzufügte: Ich dachte, Sie wären hier, um ihm bei dieser Sache zu helfen. Dass der Captain Probleme hatte, wusste der Anwalt, nicht jedoch, dass es so ernst war. Das geht nur ihn und mich etwas an, sagte er, können wir ihn sehen? Der Gefreite schüttelte den Kopf. Was ich machen kann, ist, Sie zum dicken Parker zu bringen, sagte er, das ist der Dünne, der sich den ganzen Tag bei den Apachen herumtreibt; er und ein anderer, ein Mexikaner, von dem keiner weiß, was er hier eigentlich macht, aber das sind die Einzigen, die mit Lawton reden; sie können ihm Bescheid sagen.

Der Anwalt blickte seine Frau an, die ihm mit einer Kopfbewegung zu verstehen gab, dass sie einverstanden war. Gehen wir, sagte er zu dem Gefreiten, der sich die Mütze wieder aufsetzte und, bevor er weiterging, noch einmal das ganze Ausmaß seiner Bürokratenseele offenbarte: Da gibt es ein kleines Problem, sagte er. Gerade stellen sie Gerónimo zur Schau, aber wenn wir bei den Baracken sind, ist die Schicht vorbei, dann können Sie mit Parker reden. McMillan sah Ellie ein weiteres Mal an. Gehen wir, sagte sie. Ist mit dem Kind alles in Ordnung?, fragte der Anwalt, bevor er dem Gefreiten folgte. Rittlings auf seinen Schultern und still, wie er war, konnte McMillan nicht wissen, ob es dem Jungen gut ging. Er schläft tief und fest, antwortete seine Frau. Hat er den Hut noch auf? Er wird keinen Sonnenstich kriegen, sagte sie und sah den Wachsoldaten an. Gehen wir, beharrte sie.

Miles öffnete die Tür des Telegrafenbüros. Es war kurz nach drei Uhr morgens. Der Techniker war wach. Als er den General eintreten hörte, drehte er sich um und warf ihm einen Blick zu, der größte Besorgnis ausdrückte. Ist was gekommen?, fragte Miles, während er ihm den Knebel aus dem Mund nahm. Vom Weißen Haus, antwortete der Telegrafist – sein Mund fühlte sich von dem Lappen an wie Schleifpapier. Scheiße, sagte der General, der nicht einmal so freundlich gewesen war, dem Mann ein Glas Wasser mitzubringen. Was steht drin?, fragte er. Er war in Pyjama und Morgenrock. Ich konnte es nicht lesen, antwortete der Telegrafist, meine Hände waren gefesselt. Der Kommandant band ihn los, warf nebenbei einen Blick auf den Nachttopf und stellte erleichtert fest, dass er unbenutzt war. Der Telegrafist streckte sich, um zwischen den Papierrollen die Nachricht aus Washington zu suchen. Er hatte sie schnell gefunden. Sie ist vom Präsidenten, sagte er und las vor: irgendeine neuigkeit komma general fragezeichen. Wann ist das angekommen?, fragte Miles. Vor etwa einer Viertelstunde. Wie spät ist es in Washington? Kurz nach fünf. Der General fasste sich an den Nacken. Wir werden ihm antworten, sagte er, dann wissen wir, ob er wirklich besorgt ist oder nur drohen will. Als bräuchte er sie, nahm er die Brille aus der Brusttasche des Morgenrocks und diktierte:

herr präsident komma seit unserem letzten austausch haben wir den telegrafen nicht aus den augen gelassen punkt ich weiß nicht komma welche route captain lawton genommen hat komma aber ich weiß komma dass er sich mit uns in verbindung setzen wird komma sobald ihn meine nachrichten erreichen punkt ich hatte gehofft komma dass sie in einer garnison übernachten komma aber sie müssen im freien gelagert haben komma wie es in begleitung von wilden üblich ist punkt vielleicht sind sie ihrer route gefolgt und nehmen den weg durchs gebirge punkt in dem fall werden sie etwas länger brauchen komma um meldung zu machen punkt möchten sie komma dass ich persönlich aufbreche komma um ihn zu suchen fragezeichen

Der General kratzte sich zufrieden am Bauch, steckte die Brille zurück in die Tasche und ließ sich mit dem Gedanken, noch ein bisschen zu schlafen, auf den Stuhl fallen. Er machte es sich gerade bequem, als der Telegraf erneut zu rattern begann. Puh, seufzte er. Als die Nachricht auf den Papierstreifen fertig gedruckt war, las der Telegrafist vor:

bleiben sie komma wo sie sind punkt sobald lawton an einem ort ist komma wo er ihr telegramm lesen kann komma befehlen sie ihm komma dort zu bleiben komma und erbitten weitere anweisung punkt

Der General schob die Lippen vor. Er ist angepisst, sagte er, bevor er die Augen schloss und einschlief.

Gatewood empfand es als bescheidene Belohnung, dass Naiche ihm den Arm entgegenstreckte, damit er ihm beim Aufstehen half. Es war eine für die Apachen typische männliche Geste – um Hilfe zu bitten, die eigentlich nicht nötig war, vielleicht nur, um sich zu berühren. Dem Leutnant fehlte jede Kraft, trotzdem baten ihn die Chiricahua immer wieder um Hilfe. Es war wie ein Vertrauensbeweis, der ihn ehrte. Häuptling, sagte Gatewood auf Spanisch zu ihm, als der Indianer stand. Naiche legte ihm die Hand auf die Schulter und sagte auf Apache: Von allen außer dir, Langnase. Lächelnd fügte er hinzu: Langnase, einsamer Wolf. Gatewood erwiderte das Lächeln und zitierte die Namen, die die mexikanischen Zeitungen ihm gegeben hatten: Naiche, Häuptling aller Häuptlinge, Schrecken der Berge. Und fuhr fort: Hier trennen sich unsere Wege, und ich weiß nicht, ob wir uns je wiedersehen werden, deshalb schlage ich vor, dass du mich zu meinem Pferd begleitest. Der Häuptling legte ihm seinen Arm um die Schultern, der so lang war, dass er nicht nur den Nacken des Leutnants – der selbst ein großer Mann war – berührte, sondern auch dessen gegenüberliegenden Ellbogen in einer freundschaftlichen Geste stützend umfasste.

Schnell ließen sie die übrigen Chiricahua hinter sich, die sich, kaum war Gatewoods tägliche Komödie des Aufstehens beendet, wieder ihren eigenen Angelegenheiten zuwandten. Der Leutnant brach das Schweigen: Das ist wie sterben, Häuptling, ich glaube nicht, dass wir uns wiedersehen; auch von meinem Bruder Gerónimo werde ich mich verabschieden müssen. Der Indianer antwortete ihm, wahre Freunde würden sich immer wiedertreffen. Auf dieser oder auf der anderen Seite, fügte er hinzu. Der Leutnant kniff die Augen zusammen. Nicht auf dieser, sagte er, man wird mich entlassen oder an einen Schreibtisch an der Küste versetzen. Dann auf der anderen Seite, sagte Naiche. Es wird nicht schwer sein, dich zu finden, mit dieser Nase, die Usen dir gegeben hat. Auch dort nicht, sagte der Gringo, ich werde in den Himmel kommen, weil ich dir und Gerónimo den Arsch gerettet habe, und du in die Hölle, weil du so viele Mexikaner getötet hast. Der Chiricahua schüttelte den Kopf. Der Große Vater in Washington hilft einem, in den Himmel zu kommen, wenn man genügend Mexikaner getötet hat; meine Chancen stehen nicht schlecht. Du hast drei Frauen, wandte Gatewood ein, das ist Sünde. Sie sind allesamt zufrieden und haben Kinder, erwiderte der Häuptling; bei dir reicht es gerade mal zu einer, sie ist weit weg, und du hast ihr keine Kinder geschenkt; wenn wir uns nicht wiedersehen, dann weil du in die Hölle kommst. Sie näherten sich bereits dem Ende des Plateaus. Gatewood ging weiter, ohne die Pferde zu sehen. Dort hinten komme ein steiler Abhang, sagte der Indianer, die Pferde würden unten warten, da es einfacher sei, zu Fuß hinunterzusteigen, falls sie fliehen müssten. Der Leutnant bewegte den Schnurrbart. Keine Sorge, bemerkte Naiche, ich kann dich tragen, vorausgesetzt, du putzt dir vorher die Nase.

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Es ist, als kämen Sie nicht aus Chihuahua, sondern aus meiner Kindheit und wären selbst noch ein Kind, sagte Camila. Als kämen Sie aus einem Schacht, über dem ich stünde. Für mich kommen Sie nicht aus Buenaventura, für mich kommen Sie von irgendwo weit her. Als würde der Staub an Ihren Stiefeln vom Mond stammen. Als sie mich entführt haben, wurde alles anders. Es war die Hölle, ich wusste nicht, dass ich so viel Schmerz ertragen kann. Wenn ich an die Ranch gedacht hätte, an den gedeckten Tisch in Janos, hätte ich die Zeit nicht überstanden.

Sie saßen am Flussufer. Camila kratzte sich am Kopf, ließ den Blick über das Wasser schweifen und hob ihn dann zu einem Punkt jenseits der wilden Obstbäume im Tal, beschirmt vom Gebirge mit seinen hängenden Wäldern. Kiefern und Steine, Steinkiefern. Oberstleutnant Zuloaga begriff, dass er ihr zuhören musste, dass die Frau sich von einer Lebensweise verabschiedete, vor allem aber von einer Sprache, die sie nicht mehr sprechen würde, also schwieg er, warf nur hin und wieder kleine Steine in die Strömung, die an dieser Stelle so stark war, dass sie ein paar Meter mitgerissen wurden. Seine Aufgabe bestand darin, vor ihr zu salutieren, ihr seinen Segen zu geben, ihr dafür zu danken, dass sie Teil einer Gesellschaft und einer Geschichte war, ihr gleichsam im Namen von Präsident Valentín Gómez Farías zu sagen, dass sie die Republik verlassen dürfe. Er lüftete den Hut, um Feingefühl zu demonstrieren. Es war nicht schwer. Als Mann der Berge und Waffen konnte er gut verstehen, dass Häuptling Mangas Coloradas verrückt nach dieser Frau war.

Camila zog Gokhlayeh an sich, wie um sich zu schützen. Der Junge verstand die Geste genau und schmiegte sich an sie, als wäre er viel jünger, als er in Wirklichkeit war. Der Oberstleutnant sah, dass auch Gokhlayeh ein bisschen in sie verliebt war, auch wenn er sie shumma, meine Mutter, nennen musste, weil er Mangas’ Stiefsohn war. Er sah, wie der Junge sich auf dem Boden ausstreckte und seinen Kopf in ihren Schoß legte. Er sah, wie er ihn aus den Augenwinkeln beobachtete. Der Junge verstand, was vor sich ging, und mehr als das zärtliche Streicheln der Frau genoss er, dass er sie mehr besaß als Zuloaga. Sie vergrub die Finger in seinem dichten schwarzen, glänzenden Schopf.

