DAS SELBSTPORTRÄT – Jetzt redet er! Auf der A9

Haben Sie Gefühle für meinen Mann? Schon länger? Was auch immer Sie mit meinem Mann verbindet, Sympathie, Mitleid, Bewunderung, Neid, Empörung, Seelenverwandtschaft, vielleicht würden Sie gern mal seine Stimme hören. Wie ist sein Blick auf das Campingleben? Und wie sieht er sich eigentlich selbst?

Mich hat das auch interessiert. Immerhin ist er der Grund, weswegen ich hier sitze. Warum die ganze Geschichte losging, der Urknall des Monster-Universums. Da soll er auch mal was sagen dürfen. Deswegen habe ich meinen Mann interviewt, mit Tonband im Cockpit, als unsere Tochter schlief. Wir waren kurz vor Nürnberg, als ich ihm die erste Frage stellte. Nach seinen Verdiensten im Wohnmobil. Ich dachte, da fängt er an zu sprudeln.

»Ich bin Fahrer, Techniker und Koch. In der Reihenfolge. Und wenn du mich nach meinen Glanzleistungen fragst, würde ich sagen: In der Küche war es dieses leckere Pfeffersahnefilet und im Technikbereich dieser Morgen, als ich die Ketten aufgezogen habe. Denn die Ketten bin ich ja auch nicht gewohnt, und es war kalt und auch spannend mit dem Schneefall. Das kann ich auf jeden Fall mitgeben: Bei einer Alpenüberquerung müssen die Ketten dabei sein.

Beim Fahren sehe ich die Hauptverantwortung immer noch bei mir. Auch wenn sich das relativiert hat, seitdem du auch fährst. Anfangs habe ich immer mit aufgepasst, dass du nicht zu weit rauskommst auf der Seite. Aber auf der letzten Tour habe ich sogar mal kurz die Augen zugemacht, weil ich wusste: Du fährst den sicher. Das ist ein Riesenvorteil. Du bist ein vollwertiger zweiter Fahrer. Ebenbürtig.«

»Na, ebenbürtig würde selbst ich nicht sagen.«

»Ja, nicht ebenbürtig, aber über mittelgroße Distanzen volleinsatzfähig, so wollte ich es sagen.«

Jetzt schaut er, wie ich schaue. Ich nicke mal.

»Mit der Hauptverantwortung meine ich: Wenn wir beide müde sind oder das Licht nicht mehr gut ist, dann fahre ich einfach, solange es irgendwie geht. Was das Essen betrifft, muss ich zugeben, dass ich dich ein bisschen aus der Küche verdränge. Ich möchte lieber selbst kochen, weil, ja, weil ich nicht das volle Vertrauen habe, dass es bei dir immer schmeckt.«

»Bitte?«

»Jaaa …«

»Was schmeckt denn bitte nicht?«

»Ich habe zum Beispiel heute dieses leckere Essen gemacht, und da waren einfach viele kleine Kniffe dabei, das Würzen, verschiedene Zutaten, es war liebevoll geschnitten. Das dauert immer seine Zeit. Du bist ungeduldiger, und ja, wie du schon sagst, das liegt dann schwerer im Magen. Natürlich macht mir das Kochen auch Spaß, sonst würde ich es nicht tun. Ich trinke dann ein Bierchen dazu.«

Wahnsinn. Aber meine Schnittchen nimmt er immer gerne. Ohne Butter, aber mit Schinken. Üppig belegt. Oder ein Würstchen, aber bitte mit Senf. Und gerne noch etwas Süßes hinterher. Darf es noch ein Schokoladenkeks sein? Mit dicken Backen machen sie immer wilde Gesten, alle beide. Wie oft habe ich die zwei schon auf Parkplätzen abgefüttert. Ein Brot nach vorne, eins auf die Rückbank, eins nach vorne usw. Ich konnte gar nicht so schnell schmieren, wie die Schnittchen weg waren. Und die lagen dann nicht schwer im Magen, oder was? Na ja. Man muss professionell bleiben. Nächste Frage:

