NACHWORT – Was bringt die Zukunft?

Bei unserer letzten Sommertour habe ich eine Butterdose für unser Wohnmobil gekauft, ein Top-Produkt, made in Switzerland, aus hochwertigem Kunststoff, spülmaschinenfest und mit einem sagenhaften Versprechen auf der Banderole.

»Schau mal«, sage ich zu meinem Mann, »30 Jahre Garantie!«

Die Frage ist nur: Wo sind wir, wenn die Butterdose noch da ist?

Einmal sah ich einen Rollator vor einem Wohnmobil stehen. Doch so weit, glaube ich, würde ich nicht gehen.

Auf jeden Fall haben wir noch Träume. Und für diese kleinen und großen Träume haben wir angefangen Lotto zu spielen. Jeder von uns bekam ein Feld auf dem Lottoschein: unsere Tochter, mein Mann, das Monster und ich. Im Wohnmobil-Feld trugen wir die Zahlen unseres Kennzeichens ein und den Camper-Geburtstag. Seitdem warten wir und sparen. Auf Hubstützen oder Verschiffungen nach Island und Amerika. Oder gar ein anderes Monster am Horizont?

Manchmal denke ich, es wäre schön, wieder nur privat unterwegs zu sein. »Hey, ist das nicht Camping-Sandy? Da drüben im Bademantel?« So spielt mir mein Mann regelmäßig die Szene vor, bei der es mich schüttelt. Manchmal spricht er sogar mit verschiedenen Stimmen. Gern wäre ich wieder nur ein Bademantel unter Millionen, ohne die Gefahr, erkannt zu werden. Sie wissen mittlerweile ja doch eine Menge über uns. Das nächste Buch übrigens, hat mein Mann angekündigt, werde er schreiben. Und ich bekäme dann ein Kapitel: »Jetzt spricht sie!« Nun ja, wir werden sehen.

Zum Schluss aber will ich noch einmal ernst werden und Ihnen von einem Moment erzählen, in dem sich alles verdichtete, was Familiencamping für mich ausmacht. Es war bei unserer Tour an die Nordsee, der letzten, bevor das Wohnmobil in seiner Winterhalle Zuflucht suchen würde vor Eis und Schnee, der letzten auch vor der Abgabe dieses Manuskripts.

Wir standen in einem holländischen Städtchen und spürten die Müdigkeit in den Knochen. Den Tag über hatten wir dem Nebel getrotzt, waren kreuz und quer über den Strand gerannt, um einen fluglahmen Drachen in die Luft zu befördern, was immer nur so lange gelang, bis sich die Schnüre verzwirbelten und unsere Tochter dem bunten Geflatter entgegenlief, anstatt es hinter sich herzuziehen.

Ihr Ehrgeiz hatte, wenn man ehrlich ist, ohnehin nicht dem Drachen gegolten, sondern dem Mützenwurf. Würde sie schneller, wendiger und geschickter sein als ihr Vater? Würde sie es schaffen, die rückwärts hüpfende Mutter hinter sich zu lassen, die immerzu in den Himmel rief: »Guck mal, wie er tanzt!«? Kurz: Würde sie genügend Vorsprung gewinnen für den Sprint ans Wasser und den Wurf in die Wellen?

Das waren unsere Wirrnisse des Tages gewesen, nun aber, am Abend, hatte jeder seinen Platz eingenommen: die nasse Mütze in der Heckgarage, unsere Tochter und ich auf den gedrehten Vordersitzen, ich mit Blick auf den unvermeidlichen Laptop, sie mit Blick auf den unvermeidlichen Elefanten und mein Mann am Herd – mit Blick aufs Risotto.

Der Duft von gebratenem Knoblauch, von Möhre und Schinken waberte durchs Fahrzeug, die Heizung wärmte, die Butterreste aus der alten Butterdose schmolzen in der Pfanne, und die neue Dose stand schon bereit, um eine neue Ära einzuläuten. In diesem Moment war die Welt in Ordnung, unsere Welt zu dritt, die unserer Tochter eben deshalb so gefällt, weil sie so überschaubar ist zwischen Spielzeugfach und Abendbrotteller, so vertraut zwischen Rollo hoch am Morgen und Rollo runter am Abend, so geschützt und beschützt zwischen Mama und Papa und den Wänden des Wohnmobils.

Und während ich so saß und schaute, hinaus auf den Stellplatz und hinüber zu diesen beiden Menschen, die nicht nur die Hauptpersonen unserer Monstertouren sind, sondern auch die Hauptpersonen meines Lebens, dachte ich darüber nach, wie froh ich bin über unsere Entscheidung, die wir vor mehr als fünf Jahren trafen: uns künftig campend durchs Leben zu schlagen.

Natürlich gelingt das nicht mühelos, natürlich stimmt auch der Satz, den eine Frau mal auf einer Campingmesse zischte, als sie an einem Wohnmobil vorüberging: »Voll unpraktisch, mir da so ein Viech anzuschaffen!« Auf der anderen Seite: Auch Viecher kann man liebhaben. Zumal, wenn sie Monster sind.

Deswegen leuchtete mir auch einer der vielen Ratschläge meines Mannes sofort ein. Das Elektronikfach, hatte er einmal gesagt, solle man immer abschließen, ob tags oder nachts. »Das ist«, hatte er begonnen, und ich hatte seinen Satz vollendet: »Das ist das Herz des Wohnmobils.« Und das Wohnmobil ist der Mittelpunkt unseres Familienlebens.

Der Abschied vom Monster ist daher immer ein Einschnitt. Mit ihm beginnt eine eigene Jahreszeit, nämlich die Wochen zwischen der einen Saison und der nächsten, zwischen Winter- und Frühlingscampen, und diese Wochen können lang werden, für alle von uns. Das Wohnmobil steht in seiner Halle, in Reih und Glied mit den anderen abgestellten Fahrzeugen, und sieht zum ersten Mal aus wie ein Auto. Unbehaust und unbeseelt. Wir sitzen auf dem Sofa und müssen uns erst mal zurechtfinden. Behaust, aber orientierungslos.

Mir hilft es, mit der ungewohnten Situation umzugehen, indem ich die Hallenzeit als eine Art Fastenzeit verstehe. Das Wohnmobil regeneriert, der Körper entwöhnt sich vom Campen, entschlackt. Der Geist aber geht, angestachelt vom Verzicht, schon wieder auf Monstertour. In den Norden würde ich gerne das nächste Mal fahren, habe ich mir überlegt, zu den Elchen und den Fjorden.

Mit dem Bücherschreiben ist es übrigens so wie mit dem Campen: Es macht fröhlich, auch wenn es nicht immer lustig ist. Und deswegen ist es toll, dass ich dieses Buch schreiben konnte. Und es ist gut, dass es jetzt zu Ende ist. Und ich wieder in Ruhe campen gehen kann.

Wir sehen uns – auf dem nächsten Stellplatz! Irgendwo am Meer.