Es war wirklich die Hölle, fuhr Camila fort. In der Siedlung wussten alle, dass Mangas mit einer Gefangenen zurückkehrte und die Alte ihnen entgegengeritten war, um sie herzurichten. Das weiß ich jetzt, damals wusste ich einen Scheißdreck. Ich konnte es nur über mich ergehen lassen. Ich war nervös, hatte aber keine Angst. Es gab keinen Grund; ich war gekleidet wie eine Apachin, von den Kriegern behütet, ich dachte, sie hätten mich bereits akzeptiert. Wie naiv ich doch war.

Alle erwarteten uns, halb neugierig, halb gekränkt, aber auch das begriff ich erst später – Mangas’ beide Ex-Frauen sind von hoher Abkunft, Töchter von Häuptlingen, und auch er ist der Enkel eines Häuptlings und Patenkind des Mannes, der ihm als Häuptling voranging. Sie sah den Jungen an, vergrub ihre spitzen, schwieligen Knöchel in seinem Haar und fuhr ihm mit den Fingernägeln über den Kopf. Das war der Großvater dieses Jungen und der Vater seines Onkels Cuchillo Negro, sagte sie, sie sind reinster Apachenadel.

Ich war, wo ich war, und das war alles, was ich hatte. Als Mangas sein Pferd zum Stehen brachte, standen die Leute vor ihren Hütten und starrten mich an, und die Mütter hielten ihre Kinder fest. Die Frauen, die von der Ernte kamen, standen einfach da, ohne ihre Körbe abzustellen, und die Männer hielten die Stöcke und Bälle in der Hand, mit denen sie gespielt hatten. Sie rührten sich erst, als ein alter Mann aus seiner Hütte trat, mit einem breiten Lächeln auf uns zukam und etwas zu Mangas sagte. Heute weiß ich, dass der Alte Medizinmann ist, aber in dem Moment kam er mir einfach nur wie ein kleines altes Männchen vor, voller Energie, aber schon sehr gebrechlich. Gutmütig, das ja, Sie haben ihn gestern Abend kennengelernt. Mein Mann und die Krieger stiegen vom Pferd und umarmten alle. Als wenig später die Rinder und die Maultiere mit der Beute eintrafen, fingen sie an zu singen, und es gab ein großes Durcheinander. Ich stieg nicht vom Pferd. Bei unserer Ankunft hatte die Großmutter mich am Bein berührt, und ich hatte begriffen, dass ich mich ruhig verhalten sollte.

Die Wahrheit ist, als ich die Indianer so sah, mit diesem breiten Lächeln, das Sie selbst gesehen haben und das bei guter Stimmung auf ihren Gesichtern erscheint wie die aufgehende Sonne, beruhigte ich mich. Keiner nahm Notiz von mir. Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte, aber was ich sah, waren keine Wilden. Sie waren ein Häuflein Menschen mit einer Haut, die vom Kampf mit den Elementen gegerbt ist, so wie Sie. Ich? Die Menschen von Chihuahua. Und Sie sind nicht mehr aus Chihuahua, Camila? Ich weiß nicht, was ich bin. Auf jeden Fall waren sie glücklich, weil ihre Jungs zurück waren und was zu essen mitgebracht hatten. Den Bedonkohe mangelt es an nichts, mein Oberstleutnant, aber sie müssen sich alles hart erarbeiten. Ihnen fällt nichts in den Schoß. So ist ihre Welt, und dafür sind sie dankbar.

Als sie mit Umarmen fertig waren, begaben sich alle zu dem offenen Platz in der Mitte des Lagers, wo sie, wie Sie gesehen haben, das Feuer machen. Es war nicht diese Siedlung, wir befanden uns an einem etwas höher gelegenen Ort, weil es noch nicht so kalt war. Es war deutlich, dass sie schon seit einer Weile dort lagerten: Das Gras war so zertreten, dass fast nur noch Erde zu sehen war. Mangas stand im Mittelpunkt des Interesses, alle klopften ihm auf den Rücken, sprachen ein paar Worte, wollten, dass er sie berührte. Die Kinder sprangen um ihn herum und machten einen Radau, das können Sie sich nicht vorstellen.

Sie führten ihn zu seiner Hütte, und er ging hinein, rückwärts, als wollte er den Leuten für ihre Zuneigung danken, fast wie ein großer Zarzuela-Sänger. Die anderen Krieger zerstreuten sich. Die Leute kehrten nicht auf die Felder zurück, sondern bildeten kleine Grüppchen, andere verschwanden in ihren Hütten, die Rinder und Pferde gingen ihrer Wege. Ich stieg ab und setzte mich auf den Boden. Ich traute mich nicht weiter ins Lager vor. Unsichtbar, wie ich war, dachte ich sogar daran, das Pferd zu schnappen und abzuhauen. Im Galopp nach Westen zu reiten, eine Mine zu suchen, um Hilfe zu bitten. Aber wer sollte mir helfen? Ich betrachtete meine fast schwarzen, rauen Apachenhände, meinen Apachenrock, die Apachenzöpfe, die mir die alte Frau am Fluss geflochten hatte. Ich schloss einen Pakt mit mir selbst: Wenn mich keiner angesprochen hätte, bis es dunkel wurde, würde ich abhauen.

Wer zu mir zurückkam, war der hier, Gokhlayeh. Was du machen hier, fragt Häuptling, sagte der Dummkopf zu mir in seinem neuen Spanisch. Der Junge in ihrem Schoß grinste und sagte: Mexikanerinnen dumm, weil sie sich rauben lassen. Camila zwickte ihm in die Wangen. Na, wie war das, Gerónimo?, fragte sie ihn. Gokhlayeh zog die Mundwinkel nach unten und stieß einen Pfiff durch die Zähne aus. War heftig, sagte er. Ich war zufrieden, dass er mich endlich holen ließ.

Der Weg zu ihren Hütten war nicht länger als zweihundert Schritte, mein Oberstleutnant, und ich trat leise auf, aber diesen Arschlöchern entgeht kein Geräusch – ich schwöre, morgens weckt sie der Flügelschlag einer Biene. Mit jedem Schritt, den ich ging, kamen mehr Frauen aus ihren Hütten. Sie sahen mich einfach nur an, mit blankem Hass, einem jahrhundertealten Hass, so tief verwurzelt, dass es eigentlich unerklärlich ist, warum wir beide noch am Leben sind und hier sitzen.

Natürlich wich ich zurück, überlegte, wegzulaufen, mir wieder die Kleider vom Leib zu reißen, nackt auf dem Pferd zurück nach Janos zu fliehen. Der Junge hier spürte, dass ich Angst hatte, nahm mich an der Hand und zog mich hinter sich her, während die alten Weiber langsam näher kamen. Sie bildeten ein Spalier. Noch trauten sie sich nicht, mich direkt zu beschimpfen, denn sie wussten nicht, wie der Häuptling reagieren würde, aber sie zischten mir Worte zu, die nach Beleidigungen und Drohungen klangen. Hoffentlich kommt mein Indianer bald heraus, sagte ich mir, hoffentlich kommt mein Indianer bald heraus. Wenn er Manns genug war, mich zu holen, dann soll er mich vor diesen Weibern schützen. Kurz vor Mangas’ Hütte hatten sie mich umzingelt. Vielleicht hätte ich mit einem Satz hineinspringen sollen, aber ich konnte nicht, ich war wie gelähmt. Ich klammerte mich an den Jungen und fragte, ob mir etwas passieren werde, aber der Mistkerl verstand mich nicht, denn er war genauso erschrocken wie ich. In ihrem Schoß kniff Gokhlayeh die Augen zusammen.

Da kamen Mangas’ Frauen heraus und fingen an, mich anzuschreien. Sie warfen mir Erde ins Gesicht, spuckten mich an. Die anderen bildeten einen immer engeren Kreis um mich. Der Junge versuchte, mich wegzuzerren, aber sie jagten ihn mit Fußtritten davon. Als sie anfingen, mich zu verprügeln, bemerkte ich, dass Mangas mich von der Tür seiner Hütte aus, die ich fast erreicht hatte, beobachtete.

Sie gaben mir Ohrfeigen, zogen mich an den Haaren, kniffen mich, packten mich an den Brüsten, als wollten sie sie abreißen. Während sie mir in den Magen und ins Gesicht schlugen, standen sie so dicht um mich herum, dass ich mich nicht mal bücken konnte, um mich zu schützen. Irgendwann stellte mir eine ein Bein, und ich fiel auf den Rücken. Sie können sich nicht vorstellen, mit welcher Wut sie mir in die Rippen, ins Gesicht, in die Nieren traten. Obwohl ich mich zusammenrollte, traten sie weiter auf mich ein. Dann zogen sie mich an allen vieren auseinander, als wäre ich eine tote Kuh. Ich konnte mich nicht mehr schützen und wartete mit dem Bauch nach oben auf den Tod. All diese verdammte Mühe, sagte ich mir, während ich spürte, wie die Mistweiber sich abwechselten, um mir mit ihren Mokassins immer wieder und wieder gegen den Kiefer und den Hals zu treten. Ich glaube, ich konnte noch sehen – aber vielleicht hat man mir das später auch nur erzählt, und ich bilde mir ein, mich daran zu erinnern –, wie Mangas’ Frauen nach einem Baumstamm griffen. Keinen Ast, mein Oberstleutnant, einen riesigen Stamm, verdammt, einen von denen, auf die wir uns zum Reden gesetzt haben, und den ließen sie auf meinen Kopf fallen. Was dann geschah, weiß ich nicht mehr.

Mangas hat seine beiden Frauen noch am selben Tag aus der Hütte gejagt, oder am nächsten oder weiß der Himmel wann, denn ich war ewig bewusstlos. Beide waren mit Häuptlingen verwandt, die eine war Mimbre, bei der anderen weiß ich nicht, von welchem Stamm. Er hat sie verstoßen, weil sie so brutal waren, obwohl die Apachen es durchaus schätzen, wenn eine Frau bei einer Schlägerei kein Mitleid zeigt. Als hätte er nur nach einem Vorwand gesucht. Er sagt, dass er Lust auf mich bekam, als ich mich auf der Flucht ausgezogen habe, und es ihm gefallen hat, wie ich durchgehalten habe – das betont er immer wieder, wenn wir gerade gevögelt haben: dass ein Mann wie er eine Frau wie mich braucht.