»Findest du es denn angenehm, mit mir zu reisen?«

»Sehr. Wenn du bei Sinnen bist, bist du eine sehr gute Beifahrerin. Gut im Finden von Plätzen und gut vorbereitet mit diesen Büchern zu den Badeorten. Ich kann mich darum kümmern, ob man irgendwo Mautgebühren zahlen muss, aber ich bin froh, dass du die Routenplanung machst. Es gab natürlich schon Situationen, in denen du das Handtuch geworfen hast. Wo du gesagt hast: Ich find nix. Dann greife ich ein. Ich weiß, dass du das immer ein bisschen kränkend findest, wenn ich sage: Hier, in 2,8 Kilometern ist was am Schwimmbad! Aber bevor ich am Steuer einschlafe, greife ich eben zu meiner App. Doch das kommt wirklich selten vor. In der Regel hast du es sehr gut im Griff.«

Am Schwimmbad! Am Schwimmbad gibt es immer was. Als ob es um Stellplätze an sich ginge. Natürlich gibt es die. Aber zu laut darf es nicht sein und nicht direkt an der Schnellstraße, gerne im Grünen, aber nicht zu weit von der Autobahn, mit guter Luft und vielleicht sogar mit Aussicht? Schön wäre auch ein Gasthof in der Nähe, also Laufnähe. Nicht zu teuer, aber anständig … Was heißt eigentlich »Wenn du bei Sinnen bist«? Aha, er grinst. Er scheint also bei Sinnen zu sein.

»Und wie siehst du unsere Entwicklung im Wohnmobil? Also von unserem Fiepi und mir?«

»Ich freue mich jedes Mal, dass alles so gut klappt mit euch. Dass alles so gut aufgegangen ist. Mir selbst hat das Fahren ja schon immer Spaß gemacht. Mit 15 hatte ich ein Mofa, mit 18 ein Motorrad, mit 19 einen alten Mercedes. Ich habe das genossen: Voller Tank, und du kannst machen, was du willst! Ich habe auch immer Leute mitgenommen über die Mitfahrzentrale. Und ich bin gerne Taxi gefahren während des Studiums. Wer steigt ein? Gibt es ein interessantes Gespräch? Das hat mir gefallen. Ich habe immer gern gequatscht als Taxifahrer. Ich war wie Frau Mümmel.«

Der Arme. Sein Gehirn ist genauso gewaschen wie meines. Ich denke an Benjamin Blümchen und er an Frau Mümmel. Kennen Sie Frau Mümmel? Ein berufstätiges Kaninchen bei Peppa Wutz – der Schweinchen-Zeichentrick-Serie, die unsere Tochter immer schaut.

»Auf dem Campingplatz quatschst du ja auch gerne.«

»Klar, aber ich habe auch immer Spaß, die Geschichten der Leute zu hören. Im Taxi war ich richtig hungrig darauf. Einen habe ich in den Knast gefahren, die alten Leute zum Arzt, auch Prominente waren dabei. Das war so ähnlich wie beim Campen. Du wusstest nie: Was passiert? Wie wird der Tag? Dazu noch dieses Wohlfühlgefühl im Auto, vor allem im eigenen, wenn es draußen regnet oder schneit. Der Spruch damals war: Ich fahre mein Wohnzimmer spazieren. Und jetzt fahre ich mein Haus.«

»Dann haste dich eigentlich verbessert.«

»Schon. Rückschritte habe ich natürlich bei der Musik gemacht. Ich habe immer meine Musik gehört, und jetzt höre ich Fiepis Kinderlieder. Aber wir sind eben jetzt zusammen unterwegs, und ich genieße das. Diese Enge im Womo kannst du auch als Nähe sehen. Man sitzt nebeneinander, steht nebeneinander, legt die Beine übereinander, legt die Hand mal rüber. Man ist sich vom Platz näher und auch vom Gefühl.

Die Verbundenheit kommt auch daher, dass man im Urlaub die Wege gemeinsam geht, nicht wie zu Hause, wo wir uns alle in verschiedene Richtungen verstreuen, zur Arbeit, zur Schule. Im Womo überlegt man: Was machen WIR morgen? Ich habe mich mit Fiepi sogar auf ihre Filme geeinigt. Ich schaue mit ihr auch ›Ernie und Bert‹. Ich weiß gar nicht, ob ihr das so gut gefällt. Aber sie schaut es halt gerne, weil sie weiß, dass es mir gefällt. Meistens singen wir dann beide das Anfangslied mit und haben ’ne Decke über die Beine.

