Mein Mann hatte mir gesagt, dass er ein Camper sei, gleich zu Beginn, als wir uns kennenlernten. Ich hatte gelächelt, wollte die Stimmung nicht sofort ruinieren. Ich sah an diesem ersten Abend im Sommer 2013, als wir in seinem VW-Bus saßen, über vieles hinweg, auch über die gelblichen Felle, die er über die Vordersitze gelegt hatte, echte Felle von seinem Vater, wie er betonte. Ich dachte kurz an Milben, dann sprachen wir über ein Wiedersehen.
Heute zahlen wir gemeinsam einen Kredit für unser neues Wohnmobil ab. Wir bekommen Weihnachtskarten von den Betreibern eines Campingplatzes und haben sogar einen eigenen Feiertag eingeführt, auf meinen Vorschlag hin: den Camper-Geburtstag. Es ist der 29. Juni.
Ich denke, Menschen können sich ändern. Aber was mit mir geschehen ist, verstehe ich bis heute nicht genau. Ich war eher der Dachterrassen-Typ – vor der Hochzeit.
Als wir das erste Mal unser Wohnmobil vor unserer Wohnung parkten, im Frühsommer 2018, sprach die Nachbarin von einem Monster. Es war seltsam, aber es verletzte mich ein bisschen. Ich finde unser Monster schön. Und natürlich überragt es die Hecke, wofür haben wir uns sonst verschuldet?
Wichtig ist, dass das Modell zu einem passt. Ich habe deshalb auf einer Beifahrertür bestanden. Jede Frau will mal aussteigen. Und jeder Mann auch. Und beim sogenannten »Vollintegrierten«, vorn mit riesiger Frontscheibe, ohne Tür zur Rechten, sitzt man schnell in der Falle. Teilintegriert heißt teilemanzipiert, das war meine erste Lektion, lieber ein echtes Fahrerhaus als ein gläserner Käfig.
Wer am Steuer sitzt, ist für mich keine Frage von Gleichberechtigung. Darf es auch nicht sein, denn ich bin das Monster bisher nur auf einer Wiese gefahren. 7,77 Meter mit ausschwenkendem Heck. Mir selbst reicht – vorerst – das gute Gefühl, dass mir die Hälfte des Wohnmobils gehört, bezahlt vom selbst verdienten Geld.
Zweite Lektion: Der Camper, wie jeder Urlauber, und erst recht wie jeder Individualtourist, lebt von der Abgrenzung. Ich zum Beispiel habe lange mit der Inneneinrichtung gehadert. Ich habe mich gefragt, ob mein Ich all dieses geschwungene Holzimitat verkraftet, all diese stoffbespannten Wandverkleidungen, habe mich und diese Inneneinrichtung mit den Augen anderer gesehen und so etwas wie Scham gespürt. Was, wenn die anderen glauben, dass mir das gefällt?
Mein Mann sagte: Wichtig ist, dass es praktisch ist. Heute weiß ich: Er hat recht. Die Schönheit eines Schranks liegt in seiner Funktionalität. Besser geschlafen haben wir auch als die Coolen im Dachzelt, obwohl ihr Schlafzimmer lässiger wirkt. Und dass der Mann vom ADAC das Design in Echtholz beim selbst ausgebauten Feuerwehrauto zu schätzen weiß, das 18 Liter Benzin frisst und schon im Teutoburger Wald liegen bleibt, glaube ich nicht. So rede ich mir selbst gut zu, um den Neid zu überdecken. Und mein Mann nickt.
Als ich im Urlaub plötzlich einen Beitrag las, in dem von rollenden Einfamilienhäusern die Rede war, auch noch geschrieben von meinem Chef, hat es mich trotzdem kalt erwischt. Selbstverständlich haben auch wir die fahrenden Geranien unseres Wohnwagen-Nachbarn belächelt. Aber ich fühlte mich trotzdem unangenehm angesprochen. Fühlte mich plötzlich alt. Unsexy, nur weil ich nicht auch meinen Jahresurlaub in einem abgetakelten VW-Bus verbringe. Mein Gott, mein wahres Ich sitzt natürlich am liebsten im Expeditionsfahrzeug, aber mein Mutter- und Ehefrau-Ich eben nicht. Immerhin haben wir uns gestreifte Sitzbezüge nähen lassen.
Im Geiste holte ich zum Gegenschlag aus. Ich stellte mir vor, wie ich meinen Chef fragen würde, warum er noch auf Campingplätze gehe. Um dann eher beiläufig davon zu erzählen, dass wir ja autark seien, Toilette, Dusche, alles an Bord. Und am schönsten sei es doch auf irgendeiner Wiese oder direkt an der Hafenmole. Ich überlegte mir immer gemeinere Fragen, etwa die, wie er das denn mit den warmen Croissants hinbekomme. Tatsächlich hatten wir bei den Extras einen Backofen genommen – eine wunderbare Entscheidung.
Mir ist klar, dass sich die Ambivalenz meines alternden Ichs in meinem Wohnmobil widerspiegelt: die Nähe zur Natur genauso zu lieben wie den Boost-Knopf für die heiße Dusche, den Sternenhimmel hinterm Panoramafenster genauso wie meine Matratze.
Als mein Mann und ich damals, an unserem ersten Abend, über unsere Zukunft sprachen, er hier, ich dort, Fernbeziehung über 500 Kilometer, jeder mit seinem Job verheiratet, da schlug er mir grinsend vor, ich könne ja kündigen, zu ihm ziehen und künftig eine Kolumne schreiben für die Lokalzeitung seiner Stadt. Eine »Vorzelt-Kolumne«, nannte er sie, weil er sich gerade ein neues Vorzelt für seinen VW-Bus gekauft hatte.
Umgezogen bin ich tatsächlich, zur Geburt unserer Tochter. Habe meine Altersvorsorge beim Autohändler verjubelt. Und jetzt dieses Buch. Ich denke, Menschen können sich ändern. Wenigstens habe ich bei der Hochzeit meinen Namen behalten.
PS: Sie überlegen, einen Probeurlaub im geliehenen Wohnmobil zu machen? Wenn es Ihnen Ernst ist mit dem Campen, tun Sie es nicht. Es macht die erste Woche keinen Spaß. Es ist eng, das Klo fängt an zu stinken, und Sie beherrschen die Technik nicht. Im schlimmsten Fall bleiben Sie mit dem Alkoven an einer Brücke hängen. Kaufen Sie lieber gleich, ohne Probeurlaub, ohne Probenacht. So wie wir. Der Mensch ist einfach so: Er liebt umso stärker, was er sich selbst eingebrockt hat.