Und die Wahrheit ist, ich glaube nicht, dass irgendeins der beiden Biester ausgehalten hätte, was ich ausgehalten habe, sie hätten nicht mit dem Enthusiasmus weitergemacht, mit dem ich weitergemacht habe – sie waren kleine verwöhnte adlige Apachinnen. Jedenfalls schmiss er sie raus, und ihre Brüder kamen. Es heißt, sie hätten ihn herausgefordert, und dass er sich halb totlachte und beide gleichzeitig besiegt hat, den ersten im Handumdrehen mit der Lanze, damit er nicht länger nervte, den zweiten mit der Faust, damit seine Leute und alle da draußen sahen, wer das Sagen hatte. Sie haben ihn ja selbst erlebt, es ist nicht leicht, ihn zu besiegen, mit diesen Armen, die er hat, wenn er einem die Hand vor die Stirn hält, kommt keine Messerspitze mehr an ihn heran. Es heißt, er selbst habe die Frauen zu Pferd und mit einem Teil der Beute vom Überfall zurückgebracht; er habe dafür gesorgt, dass die Leichen ihrer Brüder wie die großer Krieger behandelt worden seien; dass er für alles eine gute Erklärung gehabt und es deshalb keine Rache gegeben habe.

Ich weiß nicht. Vor Kurzem kam hier ein ziemlich übler Krieger vorbei, den sie Nana nennen und der wie mein Mann ist: jung und schon eine Legende. Vielleicht ist er aber auch das Gegenteil von meinem Mann, denn er ist klein und ein bisschen blöd, aber er gewinnt auch immer. Und er ist Mimbre. Wir haben ihm die Ehre erwiesen und waren nett zu ihm, er ist ein paar Tage geblieben, und alle waren Freunde, so wie immer.

Aber ich habe Ihnen von der anderen Sache erzählt, sagte Camila nach längerem Schweigen. Sie haben mich in die Hütte der Großmutter gebracht. Wer weiß, wie lange ich da lag, sie haben pausenlos gesungen, mir einen scheußlichen Tee gegeben, manchmal habe ich eine liebliche Landschaft gesehen und manchmal die Hölle selbst. Sie kratzte den Jungen am Kopf. Der hier und seine Schwester haben mich gepflegt. Gokhlayeh rieb sich die katzenhaften Augen, die Usen ihm gegeben hatte und die von sehr roten, fast bis zur Stirn reichenden Wangen nach oben gedrückt wurden. Er hatte gewaltige, etwas Furcht einflößende Zähne. Die und alle, ergänzte der Junge, es gab großes Problem, die biaa haben’s übertrieben, und ihre Männer haben sie geschlagen, weil sie sie fast töten, sie haben sie zum Helfen geschickt. Sie sind zur Großmutter gegangen und haben geholfen, für meine shumma zu singen. Es waren viele Monde, und viele von uns dachten, sie stirbt, aber da war die Großmutter und pflegt und pflegt.

Camila bestätigte es voller Stolz – auf das Spanisch ihres Stiefsohns, auf ihre eigene Widerstandskraft. Eines Tages konnte ich mich wieder aufrichten, sagte sie zu dem Oberstleutnant, und ich sah meine Beine, sie sahen aus wie Besenstiele. Ich war noch nie so dünn gewesen, hatte mich nie so beschissen gefühlt, dabei war mein Leben in Chihuahua auch kein Wunschkonzert. Zuloaga musste lachen. Übertreiben Sie nicht, Sie waren Lehrerin, hatten eine Ranch. Sie zuckte die Achseln. Los, drehen Sie mir eine Zigarette, manches kann ich immer noch nicht richtig, so, wie sie mir die Finger zugerichtet haben.

Zuloaga nahm sich Zeit, drehte eine gute, voll und rund, reichte sie ihr und riss ein Streichholz an. Eine schöne Gewohnheit, sagte sie, den Damen Feuer zu geben. Ich kann hier nur heimlich rauchen, in der Hütte. Mangas mag das, er sagt, es erregt ihn, dass ich wie ein Mann rauche. Zuloaga errötete leicht. Sie bemerkte es und legte nach: Sie können sich nicht vorstellen, wie es ist, wenn ein Mann von seiner Größe es einem die ganze Nacht lang besorgt, mein Oberstleutnant, es ist das verdammte Paradies. Gokhlayeh lachte, nahm den Kopf aus ihrem Schoß, wälzte sich auf dem Boden. Dann hockte er sich hin und stand langsam auf, aber nicht vollständig, er nahm die Haltung eines Buckligen an. So wir Camila getragen, meine Schwester und ich, als sie wieder gut, sagte er und spielte sich selbst als Krücke.

Camila fuhr fort. Genauso war es: Seine Schwester und er haben mich aus der Hütte gebracht. Ich wollte nur noch die Sonne sehen, und dass sie mir was zu essen geben, feste Nahrung, denn ich war kaum noch von dieser Welt, ich war ein Vögelchen, ein Häufchen Elend. Wir gingen nach draußen. Weil meine Wunden noch nicht verheilt waren, gingen wir ganz langsam. Kaum war ich draußen, brach ein neuer Orkan über mich rein. Gokhlayeh, der sich wieder neben sie gekauert hatte, brach in schallendes Gelächter aus. Ich spürte die Sonne im Gesicht, schloss die Augen, und wieder ging das Geschrei los. Ich kann nicht mehr, sagte ich zu mir selbst und versuchte zurückzugehen, aber die beiden schleppten mich weiter und setzten mich auf dem Boden ab. Ich schaute zur Hütte zurück und sah, dass die Großmutter mich aufmerksam beobachtete, zuversichtlich, und hinter ihr der verdammte Mangas, der bei meiner ersten Tracht Prügel keinen Finger für mich krumm gemacht hatte und das offenbar auch bei der zweiten nicht vorhatte, die mich erwartete.

Der ganze verdammte Stamm kam, um mich anzuschreien. Ich verstand kein Wort, bat sie in meinem Kinderapache, mir etwas zu essen zu geben und mit mir anzustellen, was immer sie wollten, aber ich war so schwach, dass sie mich nicht verstanden, sie müssen gedacht haben, ich bete. Und dann?, fragte der Oberstleutnant, der endlich seine Rolle als Beichtvater aufgegeben hatte und nun wirklich an der Geschichte interessiert war, die ihm die Frau erzählen wollte, ihm erzählen musste, bevor sie für immer zur Apachin wurde.

Plötzlich bildete sich eine Lücke im Gewimmel, und eine der Frauen, die mich geschlagen hatten, tauchte auf, immer noch sehr wütend. Sie hatte einen großen Teller in der Hand, einen sehr schönen, bestimmt war er gestohlen, und darauf lagen zwei Fleischstücke. Das eine schön gegrillt, golden und saftig, wie das Fleisch, das wir sonntags immer in Janos gegessen haben. Das andere war rohe Leber von irgendeinem Tier, sie lag in einer Schale und schwamm in Blut. Hirschkalb, dachte ich, denn zu dem Zeitpunkt hatten sie das Fleisch der Rinder bereits in Stücke geschnitten, getrocknet und gelagert. Gokhlayeh nickte. Ein Hirschkalb, sagte er, wir es gefangen und festgebunden, bis sie aufstehen. Sie sind Soldat, fügte Camila hinzu, Sie wissen, wie gegrilltes Fleisch riecht, wenn man lange nichts gegessen hat, und ich hatte wer weiß wie viele Tage nichts gegessen. Aber ich wollte nicht sterben, also stürzte ich mich mit beiden Händen auf die rohe Leber und verschlang sie mit drei Bissen. Sie können sich nicht vorstellen, mit welcher Gier ich das Blut aufleckte, das noch in der Schüssel war, mein Oberstleutnant, mir wurde schwarz vor Augen, ich sah nur noch Sterne, dachte: Jetzt könnt ihr mich umbringen, ihr Drecksweiber.

Als ich mir das Blut von den Armen leckte, bemerkte ich, dass der Lärm wieder angeschwollen war, dass sich alle auf den Jungen und seine Schwester stürzten, aber um sie zu umarmen, dass die Großmutter sich neben mich gesetzt hatte und alle in die Hocke gingen, um ihr nette Dinge zu sagen. Sie begannen wieder, ihre Lieder zu singen, die mich während der Genesung so gequält hatten. Plötzlich tauchte mitten in der Menge Mangas auf. Er hockte sich vor mich hin, verpasste mir ein paar für ihn zärtliche Backpfeifen, zog mich an den Haaren. Er gab Gokhlayeh einen kräftigen Klaps, und alle brachen in Gelächter aus. Der Häuptling persönlich half mir aufzustehen, er fasste mich mit seiner Riesenhand um die Taille und trug mich durch die Menge. Die alten Frauen nahmen ihre Beutel aus Gamsleder und verstreuten Pollen über uns. Wir pflügten bereits durch die Schar, als ich mich umdrehte und Mangas in meinem schlechten Apache fragte, ob ich auch das gegrillte Fleisch noch essen dürfe.

Der Gefreite führte sie zum Kasernenhof und wartete mit ihnen, bis Gerónimo und die Chiricahua, die ihn zu seiner turnusmäßigen Zurschaustellung begleitet hatten, aus dem Quadrangle zurückkehrten. Der Anwalt war nicht mehr ganz so überzeugt davon, dass die Umgebung sicher war, als er bemerkte, dass alle Krieger, und nicht nur die, die er ausgestellt gesehen hatte, sich völlig frei in dem Bereich des Forts bewegten, den man ihnen zugewiesen hatte. Sie waren nicht angekettet, wie er erwartet hatte, sondern lebten ganz normal zwischen den Militärbaracken. Wir warten besser hier draußen, sagte er, als er sah, dass sich unter den Indianern im Hof auch Häuptling Naiche befand, der auf dem Boden saß – sein Körper war zu lang für den eher spärlichen Schatten der Dachvorsprünge. Sie blieben in vernünftigem Abstand außerhalb des Patios, Ellie auf einem Stein sitzend, die Männer stehend.

McMillan wusste, dass der Tiger von seiner turnusmäßigen Zurschaustellung zurückkehrte, als er sah, wie Naiche sich aufrichtete, zwei erstaunlich lange Arme ausstreckte, aufstand und sich den Staub vom Gesäß klopfte. Im Unterschied zu den ausgestellten Indianern, die er gesehen hatte, war der Häuptling noch wie ein Apache gekleidet, mit kniehohen Mokassins, Rock und Lederjacke. Als er sich umdrehte, um seine Frau darauf hinzuweisen, dass der Mann, der sich soeben aufgerichtet hatte, kein Geringerer als Naiche war, bemerkte er, dass sie längst aufgestanden war, sich den Rock glatt strich und das Haar richtete, als würde man sie einem Botschafter vorstellen. Sie zeigte nach Süden, und er bemerkte, dass sich die im Innenhof ausgestellten Gefangenen bereits näherten, in einigem Abstand gefolgt von Leutnant Parker und einem Mann – ebenfalls ein Offizier, aber mit hellerer Uniform –, bei dem es sich um den Mexikaner handeln musste, von dem der Gefreite gesprochen hatte.