Irgendwann mache ich trotzdem die Tür zu, die Schiebetür zum Heck. Denn man braucht auch mal sein eigenes Bett und seinen eigenen Sitz. Vor allem, weil ich vorher keinen Sitz habe. Es sei denn, ich gucke ›Ernie und Bert‹. Aber der Normalfall ist: Auf einem Sitz sitzt du, auf dem anderen Fiepi, und weil es eben nur zwei bequeme Drehsitze gibt, muss ich mich hinkauern, auf diesem Notsitz an der Seite, stocksteif, mit den Beinen im Gang. Was auch okay ist, weil ich meistens sowieso in der Küche bin. Es hat sich halt so gefügt. Ich komme mit so wenig Sitzzeit und Sitzplatz klar. Auf der anderen Seite genieße ich es auch, wenn ihr weg seid. Dann benutze ich beide Sitze. Auf dem einen sitze ich, und auf dem anderen lege ich meine Füße ab.«

In letzter Zeit lässt er das Hubbett sogar schon halb herunter, während wir beide noch vorne herumlümmeln. Und ich habe plötzlich ein Brett vorm Kopf. Das finde ich schon sehr deutlich als Zeichen. Aber gut, ein bisschen kann ich es verstehen. Ich krieche dann auch weg. Unterm Bett hindurch, nach hinten.

»So richtig Zeit für uns beide haben wir eigentlich nur beim Fahren. Dabei kann man gut erzählen und zuhören. Zu Hause ist man schnell beim Organisieren, aber hier im Womo kann man nette Sachen besprechen, wie die letzte Tour war, wo man noch hinfahren will oder wie sich Fiepi entwickelt hat.

Mittlerweile nimmt sie natürlich viel mehr Platz ein im Womo. Weil sie eben ihre Musik einfordert und auch das eine oder andere Essen. Und weil sie ohnehin gerade ihre rebellische Phase hat. Aber Platz nimmt man ja auch nur dort ein, wo man sich zu Hause fühlt. Heute früh kam einer und meinte auf Bayerisch zu ihr: ›Ah, bist a Camperin? Give me five!‹ Fiepi war gerade auf meinen Schultern, zum Reiten, und hat eingeschlagen und gesagt: ›Ja, ja!‹ Die ist schon ’ne Top-Beifahrerin! Oder Mitfahrerin. Sie meckert auch nicht darüber, was wir hier machen, sondern fährt in der Regel brav mit. Man muss halt ihre Befehle befolgen.

Auch bei dir ist es so, dass du dich im Womo eindeutig zum Guten entwickelst. Du bist lustiger. Es ist insgesamt eine entspanntere Stimmung als zu Hause. Du sagst ja gern, dass man darauf angewiesen sei, dass die Stimmung gut bleibt im Wohnmobil. Weil man nicht in einen anderen Raum gehen kann. Aber diesen Zwang spüre ich eigentlich selten. Außerdem habe ich ja nie schlechte Laune. Okay, morgens habe ich immer schlechte Laune. Und im Womo ist sie halt noch schlechter wegen der schlechten Luft.

Schön wäre, man könnte sich diese besondere Stimmung, dieses Es-sich-gemütlich-Machen nach der Rückkehr bewahren. Zu Hause ist es ja nicht immer so gemütlich. Das Chaos, das Fiepi anrichtet, ist auch noch größer. Hier ist maximal in einer halben Stunde alles wieder an seinem Platz, es gibt gutes Essen, und es wird eingeheizt. Es ist schon so, wie du sagst: Eigentlich führen wir im Womo das bessere Leben.

So, hast du noch eine praktische Frage an mich?«

»Wir müssen hier ab.«

Drei Dinge sind mir noch wichtig. Erstens, ich lache auch zu Hause. Zweitens, ich kann sehr wohl kochen. Drittens: Meine Liebe liegt nicht schwer im Magen.