McMillan war aufs Neue beeindruckt, mit welcher Sicherheit sich die Gefangenen bewegten. Einer von ihnen wirkte etwas zerstreut und hatte die Hände in die Taschen gesteckt, als wäre er unterwegs zu Freunden, um ein Bierchen zu trinken. Der Kriegsschamane erzählte irgendeine Geschichte mit dem gezügelten Enthusiasmus desjenigen, der weiß, dass er sein Publikum in der Hand hat. Der andere spielte mit dem Hut in seinen Händen und hörte ihm gebannt zu. Als er merkte, dass Parker den Blick hob, winkte der Anwalt ihm zu, woraufhin der Leutnant den Mexikaner am Ellbogen fasste, um ihn in ihre Richtung zu lenken.

Die Militärs kamen in aller Ruhe herüber. Als sie vor dem Anwalt standen, streckte Parker fast abwesend die Hand aus. Jetzt können wir uns begrüßen, sagte er; ich bin Parker, Leutnant. McMillan, der Berater, den man Ihrem Captain empfohlen hat, erwiderte der Anwalt und zeigte nach oben, das ist mein Sohn. Parker brachte ein halbes Lächeln zustande. Der Captain darf mit keinem reden, seit sie in Washington befohlen haben, die Züge zu stoppen, sagte er, wie um seinen Gesprächspartner vorzuwarnen. Dann werden Sie mir alles erzählen müssen, erwiderte McMillan, aber erst morgen, am besten in der Kanzlei, wenn das für Sie möglich ist; heute ist Sonntag. Parker kniff die Augen zusammen. Sie können sich nicht vorstellen, wie die Anwälte vom Kriegsministerium nerven, sagte er, sie sind das größte Übel der ganzen militärischen und zivilen Welt zusammen. Lächelnd legte McMillan eine Hand auf den Rücken des Kindes, um sich zu vergewissern, dass es gerade saß. Aber das hier ist Texas, sagte er, wir gehen die Sachen etwas anders an. Mit einem Kopfschütteln tauchte Parker aus der Welt der juristischen Probleme auf. Entschuldigen Sie, sagte er, das hier ist Leutnant Estrada, er begleitet uns, damit die mexikanische Regierung sicher sein kann, dass Gerónimo nicht in die Sierra zurückgeht. McMillan reichte ihm die Hand. Da erinnerte sich der Anwalt, dass er mit seiner Frau hier war. Er drehte sich zu ihr, um sie vorzustellen, in der Annahme, sie stünde hinter ihm, wie es sich für ein förmliches Treffen mit einem Klienten gehörte. Sie war weg.

zu händen doppelpunkt herrn präsident s punkt grover cleveland komma weißes haus komma von doppelpunkt g punkt nelson miles punkt selbstverständlich steht captain lawton weiter unter meinem kommando komma herr präsident komma und ich habe keinen grund zur annahme komma er könnte den gehorsam verweigert haben punkt sie haben völlig recht komma die gefangenen unterliegen nicht mehr der rechtsprechung der behörden von arizona punkt aus juristischer sicht ist die sache etwas komplizierter doppelpunkt gemäß seinen anweisungen gab captain lawton den zivilen behörden in el paso komma texas komma bescheid sowie er mit den gefangenen angekommen war punkt da die lokale justiz informiert wurde komma die indianer zurück nach arizona zu schicken komma müsste ein auslieferungsverfahren eingeleitet werden punkt ich bedauere dieses durcheinander zutiefst punkt ich hätte nie gedacht komma dass sie so schnell so weit kommen punkt ich habe mich bereits mit dem kommandanten in tucson in verbindung gesetzt komma um ihm unsere anwälte zur verfügung zu stellen komma falls sie die indianer zurückhaben wollen komma da die apachen jetzt der rechtsprechung des texanischen gouverneurs unterliegen punkt es tut mir aufrichtig leid punkt

Naiche und Gatewood erreichten zu Fuß den westlichen Rand der Hochebene. Der Häuptling wusste noch nicht, dass er an diesem Abend zum letzten Mal die Sonne hinter der Sierra Chiricahua untergehen sehen würde. Sie ließen sich nicht von der majestätischen Landschaft überwältigen – sie waren sie gewohnt, glaubten, es würde immer so bleiben, hatten Dinge zu erledigen. Allein beim Anblick des Gefälles, und als er den sandigen Boden bemerkte – er würde vor Schmerz ohnmächtig werden, wenn er dort hinuntersteigen müsste –, spürte der Leutnant den Stich der Angst. Er brauche sich keine Sorgen zu machen, meinte der Häuptling, er habe einen Plan, und ohne ihn zu fragen oder zu warnen, packte er ihn unter den Achseln und hob ihn hoch, um ihn sich auf die Schultern zu setzen. Der Leutnant strampelte ein bisschen, wusste aber, dass diese Haltung, die er im Sattel einnahm, die einzige war, die die Tortur im unteren Rücken und, daraus folgend, auch in den Oberschenkeln und den Knien ein wenig linderte.

Der Herr eines kranken Körpers findet immer Mittel und Wege, den schwarzen Engel der Demütigung zu umgehen, die Umsicht, sich mit einer von außen aufgezwungenen, aber notwendigen Unannehmlichkeit abzufinden. Er hatte das Gefühl, dass der Häuptling die besonderen Umstände ihres Abschieds genoss und die Wahrheit sagte, als er erklärte, er habe, als er den Befehl gegeben habe, die Pferde von der Hochebene zu führen, damit gerechnet, ihn zu den Tieren tragen zu müssen.

Naiche war ein freundlicher, ernster Mann, wie auch Mangas Coloradas einer gewesen sein soll. Vielleicht war er weniger standhaft, aber er hatte auch nie die Mittel, über die sein Großvater mütterlicherseits verfügen konnte, um sein Leben ganz dem Widerstand zu widmen. Wie sein Vater Cochís hatte auch er eine unergründliche Seite. Er war eigensinnig oder stolz, je nach Blickwinkel. Er verhandelte nie persönlich mit den amerikanischen oder mexikanischen Offizieren. Das überließ er Gerónimo, und danach stimmte er zu oder nicht, ohne jede Erklärung. Die Leute folgten ihm und nicht dem Kriegsschamanen. Aber er hatte auch eine schelmische Seite, die nichts mit der bedingungslosen Härte seines Vaters zu tun hatte. Vielleicht setzte er sie vor allem ein, um emotional schwierige Situationen wie diese zu meistern.

Wenn er nach dem Abschied ins Lager zurückkehrte, dachte Gatewood, würde Naiche mit Sicherheit allen erzählen, dass er ihn auf den Schultern den Berg hinuntergetragen hatte; sie würden sich über ihn lustig machen, aber insgeheim wäre der Häuptling stolz, einem Weißauge auf diese Weise geholfen zu haben – er war der Einzige, der die Größe und Kraft für so etwas hatte. Der Leutnant blickte auf, spürte die gnadenlose Sonne im Gesicht und nahm endlich Notiz von der dramatischen Szenerie der Berge, die sich vor ihm entfaltete. Er lächelte ohne Trauer.

Ein Ende, egal wie unwiderruflich, hat nie etwas Endgültiges an sich, zumindest nicht für den, der es erreicht. Die letzte Stunde des Beisammenseins mit einem anderen Menschen wirkt immer wie eine weitere in einer langen Reihe gemeinsamer Erfahrungen: eine wiederholbare Episode ohne Konsequenzen. Keiner denkt jemals, dass er jemanden zum letzten Mal geküsst hat oder bis zum Tod vermissen wird, wie die Haut hinter dem Ohrläppchen des anderen riecht. Wir registrieren es nicht, wenn unsere Kinder zum letzten Mal unsere Hand nehmen, um eine Straße zu überqueren. Wenn wir aus einer Stadt, einem Land wegziehen, denken wir immer, dass wir zurückkehren werden, dass die anderen sich nicht verändern, als wären sie verzaubert, und wir sie beim nächsten Mal umarmen und sie immer noch nach der gleichen Creme, dem gleichen Tabak und dem gleichen verbrannten Kaffee riechen. Doch die Freunde verändern sich, steigen beruflich auf, kaufen sich teurere Cremes, geben das Rauchen auf, trinken keinen Kaffee mehr und riechen nach grünem Tee, wenn wir zurückkommen. Oder sie werden verrückt, landen in der Psychiatrie und erleiden einen grauenvollen Tod, wovon wir per Mail erfahren. Es gibt ein letztes Gespräch mit dem Opa bei klarem Verstand, während man irgendein Fußballspiel anschaut, ein letztes von der Oma meisterhaft zubereitetes Gericht, ein letztes Telefonat mit dem Professor, der uns zu dem gemacht hat, was wir sind, und der eines Morgens in der Badewanne ausrutscht und stirbt.

Gatewood wusste, falls das Leben ihn noch einmal in den Südwesten führen würde, wäre diese Landschaft, die sein Denken geprägt hatte, so, wie ein Stein ein Loch im Schnee hinterlässt, nicht mehr dieselbe. Sobald die Chiricahua fort wären, kämen die Farmen, das Vieh, die Dörfer mit ihren Kirchen, ihren Hotels, ihren Gesetzen und ihren Friedhöfen. Es kämen der Lärm der Planwagen und die raschelnden Gewänder der stillen Puritaner beim sonntäglichen Kirchgang, das Glockengeläut und das Krähen der Hähne, das Miauen der Katzen, das Inferno aus Lokomotiven.

Naiche wandte sich um und betrachtete ihn von unten mit der spöttischen Miene, mit der er ihn stets gemustert hatte, seit sie sich das erste Mal begegnet waren. Während er den Kopf drehte, um den Gringo anzuschauen, bildeten seine glänzenden schwarzen, für einen Krieger kurzen Haare – eine seiner Frauen schnitt sie ihm, indem sie einen Weidenkorb als Maß benutzte – mit seinem Körper eine perfekte Spirale. Bist du bereit?, fragte er und stampfte mit den Füßen auf, als wollte er das Gerüttel imitieren, das sie beim Abstieg erwartete. Der Leutnant lächelte halb ängstlich, halb belustigt. Vor ihm war der Abhang, und am Grund der Senke waren die Pferde, zwischen denen er sein eigenes und das Pferd des dicken Parker erkannte, beide gesattelt und bepackt. Jenseits davon folgte das Ende des Skeleton Canyon – die einzige Spalte in der peinigenden Masse der Sierra und der Weg nach New Mexico. Bereit?, fragte Naiche. Los geht’s, antwortete der Leutnant und war sich einen Augenblick unsicher – er hatte das Bedürfnis, zurückzuschauen, einen Anker für seine Erinnerung auszuwerfen. Er wandte sich um, doch was er sah, waren nicht die Berge und der ungeheure Himmel Arizonas, sondern die verdammten Chiricahua, die sich vor Lachen krümmten, während sie zusahen, wie er die Hauptrolle in der lustigsten Szene des Tages, der Woche oder vielleicht des ganzen Jahres spielte. Alle wussten schon vorher, dass Naiche ihn tragen würde, wahrscheinlich hatten sie sogar darauf gewettet. Motherfuckers, dachte er und rammte dem Häuptling eine Ferse in die Rippen – dem einzigen König, Sohn und Enkel von Königen, den er in seinem Leben kennenlernen sollte. Hü!, Mistkerl, sagte er auf Spanisch. Der Apache steckte den Schmerz weg, wohl wissend, dass er verdient war. Solange du nicht deine Nase als Peitsche benutzt, antwortete er ihm in derselben Sprache.

Der Anblick musste ein wahres Vergnügen für die Apachen gewesen sein: Sie waren ein unmögliches Monster, ein Zentaur aus Kupfer und Silber, ein mythisches Tier mit Hosen aus Gamsleder und Sakko aus weißem Leinen, ein Mast mit Fedora. Naiche blickte seinen Reiter erneut von unten an. Er tat es mit breitem Grinsen, wurde aber gleich wieder ernst. Tut es weniger weh, Langnase?, fragte er. Es tut gar nicht weh. Der Leutnant spürte, dass etwas Großes geschah, viel größer als sein Leben, und dass der Häuptling es verstand und er nicht. Dann lass uns gehen, sagte Naiche.

Endlich begannen sie mit dem Abstieg. Zu Beginn war das Gefälle noch einfach zu bewältigen, denn es war steinig, und es gab Spuren von Vegetation – Punkte, an denen man Halt finden konnte. Der Leutnant sah die Welt von einer größeren Höhe als von einem Pferd aus, der Häuptling achtete gelassen darauf, wohin er seine Mokassins setzte; ihre Schatten waren die Zeiger einer Sonnenuhr, eine Säule, an der keine Götter mehr herabsteigen würden.

Gatewood spürte die Erschütterung in den Leisten und ein vages Schwindelgefühl; Naiche spürte die Oberschenkel des Leutnants auf den Schultern und den Druck seiner Stiefel in den Rippen. Die Angst seines Freundes. Sie erreichten einen steinigen Kamm, der die steilste Etappe des Abstiegs und die Sandfläche ankündigte. Auf geht’s, Langnase, sagte der Häuptling, ohne eine Bestätigung zu erwarten – der menschliche Mast in vollem Lauf.

Der Leutnant presste sich an den Kopf des Häuptlings. Die Pferde waren friedlich, sie mussten ihren Geruch schon erkannt haben. Hätten sie sie sehen können, hätten sie das Bild vielleicht unerträglich gefunden: ein Mensch, der auf einem Menschen reitet. Das letzte Sakrament für ein Stück Welt, das von diesem Tag an nicht länger neu war. Gatewood wandte den Kopf und sah, dass die Chiricahua zum Rand der Schlucht gerannt waren, um ihnen beim Abstieg zuzuschauen. Sie lachten nicht mehr. Wer könnte das? Usen geht, und der Große Vater aus Washington betritt die Bühne, der Kreis der Geschichte schließt sich mit dem letzten Bruch der amerikanischen Ordnung, der Erniedrigung derer, die das nicht verdient haben, sie endet, damit sie später jemand aufschreiben kann, wie Homer sagte. Die Geschichte, wie sie ist: traurig. Das ist alles, Amerika.

zu händen doppelpunkt captain elpenor ware lawton komma wo immer sie sind komma von doppelpunkt g punkt nelson miles punkt sehr geehrter captain lawton doppelpunkt präsident cleveland hat mir persönlich befohlen komma dass sie komma ihre gesamte truppe und die gefangenen mit dem zug zum fort sam houston in san antonio komma texas komma fahren und dort auf die abgesandten warten komma die eine reihe von befragungen durchführen werden komma um zu klären komma was mit den kriegern geschehen soll und wer die verantwortung für mögliche fehler im verlauf der mission trägt punkt ich bitte sie inständig komma wahrheitsgemäß zu antworten punkt mir wurde jede verantwortung in der region entzogen komma die mission liegt daher in ihrer hand komma bis neue weisungen meiner vorgesetzten erfolgen punkt ich wünsche ihnen viel glück punkt lassen sie sich nicht entmutigen komma der einzige held hier sind sie punkt

Der letzte Teil der Fahrt nach Tucson war genauso öde wie die Landschaft aus Kakteen und Steinen, die wir durchquerten. Die Kleinen hüllten sich in ein halb melancholisches, halb eisiges Schweigen. Das Mädchen an ihren großen Bruder geschmiegt, der Junge verschlossen, mit finsterer Miene, den Blick aus dem Fenster gerichtet, eine Hand vor dem Mund, so, wie es seine Mutter macht, wenn sie sich vor Kummer schützen will, wenn sie abstreitet, dass etwas sie verletzt, weil es ja ohnehin weitergehen muss, Punkt.

Der Große sagte nicht mehr viel, nachdem er offenbar zu dem Schluss gekommen war, es sei zu spät. Ich wollte ihn nicht fragen, zu spät wofür. Um die Reise fortzusetzen? Für unser gemeinsames Leben? Meine Frau versuchte, ihn in ein Gespräch über den Dokumentarfilm zu verwickeln, bei dem er Regie führen würde, doch er antwortete nur einsilbig, bis sie es schließlich aufgab und im Radio nach mexikanischen Sendern suchte.

Ellie war Texanerin, sie hatte sich bereits von der Gruppe gelöst und betrachtete aus der Nähe und voller Neugier die Chiricahua, die auf dem Weg in den Kasernenhof waren, wo Häuptling Naiche sie bereits mit einem Lächeln, das angesichts seiner Situation als gefangener König unerklärlich war, und gut gelaunt erwartete. Die Indianer waren nicht das, womit Ellie gerechnet hatte. Sie trugen keine Federn, wirkten weder wie Wilde noch Verrückte, noch Mörder. Sie waren ein paar Männer, die sich auf der Erde bewegten, als gehörte sie ihnen.

Ellie, Ellie, rief ihr Mann. Sie kehrte um und fragte Parker unverhohlen: Warum sind sie so zufrieden? Der Leutnant zuckte die Achseln, als wollte er sagen, dass im Krieg immer alles relativ sei. Sie leben, sagte er, sie sind auf dem Weg nach Florida, wo man sie in einem Fort einsperren wird, aber mit ihren Familien; sie könnten viel schlimmer dran sein. Und der Sheriff von Tucson?, fragte Ellie. Was soll mit ihm sein?, fragte der Leutnant. Er verspricht noch immer jeden Tag in der Zeitung, dass sie hängen werden. Parker strich sich über den Schnurrbart. Wir haben sie nicht verhaftet, sie haben sich ergeben. Und? Der Leutnant schüttelte den Kopf und versuchte zu erklären, wofür ihm die Worte fehlten. Sie aufzuhängen wäre Mord. Der Anwalt kniff die Augen zusammen – eine Miene des Zweifels, auf die der Mexikaner Estrada mit einem Lächeln reagierte. Kann ich näher rangehen?, fragte Ellie dazwischen, die die Chiricahua die ganze Zeit nicht aus den Augen gelassen hatte. Natürlich, sagte Parker. Ist das auch sicher?, fragte McMillan, und Parker und Estrada lachten.

McMillan beobachtete nervös, wie seine Frau langsam, aber entschlossen auf die Gefangenen zuging. Wie viele Leute hat Gerónimo getötet?, insistierte der Anwalt mit einer Stimme, die um eine Nuance höher war als üblich. An der Art, wie der Leutnant die Hände in die Hüften stemmte, um sein Erstaunen angesichts der Frage auszudrücken, bemerkte McMillan, dass der Offizier tatsächlich einmal dick gewesen sein musste. Die Dame kann so viel mit ihnen reden, wie sie will, antwortete der Leutnant, selbst wenn sie bewaffnet wären, könnte sie das; das sind Krieger, keine Mörder, sie sind nicht wie Sie, aber auch nicht viel anders als ich oder Leutnant Estrada. McMillan kniff wieder die Augen zusammen. Sie muss nur Spanisch reden, schloss Parker.

Am Flughafen ankommen, das Gepäck aus dem Kofferraum nehmen, zusammen zum Schalter gehen, ihm Geld für die Reise geben, damit er sich in den nächsten Tagen ein paar schöne Dinge kaufen kann. Dann die Umarmungen. Lange, hauptsächlich wortlose Umarmungen. Geh nicht verloren, sagte ich zu ihm, und er antwortete, keine Sorge, verloren gehe er bestimmt nicht. Ich glaube, er wollte mich nicht vor den Kopf stoßen, sondern sich nur Mut machen. Er erlaubte mir, sein Gesicht zu berühren.

Und dann das Härteste: die Geschwister in den Arm zu nehmen. Maias Tränen, die strenge Ernsthaftigkeit von Dylan, der bestimmt denkt, er müsse der Kleinen irgendeine Art von Vorbild sein.

Zuloaga kehrte nur ins Lager zurück, um seine Sachen zu holen. Gokhlayeh war gegangen, um mit anderen Kindern zu spielen, sodass sie allein waren, als sie bei den Hütten ankamen. Ich werde in die Hauptstadt gehen und den Gouverneur überzeugen, Frieden mit Mangas zu schließen, sagte der Oberstleutnant zu Camila. Sie nickte. Das ist gut, sagte sie, und jetzt gehen Sie, damit Sie abends an der Wasserstelle sind; Sie haben freies Geleit, also lassen Sie sich Zeit. Er trat auf sie zu, um ihr zumindest eine Umarmung zu entlocken. Sie machte einen Schritt zurück und sagte: Wie naiv Sie sind, Oberstleutnant José María Zuloaga, wenn Sie versuchen, auch nur ein Haar von mir zu berühren, schießt man Ihnen den Kopf weg, bevor Sie auch nur meinen Geruch wahrnehmen. Das sah er ein. Wollen Sie wirklich hierbleiben? Sie lächelte sanft. Lieber gebe ich mir die Kugel, als nach Janos zurückzukehren, sagte sie. In Ordnung, sagte der Oberstleutnant und reichte ihr einen Beutel, den er aus der Satteltasche gezogen hatte. Das gehöre ihr, sagte er zu Camila. Was ist das?, fragte sie. Die Stiefel und die Kleidung, die Sie wegwarfen, als Ihr Mann Sie in der Nähe von Janos entführt hat. Sie schaute in den Beutel, roch an ihren Kleidern, schloss die Augen und gab ihn Zuloaga zurück. Und jetzt gehen Sie, sagte sie, geben Sie das meinem Onkel und meiner Tante, wenn Sie durch Casas Grandes kommen, und sagen Sie ihnen, dass es mir gut geht und ich glücklich bin, dass ich ein Kind erwarte und aus ihm ein großer Krieger werden wird. Und wenn es ein Mädchen ist? Eine große Kriegerin; hier ist so was möglich, da unten nicht. Wirklich?, fragte der Oberstleutnant. Sobald ich mich von der Geburt erholt habe, werde ich mein Messer und meine Winchester bekommen, mein Freund José María Zuloaga, oder glauben Sie, ich wäre Apachin geworden, nur weil Mangas so ein hübscher Kerl ist?

Während er auf dem Rücken des Chiricahua den sandigen Abhang hinabstieg, erlebte Leutnant Gatewood die Fortsetzung der Halluzination, die er gesehen hatte, als die Indianerin ihm beim Aufstehen geholfen hatte. Bei den Pferden angekommen, half Naiche ihm, auf seines zu steigen. Der Leutnant erzählte ihm, was er gesehen hatte.

Mein Apache reicht nicht, um es dir zu erzählen, sagte er, also mache ich es auf Spanisch. Ich sah die Wüste, ich sah viele Indianer, die nach Arizona zurückkehrten, ein breiter Strom aus Indianern, die aus Mexiko und von noch weiter her kamen, aus den dichten Wäldern, die es dort unten gibt, aus den tiefer gelegenen Landstrichen. Große, starke Indianer, die die Wüste durchquerten, um einzufordern, was du im Begriff bist zu verlieren. Ich sah Kinder, die sich verlaufen hatten, Karawanen tapferer Krieger von neun, dreizehn Jahren, die den Adlern folgten. Ich sah, wie sie sich in ihren Sprachen unterhielten, manche auf Spanisch, manche in anderen Sprachen, in Brooklyn und in Raleigh und in Philadelphia und in Atlanta, Städte im alten Teil des Landes, die du vielleicht kennenlernen wirst, nachdem sie dich nach Florida gebracht haben. Ich sah ihre Kinder in den Schulen und den Parks und den Krankenhäusern. Genauso war es – Indianer, und nun sprachen sie fast alle Englisch, es waren wunderschöne Gringos mit deiner Hautfarbe, und sie brachten es zu Offizieren und Ärzten und Senatoren. Ich sah, dass dieses Land auch ihnen gehören würde. Dir. Dass du in ihnen zurückkehren wirst.

Naiche stand vor ihm. Eine Hand hatte er an den Zügeln von Gatewoods Pferd, mit der anderen strich er über dessen militärisch gestutzte Mähne. Er antwortete auf Apache, dieser königlichen Sprache: Das solltest du Gerónimo erzählen, er ist Kriegsschamane, er könnte dir erklären, was dein Traum bedeutet. Oder Lozen, aber sie ist auch hinuntergegangen, um Miles kennenzulernen. Du solltest es ihnen erzählen und hören, was sie dir sagen. Lozen hat Victorios Ohren, sie hört für alle Mimbre, die noch übrig sind. Geh noch nicht, reite wieder hoch, ich helfe dir auch abzusteigen, und wir warten auf sie.

Der Leutnant strich sich über das Gesicht, rückte sich den Hut zurecht und schüttelte den Kopf. Nein, sagte er. Warum nicht?, fragte Naiche. Weil es vorbei ist, sagte der Leutnant. Dann trennen sich unsere Wege hier, erwiderte der Häuptling und reichte ihm seine gewaltige Hand. Als Gatewood sie drückte, umschloss Naiche sie mit seiner anderen Hand. Wohin gehst du?, fragte er, auch wenn das im Grunde egal ist. Nach New Mexico, antwortete der Leutnant. Ich reiche dort meinen Rücktritt ein, denn wenn ich zum Apache Pass gehe, werden mich unsere Toten nicht mehr loslassen. Der Häuptling nickte, vielleicht begriff er, dass es für alle vorbei war. Du nimmst den Weg über Ánimas, sagte der Krieger auf Spanisch. In der Tat, antwortete Gatewood, das ist es, was wir sind, ánimas, Seelen, sonst nichts.

Die Kinder hatten die gesamte Fahrt nach San Carlos, die länger dauerte als gedacht, eine hundsmiserable Laune. Dylan hatte die ganze Zeit die Fäuste geballt und suchte nach Vorwänden, um sich mit seiner Schwester zu zanken.

Leutnant Estrada begriff vor seinem amerikanischen Kollegen, dass der Anwalt ihnen keine offensichtlichen Fragen zum Verhalten der Chiricahua stellte, sondern sich bemühte, seine Frau im Zaum zu halten. Er legte McMillan eine Hand auf den Unterarm und erklärte, er werde die Dame begleiten, er müsse sich keine Sorgen machen. Der Anwalt dankte ihm mit einer Geste, und als er ihn hinter seiner Frau hergehen sah, fragte er Parker: Wo hat er den Revolver? Der Dicke erwiderte unbesorgt, er habe ihn auf seinem Zimmer gelassen, da er in diplomatischer Mission hier sei. Aber keine Angst, fügte er hinzu, wenn sie nicht im Krieg sind, sind sie die freundlichsten Menschen der Welt.

Ellie konnte die Chiricahua einen Moment aus der Nähe betrachten, bevor sie ihre Anwesenheit bemerkten und ihre Ungezwungenheit verloren. Sie lachten sich schief, und sie begriff nicht, dass sie sich über die Dummheit der Leute auf der anderen Seite des Gitters lustig machten, die sich fast prügelten, nur um sie zu sehen. Sie fand, dass sie mit ihren rechteckigen Formen und geraden Rücken ein bisschen wie Spielzeug aussahen, wie diese Automaten, die Zettelchen mit Horoskopen ausspuckten, wenn man einen Penny in den Schlitz warf – als wären auch sie aus Holz oder Blech gemacht und durch die Münze eines ihr fremden Gottes in Bewegung versetzt worden.

Chapo, Gerónimos Sohn, bemerkte, wie sie näher kam – sie erkannte sie alle wieder, weil sie seit Jahren die Nachrichten über sie in der Presse verfolgt hatte. Er deutete auf sie, und die anderen drei wandten den Kopf in ihre Richtung. Ihre Gesichter nahmen einen ernsten Ausdruck an. Die jüngeren von ihnen senkten sofort den Blick und starrten auf den staubigen Boden. Gerónimo und Naiche verfolgten sie mit Blicken, aus denen Ernst oder Arroganz sprach. Als sie fünf oder sechs Fuß entfernt war, blieb Ellie stehen und schlug die Augen nieder. Sie betrachtete Gerónimos Hände und sah die Schrammen des Ruhms und die Hornhaut vom häufigen Gebrauch des Revolvers. Es waren kräftige Hände, trocken wie abgestorbene Äste, bei deren Anblick ein Schauer ihren Unterleib durchlief, der sich bis in ihre Brust hinaufzog. Sie merkte, dass ihre Handflächen schweißnass waren.

Als er Ellie eingeholt hatte, blieb der Mexikaner dicht hinter ihr, um ihr etwas zu sagen, das sie nicht hören wollte. Sie ließ ihn stehen und ging noch näher an die Apachen heran. Sie machte erst wieder halt, als sie den Moschusgeruch des Kriegerschweißes der Chiricahua wahrnehmen konnte, einen Geruch wie von einem Soldaten aus einem griechischen Gedicht. Sie tat einen letzten Schritt und hob die Augen, sah, dass Gerónimo die seinen auf ihre Brüste gerichtet hatte, die unter den zahlreichen Schichten aus Baumwolle, Krinoline und Seide nur zu erahnen waren. Ihre Warzenhöfe schrumpften und zogen sich so faltig zusammen, dass ihre Brustwarzen hart wurden. Sie spürte, dass der Stoff des Büstenhalters an ihnen rieb. Sie nahm den Hut ab und sagte in ihrem Spanisch mit dem Akzent einer Kuh, es sei ihr eine Ehre, ihn kennenzulernen. Der Apache lächelte etwas gezwungen, neigte den Kopf und antwortete: Die Ehre ist ganz meinerseits. Er klopfte seinem Sohn auf den Rücken und wollte ihn gerade vorstellen, als sie ihn unterbrach und sagte: Chapo, sehr erfreut. Und Sie sind Perico, sagte sie und neigte den Kopf vor dem dritten Indianer. Und anschließend, mit einer leichten Verbeugung: Häuptling Naiche. Der Krieger stieß ein Lachen aus und sagte zu dem Kriegsschamanen etwas auf Apache. Er sagt, Sie sollen sich mal locker machen, übersetzte Gerónimo und kniff die Augen zusammen, als würde er durch sie hindurch jemand anderen sehen. Er nahm die Hand vom Gürtel, ohne die Frau aus den Augen zu lassen, und reichte sie ihr. Sie nahm sie in beide Hände, ängstlich und ehrfürchtig zugleich; am liebsten hätte sie sie abgeleckt.

Der Ehemann, der die Szene aus der Ferne beobachtet hatte, eilte herbei. Mehr als dass McMillan das lebhafte Interesse seiner Frau bemerkte, traf es ihn. Es war nicht wie ein Schlag in den Magen, sondern wie die Wunde, die ein Messer hinterlässt, wenn man es herauszieht. Am liebsten hätte er vor ihr eine Linie in den Sand gepinkelt. Leutnant Estrada, der noch immer dicht hinter Ellie stand, beeilte sich, McMillan vorzustellen. Naiche war größer als er, doch Gerónimo war so viel kleiner, dass der Anwalt, als er eine steife Verbeugung machte, spürte, wie das Kind auf seinen Schultern, das er fast vergessen hatte, zu schwanken anfing. Er richtete sich schnell wieder auf und hielt es an den Knien fest. Gerónimo nutzte den kurzen Moment, um seine rechte Hand zurück unter den Gürtel zu schieben. Er hatte nicht die Absicht, sie noch einmal hervorzuholen, und richtete seinen Blick wieder auf Ellie.

Da begriff McMillan, dass der Indianer seine Frau nicht begehrlich ansah, sondern sie mit seinem Gedächtnis vermaß, als würde er in ihr etwas vor langer Zeit verloren Gegangenes suchen. Plötzlich sagte er etwas auf Apache zu seinen Gefährten und wandte sich Ellie zu, um ihr auf Spanisch zu sagen, dass sie ihn an eine Frau erinnere, die mit Mangas Coloradas verheiratet gewesen sei. Camila, sagte er, aus Chihuahua. Sie starb bei uns, ergänzte er. McMillan lauschte Estradas Übersetzung, als der Kriegsschamane plötzlich den Blick auf ihn heftete. Er spürte, wie sich sein Glied und die Hoden wie ein Tintenfisch in seinen Unterleib zurückzogen. Pass auf sie auf, sagte der Chiricahua mit Nachdruck, sie ist eine echte Frau.

Das Kind, inzwischen war es aufgewacht, vollführte ein stürmisches Beben hoch oben auf den Schultern seines Vaters. McMillan hob den Jungen herunter und nahm ihn in den Arm, als wollte er damit das Thema wechseln. Er nahm ihm den Hut ab und stellte ihn vor. Das ist unser Sohn, sagte er. Sein orangefarbenes, sonniges Haar zerschnitt den Tag. Gerónimo schenkte ihm ein langes Lächeln, was die Offiziere in all der Zeit, die sie miteinander verbracht hatten, nie bei ihm gesehen hatten. Er ist rot, sagte der Indianer, und Estrada beeilte sich, es dem Anwalt zu übersetzen, der zu der Sorte englischsprachiger Menschen gehörte, die stolz darauf sind, nicht ein einziges Wort in einer fremden Sprache zu kennen.

Amyntor Blair McMillan fragte sich nach der Begegnung mit Gerónimo oft, ob Ellie die Frau war, die er geheiratet zu haben glaubte. Sie war nicht wiederzuerkennen, als sie ihm das Kind, auf das sich die Aufmerksamkeit des Kriegers verlagert hatte, demonstrativ, beschämend, demütigend, verzweifelt aus den Armen riss, um ihren Platz im Zentrum der Aufmerksamkeit des Schamanen zu behaupten. Der Anwalt war kein Leser, seit seinem Abschluss an der Universität hatte er kein Buch mehr in die Hand genommen und überflog höchstens einmal die Zeitung. Er begriff nicht, dass es nicht Gerónimos Körper, sondern die Nähe zum Ruhm war, die Ellies Herz höherschlagen ließ. Nichts ist so erregend wie der Träger eines Namens, der die Zeit überdauert, aber um das zu wissen, muss man ein Freund der Buchstaben sein.

Die Frau nahm das Baby und konzentrierte sich nervös darauf, es herauszuputzen: Sie ordnete seine zerzausten Locken, zog sein Hemdchen und die Windeln glatt, steckte sich einen Finger in den Mund und säuberte ihm mit Spucke das Gesicht und die Hände. Anfangs wehrte sich das Kind, doch schnell stellte sich zwischen ihm und Mrs. McMillan die geschlossene Sphäre intimer Verbundenheit her. Die anwesenden Krieger und Militärs betrachteten sie, Opfer der Sehnsucht nach einem Glück, auf das alle bereits das Recht verloren hatten. McMillan war ein anderer Fall, er besaß nicht einmal die emotionale Intelligenz, um zu verstehen, dass er nichts verstand.

Als das Baby schließlich vorzeigbar war, streckte Ellie ihm die Zunge heraus, und es antwortete mit derselben Geste, was dazu führte, dass Gerónimos Gesicht erneut von einem strahlenden Lächeln erhellt wurde. Sie richtete den Blick auf den Alten, der sich ihr und dem Kind bis auf wenige Handbreit näherte. Sie spürte, wie sich ihr Mann hinter ihr regte, und meinte zu hören, wie Parker die Hand an die Pistole legte. Sie sah die ölig schwarzen Augen des Kriegsschamanen vor sich brodeln, sah, wie er kurz nachdachte und sich entspannte. Er berührte das Kinn des Babys. Willst du es halten?, fragte Ellie ihn auf Spanisch. Ohne zu antworten, strich der Indianer dem Kind langsam mit der Hand über den Kopf. Er hob den Blick über die Schulter der Frau und ließ ihn auf McMillan ruhen. Es war ein friedlicher Blick. Warst du als Kind rot?, fragte er ihn. Wie eine Tomate, antwortete der Anwalt, und alle atmeten erleichtert auf. Nimm es, insistierte Ellie, es wird nicht weinen, auch wenn du der verdammte Gerónimo bist. Chapo, Perico, Naiche, Estrada und der Schamane selbst brachen in schallendes Gelächter aus. Gerónimo sah erneut den Anwalt an. Darf ich?, fragte er. McMillan, der endlich begriffen hatte, dass er der einzige unwichtige Schauspieler im ganzen Drama war, wandte sich flehend an den Mexikaner. Er fragt, ob er ihn halten darf, übersetzte Estrada und fügte hinzu: Soweit ich weiß, hatte er fünf Kinder und ist ein guter Vater. Der Anwalt richtete seinen Blick auf Parker, doch es war bereits zu spät – seine Frau reichte sein Kind dem gefürchtetsten aller Banditen in den endlosen Gebieten Nordamerikas.

Am Schreibtisch des Motelzimmers, das wir, völlig erschöpft, in Datil, New Mexico, gefunden haben, gehe ich meine Notizbücher durch. Ich kann nicht schlafen. Der Atem der Kinder im Takt mit Valerias ist wie eine Ankündigung, dass wir morgen vielleicht wieder die Alten sein werden und nicht mehr das Bündel aus Emotionen und Missmut, das wir den ganzen Tag über gewesen sind. Ich stelle fest, dass ich kein einziges Wort über den langen Zeitraum geschrieben habe, den Gerónimos Gileño im San-Carlos-Reservat verbrachten. Nachdem ich es heute gesehen habe, denke ich, dass es vielleicht intuitiv richtig war, diese Zeit und diesen Ort auszulassen, an dem die Chiricahua so unglücklich waren, wo sie wie Vieh nummeriert wurden, wo sie immer wieder getrennt und gereizt wurden, wo man sie vom Alkohol und den Rationen aus madigem Mehl und Trockenwürsten abhängig machte.

San Carlos ist die Narbe, die zerstörte Haut, die geblieben ist, wo einst die Apachería war. Was es in San Carlos gibt, ist der Sitz des großen Bruders, der unserer großen Brüder.

Beim Reiten ertrug Gatewood den Schmerz, weshalb der restliche Abstieg von der Hochebene etwas angenehmer, wenn auch nicht entspannt war – das Gelände war uneben und das Gefälle beträchtlich. Die Steine waren locker, sodass die Kruppe seines Pferdes, obwohl es langsam ging, schwankte wie ein Schiff. Er ritt mit geschlossenen Augen, die Zügel fest an den Bauch gepresst, und biss aus lauter Angst vor den stechenden Schmerzen die Zähne zusammen. Sein Arzt in Virginia – ein Mann, der sich um die Gesundheit eines Menschen sorgte und nicht um dessen Ausdauer, so wie die widerlichen Militärchirurgen, die ihm Whiskey verschrieben und empfahlen, die Augen zu schließen, wenn er Schmerzen hatte – hatte ihm einmal erklärt, sein Gebrechen konzentriere sich ausschließlich auf die Lenden und die Gelenke; die Probleme im oberen Rückenbereich und in den Beinen – und seine kaputten Backenzähne – kämen daher, dass er wegen der Schmerzen die Kiefer aufeinanderpresse. Und auch seine fürchterlichen Migräneanfälle und sein chronisch steifer Hals hätten damit zu tun.

Erleichtert erreichte er den Grund der Schlucht. Er schloss die Augen und beugte sich vor. Den Rücken strecken zu können war ein Vorteil des Reitens. Im Stillen war er dafür dankbar, endlich allein zu sein, wenn auch nur, weil in einer fünfzehnminütigen Zeremonie eine ganze Welt ausgelöscht worden war. Er nahm den Hut ab, band ihn am Sattel fest und streckte sich. Er entspannte den Kiefer – den Mund halb offen wie ein sterbender Fisch – und schloss die Augen. Er legte den Kopf an den Hals des Pferdes, den Körper seitlich gestreckt, die Augen halb geschlossen, und ließ die Arme baumeln, als wäre er tot. Als das Tier spürte, wie er sich entspannte, verlangsamte es den Schritt.

Das Pferd muss die Gäule von Martín und dessen Cousin, Gatewoods ewigen Fährtenlesern, vermisst haben. Die beiden Scouts hatten Gerónimo begleitet, um bei den Verhandlungen mit Miles dabei zu sein. Bestimmt hatten sie mit einer Belohnung gerechnet – die sie nie bekommen sollten –, weil sie den Amerikanern so loyal gedient hatten. Der Leutnant erfuhr später, dass Martín, immer etwas klüger als die anderen, das Ausmaß der Kapitulation begriffen und den Paso de Guadalupe verlassen hatte, bevor die anderen Chiricahua Richtung El Paso aufbrachen. Er schnappte sich sein Pferd und kehrte nach Mexiko zurück, ohne dass jemand sich die Mühe machte, ihn festzunehmen. Er wurde Aufseher einer Ranch, ging wieder jeden Sonntag in die Kirche. Einige Zeit später zog er nach Coahuila, denn er begriff, dass es in Sonora und Chihuahua für die Apachen, die geblieben waren und immer noch erkannt wurden, nie Frieden geben würde. In Coahuila arbeitete er auf einer Ranch namens Australia. Seine Kinder kämpften für die Revolution, zerstreuten sich in alle Winde; die Kinder dieser Kinder sollten nie erfahren, dass sie einem Geschlecht von Fürsten angehörten, die irgendwann einmal mit der Winchester in der Hand über die felsigen Landstriche Arizonas geherrscht hatten.

Gerónimo streckte die Arme aus und nahm das Baby entgegen, das ihm belustigt und neugierig ins Gesicht fasste. Gatewood öffnete die Augen, ohne den Kopf zu heben – er war bereits in den Ebenen von New Mexico, in der Nähe von Ánimas; die geologische Masse der Sierra Chiricahua lag hinter ihm. Bevor er sich zurückzog, um sich den täglichen Pflichten zu widmen, band Miles den Telegrafisten los. Er befahl ihm, zur Militärpolizei zu gehen, damit auch der Heliografist freigelassen würde. Meinen Sekretär sollen sie lassen, wo er ist, bis neue Anweisungen ergehen, sagte er. Mit den Händen in den Taschen seines Morgenrocks schritt er in den ersten Innenhof. Eingesperrt in seiner Hütte im Fort Sam Houston in San Antonio, dachte Lawton, dass er davonkommen würde, weil er das Richtige getan hatte und Präsident Cleveland ein gerechter Mann war. Er kam davon, und zwar in einem Maße, dass das Dorf in Oklahoma, in dem die Krieger, die sich ihm in der Sierra Madre ergeben hatten, sterben würden, schließlich seinen Namen tragen sollte. Was er nicht ahnte, was er nicht wissen konnte, war, dass er in den letzten Überresten des spanischen Reiches weiterkämpfen, an der Invasion in Kuba teilnehmen und schließlich auf die Philippinen geschickt werden würde, in einen Spielzeugkrieg, in dem er als einziger Offizier der amerikanischen Armee im Gefecht sterben würde. Der Filipino, der ihm eine Kugel in den Kopf jagte, hieß Gerónimo – ob dies bloßer Zufall oder bittere Ironie war, ist wohl letzten Endes unerheblich. Als Zuloaga zu der Stelle zurückkehrte, wo Corredor auf ihn wartete, saß dieser bereits ungeduldig auf seinem Pferd. Kommst du mit nach Buenaventura, oder reitest du zurück nach Casas Grandes?, fragte er den Jungen und fuhr fort: In meiner Kommandantur werden immer gute Schützen gebraucht. Auf geht’s, sagte der Rarámuri. Der Kriegsschamane hob den rothaarigen Knaben Phoenix McMillan in die Luft. Beide lächelten. Ein Speicheltropfen rann dem Kind aus dem Mund und zerplatzte langsam, klebrig, glorreich auf der Stirn des Alten.

Während wir das San-Carlos-Reservat besuchten, waren die Kinder in ihrem privaten Reich, einer Welt, die uns ignoriert und in der alles Getuschel ist. Sie kennen Mexiko, sodass Armut sie nicht schockiert oder ängstigt, sie scheint in ihren Augen für nichts anderes zu stehen als für sich selbst. Sie ist weder unwürdig noch beschämend, sie ist einfach da. Während wir das Gemeindezentrum besuchten, in einem kleinen Laden eine Limonade tranken und ich erfolglos versuchte, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen, tuschelten sie pausenlos miteinander, ohne auf irgendwas zu achten. Irgendwann kreuzten sich ihre Wege mit denen von ein paar Kindern, die auf dem Dorfplatz – Graffiti und Vergessenheit – spielten, und sie mischten sich unter sie. Sie machten Fotos mit Dylans Handy. Als ich sie später auf dem Rückweg im Auto fragte, wie es sich anfühle, mit Apachen befreundet zu sein, fragte die Kleine: Das waren Apachen? Der Große sagte in dem ernsten Ton, in dem er mit seiner kleinen Schwester spricht: Apachen, aber keine Chiricahua.

Der Leutnant stützte sich mit beiden Armen auf dem Rücken seines Pferdes auf. Er war in Schweiß und Speichel gebadet, wie es nur jene sind, die tief geschlafen haben. Er griff nach der Feldflasche hinter sich und trank einen großen Schluck Wasser. McMillan, Parker und Estrada hielten den Atem an, bis Naiche, der die ganze Zeit nichts anderes getan hatte, als mit wenig Interesse das kleine Schauspiel vor seinen Augen zu verfolgen, erneut in ein – eher spöttisches – Lachen ausbrach. Gerónimo sagte etwas auf Apache zu ihm und drückte das Kind, das es sich auf seinem Schoß bequem machte. Er wandte sich zu seinen Freunden um, wie um damit anzugeben, dass er den Umgang mit kleinen Kindern nicht verlernt hatte. Dann richtete er sich wieder vor der Mutter auf und dankte ihr mit einer leichten Kopfbewegung – eine Geste, bei der sich die Männer endgültig entspannten und die sie wie einen freundlichen Biss in den Hintern empfand.

San Carlos ist nicht die Leere, auch nicht das Elend, wie alle sagen. Es ist ein Ort mit Vor- und Nachteilen, vielleicht das, was der Krieg hinterlässt, wenn man entdeckt, dass er sinnlos war. Das Register einer unnützen Anstrengung: so viel Leid, damit wir am Ende weiter Ball spielen können. Auf jeden Fall findet man in San Carlos vor, was man auch in den Chamula-Gemeinden von Chiapas und bei den bolivianischen Aymara vorfindet: das, was wir Amerika angetan haben, dem Land, auf das wir geifernd Ansprüche erheben. Wir sind nicht seine Kinder, wir sind eine Besatzungsmacht. Wir müssten uns in den Staub werfen. Wir müssten es zurückgeben. Das ist alles, Amerika, das ist alles. Wenigstens sollten wir deinen Namen kennen.

General Miles betrachtete den Himmel. Es dämmerte bereits, in Kürze würde das Signalhorn erklingen. Er tastete die Taschen des Morgenrocks ab, strich sich das Haar glatt und befühlte die aufgenähte Brusttasche. Da waren die Pfeife und die Brille. Er setzte sich die Gläser auf, stellte fest, dass in der Pfeife ein Rest unverbrannter Tabak war, und steckte sie sich in den Mund. Dieser verdammte Gerónimo, liebe Molly, dachte er, während er ein Streichholz suchte. Wusstest Du, fuhr er in Gedanken mit seinem Brief fort, dass es eine Legende über ihn gibt? Es heißt, als er jung gewesen sei, habe sein Gott ihm gesagt, er sei so mächtig, dass er im Kampf unsterblich sei. Ich glaube, das ist wahr – nie waren so viele Leute hinter einem Indianer her, um ihn zu töten, und am Ende erweist es sich, dass Lawton, Gatewood und ich ihn retten, und ich weiß nicht mal, warum.

Es war schon Abend, sie waren in aller Ruhe und wohlauf an der Wasserstelle des Arroyo del Oso angekommen, nachdem sie, um ihrer Toten zu gedenken, einen Abstecher in die Schlucht gemacht hatten, in der ihre Kameraden getötet worden waren, die Gringo und Elvira besser bestattet hatten, als sie es zu Lebzeiten erwartet hätten. Sie tranken bereits einen Kaffee nach dem Essen, als Corredor sich plötzlich entschloss, Zuloaga vorzuschlagen, auf der Stelle umzukehren und Gokhlayeh eine Kugel zu verpassen. Und warum?, fragte der Anführer neugierig, ohne ihn jedoch auch nur im Geringsten ernst zu nehmen. Haben Sie seine Augen nicht gesehen? Nein. Sie waren schwarz vor Wut, als er meine Pistolen gesehen hat. Wenn wir ihn jetzt beseitigen, fügte er hinzu, erspart uns das eine Menge Tote. Zuloaga lächelte. Du spinnst ja, sagte er.

Als wir wieder in den Wagen stiegen, um die Fahrt fortzusetzen, bat Dylan mich sehr förmlich, doch bitte anzuhalten, sobald wir die Grenze nach Colorado überquerten. Er war endlich wieder gut gelaunt, zumindest hatte er sich beruhigt. Maias Zustimmung verriet sich in dem fröhlichen Kichern, das die Bitte ihres Bruders begleitete – sie führten irgendwas im Schilde.

Gatewood überlegte, in der Cantina in Ánimas Rast zu machen, um das Pferd mit Wasser und Heu zu versorgen; er selbst würde einen Teller Bohnen mit Chili und Fleisch essen und dazu ein Bier und zwei Whiskeys trinken, um gut gelaunt in Lordsburg anzukommen. Ich sollte nach Virginia reiten, sagte er sich, während er den Hut abband. Seine Schmerzen waren weg. Er setzte ihn auf und sagte sich, dass es Dinge gab, die man nur auf Mexikanisch sagen konnte: Que se vayan todos a la chingada, ihr könnt mich alle mal. Er gab dem Pferd die Sporen.

Ich tat den Kindern den Gefallen und hielt genau auf der Grenze, die New Mexico von Colorado trennt. Und jetzt?, fragte ich, nachdem ich den Wagen auf dem Seitenstreifen der leeren Landstraße, auf der wir Richtung Nordosten nach Hause fuhren, zum Stehen gebracht hatte. Entriegel die Kindersicherung, sagte Dylan. Sie stiegen aus und rannten los, wobei sie sich in die Seite knufften und herumtollten wie zwei kleine Kinder, was sie in besonderen Momenten immer noch sind. Ich sah, wie sie die Füße fest gegen den Boden stemmten, bis drei zählten und sich dabei komplizenhaft ansahen. Sie formten die Hände zu Trichtern und schrien gleichzeitig und aus voller Kehle, wie es nur Kinder können: Nana, es gibt noch Apachen.

Da entfernte sich Gerónimo ein paar Schritte und drückte das rothaarige Baby noch fester an sich. Er flüsterte ihm etwas ins Ohr, mit Sicherheit in seiner Sprache. Die Kinder schrien: Cochís, es gibt noch Apachen. Vielleicht sagte er zu dem Kleinen, dass er, Gerónimo, besondere Kräfte habe, dass die Apachen besondere Kräfte hätten und er ihm, wenn er mit ihm käme, helfen werde, die eigenen zu finden. Vielleicht flüsterte er ihm zu, dass sein Sohn Chapo bei ihm sei, er aber bald Lenna sehen würde, die Tochter, die noch lebe, dass sie noch ein Mädchen sei, dass sie sich schon in Gefangenschaft in Florida befinde, weshalb er sich ergeben habe, denn er wolle nicht, dass sie so etwas ohne ihren Vater durchmachen müsse. Gerónimo, es gibt noch Apachen, schrien meine Kinder. Er könnte ihm gesagt haben, dass die Weißaugen Kinder ins Gefängnis steckten – sie tun es immer noch und schämen sich nicht mal dafür –, dass er, wenn er mit ihm käme, ein Apache sein könne, auch wenn er rote Haare habe. Vielleicht erzählte er ihm auch, dass er, als er jung gewesen war, noch mehr Kinder gehabt hatte, die Mexikaner sie jedoch zusammen mit seiner ersten Frau getötet hatten, bei einem verdammten Massaker, für das wir alle, die den grünen Pass mit dem Adler besitzen, uns noch immer schämen sollten, dass eines von ihnen ein wenige Monate altes Baby war, als es, schon allein auf dem Boden liegend, von einem Schuss zerfetzt wurde. Oder er sagte ihm, dass sein Leben genau in dem Moment beginne, da die Chiricahua gingen, und wie schade es sei, dass er so spät geboren worden sei, die Erde werde sich weiterdrehen, doch die Welt sei zu Ende.